Tag: Arbeitsverträge

  • Nachrichten 29.05.2020

    Nachrichten 29.05.2020

    Die Zahl der Coronavirus-Opfer steigt in Rumänien auf 1.240, während die Zahl der bestätigten Infektionen bei 19.000 liegt. Etwa 12.800 Menschen sind genesen. Die meisten Infektionen wurden im Kreis Suceava, im Nordosten des Landes und in Bukarest gemeldet. Präsident Klaus Iohannis hat eine weitere Lockerung der Restriktionen angekündigt: Bars und Cafés im Freien sollen wieder geöffnet und der Zugang zu den Stränden ab dem 1. Juni erlaubt werden. Ab diesem Datum werden auch Freiluftveranstaltungen und Sportwettbewerbe erlaubt sein, der internationale Straßen- und Schienenverkehr wird wieder aufgenommen und alle Beschränkungen für Reisen außerhalb der Stadt werden aufgehoben.



    Weltweit sind 5,9 Millionen Fälle von Coronavirus Infektionen aufgetreten. Fast 2,9 Millionen Menschen sind genesen und mehr als 360.000 sind gestorben. In Brasilien, das als das neue Epizentrum der Pandemie gilt, liegt die Zahl der Todesopfer bei über 26.700. In Südkorea schließen Hunderte von Schulen nur wenige Tage nach ihrer Wiedereröffnung nach einem erneuten Ausbruch des Virus wieder. In der Zwischenzeit lockern immer mehr europäische Staaten die Beschränkungen. Die französische Regierung hat die Wiedereröffnung von Bars, Cafés und Restaurants ab dem 2. Juni angekündigt. Italien plant, seinen Bürgern ab kommenden Mittwoch freie Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes zu gewähren und seine Grenzen sogar für die Schengen-Staaten und Großbritannien ohne 14-tägige Quarantäne bei der Ankunft zu öffnen.



    Rumänische Schüler in den letzten Stufen der Sekundar- und Oberschule werden am 2. Juni für zehn Tage in die Schule zurückkehren, um sich auf ihre bevorstehenden nationalen Prüfungen vorzubereiten. Bildungsministerin Monica Anisie sagte jedoch, dass der Besuch der Schule freiwillig sei. Die Behörden haben beschlossen, mit dem festgelegten Zeitplan für die Prüfungen fortzufahren, d.h. am 15. Juni für die Prüfungen der Sekundarschule und der Oberschule, die eine Woche später, am 22. Juni, beginnen. Alle Schulen in Rumänien wurden am 11. März wegen der Coronavirus-Pandemie geschlossen, wobei der Unterricht online durchgeführt wird, und werden erst im Herbst wieder geöffnet.



    Die rumänische Regierung hat eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die nach dem 1. Juni an ihren Arbeitsplatz zurückkehrenden Arbeitnehmer sowie die Arbeitgeber zu unterstützen. Der Staat soll die Lohnkosten für die nächsten drei Monate übernehmen, wobei sich die Arbeitgeber verpflichten, die entsprechenden Arbeitsplätze für weitere sechs Monate zu erhalten. Die Bereiche, die nach dem 1. Juni noch betroffen sein werden, werden ebenfalls festgelegt, wobei der Kurzarbeitsplan weiterhin vom Staat unterstützt werden soll. Wegen der durch das neuartige Coronavirus ausgelösten Gesundheitskrise wurden rund 430.000 Arbeitsverträge gekündigt und etwa 596.000 ausgesetzt.



    Nächste Woche werden einfache Misstrauensanträge gegen die liberale Arbeitsministerin Violeta Alexandru und den Minister für regionale Entwicklung Ion Stefan eingereicht, kündigte die Sozialdemokratische Partei an, die größte Oppositionspartei in Rumänien. Dieser Schritt erfolgt nach vier ähnlichen Anträgen, die das Parlament kürzlich gegen die Finanz-, Landwirtschafts-, Innen- und Bildungsminister verabschiedet hat, die während der Coronavirus-Krise für ihren Umgang mit ihren jeweiligen Bereichen kritisiert wurden. Die Sozialdemokraten drohen sogar damit, einen Misstrauensantrag gegen die liberale Minderheitsregierung einzureichen, falls diese ein Rentengesetz ändert, das eine 40%ige Erhöhung der Renten ab diesem Herbst vorsieht.



