Tag: Abdankung

  • Petru Groza und die Machtübernahme durch die Kommunisten

    Petru Groza und die Machtübernahme durch die Kommunisten

    Unter der Führung seiner Regierung erfolgte die Abdankung des Königs Michael I. und die Umwandlung des Königreichs Rumänien in die Rumänische Volksrepublik. Damit öffnete Petru Groza den Weg für Jahrzehnte des Kommunismus in Rumänien, aber er ermöglichte auch die Zurückgewinnung der Gebiete im Nordsiebenbürgen. Ab 1952 war Petru Groza Präsident der Gro‎ßen Nationalversammlung der Rumänischen Volksrepublik — eine Funktion, die der des Staatsoberhauptes entsprach.



    Petru Groza war eine der komplexesten Persönlichkeiten der rumänischen Geschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der am 7. Dezember 1884 in der Ortschaft Băcia, Kreis Hunedoara, geborene Petru Groza studierte Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft an den Universitäten Budapest und Leipzig. Bei letzterer promovierte er 1907. Er war Rechtsanwalt und war auch politisch aktiv als Mitglied der Rumänischen Nationalpartei, die sich für die Rechte der Rumänen in Österreich-Ungarn einsetzte. Nach 1918 war Petru Groza Mitglied der Volkspartei und 1933 gründete er die Front der Pflüger, eine politische Organisation der Bauern in Rumänien. In den 1930er Jahren wurde er Antifaschist und arbeitete mit der Sozialistischen Partei und der Ungarischen Partei zusammen. In der gleichen Zeit kam er den Kommunisten näher, und das war ein entscheidender Schritt für seine zukünftige Karriere.



    Am 6. März 1945 zwangen die Sowjets König Michael I. von Rumänien zur Bildung einer Regierung unter der Führung von Petru Groza. Es war die Regierung, die die rumänische Demokratie zerstörte. Die Wirtschaft wurde verstaatlicht, die politischen Parteien wurden abgeschafft (mit Ausnahme der Kommunistischen Partei, die die Macht übernahm), die Monarchie wurde aufgelöst und viele ehemalige Politiker, Intellektuelle und einfache Menschen wurden wegen erfundener Verbrechen zum Gefängnis verurteilt. So war Petru Groza ein wesentlicher Akteur bei der Errichtung und dem Fortbestand des kommunistischen Regimes in Rumänien.



    Nach der Wende 1989 versuchten die Historiker, ein wahrheitsgetreues Profil von Petru Groza zu präsentieren. Das Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des Rumänischen Rundfunks hat mit seinen Quellen zum Skizzieren dieses Profils beigetragen. Petru Grozas Tochter, Maria Groza, war seine Sekretärin und Vertraute. 1995 sprach Maria Groza in einem Interview mit dem Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des Rumänischen Rundfunks über die Bemühungen ihres Vaters, an der Macht zu bleiben:



    Es gab viele widersprüchliche Tendenzen, die sich in dieser Zeit manifestierten, und dann wurde die Frage der Agrarreform aufgeworfen, die Petru Groza sehr beunruhigte. Dann gab es die Probleme mit Siebenbürgen und den Ereignissen in Cluj (Klausenburg). Die Agrarreform machte ihm gro‎ße Sorgen, denn er war nicht für die Kollektivierung, in der Perspektive der Jahre wurde ihm klar, was der Landbesitz für die rumänischen Bauern bedeutete. Aber es gab bestimmte Umstände, die bestimmte Situationen aufzwangen. Dann war er sehr besorgt über die Beziehungen zu den Nachbarländern Rumäniens, denn er sagte immer: ‚Wir könnten mit diesem oder jenem Land befreundet sein, aber wir müssen gute Beziehungen zu unseren Nachbarn pflegen.‘ Daher unternahm er Arbeitsbesuche in alle Nachbarländer, einschlie‎ßlich in die Sowjetunion. Ich war auch mit ihm in Moskau, aber Stalin sah ich nicht, ich traf nur Dimitrow. Wir waren in Moskau und eines Abends gingen wir in die Oper. Mein Vater liebte die Oper und im Bolschoi Theater gab es au‎ßergewöhnliche Aufführungen. Am ersten Abend im Bolschoi Theater war ich in der Loge und es kam ein Mitarbeiter von Stalin zu uns, um meinen Vater zu Stalin zu führen. Er ging in Stalins Loge und sie hatten ein langes Gespräch, sie diskutierten sehr intensiv über die Perspektiven Rumäniens.“




