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  • Das Theaterfestival „Toma Caragiu“ in Ploieşti 2015

    Das Theaterfestival „Toma Caragiu“ in Ploieşti 2015

    Toma Caragiu, geboren am 21. August 1925 in Hrupisti, Griechenland, als Sohn einer aromunischen Familie, gestorben am 4. März 1977 in Bukarest, war ein bekannter rumänischer Schauspieler. Caragiu war auf der Leinwand, auf der Bühne und auf dem Bildschirm gleichermaßen präsent. Er trat vornehmlich in Komödien auf, spielte jedoch auch in Dramen; eine seiner besten Rollen hatte er im Film Actorul și sălbaticii“ (Der Schauspieler und die Bestien“) von 1975. Caragiu starb 1977 auf dem Höhepunkt seiner Karriere während eines verheerenden Erdbebens.



    Mitte Mai 2015 fand in Ploieşti die 5. Auflage des Theaterfestivals Toma Caragiu“ statt. Im Anschluss zum 2014 gestarteten Programm Noul val – chip de regizor“ (Die neue Welle – das Gesicht des Regisseurs“) führte das Theater Toma Caragiu“ die Treffen mit Theaterregisseuren fort. Zu den Festivalgästen zählten junge Regisseure wie Sânziana Stoican, Mariana Cămărăşan, Andreea und Andrei Grosu, Horia Suru, Dragoş Alexandru Muşoiu und bekannte Namen wie Victor Ioan Frunză, Cristi Juncu und Răzvan Mazilu. Seit 2014 wählt die Theaterwissenschaftlerin Andreea Dumitru die Aufführungen für das Theaterfestival Toma Caragiu“ in Ploieşti aus:



    Ich wollte die Wette gewinnen, die ich schon bei der ersten Auflage des Festivals eingegangen war, nämlich dass dieses Theaterfestival eine eigene Identität bekommen kann, die ihm unter den vielen anderen Theaterfestivals in Rumänien ein klares Profil verleihen wird. Wir haben die Reihe der Treffen mit Regisseuren fortgesetzt, und es ist uns gelungen, sehr viele junge Regisseure dabei zu haben – genau das, was wir uns voriges Jahr vorgenommen hatten. Von den neun Regisseuren, die dieses Jahr mit ihren Inszenierungen in Ploieşti anwesend waren, sind sechs besonders jung. Dragoş Muşoiu beteiligt sich sogar mit seiner Debütregie, einer Aufführung vom Nationaltheater Craiova. Es ist hochinteressant zu beobachten, wie die jungen Regisseure auf ganz verschiedenen Weisen mit dem Text, mit dem Raum, mit den Schauspielern arbeiten.“




    Das Publikum in Ploieşti hat die Aufführungen sehr gut empfangen, meint die Theaterwissenschaftlerin und Auswahl-Verantwortliche Andreea Dumitru:



    Das sind vielleicht nicht die experimentellsten oder die gewagtesten Inszenierungen. Es handelt sich eher um Aufführungen, die beim breiten Publikum Erfolg haben sollten, und das finde ich in Ordnung. Wir hatten nicht sehr viele Aufführungen, und wenn man höchstens zwei Theaterstücke pro Abend präsentiert, ist es doch besser, ein volles Haus zu haben. Das sind wertvolle Aufführungen, mit soliden Strukturen, mit sehr guten Schauspielern – und das Publikum hat es jeden Abend geschätzt. Wir wollen aber unser Publikum auch bilden, es auf ästhetisch gewagtere, anspruchsvollere Inszenierungen vorbereiten. Deshalb hatten wir im Rahmen des diesjährigen Festivals auch Treffen mit unseren zukünftigen Zuschauern, Gymnasiasten und Studenten aus Ploieşti. An der Universität oder in der Kreisbibliothek hatten die jungen Leute die Gelegenheit, mit dem Regisseur Răzvan Mazilu, mit dem Schauspieler Claudiu Bleonţ und mit anderen Theaterpersönlichkeiten zu diskutieren.“




    Ein solches Treffen wurde zum Gedenken des großen Schauspielers Toma Caragiu veranstaltet, dessen Geburtstag sich zum 90. Mal jährt. Toma Caragiu verbrachte seine Kindheit in Ploieşti und Jahre später war er Direktor des Staatstheaters Ploieşti. Der Regisseur Mihai Lungeanu von der Hörspielredaktion des Rumänischen Rundfunks war der Gastgeber des Treffens in der Kreisbibliothek:



    Unsere Kollegin Magda Duţu hat im Laufe der Jahre zwei CDs mit Archivaufnahmen mit Toma Caragiu herausgegeben; daher hatten wir die Idee, eine öffentliche Hörung dieser CDs zu veranstalten, bei der die Hörfunkliebhaber und die Theaterliebhaber im allgemeinen mehr über Toma Caragiu erfahren. Ferner haben wir einen Wettbewerb für die jüngere Generation organisiert, eine Generation, die Toma Caragiu nicht kennt – der Preis bestand aus den zwei CDs. Das war eine Erfolgsaktion, sowohl für das Theater als auch für uns, als Hörfunkredaktion. Wir wollen bei den jungen Leuten das Interesse für Hörfunk erwecken und aufrechterhalten.“