    Der französische Autohersteller Renault hat einen umfangreichen Sparplan vorgestellt, in dessen Rahmen weltweit rund 15.000 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen, davon 4.600 in Frankreich. Der Konzern sagt auch, dass er Pläne zum Ausbau der Produktionskapazitäten in Rumänien und Marokko einfrieren wird. Die Nachrichtenagentur France Presse zitiert Experten mit den Worten, dass Renault bereits vor der Coronavirus-Krise mit einer Schwächung seiner Marke in Europa und Schwierigkeiten bei der Allianz mit den japanischen Unternehmen Nissan und Mitsubishi zu kämpfen hatte. Experten zufolge ist es Renault jedoch gelungen, seinen Marktanteil in Europa zwischen 2009 und 2019 um mehr als 1 % auf 10,5 % zu steigern, wobei dieser Erfolg ausschließlich auf die rumänische Marke Dacia zurückzuführen ist, die ihren Absatz verdoppeln konnte. Dacia wurde 1999 von Renault übernommen und 2004 mit dem Auto Logan wieder eingeführt, das sich in den folgenden Jahren zu einem bedeutenden Akteur auf dem europäischen Automobilmarkt entwickelte.

  • Die Woche 23.03.-27.03.2020 im Überblick

    Die Woche 23.03.-27.03.2020 im Überblick


    Rumänische Militärverordnung Nr. 3



    In Rumänien steigt die Zahl der mit dem neuen Coronavirus infizierten Personen sowie die Zahl der Todesfälle. Wie in anderen Ländern werden tödliche Fälle vor allem bei älteren Menschen über 65 Jahren registriert, die eine geringere Immunität haben und an anderen Gesundheitsproblemen leiden. Seit Mittwoch wurden die von den Behörden auferlegten Beschränkungen verschärft, die Maßnahmen sind in der dritten Militärverordnung enthalten, die seit der Einrichtung des Notstands im ganzen Land in der vergangenen Woche erlassen wurde. Das Dokument sieht die Verlängerung der Ausgangssperre zwischen 06:00 und 22:00 Uhr vor, die ursprünglich nur während der Nacht verhängt wurden. Es gibt jedoch Ausnahmen: Ausgang im beruflichen Interesse, zum Einkaufen oder für medizinische Behandlungen.


    Weitere Ausnahmen sind Kinderbetreuung, Unterstützung für ältere, kranke oder behinderte Personen, Kurzausgänge in der Nähe des Hauses / Haushalts im Zusammenhang mit sportlichen Aktivitäten. Der Umzug zur Blutspende in Bluttransfusionszentren ist eine weitere Ausnahme, z. B. Ausgänge zu humanitären oder freiwilligen Zwecken, Umzug zu landwirtschaftlichen Aktivitäten oder Umzug landwirtschaftlicher Erzeuger zur Vermarktung von Agrar- und Lebensmittelprodukten. Die Behörden haben beschlossen, den Ausgang von über 65-Jährigen außerhalb des Hauses oder Haushalts nur zwischen 11 und 13 Uhr zuzulassen. Und dies ausschließlich aus folgenden Gründen: Einkaufen, medizinische Hilfe, Pflege anderer Menschen, individuelle sportliche Aktivität, Bedürfnisse von Haustieren, landwirtschaftliche Aktivitäten oder im Falle des Todes eines Familienmitglieds. Um den Grund des Ausgangs zu überprüfen, müssen diejenigen, die das Haus verlassen, entweder die Servicekarte oder eine vom Arbeitgeber ausgestellte Bescheinigung oder eine im Voraus ausgefüllte eidesstattliche Erklärung vorlegen.


