Tag: Angst

  • Bullying in der Schule: Auch tatenlose Zuschauer sind Opfer

    Bullying in der Schule: Auch tatenlose Zuschauer sind Opfer

    In Rumänien werden in der Schule drei Kinder von zehn in ihrer Gruppe von Gleichaltrigen gemobbt. Drei Kindern von zehn wird mit Prügel gedroht, während ein Kind von vier vor den Mitschülern gedemütigt wird. Das erfahren wir aus einer Studie der NGO Salvaţi Copiii“ (Rettet die Kinder“). Oana Niculae, Kinderpsychiaterin, kennt die Details:



    Was mir persönlich Sorgen macht, ist die Tatsache, dass mehr als 70% der Kinder aussagen, dass sie Zeugen einer Gewalttat waren. Meiner Meinung nach ist jedes Kind, das an derartigen Vorkommnissen beteiligt ist oder nur zuschaut, ein Opfer. Unsere Kinder sind leider regelmä‎ßig Zuschauer und Zeugen der Bullying-Taten, vielleicht sogar wöchentlich.“




    Wie reagieren die Eltern eines gemobbten Kindes? Ana Maria Mitruş, Autorin des Blogs meseriadeparinte.ro, sagte, dass ihre ältere Tocher, die jetzt in die fünften Klasse geht, Ziel einer Schickanierung gewesen sei:



    Meine Tochter war das Opfer einiger älteren Schülerinnen. Es ging um Bosheiten, die die Hierarchie unter den Kindern bestimmen sollten. Die älteren Schüler lassen die kleineren nicht dorthin gehen, wo die Älteren lernen. Wenn diese in einem Klassenraum im zweiten Stock Unterricht haben, dann dürfen die Kleinen nicht hinauf. Wenn sie Sport haben, dann werden sie von den Siebt- oder Achtklässlern nicht in den Umkleideraum gelassen. Meine Tochter hat sich daher immer von zu Hause aus für Sport umgezogen. Jeder tut, was er kann.“




    Die Mutter wollte die Schulleitung und die Eltern dazu bringen, eine Lösung zu finden. Leider hatte sie keinen Erfolg. Ana Maria Mitruş hat ihrer Töchter beigebracht, die Hilfe eines Erwachsenen einzufordern, anstatt selber Gewalt anzuwenden. Einmal hat eine ihrer Töchter dennoch aggressiv geantwortet, sie ging aber später zur Mutter und erzählte ihr alles. Ana Maria Mitruş dazu:



    Es war ein kleiner Konflikt und es passierte Gott sei Dank nichts Schlimmes. Ich habe keine Angst, dass sie die Gewalt als Lösung sieht. Auch wenn die Gewalt als erste mögliche Reaktion erscheinen mag, werden sie diese nicht gebrauchen. Ich habe Vertrauen zu meinen Töchtern und denke, sie werden, so wie ich es ihnen nahegelegt habe, die Hilfe eines Erwachsenen fordern. Ich kann mich aber nicht darauf verlassen. Ich spreche oft mit den Lehrern und Trainern. Unsere Kinder sind wir. Wir sind verantwortlich, wenn sie Gutes oder Schlechtes tun.“




    Man müsse die Gewaltquelle in der Familie suchen. Die Schule sollte die Ausweitung der Gewalt, die in letzter Zeit leider zugenommen habe, bekämpfen, meint die Kinderpsychiaterin Oana Niculae:



    Ein glückliches Kind wird nicht aggressiv sein. Wir sollten laut Fachleuten die Ursachen des aggressiven Verhaltens in der Familie suchen. Die meisten Gewalttaten haben die Angst und nicht den Zorn als Ursache. Die negativen Emotionen äu‎ßern sich immer durch Aggressivität. Die Freude, jemanden zu verletzten, hat ihre Wurzel in der direkten persönlichen Erfahrung, verletzt oder Opfer der Gewalt anderer gewesen zu sein.“




    Laut der Studie der Stiftung Salvaţi Copiii“ bemerken die Kinder, dass die Erwachsenen dieses Phänomen tolerieren und sehr wenig eingreifen. Schon ab 2004 gibt es Versuche, das Phänomen der Aggressivität bei Kindern unter Kontrolle zu halten. Das Institut für Bildungswissenschaften hatte damals eine erste Studie über die Gewalt in den Schulen veröffentlicht. Ciprian Fartuşnic, Direktor des Institutes, dazu:



    Als wir die erste Studie durchgeführt haben, war die Gewalt nicht korrekt und klar definiert. Wenn die Polizei nicht kam und wenn kein Blut floss, dann gab es keine Gewalttat. Der Konflikt nur als ein Streit unter Kindern. Die erste Strategie fu‎ßt auf den Ergebnissen der ersten Studie. Es war nur eine Rahmenstrategie. Jede Schule sollte sich nach diesem Rahmen orientieren und ihre eigene Strategie herausarbeiten. Leider wurde das nicht umgesetzt und wir haben im Jahre 2006 zusammen mit der UNICEF eine Broschüre für die Schuldirektoren herausgegeben, um sie anzuleiten, wie sie eine Anti-Gewalt-Strategie in der Schule entwickeln können. Leider passierte schon wieder fast nichts in diese Richtung. In 2010 haben wir zusammen mit der Stiftung »Salvaţi Copiii« und dem Bildungsministerium ein nationales Bildungsprogramm für Schuldirektoren und Lehrer herausgearbeitet, das ihnen zeigt, wie sie dieses Phänomen schrittweise angehen sollen. Das Projekt wurde 2011 beendet. In einigen Landkreisen haben in ein paar Schulen konkrete Aktionen gegen die Gewalt stattgefunden. Wir wollen aber wissen, ob diese Aktionen direkte Auswirkungen hatten, ob sie zur Minderung dieses Phänomens geführt haben.“




    Effizienter als die Bekämpfung ist natürlich die Vorbeugung der Gewalt. In den Schulen sollen die Erwachsenen schon bei den ersten Zeichen einer Aggression eingreifen.

