Tag: Alltag

  • Der Alltag von gestern im Mittelpunkt

    Der Alltag von gestern im Mittelpunkt

    Die Ausstellung wird bis September dieses Jahres im Museum zu sehen sein. Sie stellt dem geschichtsinteressierten Publikum eine Reihe neuer Museumsobjekte vor, die in den letzten rund 15 Jahren in den Fundus des Museums aufgenommen worden sind. Der Direktor des Nationalen Kunstmuseums Rumäniens, Ernest Oberländer-Târnoveanu, sagte anlässlich der Eröffnung, dass dieser Fundus inzwischen ganz ansehnlich ist: „Rumänien ist kein Land, das sehr reich an erfassten Objekten ist, und der Fundus ist keinswegs endlos und unerschöpflich. Deshalb ist es die Hauptaufgabe von Museumseinrichtungen, dieses Erbe zu sammeln, zu schützen und zu präsentieren. In der Tat leben Museen durch ihr Erbe, durch ihre Sammlungen und durch die Menschen, die an ihnen arbeiten und sie bewachen, sie erforschen und aufwerten. Museen sind keine toten Orte, sie sind keine Lagerhäuser, sie sind sehr dynamische Institutionen. Und alle Zahlen berichten, wie dynamisch das Nationale Geschichtsmuseum Rumäniens ist. In den 52 Jahren seines Bestehens ist unsere Sammlung von 50.000 Stücken auf über 18 Millionen Stücke angewachsen, davon sind allerdings 16 Millionen Briefmarken. Aber in den letzten zehn Jahren ist die Sammlung um über 100 Tausend Stücke gewachsen. Dabei handelt es sich um Stücke, die manchmal von einer Seltenheit und Schönheit sind, von der wir uns als Fachleute nie hätten vorstellen können, dass wir sie hier ausstellen können. Andere stehen im Zusammenhang mit dem Leben und der Arbeit großer Persönlichkeiten. Unsere Bemühungen zielen jedoch darauf ab, das tägliche Leben der rumänischen Gesellschaft in den letzten 200 Jahren zu veranschaulichen. Denn, wie ich zu sagen pflegte, ist es einfacher, das Alltagsleben in der Jungsteinzeit zu rekonstruieren als das unserer Urgroßeltern, weil die Museen nicht daran gewöhnt sind, Objekte zu sammeln, die mit der mehr oder weniger nahen Gegenwart zu tun haben.“

    Der stellvertretende Direktor des Geschichtsmuseum, Cornel Constantin Ilie, ging bei der Eröffnung der Ausstellung auf das Konzept und die Motivation ein, die dahinter steckt: „Es ist in der Tat eine wichtige Ausstellung, weil sie der Öffentlichkeit ein Erbe vorstellt, das größtenteils nicht ausgestellt wurde, ein Erbe, das von einem Museum stammt und diese Bemühungen hervorhebt, die nicht nur von unserem Museum gemacht werden. Etwas, das über das hinausgeht, was die Öffentlichkeit oder die Allgemeinheit vielleicht über das Museum denkt. Normalerweise verbinden die Menschen die Idee eines Museums mit der Idee einer Ausstellung. Die Dinge sind aber viel komplexer, und diese Ausstellung will genau das zeigen. Sie führt uns ein sehr wertvolles Erbe vor Augen, aber macht uns auch darauf aufmerksam, dass manche Menschen glauben, dass einige Gegenstände, die mit ihrer Familiegeschichte zu tun haben, besser in einem Museum aufgehoben wären. Unsere Spenderliste ist sehr großzügig und dieser Akt des „Schenkens“ sollte in der rumänischen Gesellschaft nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein. In der Geschichte geht es nicht nur um Schlachten, nicht nur um Politiker, nicht nur um große Persönlichkeiten“.

    Was bedeutet denn Geschichte für einen Historiker und Museographen wie Cornel Ilie, und was bedeuten private Spenden im Museumsbereich? 
„Geschichte bezieht sich auch auf das alltägliche Leben, sie bezieht sich auf Kunst, auf Kultur, auf Sport, auf alles. Das ‘Gestern’ ist eigentlich Geschichte. Dieser Tatsache sollten wir bewusst sein. Wir interessieren uns nicht wirklich für das ‘Gestern’. Wir erinnern uns lange Zeit später an das Gestern und stellen fest, dass wir nicht klug genug waren, das Gestern zu dokumentieren. Wir versuchen, das auch zu tun. … Schenkungen sind in erster Linie ein Akt der Großzügigkeit, der als solcher behandelt und als Beispiel genommen werden sollte. … “

    Wie die Ausstellung im MNIR aussieht und welche Art von Objekten sie umfasst, erläutert wiederum Cornel Ilie:„Es ist eine Ausstellung, in der viele wahrscheinlich mit Überraschung Objekte von großem Wert entdecken werden, die geschenkt worden sind. Es gibt eine Menge Dinge, sehr wichtige Erwerbungen. Ich werde nur die jüngste erwähnen – ein Pokal. Ein absolutes Unikat. Es ist der Pokal der deutschen Bergarbeiterzunft im Burzenland und das einzige Objekt, das von ihrer Anwesenheit dort zeugt. Es ist nicht nur ein besonderes Kunstwerk. Dann gibt es noch Objekte, die durch die Bemühungen der rumänischen Behörden zurückgebracht wurden, zu denen auch unsere Kollegen vom Nationalen Historischen Museum Rumäniens beigetragen haben. Und natürlich sind da die vielen archäologischen Entdeckungen, die unsere Kollegen Jahr für Jahr machen.“

  • Digitale Kompetenz: Sind Rumänen eher Computer-Muffel?

    Digitale Kompetenz: Sind Rumänen eher Computer-Muffel?

    Wenn wir über die digitalen Kompetenzen der Rumänen sprechen, mischen sich authentische und kontrollierbare Info mit weniger plausiblen und schwer überprüfbaren Daten: von der Internet-Geschwindigkeit und den Leistungen der rumänischen Schüler bei den internationalen Wettbewerben bis zum Mythos, dass im Silicon Valley Rumänisch die am zweithäufigsten gesprochene Sprache sei.



    Eine erste Feststellung sei, dass Rumänien, wenn wir über Digitalisierung sprechen, ein Land der Paradoxe ist, so Veronica Ştefan, Vertreterin der Nichtregierungsorganisation Social-Doers“. Hierzulande leben beispielsweise ein paar der besten IT-Spezialisten aus der ganzen Welt beisammen mit den 43% der Rumänen, die überhaupt keine digitalen Kompetenzen haben. Veronica Ştefan dazu:



    Rumänien nutzt die digitale Technologie sehr oft, besonders in den Social Media, wo das Land in puncto Nutzungshäufigkeit den dritten Platz in der EU belegt. Wenn es aber um den digitalen Zugang zu den öffentlichen Dienstleistungen geht, nehmen wir den letzten Platz ein. Genauso wenig gebrauchen wir die elektronischen Dienste für Internet Banking oder für Online-Käufe. Die Jugendarbeitslosigkeitsquote liegt bei rund 21%, doch bei den Jugendlichen, die im IT-Bereich spezialisiert sind, sprechen wir von 0% Arbeitslosigkeit. Die digitale Technologie ist in vielen Bereichen zu finden: in der erneuerbaren Energie, in der Bildung, im Alltagsleben, in der Gesundheit. Leben wir alle zusammen in dieser digitalen Gesellschaft, oder ist jeder ein Eigenbrötler, der in seiner Blase lebt? Es gibt zahlreiche Initiativen und viel zu wenig Koordinierung. Die Technologie kann uns das Leben erleichtern.




    Vor diesem Hintergrund der rumänischen Paradoxe und der neuen technologischen Revolution in der ganzen Welt muss man sich fragen, inwieweit die Rumänen mit der digitalen Technologie im privaten wie im beruflichen Leben vertraut sind, ob die Initiativen der Zivilgesellschaft die breite Öffentlichkeit auf die digitale Zukunft vorbereitet und ob sie digitale Unternehmungen ermutigen. 2015 trug der IT-Bereich mit 5,6% zum BIP Rumäniens bei. Im Jahr 2010 waren es nur 3,4%. Die Organisation SocialDoers hat vor kurzem ein erstes rumänisches Think-Tank organisiert, gebildet aus Befürwortern der digitalen Entwicklung, Experten, Vertretern des Geschäftsumfeldes, Fachleuten in öffentlicher Politik. Die Initiative Digital Citizens“ nimmt sich vor, die Rumänen auf eine Zukunft vorzubereiten, in der die digitale Technologien in der Wirtschaft und im sozialen Leben eine ausschlaggebende Rolle spielen. Digitalisierung bedeutet nicht nur der persönliche Rechner, das Handy oder das Tablet. Digitaltechnik ist in Fabriken zu finden, wo Roboter die Menschen ersetzen, in der Medizin, wo Organe im 3D-Drucker erschaffen werden. Ob die rumänischen Fachleute bereit sind, diese neuen Realitäten zu akzeptieren, erfahren wir von Elisabeta Moraru, Industry Manager bei Google, die bei der ersten öffentlichen Konferenz des Think-Tanks Digital Citizens“ anwesend war. Elisabeta Moraru kam mit einer Gruppe von Assistenzärzten zusammen:



    Es war ein Saal voller Assistenzärzte. Ich habe über Innovation erzählt und nicht über technische Aspekte oder IT-Technologien. Ich habe ihnen Medizinprodukte vorgestellt, die von 3D-Druckern hergestellt wurden. Die Zukunft besteht darin, Fabriken für 3D-Drucker zu gründen, nicht selber 3D-Produkte herzustellen. Ich habe über anatomische Organe, die gedruckt wurden, und über andere Produkte gesprochen. Wissen Sie, was sie mir geantwortet haben? Ich werde nie das Gespräch mit einer jungen Ärztin vergessen, die mich gefragt hat: ‚Und was hat das alles mit uns zu tun?‘ Ich war völlig enttäuscht und frustriert, dass mich eine junge Ärztin so etwas fragen konnte. Wir haben es mit einem Paradigmenwechsel zu tun. Die Zukunft gehört jenen, die sich heute ausbilden lassen und 2030 arbeiten werden. Die Fähigkeiten, die wir im Leben gebrauchen, werden bis im Alter von 13-14 Jahren erworben, danach wird nur noch daran geschliffen. Wenn wir — wie in anderen Ländern — den Kindern nicht schon im Erstklässler-Alter beibringen, wie sie Häuser oder Bausteine auf dem Rechner hin und her bewegen — dabei geht es eigentlich um die graphische Darstellung der Programmierung –, dann bieten wir denjenigen, die 2030 arbeiten werden, keine Chance.“




    Irinuca Văduva, Projektleiterin im Rahmen des ECDL-Büros Rumänien (European Computer Driving Licence), meint, nicht nur die Kinder, sondern auch die Erwachsenen müssten ihre Computer-Kompetenzen weiterentwickeln.



    EDCL kämpft seit Jahren gegen eine bestimmte Vorstellung an, die behauptet, wir seien alle sogenannte Digital Natives. Ich verstehe, dass wir von der Technologie überwältigt sind, dass Sachen passieren, die wir uns in der Vergangenheit nicht einmal vorstellen konnten. Rumänien hat aber ein Problem, hier herrscht ein Missverständnis über den Begriff der Digital Natives. Unsere Kinder sind keine Menschen, die in der digitalen Welt unbedingt zurechtkommen, trotz der Technologie, die sie umgibt. Die europäischen Statistiken zeigen, dass es um den rumänischen Arbeitsmarkt gar nicht so gut bestellt ist, wenn es um digitale Kompetenzen geht — und sei es nur im elementaren Umgang mit dem eigenen PC. Man braucht einen integrierten Ansatz. Wir sollten nicht auf den Hype der Lobby hereinfallen, die für Programmierkurse für Kinder schon im Alter von fünf Jahren wirbt. Die Menschen müssen zuerst lernen, wie sie all diese digitalen Geräte einfach nur gebrauchen, bevor sie mit Programmieren anfangen. In dem Zusammenhang könnte man sich fragen, ob wir nicht etwa eher digital naive Menschen statt tatsächlich Digital Natives sind.“




    Şerban Ţîr, technischer Direktor der Unternehmergruppe Gemini Solutions, ist der Meinung, die digitale Kompetenz müsse unabhängig vom Beruf entwickelt werden. Şerban Ţîr erzählt uns, wie er seine IT-Fachleute auswählt:



    Es ist schrecklich kompliziert, wenn man hochqualifizierte Fachleute einstellen will. Die Unternehmen organisieren Interviews, jeder Kandidat muss vier Interviews hinter sich bringen. Die Löhne sind riesig, sogar höher als im Ausland. Ich bin der Meinung, dass man in digitale Kompetenzen investieren muss, weil wir uns dadurch eine einfachere und finanziell rentablere Zukunft sichern.“




    Die Digitalisierung ist folglich kein Phänomen, das in einer fernen und abstrakten Zukunft abhängt, sondern ist schon ein wesentlicher Teil in vielen Bereichen der heutigen Wirtschaft.

  • Bildungstheater: Bukarester Ensemble „Replika“ bringt Alltagsthemen auf die Bühne

    Bildungstheater: Bukarester Ensemble „Replika“ bringt Alltagsthemen auf die Bühne

    Wir spazieren entlang eines der gro‎ßen Bukarester Boulevards, der an den südlichen Stadtrand führt. Hier biegen wir rechts ab und finden eine Volksschule, die unterschiedliche Kurse für Kinder anbietet. Die Volksschule und das Staatliche Bildungstheater Replika“ teilen sich den Innenhof. Auf dem Hof und drau‎ßen, auf dem Bürgersteig, warten Kinder und Jugendliche aller Altersklassen auf den kostenlosen Einlass zu einer Theateraufführung, bei der es um ihre alltäglichen Probleme gehen soll.



    Die Räumlichkeiten sind unspektakulär. Im Februar 2015 gründeten fünf Menschen hier das erste soziale Theater in Bukarest: Die Kritikerin und Dramaturgin Mihaela Michailov, der Regisseur Radu Apostol sowie Katia Pascariu, Schauspielerin am Jüdischen Staatstheater, Viorel Cojanu und Mihaela Rădescu, beide Schauspieler am Kleinen Theater. Die Idee von Theaterprojekten zu sozialen und bildungsbezogenen Themen sei allerdings viel älter, ebenso die Zusammenarbeit zwischen den Gründern, erzählt Mihaela Rădescu.



    Die erste Aufführung war »Die Offline-Familie«, an der Mihaela Mihailov und Radu Apostol eineinhalb Jahre lang gearbeitet haben. Dabei haben sie sich mit den Schülern in Bukarest unterhalten. Mit der Aufführung waren wir oft auf Tour, in der Moldau und in Siebenbürgen, das Thema ist sehr heikel. Es handelt sich um Eltern, die als Gastarbeiter ins Ausland ziehen und ihre Kinder zurücklassen. Dann haben wir »Die Geständnisse eines Hundes« gespielt, ein Stück über Tierrechte. Anschlie‎ßend haben wir »Das Theater der Kinderrechte« bearbeitet, daraus wurde die Aufführung »Recht im Gesicht«, nach einem Text von Mihaela Michailov.“




    Es folgten Aufführungen über die Schule, etwa Böse Kinder!“ und Erinnerungen an die Schulzeit“, bei denen es stets um Bullying, Missbrauch und Gewalt in der Schule geht. Die Texte sind ausnahmslos aus dem gewöhnlichen Alltag inspiriert, was für das Bildungstheater des REPLIKA-Teams von wesentlicher Bedeutung ist, wie die Schauspielerin Katia Pascariu erklärt.



    Die Bildungskomponente ist nicht streng aus schulischer Sicht zu betrachten. Unter Bildungskomponente verstehen wir, dass das Publikum eines jeden Alters zu uns kommen kann. Unsere künstlerischen Ansätze zu bestimmten schulgebezogenen Themen beinhalten bereits diese Bildungskomponente. Der ästhetische Teil ist weniger wichtig, dafür sind die Botschaft und das Thema viel wichtiger. Die Bildungskomponente bezieht sich auch auf das Publikum, das wir anziehen wollen, auf das Umfeld, aus dem es stammt, auf die Recherche, die wir für die Aufführungen betreiben, also auf die Vorarbeit zu den Stücken. Das Bildungstheater hat grö‎ßtenteils mit den Jugendlichen zu tun.“




    Wenn die Themen die Jugend und ihre alltäglichen Probleme im Mittelpunkt haben, dann gehört die Dramaturgie auch der Gemeinschaft, sagt die Schauspielerin Mihaela Rădescu. Die Texte entstehen mit der Entdeckung der Themen, im Rahmen der Recherche und in den Gesprächen mit den Menschen. An der sogenannten Sammlung“ der Texte sei das gesamte Team beteiligt, verrät Katia Pascariu.



    Die Themen sind in unterschiedlichen Quellen zu suchen: in den Medien, in echten Fällen, in den Gesprächen mit den Jugendlichen, die an unseren unterschiedlichen Werkstätten für Schüler mitmachen. Au‎ßerdem finden wir immer Themen in den Bereichen, die uns, also die Teammitglieder, interessieren. Dann kommt der Moment, in dem all die gesammelten Themen sortiert werden — und dann schauen wir, welche geeignet wären für eine Aufführung, jenseits der persönlichen Neugier.“



    Die sozialen Stücke des REPLIKA-Theaters sind sowohl für die Stadt- als auch für die Landbevölkerung relevant. Und das entsprechende Umfeld im Allgemeinen, die Stimmung oder die Gemeinschaft spielen eine zentrale Rolle für das Theaterteam. Aussagekräftig ist der Stadtteil, in dem das REPLIKA-Zentrum seinen Sitz hat, so Katia Pascariu.



    Die Bewohner dieses Stadtviertels entdecken uns langsam und wir versuchen, unser Vorhaben aufrechtzuerhalten, die Entdeckung einer Gegend, die über keinen eigenen Kunstraum verfügt. Wir versuchen, vor allem diese Menschen im Stadtteil selbst zu erreichen. Es ist eine sehr interessante Gegend, man ist nah am Stadtzentrum und hat doch auch das Gefühl, in einem Randbezirk zu stehen. Es ist eine Gegend mit hohem Verkehrsaufkommen, eine ehemaliges Gewerbegebiet, in dem heute viele Plattenbauten zu sehen sind. Viele sind vom Theater regelrecht überrascht. Sehr viele haben vor unseren Stücken noch nie einer Aufführung beigewohnt. Andere sind begeistert von den alltäglichen Themen, die wir behandeln, weil sie sie sofort wiedererkennen und unmittelbar darauf reagieren können. Sie haben sehr direkte, unmittelbare Reaktionen und für uns ist ihr Feedback an Ort und Stelle sehr wichtig.“




    Weil Partnerschaften mit bestimmten Schulen bestehen und weil es sich um ein Bildungstheater handelt, sind die meisten Zuschauer Kinder. Dennoch möchte das REPLIKA-Theam sein Publikum erweitern, sagt Mihaela Rădescu.



    Wir möchten Partnerschaften schlie‎ßen und eine Annäherung an die Verantwortlichen in Kinder- und Altersheimen suchen. Unsere Aufführung »Unser alltäglicher Hunger«, die im vergangenen Jahr ihre Premiere feierte, ist älteren Menschen gewidmet. Wir versuchen, konsequent Aufführungen für die anfälligen Gesellschaftsgruppen zu spielen, und ihnen so Mut einzuflö‎ßen.“




    Ebenfalls verletzlichen Personen ist ein Theaterprojekt gewidmet, an dem die Schauspielerin Katia Pascariu selbst beteiligt ist. Es handelt sich um die Theateraufführung Maşkar“, die im Rahmen eines gleichnamigen, grö‎ßeren, Projekts stattfand. Dabei ging es um eine sozio-kulturelle Intervention in Roma- und Nichtromagemeinschaften im südrumänischen Landkreis Teleorman, berichtet Pascariu.



    Dieses Projekt hatte auch eine Forschungskomponente, und am Ende ist es uns gelungen, auch eine Aufführung zu erarbeiten, die nach unserer einjährigen Arbeit eigentlich unerwartet kam. In Teleorman finden sich viele der rumänischen Probleme von heute wieder: entvölkerte Städte, die Kluft zwischen Armen und Reichen, Diskriminierung, schulische Segregation usw. Die Region hat aber auch eine eigene Besonderheit aufgrund der Geschichte der dort seit langem lebenden Roma-Gemeinschaften. Sie sind sehr unterschiedlich und in ländlichen Gebieten gut integriert. Wir, das Team, haben festgestellt, dass es sehr schwer ist, aus einer uns fremden Perspektive zu berichten. Und wir sind zum Schluss gekommen, dass die Mehrheit ein gro‎ßes Problem hat, denn das Problem ist bei denen die diskriminieren zu suchen. Wir haben versucht, eine Aufführung auf die Beine zu stellen über Wege zur Beseitigung der Diskriminierung — ausgehend von uns, die selbst diskriminieren und von Haus aus eine herablassende Haltung haben.“




    Maşkar” bedeutet in der Sprache der Roma Dazwischen“, eine Anspielung auf die Positionierung des Bildungstheaters REPLIKA: zwischen der pur ästhetischen oder künstlerischen Erfahrung des Theaters und dem Eingriff in die Gemeinschaft.

  • Wahlfach „Geschichte des Kommunismus“ in rumänischen Schulen

    Wahlfach „Geschichte des Kommunismus“ in rumänischen Schulen

    Seit 2008 wurde in den Gymnasien ein Wahlfach für Geschichte des Kommunismus eingeführt. Der Endbericht des Präsidialausschusses für die Analyse der Kommunistischen Diktatur in Rumänien umfasste eine solche Empfehlung. Kurz nachdem der Lehrplan erarbeitet wurde, hat man auch die Schulbücher für die 11. und 12. Klasse veröffentlicht. Die Schulbücher kamen unter der Federführung des Instituts für die Erforschung der Verbrechen des kommunistischen Regimes (IICCMER) heraus. Was die Schulbücher behandeln, erfahren wir vom ehemaligen Vorsitzenden des Instituts, Andrei Muraru:



    Wir versuchen für die Periode 1947-1989 die Innereien dieses Regimes zu erforschen: das Alltagsleben, die Wirtschaft, das Kulturleben, die Minderheiten, das politische Regime, die Unterdrückung. Natürlich waren die Bemühungen, alle diese Themen zusammen zu bringen, nicht einfach. Aber wir haben auf kurze Autorentexte und viele historische Quellen fokussiert: Archiv-Dokumente und Materialien mündlich überlieferter Geschichte. Das Schulbuch kommt zusammen mit einer DVD mit Videoaufnahmen aus dem Archiv des nationalen Fernsehsenders TVR aus dem Jahr 1988. Aus unserer Sicht ist es ein sehr gut erstelltes Instrument, das dem Schüler die Möglichkeit gibt, selbst zu forschen. Wir wollten kein Propaganda machen, keine Vision betreffend die Geschichte des Kommunismus in Rumänien aufzwingen. Deshalb lautet der Titel des Schulbuchs »Eine Geschichte des Kommunismus«, weil je nachdem, wer erforscht, kann es mehrere Geschichten des Kommunismus geben.“



    Zurzeit ist dieses Wahlfach in 146 Schulen belegbar. Seit seiner Einführung wählen es etwa 3000 Schüler jährlich. Zudem organisiert IICCMER Seminare mit den Geschichte-Lehrern, weil das Unterrichten dieses Faches spezifische Kenntnisse und Methoden voraussetzt.



    Der Informationsbedarf ist gro‎ß. Das beweisen auch die Umfragen betreffend die kommunistische Periode. Einer Umfrage von 2010 zufolge, die vom IICCMER in Auftrag gegeben wurde, hätten die Rumänen eine zwiespältige Einstellung gegenüber der kommunistischen Epoche in Rumänien. 47% der Befragten erklärten, der Kommunismus sei eine gute Idee, wäre jedoch falsch umgesetzt worden. Knapp 30% waren der Meinung, die Idee des Kommunismus sei falsch. Im Dezember 2013 zeigte eine weitere Umfrage, dass 47,5% der Rumänen den kommunistischen Anführer Nicolae Ceauşescu als einen Politiker mit einer positiven Rolle in der Geschichte Rumäniens empfinden. 46,9% empfanden ihn als eine negative Persönlichkeit.