    Der Diplomat Pamfil Ripoşanu war Mitglied der Nationalen Bauernpartei, unter der Führung von Iuliu Maniu. Die Bauernpartei war eine der demokratischen Parteien, die unter der kommunistischen Repression in Rumänien am meisten gelitten hat. Pamfil Ripoşanu war ein Jugendfreund von Petru Groza, aber sie hatten unterschiedliche politische Ansichten. 1995 erzählte Pamfil Ripoşanu in einem Interview mit dem Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte, wie sein Freund Petru Groza im März 1945 an die Macht kam:



    Während es sehr fortgeschrittene Diskussionen über die Bildung einer Koalitionsregierung gab, war ich eines Tages im März 1945 im Regierungsgebäude. Petru Groza sagte mir, ich sollte aus dem Fenster schauen — die russischen Panzer fuhren auf der Calea Victoriei (Siegesstra‎ße). Da fragte er mich: ‚Was nun?‘ Kurz darauf wurde der sowjetische Au‎ßenminister Andrej Wyschinski angekündigt. Wyschinski kam zu uns in Begleitung eines sowjetischen Generals, der gut Rumänisch sprach und als Dolmetscher fungierte. Wyschinski sagte zu Groza: ‚Ich bringe Ihnen die Botschaft des gro‎ßen Stalin, der Sie bittet, die Regierung zu bilden. Wenn Sie die Regierung bilden, wird das gesamte Siebenbürgen zu Rumänien gehören.‘ Die vom rumänischen Au‎ßenminister Vişoianu unterzeichnete Moskauer Konvention besagte: ‚Das gesamte Siebenbürgen oder der grö‎ßte Teil Siebenbürgens wird Rumänien gehören.‘ Und nun sagte Wyschinski: ‚das gesamte Siebenbürgen‘. Darauf antwortete Groza: ‚Aber was sagt Chef Stalin dazu?‘ Von der Regierung rief man Stalin an, und Stalin gab diese Botschaft weiter: ‚Sag Petru Groza Folgendes: Wenn er in 48 Stunden die Regierung bildet, wird ganz Siebenbürgen Rumänien gehören.‘ Petru Groza war sehr, sehr rot im Gesicht und sehr aufgeregt.“




    In jenen angespannten Momenten waren die getroffenen Beschlüsse entscheidend für die Zukunft Rumäniens. Zeitzeuge Pamfil Ripoşanu:



    Damals erlebte Rumänien die Tragödie der Teilung Siebenbürgens durch den Ribbentrop-Molotow-Pakt. Die Hälfte Siebenbürgens war an Ungarn abgetreten worden. Groza sagte zu mir: ‚Ich gehe zum Königspalast und sage seiner Majestät, dass ich das Angebot Stalins akzeptiere. Geh zu Herrn Maniu (Iuliu Maniu war der Vorsitzende der Nationalen Bauernpartei) und sag ihm, was hier passiert ist.‘ Wir waren uns einig, dass wir vom Königspalast aus zu Iuliu Maniu gehen sollten, der in der Nähe, gegenüber vom Park Cişmigiu wohnte. Ich erzählte Maniu über das Gespräch mit Wyschinski, und er wurde sehr beunruhigt. Innerhalb von zwei Stunden kam auch Petru Groza, er war sehr aufgeregt und sehr rot im Gesicht. Und dann fand dieses Gespräch zwischen Iuliu Maniu und Petru Groza statt: ‚Herr Vorsitzender, lassen Sie mich nicht allein, kommen Sie mit mir‘, sagte Groza. Und Maniu antwortete: ‚Herr Groza, ich beteilige mich nicht an dieser Regierung. Und ich rate Ihnen auch davon ab. Es ist zu schade um Ihren guten Namen. Ich wei‎ß nicht, wo Ihre Ehegattin, Frau Groza, ist. Ich würde Frau Groza auch bitten, Ihnen von der Beteiligung an dieser Regierung abzuraten. Zu schade um Ihren guten Namen!‘ Petru Groza wurde wütend und fing an, mit der Faust auf Manius Schreibtisch zu schlagen: ‚Herr Parteipräsident, wenn ich meinem Land fünf Minuten lang helfen kann, werde ich meinen Namen zum Teufel schicken! Meine Kinder können ihren Namen ändern!‘ Und so kam die Regierung Petru Groza zustande.“




    1958 starb Petru Groza im Alter von 73 Jahren. Aber das kommunistische Regime, das er installiert und konsolidiert hatte, blieb weitere 31 Jahre an der Macht.

