Tag: Aretia Tătărescu

  • Entstehungsgeschichte des Skulpturenensembles von Brâncuşi in Târgu Jiu

    Entstehungsgeschichte des Skulpturenensembles von Brâncuşi in Târgu Jiu

    Eines der bedeutendsten Meisterwerke des rumänischen Bildhauers Constantin Brâncuşi ist der monumentale Komplex Der Heldenweg“, der im Gedenken an den Helden des Ersten Weltkrieges errichtet wurde. Das dreiteilige Ensemble befindet sich in Târgu Jiu und besteht aus dem Tisch des Schweigens, dem Tor des Kusses und der Säule der Unendlichkeit. Constantin Brâncuşi wurde am 19. Februar 1876 im Dorf Hobiţa in einer Bauernfamilie geboren. Sein Vater stellte die im Haus notwendigen Dinge aus Holz her. Der Schüler Constantin Brâncuşi hatte sein erstes Werk bei der Ausstellung der Handwerkerschule im Kreis Dolj 1898 ausgestellt. Es geht um die Büste von Gheorghe Chiţu und um zwei Rahmen, die auch heute im Kunstmuseum in Craiova zu bewundern sind. Danach studierte er bildende Künste in Bukarest.



    Brâncuşi lebt anschlie‎ßend eine Zeit in München und fährt später nach Paris, wo er ab 1905 an der École Nationale des Beaux-Arts studiert. 1907 geht Brâncuşi zur nichtfigurativen Kunst über und tritt in die Pariser Avantgarde ein. Die drei Werke, die das Ensemble Der Heldenweg“ bilden, wurden im Rahmen eines Projektes errichtet, das aus Architekturelementen mit symbolischem Wert bestehen sollte. Das Monumentalwerk wurde am 27. Oktober 1938 eingeweiht. Doru Strâmbulescu, Direktor des Zentrums Constantin Brâncuşi“, dazu:



    Wenn wir uns nach den Fotos und nach den Geschichten der damaligen Epoche richten, dann sehen wir, dass zahlreiche Bewohner der Stadt Târgu Jiu an der Einweihung teilgenommen haben. Anwesend waren ebenfalls Persönlichkeiten aus Politik und Kultur. Man ging vom Tor des Kusses und dem Tisch des Schweigens bis zur Unendlichen Säule. Es ist bedeutend zu wissen, dass Brâncuşi anfangs nur die Säule der Unendlichkeit in Târgu Jiu errichten wollte. Er kam nach Bukarest mit der Skizze und zeigte sie Aretia Tătărescu, der Ehefrau des damaligen Ministerpräsidenten und Vorsitzenden der rumänischen Frauenliga. Weil Brâncuşi viel Zeit in Târgu Jiu verbracht hatte, stellte er sich dort das ganze Ensemble vor. Das schlie‎ßt auch die Kirche der Heiligen Apostel ein, die mit dem Geld der Nationalen Liga der Frauen in Gorj auf Initiative von Aretia Tătărescu modernisiert wurde. Es geht also nicht nur um ein Gendenkensemble sondern um ein Geniewerk, ein Werk von universellem Wert.“




    Der Tisch des Schweigens kann im Stadtgarten in der Nähe der Uferpromenade am Schil-Fluss (rum. Jiu) gesehen werden. Der Tisch ist aus Kalkstein von Bampotoc und wird von 12 sanduhrförmigen Stühlen aus Stein umgeben. Der Tisch hat einen Durchmesser von 2,15 m und eine Höhe von 0,88 m und symbolisiert die Mahlzeit vor dem Kampf. Die Zeit wird von den Sanduhren in aller Stille gemessen. Auf der Allee der Stühle sind zwei Bänke und 30 sanduhrförmige Stühle aus Stein, die links und rechts zu dritt gruppiert sind. Die Allee führt vom Tisch des Schweigens zum Tor des Kusses, das am Parkeingang ist. Nachträglich wurden 20 Pappeln (Populus pyramidalis) angepflanzt. Das Tor des Kusses ist aus Travertin und symbolisiert den Übergang in ein anderes Leben. Die Säule der Unendlichkeit, ursprünglich Säule der unendlichen Dankbarkeit genannt, wird als das bedeutendste Werk des Komplexes betrachtet. Die Säule, die aus 16 aufeinandergetürmten Pyramidenstumpfen mit einer Höhe von 1,80 m besteht, ist aus Gusseisen und stellt ein Axis Mundi dar, auf dem sich der Himmel stützt. Die Unendliche Säule ist 29,33 m hoch und wurde technisch vom Ingenieur Ştefan Georgescu-Gorjan nach dem von Brâncuşi aus Lindenholz gefertigtem Modell geschaffen. Die Arbeit an der Säule begann im Jahre 1937 in Petroşani und endete im November in Târgu-Jiu. Von Juni bis Juli 1938 wurde die Säule metallisiert.