    Alle Personen, die nach Rumänien einreisen, werden zu Hause isoliert oder unter Quarantäne gestellt. Alle Flüge nach und aus Frankreich und Deutschland sowie die Inlandsflüge sind ab dem 25. März für einen Zeitraum von 14 Tagen suspendiert. Die Zahnarztpraxis sind geschlossen, sie behandeln nur Dringlichkeitsfälle. Die Kaufläden sind ebenfalls geschlossen, mit Ausnahme der Lebensmittel, Veterinärmedizin, Apotheken und Reinigungskräfte. Die Gottesdienste und die Kultstätten können online gesehen werden. Bis zu 8 Personen können an der Taufe, Hochzeit und Beerdigung teilnehmen. Präsident Klaus Iohannis forderte die Bürger, besonders die Rentner, auf, die Regeln strikt einzuhalten, um Zeit zu gewinnen, so dass das medizinische System die angesteckten Personen behandeln kann. Er fügte hinzu, die Behörden, werden alles tun, um die Krise gut zu überwinden.



    Neue finanzielle Maßnahmen in Rumänien



    Im Zusammenhang mit der Coronavirus-Krise hat die Zahl der suspendierten Arbeitsverträge in Rumänien zugenommen. Die Regierung hat entschieden, dass die Arbeitnehmer, deren Verträge vorübergehend ausgesetzt sind, 75% des Gehalts von dem Fond für Arbeitslosenversicherung erhalten können. Nach offiziellen Angaben betrug die Zahl der aktiven Mitarbeiter in Rumänien Ende Februar 5,6 Millionen. Die Exekutive kündigte weitere Hilfsprogramme an. Daher wurde eine Verordnung verabschiedet, die vorsieht, dass sowohl natürliche als auch juristische Personen, die über Bankraten verfügen, diese auf den 31. Dezember dieses Jahres verschieben können, wenn ihre Einkommen direkt oder indirekt von der COVID-19-Pandemie betroffen sind.


    Mit Maßnahmen zur Unterstützung des ordnungsgemäßen Funktionierens der Märkte in dieser Krisenzeit beschloss die Nationalbank, auf einer geldpolitischen Notsitzung den Leitzins von 2,5% um 0,5 Prozentpunkte zu auf 2% senken. Das von der Nationalbank verabschiedete Maßnahmenpaket umfasst auch die Bereitstellung von Liquidität für Kreditinstitute durch reversible Transaktionen mit Staatspapieren, um ein gutes Funktionieren des Geldmarktes zu gewährleisten. Eine weitere Entscheidung betrifft den Kauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt, um die strukturelle Liquidität des Bankensystems zu stärken, die zur Finanzierung der Realwirtschaft und des öffentlichen Sektors unter guten Bedingungen beitragen wird.



    Gesundheitsminister Victor Costache ist zurückgetreten



    Rumänien hat einen neuen Gesundheitsminister, nachdem Nelu Tataru, ehemaliger Außenminister, am Donnerstag den Investiturseid für diese Position geleistet hat. Er wurde ernannt, nachdem sein Vorgänger Victor Costache zurückgetreten war. Wie in den anderen vom Coronavirus betroffenen europäischen Ländern verursacht die Pandemie auch in Rumänien große Probleme. Für den Moment gibt es in den rumänischen Krankenhäusern nicht genügend Schutzausrüstungen, und die vorhandenen sind nicht effizient. Ärzte sagen, dass sie jeden Tag ihr Leben gefährden. Der Fall des Krankenhauses in Suceava (Nordosten) ist ein Beispiel dafür. Die meisten Rumänen, die an Coronavirus starben, waren Patienten, die in dieses Krankenhaus eingeliefert wurden. Gleichzeitig sind von den rund 100 infizierten Angehörigen der Gesundheitsberufe im ganzen Land über 80 aus Suceava – Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger. Die medizinische Abteilung wurde wegen Desinfektion geschlossen, ihr Manager entlassen und eine strafrechtliche Untersuchung eingeleitet. Andere Krankenhäuser in Bukarest, Galaţi (Ost) oder Deva (West) stehen auf der Liste der kontaminierten medizinischen Einheiten.