    Auch der Vorgänger Ceauşescus, Gheorghe Gheorghiu-Dej, wird von 42,3% der Rumänen als positiv empfunden. 39,1% der Befragten erklärten, er habe eine negative Rolle gespielt. Unter diesen Voraussetzungen sind die Meinungen der Schüler vor Beginn dieses Kurses nicht überraschend. Mihai Stamatescu, Geschichte-Lehrer in Orşova und einer der Autoren des Schulbuchs dazu:



    Im Allgemeinen haben die Kinder die Informationen von der Familie, von den Nachbarn und der breiteren Gemeinde bekommen. Aus den Medien bekommen sie weniger Informationen. Die angeeigneten Informationen entsprechen meistens denen aus der Öffentlichkeit, beispielsweise: ‚Ja, früher war es besser, weil wir Arbeitsplätze hatten‘, ‚Ja, es war gut, weil wir Wohnungen erhielten‘, ‚Ja, es war gut, weil wir Gasflaschen [fürs Herd] bekamen‘. Die Kinder kommen mit diesen Informationen und auch mit anderen in die Schule und erfahren plötzlich, dass sie irgendetwas nicht zusammenpasst. Die Erklärungen, die der Kurs anbietet, und die Zeitgeschichte, die in der Schule unterrichtet wird, zeigen eine andere Realität. Die Schüler erkennen, dass die Nostalgien der Eltern sich nicht unbedingt auf das kommunistische Regime beziehen, sondern auf ihre Jugend. Wenn du Argumente hast, wenn du Beweise zeigst, wenn du sie aufforderst, historische Quellen nachzuschlagen, wenn du ihnen erklärst, was Manipulation, Propaganda bedeutet, werden sie mit Sicherheit verstehen, was ihren Eltern widerfahren ist. Sie sind bereit, logisch und kritisch zu urteilen über alles, was geschehen ist.“




    Nach dem Besuch dieses Kurses beginnen die Schüler einen Teil der alltäglichen Realitäten besser zu verstehen. Sie zeigen immer mehr Interesse für dieses Fach. Durch eine Annäherung an aktuelle Themen versucht man die Geschichte des Kommunismus auch in jüngere Klassen zu unterrichten. Mihai Stamatescu:



    Wir haben ein Dokument mit dem Titel »Menschenrechte in der neuesten Geschichte Rumäniens« erstellt. Wir haben festgestellt, dass wir in Kontakt mit dem kommunistischen Regime vor dem Erreichen der Volljährigkeit treten können. Wir haben ein Dokument erstellt, dass auch von Gymnasiums-Schüler und Grundschulkinder benutzt werden kann. Solange die Kinder das Fach »Gesellschaftliches Engagement« studieren, haben wir uns gedacht, dass die beste Perspektive, Informationen über das kommunistische Regime zu bringen, die der Menschenrechte ist. Es gibt genügend Gymnasial-Lehrer, die dieses Dokument benutzen.“




    Natürlich kann ein einziger Kurs die Wahrnehmung einer ganzen Gesellschaft nicht radikal ändern. Au‎ßer Schulunterricht müsste es auch andere unterschiedliche Initiativen geben, um das breite Publikum über den Kommunismus zu informieren. Andrei Muraru, ehemaliger Vorsitzender des Instituts für die Erforschung der Verbrechen des Kommunistischen Regimes (IICCMER) über die Auswirkungen dieses Kurses:



    Es hängt auch von dem ab, was wir als Gesellschaft dafür tun. Das polnische Pendant unserer Institution, das Institut für Nationales Gedenken (Instytut Pamięci Narodowej, IPN), hat über 2000 Angestellte, wir haben nur 36. Sie haben ein Budget von 60 Millionen Euro, wir haben ein Budget von 1 Million Euro. Sie fingen 1999 an, als sie gegründet wurden, und die Ergebnisse beginnen jetzt, nachdem 10-15 Jahre lang massiv in die Bildung investiert wurde, sichtbar zu werden. Die Investitionen beschränkten sich nicht auf Kurse, sondern umfassten auch Spiele für Kinder, Jugendliche, Schulprogramme, Filme, Konferenzen und Bücher. Je weniger wir investieren, desto mehr werden die Umfragen nostalgische Botschaften über die kommunistische Periode vermitteln. Diese Nostalgie vermischt sich mit der Empörung gegenüber der aktuellen Regierung. Alles hängt von den Ressourcen ab, die die Gesellschaft in diesen Bereich investiert.“




    Das Wahlfach Geschichte des Kommunismus“ wird nur in Gymnasien mit geisteswissenschaftlichem Schwerpunkt im Unterricht angeboten, nicht aber in Berufsschulen oder Schulen mit künstlerischem Profil. Es ist nur eines der Wahlfächer, die rumänische Schüler belegen dürfen.



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