    Die Kirche der Heiligen Apostel Petrus und Paulus, die auf der Achse des Skulpturenensembles liegt, ist ein Verbindungselement zwischen den drei Teilen des Komplexes. Die Kirche wurde 1927–1938 auf dem Platz der alten Kirche, die von 1777 datiert, gebaut. Doru Strâmbulescu dazu:



    Die Teile, die das Ensemble bilden, sind einzigartig, obwohl Brâncuşi in Paris weitere Säulen in Holz geschnitzt hat. Ich glaube, die Idee eines Ensembles hatte er schon früher gehabt. Er wollte anfangs in seinem Heimatdorf ein Portal errichten. Danach wurde besprochen, dass das Ensemble in Târgu Jiu liegen soll. Der Vorschlag von Aretia Tătărescu wurde umgesetzt. Brâncuşi hat nach diesem monumentalen Werk keine weiteren Werke von einer so hohen Bedeutung geschaffen. Dieser nonfigurative Stil, den Brâncuşi in die moderne Kunst bringt, ändert ein Paradigma. Wenn wir die Gedanken von Brâncuşi, die in Form von Aphorismen veröffentlicht wurden, verfolgen, dann können wir verstehen, wie der Bildhauer die Kunst und besonders seine Kunst sieht. Brâncuşi war sich der Bedeutung seiner Kunst bewusst. Als er Rodins Werkstatt verlässt, lässt er alles, was in der Kunst bis zu jenem Moment passiert war, zurück und kommt mit seiner eigenen Vision, die ihre Wurzeln in der alten rumänischen Bauernkunst hat. Brâncuşi hatte in Paris die Kunst der sogenannten Naturvölker und die schwarzafrikanische Kunst kennengelernt und geschätzt. Er wusste, dass er in der modernen Kunst zu einem Meilenstein geworden war.“




    Im April 2007 wurde in Târgu Jiu eine Inschrift enthüllt, die erläutert, dass die EU das Skulpturenensemble Der Heldenweg“ mit dem Europäischen Kulturerbe-Siegel ausgezeichnet hat. Weitere Baudenkmäler, die dieses symbolische Gütezeichen tragen sind das Cantacuzino-Schloss und das Rumänische Athenäum in Bukarest sowie die Burg Histria im Kreis Constanţa.

  • Erinnerungen an Brâncuşi

    Erinnerungen an Brâncuşi

    Constantin Brâncuşi ist wahrscheinlich der weltweit bekannteste rumänische Künstler. Kein anderer Rumäne hat so viele Auszeichnungen bekommen. Brâncuşi ist einer der wichtigsten Künstler aller Zeiten.



    Constantin Brâncuşi selbst liebte jedoch nicht die Berühmtheit. Im Gegenteil. Er war ein asketischer Mann, vertieft in seiner Kunst und ziemlich zurückhaltend in der Beziehung zu den Menschen und zu den Medien. Deshalb gibt es auch keine aufgenommenen Interviews mit ihm. Filmaufnahmen mit ihm gibt es wenige. Brâncuşi lebte aber in den Erinnerungen derer weiter, die ihn gekannt haben. Einige dieser Menschen wurden vom Zentrum für mündliche Geschichte des Rumänischen Rundfunks interviewt. Das Zentrum ist zudem im Besitz einiger Aufnahmen aus anderen Archiven.



    Der Kunstkritiker George Oprescu hat Brâncuşi kennengelernt. 1963 berichtete er dem Rumänischen Rundfunk über seine beiden Treffen mit Brâncuşi. Das erste Treffen fand nach dem 1. Weltkrieg, in der Werkstatt des Künstlers in Paris, auf der Impasse-Ronsin-Stra‎ße, statt. Hier lebte der Künstler ein halbes Jahrhundert, von 1907 bis zu seinem Tod 1957.



    Die Werkstatt von Impasse Ronsin, sehr gro‎ß, war mit alten Holzbalken gefüllt. Manche waren 50-60 cm breit und ein paar Meter lang. Sie waren aus einem Dorf aus der Bretagne, in dem mehrere Häuser abgerissen wurden, gebracht worden. Diese Holzbalken warteten auf die geschickte Hand des Künstlers. Du dachtest, du befindest dich in einer unterirdischen Höhle, in der ein Zyklop aus Holz Sachen schuf, die die Welt entzückte. Zu der Zeit hatte ich eine Leidenschaft für Wagner und für die wagnersche Mythologie, nichts schien mir fremd.“



    1937 reiste Oprescu wieder nach Paris und besuchte erneut den Künstler in seiner Werkstatt.