    Olympische Spiele in Tokyo verschoben



    Die Ausgabe 2020 des weltweit größten Sportereignisses, der Olympischen Sommerspiele in Japan, wurde aufgrund der Coronavirus-Pandemie auf das nächste Jahr verschoben. Die Entscheidung ist historisch, da die Olympischen Spiele in Friedenszeiten nie abgesagt oder verschoben wurden.

  • Hörerpostsendung 26.01.2014

    Hörerpostsendung 26.01.2014

    Liebe Freunde, herzlich willkommen zur wöchentlichen Hörerpostsendung von RRI. Ihr Postbote begrü‎ßt Sie aus einem verschneiten Bukarest mit eisigem Wind, der die gemessenen -7 Grad zu gefühlten -14 Grad Celsius werden lässt. In unserer Redaktion mit undichten Fenstern ist es nicht gerade angenehm, aber zumindest im Studio herrscht angemessene Wärme — die Technik darf man offenbar keinen Temperaturschwankungen aussetzen, Menschen müssen aber damit leben.



    Hei‎ß scheint hingegen die Debatte in Deutschland über Migranten aus Rumänien und Bulgarien seit Wochen und Monaten zu sein. Man spricht im Zusammenhang mit Zuwanderern aus den genannten Ländern von Armutsmigration“ und Sozialtourismus“, und einige Politiker schüren Ängste vor einem Missbrauch der Sozialsysteme“ Deutschlands oder sprechen sogar von Betrug.



    Das Thema interessiert auch unsere Hörer, denn wir haben mehrere Zuschriften und Meinungen dazu erhalten. So etwa bittet uns Heiner Finkhaus (aus Gescher, NRW), auch in den nächsten Monaten aus rumänischer Sicht zu berichten:



    Sie sprachen in Ihren Sendungen das Thema der Freizügigkeit von Arbeitnehmern in Europa an. Ich hoffe, Sie begleiten dieses Thema auch in den nächsten Monaten. Ich denke, die Ängste, die in einigen Städten in Deutschland aufkommen, sind leider teilweise berechtigt, sieht man sich dort die momentane Situation an. Hoffentlich zeigt uns die Zeit, dass die Bedenken grundlos waren.




    Klaus Pfahl (aus Elsnigk, Sachsen-Anhalt) findet die Aufregung übertrieben und kritisiert die Politiker, die sich damit profilieren möchten:



    Ich selbst möchte mal kurz meine eigene Meinung zu Ihren Nachrichtenmeldungen über die — wie man hier in Deutschland so schön sagt — Angst vor einer Armutseinwanderungswelle“ ab Januar 2014 sagen. Ich verfolge diese Diskussion täglich mit und es ist erbärmlich, wie einige deutsche Politiker sich damit ins rechte Licht rücken wollen. Aber aus Erfahrung wei‎ß man, dass diese Diskussionen in Kürze im Sande verlaufen werden und es wird sein, wie es immer war.




    Ralf Urbanczyk (aus Eisleben, Sachsen-Anhalt) vergleicht die derzeitige Diskussion mit jener aus der Zeit, als die Freizügigkeit für Bürger anderer neuer EU-Staaten eingeführt wurde, ohne dass es zu einer massenhaften Einwanderung in die Sozialsysteme gekommen wäre:



    In Ihren Sendungen gingen Sie auch schon auf die Debatte über möglichen Sozialmissbrauch durch rumänische Einwanderer in Deutschland ein. Ich finde diese Diskussion einfach unterirdisch.



    Sozialmissbrauch gab es immer und wird es immer geben, besonders in solch komplexen Strukturen wie der EU. Dazu existieren in der EU und in Deutschland genügend Gesetze, welche diesen ausschlie‎ßen sollen. Es ist ein absolutes Armutszeugnis von den Politikern, profilierungssüchtig gegen Rumänen und Bulgaren zu schimpfen, statt sich konstruktiv mit den eigenen Gesetzen auseinanderzusetzen. Und dann noch allen Rumänen und Bulgaren pauschal Sozialtourismus zu unterstellen, das ist einfach gelogen. Ich bin mir ziemlich sicher, diejenigen Rumänen und Bulgaren, welche sich in Deutschland Sozialleistungen erschleichen, sind die gleiche Klientel, die es auch in ihren Heimatländern machen. Also keineswegs die Mehrheit der Leute, welche für ihren Lebensunterhalt hart arbeiten.