  • 30. Dezember 1947: Die erzwungene Abdankung des Königs Michael I.

    30. Dezember 1947: Die erzwungene Abdankung des Königs Michael I.

    König Michael hat oftmals erzählt, wie der Tag verlief, der die Zeitgeschichte Rumäniens veränderte, und wie ihm die kommunistischen Anführer das Abdankungs-Dekret vorlegten. Andere Zeitzeugen beschreiben die bedrückende Atmosphäre an dem Tag. Man spürte die Brutalität der neuen kommunistischen Ordnung. Eine der Zeitzeugen-Erinnerungen stammt vom Unterleutnant Miloş Pavel, Offizier im Bataillon der Königlichen Garde, der die Aufstellung kommandierte, die dem König den letzten Militärgru‎ß am 30. Dezember 1947 ausgerichtet hat.



    Das Bataillon der Königlichen Garde war dem Verteidigungsministerium untergestellt, wie jede andere Militärkaserne im Land. Die Kader, Offiziere und Unteroffiziere hatten dieselben Sold-Rechte wie die anderen Soldaten, aber die Militärs der Königlichen Garde hatten eine etwas besondere Uniform. Das Bataillon hatte vier Einheiten, jeweils zwei bei jeder königlichen Residenz, in Bukarest und in Sinaia. Jede Einheit hatte etwa 100 Militärs, die in drei Zügen aufgeteilt waren. Sie besa‎ßen nur leichte Infanterie-Waffen. Miloş Pavel wurde 1997 vom Zentrum für Mündliche Geschichte des Rumänischen Rundfunk interviewt. Er erinnerte sich, wie man als Militär in das Garde-Bataillon aufgenommen wurde.



    Die Offiziere, die in diese Elite-Einheit der rumänischen Armee versetzt wurden, wurden aufgrund bestimmter Kriterien ausgewählt. Sie hatten entweder Militärschulen im Ausland besucht oder eine au‎ßerordentliche Militärtätigkeit im Land gehabt. Die soziale Herkunft spielte dabei keine Rolle. Ich bin ein Bauernsohn und meine drei Kameraden, die zur gleichen Zeit versetzt wurden, entstammten der Mittelschicht: Beamte, Kaufleute. Die Herkunft spielte keine Rolle, man musste aber gebildet sein und körperlich bestimmte Bedingungen erfüllen: grö‎ßer als 1,80 m sein und ein angenehmes Gesicht haben, weil man an Protokoll-Missionen teilnahm.“




    Im Herbst 1947 leitete der Hauptmann Mihail Georgel die Garde-Einheiten in Sinaia, beim Schloss Peleş. Miloş Pavel leitete einen dieser Züge und am 30. Dezember sollte ein anderer Offizier ihn ersetzen.



    Am 30. Dezember 1947, morgens um 8.30 Uhr, war ich der letzte Garde-Offizier beim Peleş-Schloss, der noch die Gelegenheit hatte, dem König Michael und der Königinmutter Elena zusammen mit der Garde den militärischen Gru‎ß zu erweisen, als sie nach Bukarest wegfuhren. Das war das Protokoll, wenn die Residenzen gewechselt wurden. Gegen 12 Uhr an dem Tag hat mich ein Kamerad ersetzt und ich begann mich für die Fahrt nach Hause, zu meinen Eltern und Geschwistern, die in einem Dorf im Landkreis Râmnicu Sărat wohnten, vorzubereiten. Um meinen Sold einzukassieren, musste ich aber die Kaserne beim Victoria-Palast in Bukarest besuchen. Gegen 13 Uhr bin ich mit einem LKW der Schloss-Verwaltung, der Zivilpersonal und unterschiedliche Materialien zwischen den Residenzen transportierte, nach Bukarest losgefahren.“