    In der rumänischen Theaterlandschaft, die sehr reich an Festivals ist, scheint das Theaterfestival Toma Caragiu“ in Ploieşti seinen Platz und seine Rolle gefunden zu haben. Die Theaterwissenschaftlerin und Auswahl-Beauftragte Andreea Dumitru:



    Die Bewohner der Stadt Ploieşti haben das Privileg, ein Theaterfestival zu erleben, das einige der besten Aufführungen jeder Spielzeit zu ihnen bringt. Für die rumänische Theaterlandschaft ist ein solches Festival, das sich auf Regie und Regisseure konzentriert, eine willkommene Sache. Viele Theaterleute der jüngeren Generation, sagten uns ‚Gut, dass ihr daran gedacht habt!‘. Die Schauspieler haben öfter die Gelegenheit, über ihr Metier öffentlich zu sprechen, während die Regisseure eher im Hintergrund bleiben. Schließlich sind es aber die Regisseure, die das Theater in die eine oder die andere Richtung führen, sie sind es, die die internationale Theaterbewegung in Gang setzen. Ausländische Theaterfachleute kommen nach Rumänien auf der Suche nach neuen Regisseuren und dann entdecken sie auch unsere Schauspieler. Deshalb wünsche ich mir, dass beim Theaterfestival »Toma Caragiu« in Ploieşti die besten jungen Regisseure ihre Karriere beginnen und die wertvollsten Inszenierungen von bereits bekannten Regisseuren aufgeführt werden.“

  • Die 23. Auflage des Nationalen Theater-Festivals

    Die 23. Auflage des Nationalen Theater-Festivals

    Die Aufführung zur Eröffnung des 23. Nationalen Theater-Festivals trug die Unterschrift des Regisseurs Andrei Şerban. Die Troerinnen“ nach Euripides war auch das während der Festivaltage am häufigsten aufgeführte Stück. Andrei Şerban hatte Die Troerinnen“ zum ersten Mal 1974 am La MaMa“-Theater in New York inszeniert. 1990 wurde das Stück ein weiteres Mal mit den Schauspielern des Bukarester National-Theaters gespielt — als mittlerer Teil der Antiken Trilogie“, die als Symbol für die Wiedergeburt des rumänischen Theaters stehen sollte. Und schlie‎ßlich kehrte Andrei Şerban 2012 mit den Troerinnen“ ein weiteres Mal auf die Bühnen zurück, diesmal mit den Sängern der National-Oper aus Iaşi. Warum überhaupt? — lautet die logische Frage an den Regisseur.



    Beatrice Rancea, die zur Direktorin der Oper in Iaşi ernannt wurde, war 1990 Mitglied im Ensemble des Nationaltheaters, mit dem ich zum ersten Mal die griechische Trilogie inszeniert habe. Und sie verspürte immer diese Wehmut, wenn es um die Trilogie ging; sie wollte sie irgendwie wieder spielen. Und warum an der Oper? Weil ›Die Troerinnen‹ eine Art Oper ist, die von Schauspielern gespielt und gesungen wurde. Und diesmal sind es professionelle Opernsänger — der Chor und die Solisten der Oper aus Iaşi, die diese für sie völlig neue Erfahrung mit Begeisterung mitgemacht haben. Auch für das junge Publikum war es eine Erfahrung, denn die heute 20-Jährigen waren 1990 nicht einmal geboren. Einige von ihnen lernen in der Schule über das, was die Trilogie hier und in den USA bedeutet hat. Sie ist in die Geschichte des Theaters eingegangen, aber sie haben die Aufführung nie gesehen. Und wenn sie jetzt die Möglichkeit dazu haben, dann ist es sicherlich eine Erfahrung, und man bildet dadurch auch das junge Publikum, gegenüber dem ich mich zu der Neuinszenierung des Stücks verpflichtet gefühlt habe.“



    Andrei Şerban glaubt zudem, dass die Stücke von Euripides vor dem aktuellen sozialen Hintergrund Sinn ergeben.



    Eine Tragödie, die vor 2500 Jahren geschrieben wurde, ist universell gültig. Ich glaube, dass es zu jedem Zeitpunkt Spannungen gibt, jederzeit können wir Verbindungen zu der Aktion auf der Bühne herstellen, zu den Dingen, die auf sozialer oder menschlicher Ebene Gefangenschaft oder Freiheit bedeuten — wir tragen in uns selbst ein Gefängnis und einen Drang nach Freiheit. Diese zwei Begriffe sind sehr präsent in der Aufführung und die Zuschauer, die auch vor 20 Jahren das Stück gesehen haben und auch jetzt im Saal dabei waren, haben zu meiner Freude gesagt, dass es ebenso prägend, stark, lebendig und frisch wie damalis gewirkt hat.“