    Ich kann die Probleme mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänen und Bulgaren nirgendwo ausmachen. Als vor einigen Jahren diese Freizügigkeit für Länder mit ähnlichen Einkommensverhältnissen und Sozialleistungen, also zum Beispiel die Slowakei oder Lettland, eingeführt wurde, gab es auch keine massenhafte Einwanderung in die Sozialsysteme, obwohl die Einkommen in diesen Ländern weiterhin auf ähnlichem Niveau wie in Rumänien sind. Und die Beträge, welche am Ende aus den deutschen Sozialkassen für Migranten ausgegeben werden, sind gar nichts gegen die Summen, welche in die Rettung heruntergewirtschafteter Banken gesteckt wurden. Darüber wird dann der Mantel des Schweigens gelegt.




    Auch Lutz Winkler (aus Schmitten im Taunus, Hessen) ist gut informiert und lässt sich von einigen Medien, welche nur Stimmungsmache veröffentlichen, nicht beirren:



    Rumänien ist derzeit mit seinen Menschen in aller Munde. Die Diskussion über die europäische Freizügigkeit nimmt hier groteske Züge an. Einerseits möchte man nur die fertig ausgebildeten und studierten Menschen in Deutschland empfangen — andererseits aber bitte nicht jemand, der hier Arbeit suchen könnte. Die Stammtischparolen ziehen sich durch die Medien und gerade die Presse im Rhein-Main-Gebiet druckt nun flei‎ßig Leserbriefe ab, für die ich mich schäme. Weiter rechts geht es nicht mehr, der Populismus siegt.



    Wenn ich sehe, wie ausländische Arbeitskräfte im Pflegebereich ausgenutzt werden — und auch in deutsche Sozialsysteme einzahlen — und wie dann über diese Menschen gesprochen wird, dann frage ich mich, ob die Menschen Europa wirklich wollen. Ich habe mich geschämt, als jetzt in Frankfurt eine “Behausung” entdeckt wurde, in der Rumänen ihr Leben verbringen mussten. Die Behausungen waren ca. 1,50 m hoch und standen im Wasser. Ungeheizt natürlich. Angeblich hätten es die Rumänen darin besser als zu Hause.



    Ich hoffe, dass dieser Fremdenhass und die von deutschen Politikern geschürten Ängste bald aufhören und die Vernunft wieder einzieht. Denn seit der Freizügigkeit ist nichts passiert: keine Autokolonnen aus Rumänien und Bulgarien wurden entdeckt und bei 1,01 Mio. Menschen, die im Jahr 2013 nach Deutschland gekommen sind, gibt es auch 700.000 Menschen, die Deutschland wieder verlassen haben. Netto 300.000 Menschen sind also nach Deutschland gekommen — und sicher nicht nur Arbeitslose, die sich an den Sozialsystemen bereichern wollen. Aber Populismus war schon immer keine gute Diskussionsgrundlage.




    Fritz Andorf (aus Meckenheim, NRW) konnte hingegen den Meldungen in deutschen Medien auch positive Informationen entnehmen, die der These vom Sozialtourismus im Kern widersprechen:



    Leider spricht man in Deutschland im Zusammenhang mit Bulgarien und Rumänien zurzeit immer nur von Sozialtourismus. Dabei sollte man doch erst einmal abwarten, wie sich die Freigabe der Arbeitsmöglichkeit für diese Länder in der EU überhaupt auswirkt. Gerade heute ging eine Meldung durch die Medien, nach der Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien beruflich deutlich besser qualifiziert sind als Migranten aus anderen Ländern. Also wozu dieses Geschrei schon jetzt?