    Um ihre eigene Mission zu erleichtern, hat die kommunistische Regierung die Königliche Schloss-Garde mit Militärs der Division Tudor Vladimirescu“ ersetzt. Diese war aus rumänischen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion gebildet, die zusammen mit der sowjetischen Armee zurückgekommen waren. Miloş Pavel wurde in Bukarest verhaftet. Im Interview mit dem Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des rumänischen Rundfunks erinnerte er sich an die Umstände:



    Der Himmel war bedeckt, da war wenig Schnee, es war aber sehr kalt und nebelig, insbesondere im Gebirge. Unter diesen Bedingungen sind wir um 16 Uhr in Bukarest angekommen und sollten durch die hintere Dienst-Tür ins Victoria-Schloss eintreten. Auf dem Weg fiel uns nichts auf, das darauf hätte hindeuten können, dass das Leben und die Geschichte des rumänischen Volkes einen anderen Kurs einnehmen würden. Der Eingang wurde normalerweise von einem Soldaten der Garde-Einheit in Bukarest bewacht. Dieser kannte die Abzeichen aller Fahrzeuge des Schlosses. Diese trugen das Emblem SR, Serviciul Regal, Königlicher Dienst. Wir wurden aber von zwei Soldaten, die wie die russischen Soldaten bewaffnet waren, empfangen. Sie sprachen aber Rumänisch und trugen auf dem rechten Arm der Uniform das Abzeichen der Pandur-Soldaten der Division Tudor Vladimirescu, das Abzeichen des Verrates und der Schande. Das war der Moment und die Stunde, in dem mein Geist und mein Wesen von einem Blitz getroffen wurden. Von einem Blitz, der der angespannten Atmosphäre des Herbstes entstammte. Das Unvermeidliche war passiert und wir betraten das Unbekannte. Die Zivilisten im Victoria-Schloss wurden in das Verwaltungsbüro gebracht, ich als Offizier in die Kaserne der Garde-Einheit. Hier traf ich einen Teil meiner Kameraden, Offiziere im Garde-Bataillon, die von den Ereignissen hier überrascht wurden. Alle wurden entwaffnet, Offiziere und Soldaten, und wurden unter Arrest gestellt.“




    Die Monarchie, die letzte demokratische Hürde gegen die Machtergreifung des kommunistischen Regimes, ist an jenem Tag gefallen. Resignation machte sich breit, und für die Menschen begannen damals ein neues Leben, das einer vermeintlich besseren Zukunft entsprach. In Wirklichkeit war es die schlimmste Epoche in der modernen Geschichte Rumäniens.

  • Königin Anna ist im Alter von 92 Jahren gestorben

    Königin Anna ist im Alter von 92 Jahren gestorben

    Anna von Bourbon-Parma war die Tochter von Prinz René de Bourbon-Parma und Prinzessin Margarethe von Dänemark. Sie wurde am 18. September 1923 in Paris geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie in Frankreich, 1939 zog sie mit der Familie, nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, nach Spanien und in die USA, wo sie Kunst studierte. 1943 schloss sie sich freiwillig der französischen Armee an. Ihr Regiment wurde in Marokko, Italien, Luxemburg und Deutschland eingesetzt und Anna wurde für ihr Engagement mit dem “Croix de guerre (Kriegskreuz) Frankreichs geehrt. Sie traf Michael in November 1947 bei den Hochzeitsfeierlichkeiten der Königin Elisabeth II von Großbritannien. Der damals noch regierende König Rumäniens hielt um ihre Hand an, die Hochzeit fand in Griechenland statt. Im Dezember desselben Jahres wurde der König Michael von der kommunistischen Partei zur Abdankung gezwungen und das Paar ging ins Exil.



    40 der rund 70 Ehejahre, verbrachten Anna und Michael in Großbritannien und in der Schweiz. Nach der blutigen Wende wollte das königliche Paar Rumänien besuchen, der damalige Staatspräsident Ion Iliescu verweigerte ihm die Einreise. Wir haben den Historiker Adrian Niculescu um Details über die Exiljahre der königlichen Familie Rumäniens gebeten: “Die Rolle der Königin Anna war jene der Gattin eines früheren Königs, der im Exil leben muss. Sie teilte sein Schicksal und sie haben in ihrem Exilland eine Familie gegründet. Sie hatte eine institutionelle Rolle, sie hat dem König Michael im Exil beigestanden und ihn moralisch unterstützt.