    Ferner war im Programm des Theaterfestivals, das am 3. November zu Ende ging, die Aufführung Solidarität“ von Gianina Cărbunariu. Dieses Stück wurde für den offiziellen Wettbewerb des Theaterfestivals in Avignon kommendes Jahr ausgewählt. Es ist eine Koproduktion des Nationaltheaters Radu Stanca“ aus Hermannstadt und des Nationalen Theaters der Französischen Gemeinde in Brüssel, mit Unterstützung des Festivals in Avignon. Das alles im Rahmen des europäischen Projekts Cities on stage/ Städte auf der Bühne. Solidarität“ ist aus der rumänischen Realität inspiriert, allerdings seien diese Symbole in unterschiedlichen Formen in jedem Raum unseres Jahrhunderts anzutreffen, sagt die Regisseurin Gianina Cărbunariu:



    Es sind lokale Symbole, aber ich glaube, dass sich die Menschen auf der ganzen Welt heute mit den ungefähr gleichen Problemen konfrontieren. Auch die Probleme sind global: Nationalismus, die Einkapselung in traditionellen Werten, Identitätsprobleme. Ich glaube, dass diese lokalen Symbole die gleiche Sprache sprechen. Ich habe mir nicht vorgenommen, unbedingt Rumänien darzustellen. Ich habe mir vorgenommen, ausgehend von mir bekannten Dingen ein Theaterstück aufzuführen. Ich finde, dass das Nationalismus-Problem dem Drang entspringt, eine Identität zu behaupten, und das manchmal in einer zu starken und störenden, aggressiven Art und Weise, die kurz-, mittel- und langfristig zum Scheitern verurteilt ist. Ich war eher an der fehlenden Solidarität interessiert, und das nicht nur in Rumänien. Wegen der Krise gibt es einen Gedanken, der vielleicht nicht ausgesprochen wird, aber den gibt es: Es rette sich, wer kann. Das war eigentlich schon immer so, aber die Krise hat dieses Gefühl vertieft. Ich wollte sowohl dem Publikum als auch mir und den Schauspielern Fragen stellen. Warum sind wir nicht fähig, uns zu solidarisieren? Warum sind wir nicht imstande, gemeinsam Dinge zu erreichen? Warum sind die Augenblicke der Solidarität so selten? Es gibt sie doch. Aber es dauert viel zu lange, bis wir uns dessen bewusst werden, dass wir Dinge erreichen können, wenn wir alle unsere Kräfte zu einem bestimmten Zeitpunkt vereinen.“



    Die Sektion Schauspieler im Vordergrund“ des Nationalen Theaterfestivals beinhaltete eine Aufführung, die einem noch lange im Gedanken herumschwirren wird. Zumindest wegen des Textes. Eine extrem realistische Geschichte über das Leben: das Stück hei‎ßt Illusionen“, der Text stammt von dem russischen Dramatiker Iwan Wyrypajew, Regie führte Cristi Juncu. Die Aufführung ist eine Chance und eine Herausforderung für jeden Schauspieler. Einer davon ist Andi Vasluianu. Ihn fragten wir, wie seine Begegnung mit dem Text von Wyrypajew war.



    Als mir Cristi Juncu den Text schickte und ich ihn las, war ich sehr mitgenommen, aber gleichzeitig habe ich ihm gesagt, dass es extrem schwierig werden wird. Und das nicht nur aus schauspielerischer Sicht. Ich habe viele Sachen hinterfragt, ob das Publikum bereit ist für diesen Text. Diese Aufführung hängt sehr vom Publikum ab. Bei anderen Arten von Texten hängt sehr viel von den Schauspielern oder der Regie ab, aber hier hängt es von der Fähigkeit des Publikums ab, diese Geschichte zu begleiten. An dieser Geschichte hat micht die Illusion des Lebens gerührt. Und jedesmal wir dieser Illusion verfallen, jedesmal wenn wir glauben, zu wissen, worum es geht, kann ein Satz unser ganzes Leben auf den Kopf stellen. Ein Satz, der eine Illusion sein kann, eine Lüge. Und das macht diesen Text aus: Ein kurzer Satz kann das Leben einiger Menschen verändern. Das hat mich an diesem Text fasziniert: Er ähnelt uns selbst sehr. So wie wir sind, was wir tun und wieviel wir uns vormachen.“



    Im Rahmen der Abschlusszeremonie des Theaterfestivals wurde unter anderem der Preis für Das Theater von morgen“ verliehen: Er ging an die Aufführung von Endstation Sehnsucht“ von Tennessee Williams, unter der Regie von Andrei und Andreea Grosu, eine Produktion von UNTEATRU in Bukarest. Die Begründung der Jury in diesem Fall: das originelle Bühnenbild, die einfallsreiche Nutzung des Raums und die sehr gelungene Umsetzung der Idee grö‎ßtmögliche Wirkung mit möglichst wenigen Mitteln“, das raffinierte und hochwertige Schauspiel, sowie die subtile Kunst, Beziehungen auf der Bühne zu schaffen. Das Nationale Theaterfestival wird jedes Jahr von dem Theaterverband UNITER organisiert.



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