  • Dokumentarfilmfestival untersucht das Thema Angst

    Dokumentarfilmfestival untersucht das Thema Angst

    Ein Normaler Autistischer Film“ — die Dokumentation des tschechischen Regisseurs Miroslav Janek, die diesen seltsamen Titel trägt, gewann den Preis des Festivals. Die aus Gymnasiasten gebildete Jury sagte in ihrer Begründung, dass der Film nicht nur die Welt autistischer Kinder anspricht, sondern die Gesellschaft insgesamt. Die Normalität sieht für jeden von uns anders aus, es gibt keine allein wahre Realität, sondern nur mehrere Interpretationen, formulierte es die Jury spitzfindig. Miroslav Janek konnte nur zum Auftakt des Festivals in Bukarest dabei sein und richtete seine Dankesbotschaft an das Publikum per Video.



    Zentrales Thema der diesjährigen Auflage von One World Romania war die Angst. Wir leben in einer globalen Welt und wollen trotzdem zurück in die Vergangenheit, wir wünschen uns neue Grenzen und wollen uns einmauern. Korrupte Politiker profitieren von unseren Schwächen und Ängsten, um an die Macht zu kommen — doch einige entschlossene Menschen leisten Widerstand und opfern alles auf, was sie haben, sagt Alexandru Solomon, Direktor von One World Romania. Die Filme erforschen die Ursprünge dieser Ängste und wie sie überwunden werden können: Die Angst stand klar im Mittelpunkt aller Themen, die mit der Politik und den Zeichen der Zeit zu tun hatten, die sich überall verschlechtert haben. Populistische, nationalistische, homophobe Bewegungen instrumentalisieren Angst. Aber es geht auch um punktuellere Dinge, wie die Defizite des Gesundheitssystems in Rumänien und in anderen Ländern — und das schafft wiederum andere Ängste“, sagt Alexandru Solomon, seinerseits Regisseur im beruflichen Alltag.




    Auch diesmal waren die Publikumsdiskussionen extrem lebhaft und interessant und es zeigt sich, dass das Festival sich gemeinsam mit der Zivilgesellschaft entwickelt — je mehr die Bürger sich mit Rechtsstaat, Korruptionsbekämpfung und Meinungsfreiheit beschäftigen, desto höher das Interesse für One World Romania, sagt Alexandru Solomon: Das Festival hat über die Jahre diese Form angenommen. Vereine und Verbände können sich jeweils einen Dokumentarfilm aneignen, der zu ihrem Auftrag passt, der also zu den Problemen etwas aussagt, mit denen sie sich beschäftigen. Das Dokumentationsfestival kann als Marktplatz der Ideen betrachtet werden, wo Filmschaffende und die Zivilgesellschaft einander treffen.“




    Die Rolle des Dokumentarfilms ist andererseits nicht, Probleme zu lösen, meint der Regisseur. Im Vergleich zu den Mainstream-Medien liefert er tiefere Einsichten aus einer empathischeren Perspektive. Dokumentarfilmer verbringen viel mehr Zeit als Journalisten mit den Menschen, über die sie erzählen; sie setzen sich eingehender mit den Themen auseinander. Und sie stehen weniger unter Zeit und Leistungsdruck. Bei One World Romania gelang es, einen Dialog zu beginnen, und es ist mit offenen Augen sichtbar, dass mit der Zeit auch das Publikum diskussionsbereiter wurde, stellt Alexandru Solomon fest.




    Sechs rumänische Produktionen wurden in diesem Jahr gezeigt. Eindrucksvoll war auch eine Vorschau auf den Dokumentarfilm Das Verfahren“, in dem Claudiu Mitcu und Ileana Bîrsan dem Fall von Mihai Moldoveanu nachspüren — dem ehemaligen Armeeoffizier wird ein Verbrechen vorgeworfen, doch er sagt, er sei unschuldig. Wir wollten sehen, ob jemand am Thema interessiert ist und wie diese Vorschau beim Publikum ankommt. Wir versuchen, so ausgeglichen wie möglich an den Fall heranzugehen. Wir wollten ein Feedback auch deshalb bekommen, weil der Film eine einzige Figur hat: den Angeklagten. Die anderen, Staatsanwälte oder Richter, wollten einfach nicht mit uns reden“, sagt die Autorin Ileana Bârsan.



    Den beiden Filmschaffenden fiel es besonders schwer, diesen Film um diese alleinige Figur herum zu drehen und dabei nicht zu interpretieren. 20 Minuten für die Vorschau zu finden und zu schneiden, war ebenfalls kompliziert, gestehen sie — denn es ging darum, Interesse zu erwecken, aber nicht zu viel zu verraten.




    Über 11 Tausend Zuschauer kamen in diesem Jahr zum Festival — und wer es verpasst hat, kann einige der Filme beim Alternativen Vertriebsprogramm KineDok finden.