    Der Staatschef Klaus Iohannis äußerte in einer Pressemeldung, dass Ihre Majestät Königin Anna für immer im Gedächtnis und in den Seelen aller Rumänen als Sinnbild der Weisheit, Würde und Moral bleiben werde. Auch der Premier Dacian Cioloş sagte, dass die Königin im Gedächtnis ihres Volkes für immer als Sinnbild der Vornehmheit, Besonnenheit und Würde bleiben wird. Der Patriarch der rumänischen Orthodoxen Kirche Daniel und zahlreiche Politiker sprachen auch ihr Beileid aus. Der Ehrenvorsitzende der national-liberalen Partei Mircea Ionescu Quintus zeigte sich tief betroffen vom Tod der Königin Anna: “Ich habe sie persönlich kennengelernt. Selbst wenn sie nie offiziell Königin in Rumänien war, galt sie als solche, nicht nur weil sie Mitglied eines königlichen Hauses war, sondern weil sie ein königliches Verhalten hatte. Ich werde mich immer daran erinnern. Ich bin traurig über ihren Tod, ich bin traurig, dass unser König von nun an, alleine geblieben ist. Der Vorsitzende der sozial-demokratischen Senatoren Mihai Fifor drückte auch sein Beileid aus: “Die vierte Königin Rumäniens, Ihre Majestät Königin Anna ist auch aus dem Leben getreten. Wir trauern und denken an den König Michael und an das ganze königliche Haus. Anna soll von der Schweiz nach Rumänien überführt werden. Sie wird ihre ewige Ruhe auf dem königlichen Friedhof in Curtea de Argeş finden.




  • Papst Benedikt XVI. dankt ab

    Papst Benedikt XVI. dankt ab

    Der 265. Papst in der Geschichte der Römisch-Katholischen Kirche, Benedikt der XVI., hat seinen Rücktritt angekündigt. In der Modernen Zeit hatte bislang noch kein Papst abgedankt. Über die Bedeutung seines Pontifikats und die Auswirkungen seiner Geste sprachen wir in unserer Sendereihe “Das globale Dorf” mit Pater Adrian Dancă, dem Leiter des rumänischsprachigen Dienstes von Radio Vatikan.



    Die Ankündigung seines Rücktritts machte das Kirchenoberhaupt selbst, in einer Botschaft in lateinischer Sprache. Als Hauptgrund für seinen Rücktritt gab Benedikt die prekäre Gesundheit an:



    Nachdem ich wiederholt mein Gewissen vor Gott geprüft habe, bin ich zur Gewissheit gelangt, dass meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben. Um trotzdem das Schifflein Petri zu steuern und das Evangelium zu verkünden, ist sowohl die Kraft des Körpers als auch die Kraft des Geistes notwendig, eine Kraft, die in den vergangenen Monaten in mir derart abgenommen hat, dass ich mein Unvermögen erkennen muss, den mir anvertrauten Dienst weiter gut auszuführen. Sehr geliebte Brüder, ich danke Euch vom ganzen Herzen für eure Liebe und Eure Mühe bei der Unterstützung meiner Aufgabe und ich bitte Euch um Verzeihung für meine Fehler“.



    Papst Benedikt XVI. war im Konklave am 18. und 19. April 2005 zum Nachfolger des verstorbenen Johannes Paul II. gewählt worden. Sein angekündigter Rücktritt überraschte nicht nur die katholische Gemeinschaft. Pater Adrian Dancă, Leiter des rumänischsprachigen Dienstes von Radio Vatikan, schätzte in einem Interview mit Radio Rumänien, dass die Geste des Papstes eine Neubearbeitung des Kirchenrechts nach sich ziehen werde. Somit würde der Status desjenigen geregelt, der vom Heiligen Stuhl zurücktritt:



    Seine Geste hat das Kirchenrecht der katholischen Kirche überrascht, im Sinne, dass eine solche Möglichkeit nicht vorgesehen ist. Aber er hatte bereits in dem Interviewband Licht der Welt“ im Jahr 2010 gesagt, dass der Papst die Freiheit haben sollte, abzudanken. Sein Status würde einen äu‎ßerst bedeutenden Präzedenzfall für die Zukunft der Kirche darstellen.“



    Adrian Dancă sprach auch über die Bedeutung des Pontfikats Benedikts des XVI.