    Liebe Freunde, vielen Dank für die vielschichtigen, differenzierten und vor allem gut fundierten Meinungen. Ich wei‎ß, dass das Thema sehr umstritten in Deutschland ist — der Begriff Sozialtourismus“ hat es übrigens zum Unwort des Jahres 2013 geschafft, wie Sie sicher wissen. Ich habe die Diskussion über Migration aus Rumänien und Bulgarien in den letzten Wochen und Monaten mitverfolgt — dank Internet besuche ich fast täglich die Online-Portale der grö‎ßeren überregionalen Publikationen in Deutschland. Darüber hinaus wollte es der Zufall, dass mir eine unlängst ausgearbeitete Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung in Rumänien vorliegt, die Begriffe und Wendungen wie Armutszuwanderung“, Sozialtourismus“, Missbrauch sozialer Leistungen“ nicht nur bedenklich findet, sondern auch auf deren Wahrheitsgehalt überprüft. Dabei greifen die Autoren auf Zahlen und Berichte aus Quellen zurück, deren Zuverlässigkeit niemand ernsthaft bestreiten dürfte: das Statistische Bundesamt, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Institut zur Zukunft der Arbeit (Bonn), das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB), die OECD u.a.m. Autoren der besagten Abhandlung sind Matthias Jobelius, der Landesvertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Rumänien und der Republik Moldau, und Victoria Stoiciu, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Rumänien mit den Schwerpunkten Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Die Publikation ist öffentlich, trotzdem habe ich auch die ausdrückliche Erlaubnis der Autoren bekommen, relevante Stellen aus dem Dokument mit dem Titel Die Mär vom »Sozialtourismus«“ in der Sendung zu zitieren. Und auch Verweise auf andere Quellen sollen nicht fehlen.



    Zum einen ist es nicht verwunderlich, dass das Wohlstands- und Einkommensgefälle zwischen West- und Mittelost- bzw. Südosteuropa Migration fördert. Schlie‎ßlich gab es ähnliche Wanderungsbewegungen zwischen den ost- und westdeutschen Bundesländern nach der Wiedervereinigung. Seit Jahren und schon lange vor dem EU-Beitritt arbeiteten rumänische EU-Bürger als Akademiker, Facharbeiter, Auszubildende, Selbständige und Saisonarbeiter im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit in Deutschland. Seit dem 1. Januar 2014 können nun auch Rumänen ohne berufsqualifizierenden Abschluss uneingeschränkt in Deutschland arbeiten. Die Gründe für die Abwanderung rumänischer Arbeitskräfte sind komplex, den Autoren der Studie zufolge gingen und gehen die meisten Rumänen ins Ausland, um sich bessere Arbeitsmöglichkeiten und Einkommenszuwächse zu eröffnen. Dies liege an den niedrigen Löhnen und unzureichenden Beschäftigungsperspektiven in einem typischen Transformationsland wie Rumänien, so die Autoren der Studie.



    Doch bevor man meint, endlose Kohorten von Migranten aus Rumänien würden sich nach Deutschland in Bewegung setzen, sollte man sich Zahlen anschauen. Seit 2001 sind Italien und Spanien die mit Abstand wichtigsten Zielländer für rumänische Migranten. Sie nehmen zusammen jährlich zwischen 60 bis 80 Prozent aller rumänischen Zuwanderer auf. Wichtige Gründe für die Attraktivität beider Länder sind die Sprachverwandtschaft sowie die existierenden Netzwerke und gro‎ßen rumänischen Diaspora-Gemeinden in beiden Ländern. Deutschland liegt auf der Liste der Zielländer rumänischer Migranten zwar auf Platz drei, jedoch weit abgeschlagen hinter Spanien und Italien. Während in Spanien und Italien in den Jahren 2012 und 2013 jeweils über 900.000 bis knapp 1.000.000 Rumänen lebten, waren es 2012 in Deutschland etwa 205.000 und im Oktober 2013 ein wenig mehr als 262.000. Trotzdem lässt sich nicht von der Hand weisen, dass auch Deutschland als Zielland allmählich attraktiver für rumänische Migranten wird. Die Zahl der Zuwanderer aus Rumänien hat sich seit 2010 verdoppelt.