    Diesmal waren es nicht die riesigen Holzbalken, die in der Werkstatt für einen besonderen Anblick sorgten. Brâncuşi arbeitete in dieser Periode mit Stein und poliertem Metall. Solche Werke, die auf mobilen Plattformen standen und die von elektrischen Mechanismen in Bewegung gesetzt wurden, überraschten mich und nicht gerade positiv. Es folgte ein Essen, das vom Künstler vorbereitet wurde, und ein Gespräch über das, was ich sah. Die Diskussion dauerte mindestens zwei Stunden. Was bei ihm verblüffend war, daran erinnerte ich mich von meinem ersten Treffen mit ihm, war seine rustikale Vornehmheit, die Anmut seiner Bewegungen, sein starker Körper, auch wenn er eher kleinwüchsig war. Die Augen waren unglaublich. Klein, aber flink, mal lächelnd, mal ernst, mal ironisch, aber nicht übertrieben, wechselhaft. Es reichte aus, um dir seinen Seelenzustand zu übertragen. Er sprach langsam, klar, durchdacht. An dem Abend herrschte um ihn die Gelassenheit des Künstlers, der letzten Endes die oberste Wahrheit der Kunst erreicht hat.“




    Dyspré Paleolog war während des Zweiten Weltkriegs Journalist bei Radio Rumänien. Nach der sowjetischen Besatzung flüchtete er nach Paris. Als Student begann er Brâncuşi, einen Studienkollegen seines Vaters, zu besuchen.



    Er fühlte sich mit meinem Vater stark verbunden. Ihre Studienzeit hatten sie zusammen verbracht und sie waren enge Freunde. Mein Vater war ein Exeget von Brâncuşi, er hat die ersten Bücher über ihn geschrieben, 4-5 Bücher waren es, das letzte habe ich auf Französisch selbst verlegt. Es hat im Kulturleben in Paris für Aufruhr gesorgt und wurde von Spezialisten sehr geschätzt. Brâncuşi bot seine Freundschaft einem verhungernden jungen Studenten an, der versuchte, sich in Frankreich ein Leben aufzubauen. Er sagte mir: ‚Junge, sei klug, halte Abstand von der rumänischen Botschaft‘. Brâncuşi hat mich 5-6mal empfangen, wegen des Studiums und wegen der Freundschaft zu meinem Vater. Ich habe mit ihm sehr interessante Diskussionen geführt. Brâncuşi hatte wenig Kontakt zu Rumänen. Er hielt Abstand von der rumänischen Kolonie. Diese, wie auch die anderen Gemeinschaften, erlebte eine Periode der Neuanpassung und war gespalten: Es hier Menschen, die sich für Antikommunisten erklärten, andere, die eher demokratisch waren, und die Linksorientierten. Sehr wenige waren eifrige Kommunisten. Wie Brâncuşi hielt auch ich Abstand von den rumänischen Aussieldern.“




    Der Offizier und Professor Virgil Coifan erinnerte sich an ein Fest von 1938 in der Stadt Târgu Jiu. Damit verbunden ist auch eine Anekdote über die Entstehung des monumentalen Skulpturen-Ensembles von Brâncuşi im heutigen Stadtpark von Târgu Jiu:



    Wir gingen in den Park in Târgu Jiu und warteten auf den Präfekten. Der Leiter der Grundschule in Tismana, Chiţiba, traf Brâncuşi und unterhielt sich mit ihm. Ich wei‎ß nicht mehr, ob sie Verwandte oder gute Freunde waren. Er sagte Brâncuşi: ‚Unsere Leute hier im Landkreis Gorj meinen, du hättest dich mit diesen Werken über sie lustig gemacht!‘ Und Brâncuşi antwortete: ‚Das sagen die Feinde von Tătărescu.‘ Und er erklärte, die Familie Tătărescu hätte ihm bei der Arbeit sehr geholfen. Aretia Tătărescu wäre diejenige gewesen, die darauf bestanden hätte, dass er ein Monument schafft.“




    Es kommt nicht selten vor, dass Künstler von ihren Zeitgenossen nicht verstanden werden. Das aber vermindert nicht ihren Wert, im Gegenteil.



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