    Es ist ein äu‎ßerst bedeutendes Pontifikat, weil sich der Papst zum ersten Mal die volle Freiheit genommen hat, er selbst zu sein, seine Taten in Einklang mit seinen Worten zu bringen und den Katholiken ein gro‎ßes Hoffnungssignal zu übersenden. Er ist ein gro‎ßer Mensch, ein gro‎ßer Theologe und ein gro‎ßer Hirte. Der Papst zeigt uns, dass die Katholische Kirche frei sein, und so gut wie möglich den Ansprüchen der Verkündigung des Evangeliums in unseren Zeiten gerecht werden muss. Aus sozialer Sicht, kann zweifelsohne behauptet werden, dass seine Rolle in vielen Belangen entscheidend war, einschlie‎ßlich auf Ebene der Zivilgesellschaft in Europa. Während seiner apostolischen Besuche auf der ganzen Welt hat sich der Heilige Vater fern von alltäglichen Querelen gehalten, er hat versucht, in politischen Umfeldern jene Werte zu vermitteln, ohne die eine moderne Gesellschaft nicht bestehen kann. Mehrmals hat er darauf hingewiesen, dass ein liberaler und demokratischer Staat sich aus Werten nährt, die er selbst nicht erzeugen kann. Und diese Werte entstammen eben den jüdisch-christlichen Wurzeln der europäischen Kultur und des modernen Staates.“



    Die Entscheidung Benedikt des XVI., abzudanken, entspricht dem Kanon der Katholischen Kirche, der vorsieht, dass ein Papst zurücktreten kann, unter der Bedingung, es aus freien Stücken zu tun. Theologie-Professor Radu Preda glaubt, dass diese Art von Rücktritt zu einer Imageverbesserung für die Katholische Kirche führen wird, die in letzter Zeit mit mehreren Skandalen konfrontiert war:



    Es ist eine würdige Geste, die einerseits allen zeigt, dass auf einer solchen Ebene niemand unersetzlich ist. Andererseits, muss man, als Hüter, aber auch als politischer Anführer oder Anführer jeglicher Art, jederzeit auf der Suche nach einem Gleichgewicht zwischen dem persönlichen Interesse und dem gemeinen Wohl sein. Und aus dieser Hinsicht hat sich Benedikt für den eigenen Weg entschieden, der ihm in den Geschichtsbüchern eine noch höhere Bedeutung einbringen wird. Er hätte sehr wohl den Weg seines Vorgängers, den des charismatischen Johannes Paul II., einschlagen können. Das hei‎ßt, er hätte bis zu seinem Tod in seinem Amt beharren können, obwohl seine letzten Jahre wohl von Krankheit, von Alter und Unvermögen beeinträchtigt gewesen wären, wie sich das bereits jetzt abzeichnet. Er hätte, wie Johannes Paul II., ein Beispiel für die Grenzen und Verwundbarkeit des Menschen geben können. Da er sich aber selbst am besten kannte, hat er diesen zweiten Weg des Rücktritts gewählt. Und er hat sich damit unseren Respekt verdient.“



    Benedikt XVI. hat die Katholische Kirche in schwierigen Zeiten geleitet, als die ständig wandelnde Welt zahlreiche Herausforderungen für die 2000 Jahre alte Institution brachte. Während seines Pontifikats hat er sich vor allem für die zahlreichen Botschaften und Gebete für den Frieden und den Dialog zwischen den Religionen ausgezeichnet. Auch hielt er viele Reden über die Menschenrechte, den Umweltschutz, den Kampf gegen die Armut.



    Jetzt schwebt ein gro‎ßes Fragezeichen über dem Vatikan: Wer wird Benedikts Nachfolger? Der neue Papst wird älteren und neueren Herausforderungen der Katholischen Kirche gewachsen sein müssen — etwa dem Konflikt zwischen Reformisten und Traditionalisten oder den Sex- und Korruptionsskandalen.



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