    Und nun zu den Qualifikationen und Tätigkeiten rumänischer Zuwanderer in Deutschland. In Deutschland gehören rumänische Staatsbürger zu den qualifizierten und gut integrierten Zuwanderungsgruppen. Zwar sei das Qualifikationsniveau der Migranten aus Bulgarien und Rumänien in Deutschland etwas niedriger als das von Migranten aus den mittelostosteuropäischen Ländern, die 2004 der EU beigetreten sind, jedoch liege es höher als das Qualifikationsniveau südeuropäischer EU-Bürger, die nach Deutschland kommen, schreiben die Autoren der Friedrich-Ebert-Stiftung und berufen sich dabei auf einen Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Beschäftigungsstruktur der rumänischen und bulgarischen Arbeitsmigranten im EU-Ausland sieht folgenderma‎ßen aus: Der überwiegende Teil ist im Bausektor (21,2 Prozent), in Privathaushalten und der häuslichen Pflege (17,5 Prozent) sowie im Hotel- und Gaststättengewerbe (14,2 Prozent) tätig. 14 Prozent der Auswanderer gelingt es, im Ausland einer im Vergleich zum Heimatland höher qualifizierteren Tätigkeit nachzugehen. Für je 22 Prozent bleibt das Tätigkeitsniveau gleich, weitere 22 Prozent arbeiten im Zielland in niedriger qualifizierten Jobs, 36 Prozent gingen zuvor in Rumänien keiner Tätigkeit nach.



    Die generell überdurchschnittliche bis höhere Qualifikation vieler rumänischer Arbeitsmigranten bestätigen auch andere Quellen. Laut einer Statistik, die der Zeit“ vorlag, kommen aus keinem anderen Land so viele Ärzte nach Deutschland wie aus Rumänien. Rund 2.700 Ärzte rumänischer Herkunft waren im Jahr 2012 in Deutschland tätig. Und laut Berechnungen des Deutschen Instituts der Wirtschaft (IW) in Köln zahle sich die Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien unter dem Strich aus: Knapp 25 Prozent der erwachsenen Zuwanderer aus diesen Ländern besitzen einen akademischen Abschluss; unter den Zuwanderern insgesamt sind es 29 Prozent, innerhalb der Gesamtbevölkerung in Deutschland aber nur 19 Prozent. Besonders positiv für die Innovationskraft der Bundesrepublik wirke sich aus, dass rund 10 Prozent aller erwachsenen Zuwanderer über einen Hochschulabschluss in einem sogenannten MINT-Fach verfügen. Sie sind also in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften oder Technik qualifiziert. Unter den Rumänen und Bulgaren liegt dieser Anteil bei gut 8 Prozent, während es in der Gesamtbevölkerung nur 6 Prozent sind, so die Berechnungen des Deutschen Instituts der Wirtschaft (IW) in Köln.



    Zurück zur Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Behauptung, dass Wanderungsbewegungen positiv mit hohen Leistungen für Arbeitslose korrelieren würden und es folglich einen »Sozialstaatstourismus« gäbe, lie‎ße sich kaum empirisch belegen, schreiben die Autoren und berufen sich dabei auf Zahlen vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB). In Deutschland sind Rumänen gut in den Arbeitsmarkt integriert. Verglichen mit dem Durchschnitt der Migranten aus den anderen östlichen EU-Mitgliedsländern (Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowenien, Slowakei, Tschechien und Ungarn) sowie mit südeuropäischen Mitgliedsländern (Griechenland, Italien, Portugal und Spanien) haben Rumänen in Deutschland mit 60,2 Prozent die höchste Beschäftigungsquote. Die Arbeitslosenquote der Rumänen in Deutschland liegt mit 5,3 Prozent unter dem Bevölkerungsdurchschnitt in Deutschland (6,7 Prozent) und deutlich unter dem Durchschnitt der ausländischen Bevölkerung (14,7 Prozent).



    Probleme treten allerdings räumlich begrenzt und konzentriert in strukturschwachen Kommunen auf. Laut einer weiteren Studie des IAB mit dem Titel Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien: Arbeitsmigration oder Armutsmigration?“ weicht die in der Regel gelungene Arbeitsmarktintegration rumänischer Zuwanderer in einigen Kommunen vom Bundesdurchschnitt ab. So liegt die Arbeitslosenquote der Rumänen in Duisburg bei 18,7 Prozent, in Dortmund bei 19,3 Prozent und in Berlin bei 21,6 Prozent. Auch so liegen diese Zahlen aber in allen drei Fällen deutlich unter der Arbeitslosenquote der in diesen Städten lebenden Ausländer; sie zeigen vielmehr, dass in diesen Gegenden die Arbeitsmarktintegration weniger gut gelingt als im Bundesdurchschnitt.



    Und somit kommt man zu Problemen wie Schwarzarbeit, miserable Wohnbedingungen oder unwürdige und ausbeuterische Arbeitsbedingungen, wie sie Lutz Winkler in seinen Zeilen andeutete. Sie treten verstärkt in struktur- und wirtschaftsschwächeren Regionen Deutschlands auf, aber nicht nur dort. Hier darf ich auf eine Expertise im Auftrag des Gesprächskreises Migration und Integration“ der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn verweisen, die in der anfangs erwähnten Schrift zusammengefasst wird. Im zuletzt erwähnten Dokument ist folgendes zu lesen:



    Insbesondere solche Arbeitnehmer, die bereits in Rumänien im informellen Sektor gearbeitet haben, sind sich ihrer Arbeitnehmerrechte im Zielland oft nicht bewusst. Häufig wird dann nicht geklärt, ob und in welcher Form Arbeitsverträge vorhanden sind, wie die Lohnabrechnung aussieht, wie sich soziale Absicherung, Arbeitsstandards und Arbeitnehmerrechte gestalten. Wenn die betroffenen Arbeitnehmer auf Vermittler, Sub-Unternehmer, Leiharbeitsfirmen oder Arbeitgeber treffen, die bewusst Arbeitsstandards umgehen wollen, bleiben die Rechte von Arbeitsmigranten aus Rumänien oft auf der Strecke. Existieren in den Zielländern deregulierte Arbeitsmärkte, grenzüberschreitende Leiharbeit, ausgeprägte Niedriglohnsektoren, atypische Beschäftigungsverhältnisse (Werkverträge, Sub-Contracting etc.), intransparente oder gar illegale Mechanismen der Arbeitsvermittlung, bis hin zu Menschenhandel, kann sich das Problem verschärfen. Dann treten schnell Situationen ein, in denen rumänische EU-Bürger auch in Deutschland und auch auf dem regulären Arbeitsmarkt unter unwürdigen und ausbeuterischen Arbeitsbedingungen zu leiden haben.“



    Fazit der Studie: Wie so oft, wenn in Deutschland von »Missbrauch sozialer Leistungen«, »Armutszuwanderung« und »Sozialtourismus« geredet wird, sprechen die Fakten eine andere Sprache. Die Ausführungen haben gezeigt, dass rumänische Staatsbürger in Deutschland zu den vergleichsweise qualifizierten und gut integrierten Zuwanderungsgruppen gehören.“




    Zum Schluss ganz geschwind die Posteingangsliste:


    Von Paul Gager aus Österreich erhielten wir eine Gru‎ßkarte und einen dicken Umschlag mit Ausschnitten aus österreichischen Zeitungen und Magazinen. Weitere Schneckenpost, u.a. auch mit verspätet eingetroffenen Weihnachts- und Neujahrsgrü‎ßen, erhielten wir von Sandro Blatter (aus der Schweiz), Ulrich Wicke, Christoph Paustian, Wolfgang Kühn, Albert Pfeffer, Peter Thränert, Frank Bresonik, Carsten Hartwig, Wolf-Lutz Kabisch, Erhard Lauber, Heiner Finkhaus, Peter Möller (alle aus Deutschland).



    E-Mails erhielten wir bis Sonntagmittag von Iwan Roschkow (Ivan Rozhkov in englischer Transliteration) aus Russland sowie von Hubert Smykalla, Helmut Matt, Bernd, Anna und Willi Seiser, Siegbert Gerhard, Fritz Andorf, Herbert Jörger, Heinrich Eusterbrock, Hendrik Leuker, Volker Willschrey, Andreas Pawelczyk, Dieter Feltes (alle aus Deutschland).



    Audiobeitrag hören: