Tag: Aufstand

  • 32 Jahre nach antikommunistischer Revolution: Ereignisse von Dezember 1989 nicht restlos geklärt

    32 Jahre nach antikommunistischer Revolution: Ereignisse von Dezember 1989 nicht restlos geklärt






    Die ersten Proteste begannen am 16. Dezember 1989 in der westrumänischen Stadt Timișoara (Temeswar), der Revolutionsfunke sprang in den darauffolgenden Tagen auf die meisten Gro‎ßstädte des Landes über. Die Ereignisse fanden ihren Höhepunkt am 22. Dezember in Bukarest. Tausende Menschen waren auf die Stra‎ße gegangen, den protestierenden schlossen sich auch die Arbeiter der gro‎ßen Industriewerke an. Der Diktator Nicolae Ceaușescu und seine Ehefrau Elena flohen mit dem Helikopter vom Dach des Zentralkomitees. Nach wenigen Tagen wurden sie gefasst und am ersten Weihnachtstag nach einem kurzen und umstrittenen Prozess standrechtlich hingerichtet.



    Im Dezember 1989 sind während der Unruhen mehr als 1000 Menschen ums Leben gekommen und mindestens 3000 wurden verwundet. Somit war Rumänien das einzige Land unter den Ostblock-Staaten, in dem der Regimewechsel einen Blutzoll forderte. 32 Jahre später sind die Ermittlungen der Staatsanwälte immer noch nicht abgeschlossen und die Verantwortlichen für die Schie‎ßbefehle nicht zur Rechenschaft gezogen worden. Ungeklärt ist auch, warum nach der Flucht des Diktatoren-Ehepaars die Repression gegen die Demonstranten weiterging; im Grunde genommen wurde auf die Zivilbevölkerung weitergeschossen, dabei kamen mehr Menschen ums Leben als bis zum 22. Dezember 1989. Wer genau geschossen hat und mit welcher Munition, ist auch nicht geklärt.



    Der rumänische Nachrichtendienst SRI hat zwar einen detaillierten Bericht über die Ereignisse vom Dezember 1989 erarbeitet, doch im Zivilverfahren für die Aufklärung der Vorgänge wurde er nicht berücksichtigt, ebenso wenig wie geheime Dokumente aus dem Archiv des Verteidigungsministeriums in die Gerichtsverhandlung flossen.



    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Rumänien mehrfach wegen Verzögerung der Aufklärung verurteilt. Die ersten Gerichtsentscheidungen waren in Rumänien erst im Jahr 2000 getroffen worden, als die Armeegenerale Mihai Chițac und Victor Stănculescu als Schlüsselfiguren der Repression zu jeweils 15 Jahren Haft verurteilt wurden. Die Verurteilten gingen jedoch in Revision und wurden wieder auf freien Fu‎ß gesetzt. Beide führten ihr Leben unbehelligt weiter, Chițac starb 2010 bei sich zu Hause, Stănculescu 2016 în einem Luxus-Seniorenheim.



    Vergangenen Monat hat der Oberste Gerichts- und Kassationshof Rumäniens die Militärstaatsanwaltschaft angewiesen, die Akte Revolution von 1989“ wiederaufzurollen. Im wiederaufzunehmenden Prozess sind u.a. der ehemalige Staatspräsident Ion Iliescu, der ehemalige Vize-Premierminister Gelu Voican-Voiculescu und der Reservegeneral Iosif Rus, ehemaliger Chef der rumänischen Luftwaffe, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt.



    Der Fall hat somit auch politische Brisanz. In der Anklageschrift ist zu lesen, nach der Verschlechterung des Verhältnisses zwischen der Sozialistischen Republik Rumänien und der Sowjetunion sei eine dissidente Gruppierung um Ion Iliescu entstanden, deren Ziel die Beseitigung des Diktators Ceaușescu gewesen sei, aber keineswegs der Sturz des Kommunismus oder ein Ausbruch aus der Einflusssphäre des mächtigen Nachbars im Osten. Die Militärstaatsanwälte sagen, die Gruppierung habe gut durchdachte und effiziente Schritte unternommen, um im Dezember 1989 die politische und militärische Macht an sich zu rei‎ßen. So habe sich das Militär der provisorischen Front der Nationalen Rettung (FSN) eiligst untergeordnet und somit die Machtübernahme erleichtert.



    Die Front lie‎ß sich bald darauf als politische Partei registrieren, an deren Spitze setzte sich Ion Iliescu als markantes Mitglied der ehemaligen kommunistischen Nomenklatura. Bei den ersten freien, aber von vielen Unregelmä‎ßigkeiten und Einschüchterung der politischen Gegner begleiteten Wahlen im Mai 1990 gewann die FSN die Wahlen mit 85% haushoch, und Iliescu wurde der erste postkommunistische Staatspräsident Rumäniens. Dieses erste Mandat galt in der Auffassung seiner Anhänger und mächtigen Unterstützer im Staatsapparat nur als provisorisch, in der Folge bekleidete er von 1992–1996 und von 2000–2004 noch zweimal das höchste Amt im Staat. Die Front spaltete sich in mehrere Flügel auf, der harte Kern jedoch benannte sich im Laufe der Jahre mehrmals um, zunächst in Partei der Sozialen Demokratie Rumäniens (PDSR), um schlie‎ßlich unter dem Namen Sozialdemokratische Partei (PSD) das Land im Alleingang oder in Koalition mit anderen Parteien mehrfach zu regieren.

  • Revolution von 1989: mutmaßliche Urheber der Schießbefehle immer noch nicht zur Rechenschaft gezogen

    Revolution von 1989: mutmaßliche Urheber der Schießbefehle immer noch nicht zur Rechenschaft gezogen

    Seit der antikommunistischen Revolution vom Dezember 1989 sind 32 Jahre verstrichen. Viele damals aufgekommene Hoffnungen haben sich zerschlagen und die Ereignisse sind immer noch nicht restlos geklärt — insbesondere auf die Frage, wer für die Toten unter den Demonstranten schuldig ist, hat die rumänische Justiz keine zufriedenstellende Antwort gefunden.



    In Temeswar finden in diesen Tagen Gedenkveranstaltungen statt. Der US-amerikanische Botschafter Adrian Zuckerman war am Donnerstag zugegen und drückte seine Dankbarkeit für die Aufopferung der Helden aus, die im Dienste der Freiheit und Demokratie ihr Leben lie‎ßen. Am 16. Dezember waren Demonstranten durch die Innenstadt gezogen und hatten in Sprechchören gegen das Regime skandiert. Freiheit“ und Nieder mit Ceaușescu“ war damals zu hören — es war ein Ausdruck der Verzweiflung der Menschen in einem kommunistischen Polizeistaat. Doch das Regime gab sich nicht sofort geschlagen und lie‎ß auf die Demonstranten schlie‎ßen.



    Der Funke sprang am 21. Dezember auf Bukarest über, tausende Menschen gingen auf die Stra‎ße. Die Ereignisse kulminierten am 22. Dezember 1989 mit der Flucht des Diktatoren-Ehepaars Ceaușescu — mit dem Helikopter vom Dach des Zentralkomitees in Bukarest. Nicolae und Elena Ceaușescu wurden nach wenigen Tagen gefasst und am ersten Weihnachtstag nach einem kurzen und umstrittenen Prozess standrechtlich hingerichtet.



    Im Dezember 1989 sind während der Unruhen mehr als 1000 Menschen ums Leben gekommen und mindestens 3000 wurden verwundet. Somit war Rumänien das einzige Land unter den Ostblock-Staaten, in dem der Regimewechsel einen Blutzoll forderte. 32 Jahre später sind die Ermittlungen der Staatsanwälte immer noch nicht abgeschlossen und die Verantwortlichen für die Schie‎ßbefehle nicht zur Rechenschaft gezogen worden.



    Vergangenen Monat hat der Oberste Gerichtshof die Militärstaatsanwaltschaft angewiesen, die Akte Revolution von 1989“ wiederaufzurollen. Im wiederaufzunehmenden Prozess werden u.a. der ehemalige Staatspräsident Ion Iliescu, der ehemalige Vize-Premierminister Gelu Voican-Voiculescu und der Reservegeneral Iosif Rus, ehemaliger Chef der rumänischen Luftwaffe, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt.



    Der Fall auch politische Brisanz. In der Anklageschrift ist zu lesen, nach der Verschlechterung des Verhältnisses zwischen dem sozialistischen Rumänien und der Sowjetunion sei eine dissidente Gruppierung um Ion Iliescu entstanden, dessen Ziel die Beseitigung des Diktators Ceaușescu gewesen sei, aber keineswegs ein Ausbruch aus der Einflusssphäre des mächtigen Nachbars im Osten. Die Militärstaatsanwälte sagen, die Gruppierung habe gut durchdachte und effiziente Schritte unternommen, um im Dezember 1989 die politische und militärische Macht an sich zu rei‎ßen. So habe sich das Militär der provisorischen Front der Nationalen Rettung (FSN) eiligst untergeordnet und somit die Machtübernahme erleichtert.



    Die Front lie‎ß sich bald darauf als politische Partei registrieren, an deren Spitze setzte sich Ion Iliescu als markantes Mitglied der ehemaligen kommunistischen Nomenklatura. Bei den ersten freien, aber von vielen Unregelmä‎ßigkeiten und Einschüchterung der politischen Gegner begleiteten Wahlen im Mai 1990 gewann die FSN die Wahlen haushoch und Iliescu wurde der erste postkommunistische Staatspräsident Rumäniens. Dieses erste Mandat galt in der Auffassung seiner Anhänger nur als provisorisch, in der Folge bekleidete er von 1992–1996 und von 2000–2004 noch zweimal das höchste Amt im Staat. Die Front spaltete sich in mehrere Flügel auf, der harte Kern jedoch benannte sich im Laufe der Jahre mehrmals um, zunächst in Partei der Sozialen Demokratie Rumäniens (PDSR), um schlie‎ßlich unter dem Namen Sozialdemokratische Partei (PSD) das Land im Alleingang oder in Koalition mit anderen Parteien mehrfach zu regieren.

  • 200 Jahre nach der Revolution von 1821: Das Tudor Vladimirescu-Jahr

    200 Jahre nach der Revolution von 1821: Das Tudor Vladimirescu-Jahr

    Das rumänische Parlament beschloss im April 2021 per Gesetz das Jahr 2021 Tudor Vladimirescu zu widmen und denselben Tudor Vladimirescu, aber auch Ecaterina Teodoroiu zu Helden der rumänischen Nation zu erklären. Wir unterhielten uns darüber mit Oana Paloș, der Sprecherin des Kreisrates Gorj. Sie lieferte uns mehr Einzelheiten über die in Gorj, dem Geburtsort der beiden Helden, organisierten Veranstaltungen.



    Oana Paloș unterstrich zunächst die Bedeutung der Revolution von 1821:



    Wir sprechen von einem Aufstand, der als Revolution von 1821 bekannt ist. Er begann hier, in Gorj und wurde von einfachen Leuten, von jungen Rebellen geführt. Diese einfachen aufständischen Leute wurden Panduri genannt. Sie scharten sich um Tudor Vladimirescu, einen Häuptling, der in Gorj geboren wurde, in einer Familie von freien Bauern. Obwohl sich der Aufstand über ganz Oltenien ausbreitete und bis nach Bukarest reichte, war die Revolution nur von kurzer Dauer, denn Tudor Vladimirescu wurde ermordet, wie es bei vielen anderen rumänischen Führern in verschiedenen Phasen der Geschichte der Fall war. Doch für die entschlossene Art und Weise, in der er für die rumänische Sache kämpfte, ging die Revolution von 1821 in die Geschichte ein, und Tudor Vladimirescu verdiente sich seinen Platz als Held. Er wurde im allgemeinen Bewusstsein als Herr Tudor assimiliert. Machen wir eine Übung der Vorstellungskraft: 1821, 1921, 2021. Ein Bogen über die Zeit. Und hier sind wir nun und feiern 200 Jahre seit diesen Ereignissen. Ich lade Sie ein, an den Juni 1921 zurückzudenken, als vor einem Jahrhundert der 100. Geburtstag von Tudor Vladimirescu durch die Umbettung der Gebeine der ersten weiblichen Offizierin in der rumänischen Armee, die im Ersten Weltkrieg kämpfte, in Targu Jiu hervorgehoben wurde. Damit meine ich Ecaterina Teodoroiu, eine junge Frau, die in der Region von Gorj geboren wurde, die mit den Mustern der damaligen Zeit brach und zu einem Symbol für Mut und Opferbereitschaft wurde.



    Von Oana Paloș erfuhren wir, dass auf lokaler Ebene ein jährliches Programm zum zweihundertsten Geburtstag von Tudor Vladimirescu konzipiert wurde, das stimmungsvolle kulturelle und künstlerische Veranstaltungen beinhaltete, so dass jeden Monat, im Rahmen der durch die Pandemie bestimmten Bedingungen, Ausstellungen, Shows, religiöse oder militärische Zeremonien stattfinden.



    Oana Paloș führt ein paar Beispiele an:



    Sowohl am 27. Mai als auch am 9. Juni wurden die Veranstaltungen unter der Schirmherrschaft der Zweihundertjahrfeier organisiert. In der Heimatgemeinde von Tudor Vladimirescu, Vladimir, wurden im Haus seines Vaters militärische Ehren erwiesen. Es fand eine Zeremonie statt, gefolgt von einer Kranzniederlegung und einer kurzen, aber bedeutenden historisch-militärischen Nachstellung eines Kampfmoments im Jahr 1821, mit der Präsentation der spezifischen Uniformen der Epoche, Bojaren, Arnauten, Panduri. In diesem Sinne fand am 9. Juni im Zentrum von Târgu Jiu, wo die Heldin von Jiu ruht, am Mausoleum, das ihr zu Ehren errichtet wurde, ein großer Veranstaltungskomplex statt, dem ein traditionelles Ereignis folgte: ein Almosenfeuer, ein Ereignis, das eine doppelte Bedeutung hatte, 200 Jahre nach der Revolution von Tudor Vladimirescu und dem 100. Jahrestag der Umbettung der sterblichen Überreste von Ecaterina in Târgu Jiu. Anzumerken ist, dass dem Gedenkgottesdienst, der von einem Chor von 100 Priestern – eine keineswegs zufällige Zahl – zu Ehren von Ecaterina Teodoroiu zelebriert wurde, dieser alte, für die Einwohner von Gorj spezifische Brauch folgte, nämlich die Stunde der Almose. Sie wird im Gedenken an die Verstorbenen gespielt. Dieser Brauch ist bis heute erhalten geblieben. Gleichzeitig wurde zum ersten Mal die Show The Case of Tudor Vladimirescu inszeniert, eine außergewöhnliche Show, vor allem vom Konzept her. Es handelt sich um eine Rockoper, eine Kombination aus Ballade, Rock und traditioneller Musik, die dem Publikum einzigartige Sequenzen aus dem Leben von Tudor Vladimirescu, während der von ihm geführten Kämpfe, vor Augen führte. Allerdings ist die Vision modern, abstrakt. Wir wollen auch, dass die Aufführung eine Touristenattraktion ist, sie wird den ganzen Sommer über in Târgu Jiu zu sehen sein.



    Von Oana Paloș erfuhren wir auch von anderen Projekten:



    Was bereiten wir für das Tudorjahr vor? Natürlich Projekte, mit denen wir die größte Wirkung erzielen wollen. Wir sprechen von fotodokumentarischen Ausstellungen mit Dokumenten aus den Museumsarchiven und Sammlungen, die wir über das Leben und die Arbeit von Tudor Vladimirescu besitzen, von Foto- und Grafikalben, von Straßenaufführungen, Theater- und Filmfestivals. Zum Beispiel werden wir im August, ebenfalls zum Thema der Zweihundertjahrfeier, eine Straßenausstellung organisieren, bei der 50 Metalltafeln mit historischen Bildern, die mit der Revolution zusammenhängen, im Stadtzentrum aufgestellt werden. Es wird auch Projektionen auf die wichtigen denkmalgeschichtlichen Gebäude in der Gemeinde geben und wir organisieren ein nationales historisches Theater- und Filmfestival, das Vatra-Festival.



    Die Organisatoren, wir sind nur einen Klick entfernt von all dem, was im Angebot steht. Jede Internet-Suche nach Gorj, Târgu Jiu, Tudor Vladimirescu ermöglicht, sämtliche Veranstaltungen hier live zu verfolgen.

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  • Tudor Vladimirescu: Walachischer Aufstand von 1821 eröffnete mehr Spielraum

    Tudor Vladimirescu: Walachischer Aufstand von 1821 eröffnete mehr Spielraum

    Wer heute in Griechenland unterwegs ist, wird schnell auf die vielen Plakate aufmerksam, die auf die 200. Jährung des Beginns des griechischen Unabhängigkeitskriegs hinweisen. Dieses Ereignis hat aber auch einen bemerkenswerten Rumänien-Bezug — im Januar 1821 begann in der Kleinen Walachei (Oltenien) die politische Bewegung von Tudor Vladimirescu. Der frühere Soldat in der Zarenarmee und spätere Kaufmann war von den Idealen des aufgeklärten Nationalismus beeinflusst und marschierte an der Spitze einer 5000 Mann starken Truppe auf Bukarest. Im Mai verlie‎ß er die Stadt, da er einen türkischen Einfall befürchtete. Am 21. Mai 1821 wurde Vladimirescu von den griechischen Nationalisten ermordet, aus deren Sicht er Verrat an der gemeinsamen Sache begangen hatte. Die damalige Bewegung Vladimirescus galt lange als Beginn der nationalen Emanzipierung der rumänischen Nation.



    Doch die politische Lage in der Region war deutlich komplizierter. Griechische Nationalisten in der Bewegung Philiki Etaireia — deutsch in etwa Freundschaftsbund“ — wollten die Unabhängigkeit Griechenlands und bekamen dabei starke Rückendeckung aus Russland. In den rumänischen Fürstentümern waren die vom Osmanischen Reich eingesetzten Herrscher aus dem griechischen Viertel Phanar in Konstantinopel der Sache der Etairia ebenfalls wohlwollend gesinnt. Seit 1716 prägten sie die Politik in den rumänischen Fürstentümern. Das 18. Jahrhundert galt als Jahrhundert der Herrscher aus Phanar — bei Zeitgenossen und Nachfahren war es negativ besetzt. Was damals als gemeinsame rumänisch-griechische Causa betrachtet wurde, spaltete sich 1821 in zwei getrennte Bewegungen.



    Wie die Bewegung von Tudor Vladimirescu heute zu bewerten ist, erläutert bei RRI der Historiker Alin Ciupală:



    Sehr wenig bis gar nicht wurde über einen Faktor diskutiert, den die kommunistische Geschichtsschreibung ganz unter den Teppich kehrte — die Rolle des Gro‎ßadels in den rumänischen Fürstentümern, der unter dem Einfluss des über die griechische Kultur importierten westlichen Gedankenguts der Aufklärung stand. Diese Ideen, die ein Gro‎ßteil der Bojaren übernahm, führten praktisch zu einem gro‎ßen Bruch, den wir gegen Ende des 18. Jahrhunderts bemerken. Zwischen dem nationalen griechischen Projekt und dem entstehenden Nationalprojekt der Rumänien entstand eine Spaltung — der griechische Nationalismus, hierzulande gefördert von den Phanarioten und den griechischen Adeligen, kollidiert mit dem Nationalismus der rumänischen Bojaren. Und das führt dazu, dass die rumänischen Adeligen nach Mitteln und Wegen suchten, um die Phanarioten zu beseitigen.“




    Jede Seite hatte ihre spezifischen Vorteile: Die Griechen besa‎ßen die politischen, administrativen und militärischen Instrumente in der Walachei, während der rumänische Gro‎ßadel die Wirtschaft dominierte. Alin Ciupală glaubt, dass die rumänischen Bojaren auf Tudor Vladimirescu als Lösung für ihre Probleme setzten — doch es sollte anders kommen, als von ihnen erwartet.



    In dieser Konjunktur erscheint also Tudor Vladimirescu — er ist ein Mann der Taten, mit militärischer Erfahrung als dekorierter Offizier im russisch-türkischen Krieg von 1806–1812. Die patriotischen Bojaren heuern ihn an, bestellen ihn nach Bukarest und geben ihm Geld, mit dem er in Oltenien eine Armee organisieren und bewaffnen und mit der er auf Bukarest marschieren sollte. Doch als Vladimirescu vor Ort feststellte, wie viel Vertrauen er bei seinen Kameraden in den Reihen der sogenannten Panduren-Truppen genoss und 5000 Mann überzeugte, ihm zu folgen, entschied er sich, sein eigenes Süppchen zu kochen — er verwarf das Projekt der Bojaren und machte immer deutlicher keinen Hehl aus seiner Absicht, das politische Machtvakuum nach dem Ableben des letzten phanariotischen Herrschers in der Walachei zu füllen.“




    In dem Moment, so der Geschichtsforscher weiter, flüchten die rumänischen Bojaren nach Kronstadt und Hermannstadt, den heutigen Städten Brașov und Sibiu. Die Bahn war also frei für Vladimirescu. Aber er war ständig um die Unterstützung der verbliebenen Adeligen bemüht, wie damalige Dokumente es zeigen — er war sich voll bewusst, dass sie die einzigen waren, die ihm die Legitimität für eine Machtposition verleihen konnten.



    Inzwischen setzte die griechische nationale Bewegung auf die Unterstützung Russlands. Doch das Zarenreich zögerte, und auch Vladimirescus Armee ging auf Distanz zu den griechischen Nationalisten — die osmanischen Truppen hatten unter diesen konfusen Umständen zunächst ein leichteres Spiel, so Historiker Alin Ciupală abschlie‎ßend:



    Zeitgleich kommt es zum griechischen Aufstand und in dem Moment, wo Russland das Osmanische Reich auf diplomatischem Weg versicherte, sich nicht zugunsten des Aufstands einzumischen, greift das türkische Militär ein. Interessant ist, dass es nirgendwo zum Kampf zwischen den osmanischen Truppen und Tudor Vladimirescus Heer kam, was deutlich zeigt, dass die Osmanen gezielt den griechischen Aufstand niederwerfen wollten.“




    Doch selbst wenn Tudor Vladimirescu auf tragische Weise umgebracht wurde, wirkte seine Bewegung nach: Das Osmanische Reich verzichtete, eigene Vertreter auf den Thron der rumänischen Fürstentümer zu schicken, und die rumänischen Führungseliten hatten die Möglichkeit, eine schlüssigere Strategie zu artikulieren.



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  • Donaufürstentümer im Vorfeld der 1848er Revolution: Kulturkampf um Modernisierung

    Das Konzept der Modernisierung erscheint zunächst diffus nach den 1770er Jahren in Schreiben des Adels an die kaiserlichen Kanzleien in Russland und Österreich, gewinnt dann aber immer mehr an Gestalt. Nach dem Aufstand von Tudor Vladimirescu im Jahr 1821 willigte zunächst der Sultan in Konstantinopel ein, keine Phanarioten mehr als Herrscher einzusetzen, sondern Angehörige des einheimischen Adels. Ein erster Sieg, andere sollten folgen.



    Zwei Generationen von Modernisierern sollten Rumänien nachwirkend prägen: Die 1820er hatte sich im osmanisch-orientalischen Zeitgeist sozialisiert, hatte sich jedoch von westlichen Besuchern beeinflussen lassen. 20 Jahre später folgte eine neue Generation von Reformern, die in Frankreich, Deutschland oder Italien studierte hatten und dort die westliche Moderne hautnah erleben durften. Die Senioren verspotteten diese jungen Adelsleute als Bonjouristen“, weil sie untereinander Französisch sprachen. Doch sie legten ein handfestes radikales Transformationsprogramm vor.



    Historiker wie Alin Ciupală von der Universität Bukarest befassen sich mit dem Spannungsfeld zwischen modernisierender und konservativer Gestaltung. Er glaubt, dass man nach Tudor Vladimirescus Aufstand von 1821 und der Beseitigung der Phanarioten vom Beginn der politischen Gesellschaft sprechen kann:



    Nach der Rückkehr zur Praxis einheimischer Herrscher in 1822 ist der Gro‎ßadel gespalten. Es gab eine Fraktion der Russlandtreuen, die die Politik des Zarenreiches am Balkan unterstützten, und eine weitere Fraktion, die dem Osmanischen Reich als Vormacht und dessen Interessen in der Region dienten. Aber nach 1840 erscheint eine neuen Generation von jungen Adeligen aller Ränge, die ein neues politisches Projekt entwickeln — es ist der Kern der Revolution von 1848, auf deren Basis die Vereinigung der Fürstentümer und die Modernisierung der Gesellschaft folgten.“




    Die Generationen stritten um Grundsätze wie Meinungsfreiheit und Abschaffung der Zensur — interessanterweise verliefen die Gräben nicht nur entlang der Generationen, sondern auch der Geschlechter. Die Adelsfrauen waren viel offener für Veränderungen als ihre Ehemänner, gibt der Historiker Alin Ciupală zu bedenken.



    Es sind in der 1848er Zeit eigentlich zwei Zäsuren zu bemerken. Mitten in der Ehe verlief eine Trennungslinie — die Männer blieben einem orientalischen kulturellen Leitbild treu, während die Frauen mutiger waren und entschiedener den Schritt in die Moderne wagten, also hin zu einem westlichen Modell. Die zweite Trennungslinie war die zwischen Kindern und Eltern.“




    Eine anscheinend weniger relevante, frivolere Front des Mentalitätskonflikts war die Mode im weiteren Sinne des Wortes. Kleidung, Schuhwerk, Schmuck, Musik, Literatur und Gesellschaftsspiele — an all diesen lie‎ßen sich die Unterschiede auslegen. Man sieht in Bildern von damals wie stark der Kontrast in den Familien war: Männer im orientalischen Kaftan, ihre Ehefrauen in Kleidern nach der neuesten Pariser Mode, bemerkt Alin Ciupală:



    Es gibt in Bukarest ein sehr schönes Monument, an dem wir oft ahnungslos vorbeigehen. Es ist das Standbild der Golescu-Familie in der Nähe des Nordbahnhofs. Der Pater Familias Dinicu Golescu ist abgebildet in orientalischen Gewändern, die die Phanarioten Anfang des 18. Jahrhunderts hier etabliert hatten. Seine Söhne hingegen, die der 1848er Generation angehörten, sind nach der damals westlichen Mode gekleidet — nach »deutscher« Mode, wie es damals hie‎ß. Das Monument zeigt klar diesen Bruch und ist ein Bild des Wandels in der Gesellschaft Mitte der 19. Jahrhunderts.“




    Den Grundstein für das moderne Rumänien legten vor 160 Jahren zwei Generationen, die zwar im Clinch über die Methode lagen, sich jedoch einig über das Ziel waren, führt der Historiker Alin Ciupală abschlie‎ßend aus.

  • Aufstand der faschistischen Legionäre vor 80 Jahren: Gewalt, Chaos, Mordkommandos

    Aufstand der faschistischen Legionäre vor 80 Jahren: Gewalt, Chaos, Mordkommandos

    Vor 80 Jahren, vom 21. bis 23. Januar 1941, begannen paramilitärische Kräfte der Eisernen Garde, Rumäniens faschistischer Partei der Zwischenkriegszeit, den Aufstand gegen die von General Ion Antonescu geführte Regierung, die von der Wehrmacht unterstützt wurde. General Ion Antonescu, der auch von Hitler als Verbündeter angesehen wurde, entlie‎ß die faschistischen Legionäre aus der Regierung, nachdem er im September 1940, also viereinhalb Monate zuvor mit ihnen zusammen die Regierung gebildet hatte.



    Die unter Beteiligung der Legionäre gebildete Regierung Antonescus behielt die Gesetzgebung von 1938 bei, nach der die Juden die rumänische Staatsbürgerschaft verloren und ihre Geschäfte enteignet und an rumänische Unternehmer vergeben wurden. Die Spannungen zwischen Antonescu und den Legionären begannen Anfang Dezember 1940. Ein Jahr später, 1941, als der Innenminister der Legionäre, Constantin Petrovicescu, aus der Regierung entlassen wurde, schlugen die Spannungen in Stra‎ßenkämpfe um. Die Rebellion bestand aus Angriffen der Legionäre gegen die wichtigsten Institutionen des Staates, wie die Armee und die Gendarmerie, Angriffen auf Synagogen und der Ermordung von 120 Juden. Chaos und Gewalt herrschten für einige Tage in Bukarest und vielen anderen Städten.



    Die Historikerin Eliza Campus, die 1999 vom Zentrum für Mündliche Geschichte des rumänischen Rundfunks interviewt wurde, erinnert sich an die damaligen Ereignisse. Als Jüdin hatte Eliza Campus das Glück, von Menschen umgeben zu sein, die den Fanatismus der Legionäre nicht teilten:



    Während des Aufstandes wohnte ich in der Stra‎ße, die heute Bela Breiner hei‎ßt, und mein Vermieter war ein Legionär namens Niculescu. Er hatte aber eine gewisses Faible für mich. Hinten gab es ein Reihenhaus und vorne eine Wohnung. Ich sprach mit ihm und fragte ihn, ob er dachte, dass es irgendwelche Razzien geben würde. Er sagte mir, wenn das passieren würde, würde er sagen, dass nur Christen auf seinem Grundstück leben. Und das war’s. Er war ein anständiger Mann. Aber die Legionäre taten meinen Schülern und ihren Eltern schreckliche Dinge an. Und als der Aufstand vorbei war, lebten die Menschen immer noch in Angst. Die Leute gingen normal auf der Stra‎ße herum, es war nichts Besonderes los, aber in den Häusern lebten sie in Angst und wussten nicht mehr, wie sie sich verteidigen könnten. Wir gingen wie immer die Stra‎ße entlang, das tat ich jeden Tag. Aber die Legionäre drangen in die Häuser ein, schnappten sich die Leute, nahmen sie als Geiseln oder töteten sie geradewegs. Mit Gewehren in der Hand übernahmen sie die Schule, in der ich unterrichtete, und führten uns mit vorgehaltener Waffe auf den Hof, alle 800 Schüler. Zum Glück war es ein geräumiger Innenhof. Sie besetzten nur die Schule und lie‎ßen uns auf dem Hof allein. Aber sie haben alle Unterlagen aus der Schule mitgenommen. Am Ende habe ich alles im Staatsarchiv gefunden und konnte sie zurückbekommen.“




    Constantin Matei arbeitete als Techniker bei Radio Rumänien und war Leiter der Legionärszelle in dieser Einrichtung, der kleinsten Organisationsform der Faschisten an der Parteibasis. Er war im September 1940 der Eisernen Garde beigetreten. 1994 gab er folgendes Zeugnis ab:



    Ich ging zur Arbeit ins Studio. In der Sendung sprach ein Armeesprecher, dann der Vertreter des Ministerrats, dann die Leute von der Legionärsbewegung. Ich wurde in das Büro des Vorsitzenden, des Generaldirektors Mînzatu, bestellt. Ich war dort im Auftrag der technischen Abteilungen. Es war Mitternacht, Ion Antonescu war im Pyjama da, sein Stellvertreter Mihai Antonescu war da, er lehnte an einem Bücherregal und fragte: »Wer hat Ihnen den Befehl gegeben, die Kommuniqués der Legionäre zu senden?« Das fragte er Minzatu, der antwortete: »Sie waren es, Sie haben angeordnet, dass alles, was vom Präsidialamt oder der Legionärsbewegung kommt, gesendet wird.« Und dann sagte Antonescu: »Will [Faschistenführer] Horia Sima mir weismachen, dass das Land auf seiner Seite ist, weil die Arbeiter der Malaxa-Werke hinter ihm stehen? Ich werde Ihnen morgen zeigen, dass die Intellektuellen und die Armee auf der Seite von General Antonescu sind, und damit basta! Keine weiteren Kommuniqués, keine Unruhen! Ihr werdet nur noch das senden, was ihr vom Präsidialamt bekommt!« Ich ging zum Sendeturm in Băneasa, Truppen der Wehrmacht waren da. Ein deutscher Hauptmann, der sehr gut Rumänisch sprach, sagte uns: »Horia Sima hat keine Ahnung von. Es tut mir leid für Sie, gehen Sie Ihrer Arbeit nach, Antonescu hat diese Runde gewonnen.«“




    Mihail Baron, ein General der Gendarmerie, wurde 1995 fürs Archiv des Rumänischen Rundfunks aufgezeichnet, als er sich an die Unruhen während des Legionärsaufstandes vom Januar 1941 erinnerte und wie er seine Befehle ausführte:



    Am Morgen des 21. Januar begannen sie, die Sitze der lokalen und zentralen Behörden im ganzen Land anzugreifen. Mit dem Vorteil des Überraschungseffekts übernahmen sie das Justizministerium, das Amtsblattbüro und alle anderen zentralen Stellen, wie die Nationalbank, die Nationale Sparkasse und das zentrale Postgebäude. Das Gebäude des Zentralen Rundfunks konnten sie nicht einnehmen. Es gelang ihnen aber, den Radiosender in Bod (nahe Kronstadt) zu besetzen, nicht jedoch in Bukarest, weil dort Gendarmerie-Wachen aufgestellt waren, die sofort reagierten. Und dann, um mit der Bevölkerung und ihren Anhängern kommunizieren zu können, kappten sie das unterirdische Kabel und richteten ein mobiles Studio ein, das in der Hauptstadt herumfuhr und Geschichten verbreitete, wie zum Beispiel dass die Regierung gestürzt worden sei und dass die Legionäre die Macht übernommen hätten. Sie hängten auch Plakate auf. Es waren rote oder gelbe Plakate, einige griffen die Freimaurer an, andere die Kommunisten, um eine angespannte Atmosphäre zu schaffen. Am 21. Januar waren die Stra‎ßen voll von Legionären, die Getöse veranstalteten und »Legionärssieg!« brüllten. Sie blockierten die Stra‎ßen mit Lastwagen, Stra‎ßenbahnen, Bussen, Benzinkanistern, bereit, sie anzuzünden, wenn es nötig gewesen wäre. Am 22. Januar befahl Marschall Antonescu gegen 14 Uhr, nachdem er all diese Grausamkeiten und all die Menschen, die verletzt worden waren, gesehen hatte, der Armee, den Aufruhr zu zerschlagen und die Aufständischen zu verhaften.“




    Nach dem Aufstand wurden etwa 8.000 Legionäre verhaftet, angeklagt und verurteilt. Etwa 700 flüchteten nach Deutschland, darunter auch ihr Anführer Horia Sima. In der Folgezeit blieb Ion Antonescu als Alleinherrscher auf der politischen Bühne Rumäniens zurück.

  • Donaufürstentümer Anfang des 19. Jh.: Modernisierung von Französischer Revolution inspiriert

    Donaufürstentümer Anfang des 19. Jh.: Modernisierung von Französischer Revolution inspiriert

    Die Moderne war eine neue Sichtweise auf die Welt, in der das Individuum Grundrechte und Freiheiten hatte, die von keiner Obrigkeit verletzt werden konnten. Der öffentliche Geist war von Säkularismus und Rechtsstaat geprägt, gegen den Despotismus des Staates oder die Institution der Kirche gerichtet. Der französische Einfluss gibt den Ton moderner Ideen an, während politisch-militärische Unruhen zur Entstehung einer neuen Ära beitragen.



    In den rumänischen Fürstentümern unter osmanischer Hoheit gab es einen akuten Reformbedarf. Das osmanische politisch-ökonomische Modell war gescheitert und wurde zu einem Hindernis für neue Tendenzen und Bestrebungen. Die Moderne hatte die Samen der nationalen Bewegung gesät, im rumänischsprachigen Raum trafen die griechischen und rumänischen nationalen Aufstandsbewegungen von 1821 aufeinander. Der Einfluss der Französischen Revolution war entscheidend für die Entstehung nationaler Bewegungen, wie die Historikerin Georgeta Filiti betont.



    Die Französische Revolution von 1789 hat den Weg für das, was in den nächsten zwei Jahrzehnten geschehen sollte und 1821 einen Höhepunkt erreichte, entscheidend geebnet. 1821 müssen wir in den rumänischen Gebieten zwischen zwei Vorgängen unterscheiden: einer nationalen Bewegung in Rumänien, die unter der Führung von Tudor Vladimirescu aufstrebt, und einem etwas wahnsinnigen Versuch der Griechen, angeführt von Alexaner Ypsilantis, einem Adjutanten des Zaren, die Unabhängigkeit Griechenlands zu erlangen. Ich wage es, von »Rumänien« zu sprechen, weil ein Grieche namens Phlippides 1816 zum ersten Mal den Begriff »Rumänien« verwendet, um sich auf diese Gebiete zu beziehen, in denen mehrheitlich Rumänen lebten. Ypsilantis kommt aus Russland in die Donaufürstentümer, zuerst in die Moldau und dann nach Bukarest, in der Hoffnung, einen Aufstand gegen die Osmanen in die Wege zu leiten. Der Hintergedanke dabei: Wenn er es schafft, das christliche Volk der Rumänen zum Aufbegehren zu bringen, während er von seinen griechischen Freiheitskämpfern umgeben war, würde Russland eingreifen und ihm helfen. Die Rechnung ist nicht aufgegangen, seine Aktion scheiterte, wie auch Tudor Vladimirescus Bewegung fehlgeschlagen ist.“




    Die Modernisierung des rumänischen Raums entsprach dem Zeitgeist und rückblickend kann behauptet werden, sie hätte nicht durch andere Faktoren behindert werden können, auch weil sie nicht Teil eines Plans war. In erster Linie ging es um eine Geisteshaltung, im Fall der rumänischen Fürstentümer das Einwirken des französischen Geistes. Georgeta Filiti erläutert:



    Diese Gemütszustände, die tiefgreifende Veränderungen, wahre Spaltungen in der Gesellschaft erzeugen, sind nicht wahrnehmbar und nicht leicht zu bestimmen. Die Leute informierten sich, die Leute hatten westliche Waren, die Leute redeten über Mode, über Speisen. Aber in der Sprache, die die Menschen verwendeten, finden Veränderungen statt, die französische Sprache setzt sich als Kultursprache und Verkehrssprache mit Fremden allmählich bei den Rumänen durch und tritt langsam an die Stelle der griechischen Sprache. Weder bei der griechischen noch bei der französischen Sprache ging es um einen erzwungene Einführung, es war die jeweilige Sprache der Zeit, es war die Kultursprache, die im rumänischen Raum sehr häufig gesprochen wurde. Aber auch die rumänische Sprache wird gefördert. Ideen werden als solche von diesen Mittlern gefördert, egal ob es sich dabei um wirtschaftliche Faktoren Händler, Steuereintreiber und andere handelt, oder um kulturelle Mittler. Man muss auch wissen, dass nicht alle Franzosen, die nach Rumänien kommen, Revolutionäre sind, es gibt auch viele Flüchtlinge. Die Französische Revolution war vielleicht eine der blutigsten, in Klammern gesagt sind alle blutig, aber die Französische Revolution war allen voran blutig. Sie hat viele Menschen in die Flucht getrieben, die Arbeit suchten. Viele Franzosen werden Sekretäre, Lehrer, kleine Beamte in verschiedenen Verwaltungen, »cinovnici« [aus dem Russischen: tschinownitschi — kleine Beamte], wie man sie nannte, aber sie sind vor allem als Privatlehrer bei Familien gefragt. Dieser französische Geist setzt sich durch. Aber andere Franzosen sind wiederum echte Revolutionäre, Menschen aller Art verlassen also Frankreich und finden eine Unterkunft in Bukarest.“




    Von Frankreich ins restliche Europa strahlen die Ideen der Moderne dank der Militärkampagnen von Kaiser Napoleon I. stärker aus, der die alte politische Ordnung durcheinander bringt. Bis nach England im Westen, durch den deutschsprachigen Raum in den Osten, nach Russland und ins Osmanische Reich ist Europa von der Aufruhr mitgenommen, die Frankreich wie im Rausch verbreitet. Die Historikerin Georgeta Filiti glaubt, dass die Generationen junger Studenten dem politischen Aufwind aus Frankreich mehr Kraft bei den grundlegenden Verwerfungen in Europa gegeben haben. Denn die jungen Generationen seien in der Regel der Keim der Veränderung, sagt sie.



    Man konnte sich vorstellen, und es ist in den Köpfen vieler so gewesen, dass hier in Bukarest ein Zentrum der Wallungen entsteht, das eine Revolution auslöst, aber das lie‎ß sich schwer bewerkstelligen. Napoleon hat da sicherlich angestachelt, aber ausschlaggebend war, dass viele rumänische Studenten im Ausland studierten. Und sie setzen alles daran, um beim Kaiser vorzusprechen, in dem sie einen Retter sahen. 1813 gehen zum Beispiel viele Rumänen und Griechischsprachige aus dem rumänischen Raum, darunter viele vom Südbalkan eingewanderte Aromunen, nach Halle zum Studieren. Es gibt eine Fülle von Ärzten, die in Halle, Göttingen, Wien studieren. Einer von ihnen ist Apostol Arsachi. Er bekommt die Chance, bei einem Besuch des Kaisers in Halle eine Ansprache vor ihm zu halten. Es ist eine sehr schöne, entflammte Rede, in der er sagt: »Majestät, retten Sie die Christen des Osmanischen Reiches!« Es werden Dutzende und Aberdutzende von Aufrufen an Napoleon gerichtet, der natürlich ein guter Christ war, aber auch ein herrschsüchtiger Kaiser, ein Diktator, der seine eigene Politik verfolgte.“




    Die rumänische Moderne nahm in den ersten beiden Dekaden des 19. Jahrhunderts Gestalt an. Aber bis zur Verwirklichung ihrer Ideale hatten die Rumänen noch lange zu kämpfen und abzuwarten.

  • Aufstand der faschistischen Legionäre 1941: Chaos, Gewalt und antijüdische Pogrome

    Aufstand der faschistischen Legionäre 1941: Chaos, Gewalt und antijüdische Pogrome

    Es ging dabei um einen Kampf um die vollständige Machtergreifung im Staat zwischen der Eisernen Garde einerseits, der faschistischen Partei aus der Zwischenkriegszeit, und dem General Ion Antonescu auf der anderen Seite, der von der Armee und Hitler unterstützt wurde. Die Rebellion der Nationalen Legion war eine Reihe von Übergriffen der Eisernen Garde gegen die wichtigsten Staatsbehörden, das Militär und die Gendarmerie sowie gegen einen Teil der jüdischen Gemeinde. Die Stra‎ßen der Hauptstadt Bukarest und weiterer Städte des Landes waren für einige Tage von Chaos und Gewalt beherrscht.



    Die Historikerin Eliza Campus erinnerte sich 1999 im Interview mit dem Zentrum für Mündliche Geschichte des Rumänischen Rundfunks an jene Tage zurück. Die Schulleiterin jüdischer Abstammung habe laut eigener Aussage das Glück gehabt, Menschen zu begegnen, die vom Fanatismus der Legionäre nicht berührt gewesen seien.



    Während der Rebellion wohnte ich in der damaligen Bela-Breiner-Stra‎ße, der Hausbesitzer war Legionsmitglied, er hie‎ß Niculescu. Aber er hegte eine gewisse Sympathie mir gegenüber. Es gab ein Haus im hinteren Bereich und vorne war ein Apartment. Ich habe ihn angesprochen. ‚Hören Sie mal, ich habe gehört, dass es Kontrollen geben wird. Was haben Sie vor?‘ Und er antwortete: ‚Ich werde dann sagen, dass in dem Haus hier nur Christen wohnen.‘ Und das war’s. Der Mann war in der Tat anständig. Aber die Legionäre haben damals meinen Schülern, ihren Eltern schreckliche Dinge angetan. Und auch nachdem die Rebellion vorbei war, lebten die Leute weiterhin in Angst und Schrecken. Jetzt kann ich nicht behaupten, dass sich das Stra‎ßenbild unbedingt verändert hatte, die Leute gingen weiter normal ihren Dingen nach. Aber in den Häusern selbst hatte man sein Bestes getan, um sich zu verbarrikadieren. Auf der Stra‎ße ging man wie sonst auch, ich bin selbst täglich rausgegangen. Aber die Legionäre gingen direkt in die Häuser hinein und nahmen die Menschen als Geiseln mit oder töteten sie direkt an Ort und Stelle. Sie besetzten die Schule in der ich unterrichtete, sie rückten ihre Pistolen und bedrohten uns, da sind wir alle auf den Hof gegangen. Wir standen alle dort, mit 800 Schülerinnen, zum Glück war es ein sehr gro‎ßer Hof. Sie hatten nur die Schule besetzt, auf den Hof durfte ich gehen. Aber sie nahmen mir die Notenhefte weg, sie nahmen alles mit, es blieb einfach nichts. Später fand ich sie im Staatsarchiv wieder, denn sie hatten sie dorthin gebracht, ich nahm alle Dokumente wieder mit.“




    Constantin Matei arbeitete als Techniker beim Rumänischen Rundfunk, er leitete ferner die Radiozelle der Legion. Er war im September 1940 der Legionärsbewegung beigetreten. Im Interview mit Radio Rumänien erinnerte auch er sich an die Rebellion.



    Ich hatte gerade Dienst und war im Studio. Es trat auch die Armee vor das Mikrophon, es wurden die Mitteilungen vom Vorsitz des Ministerrates durchgegeben, es sprachen auch die vom Sekretariat der Legionärsbewegung. Ich wurde zum Präsidenten bestellt, zum Generaldirektor Mînzatu, von den Sprechern wurde Dan Andronescu eingeladen und ich vom technischen Dienst. Es war 12 Uhr Mitternacht. Ion Antonescu stand im Schlafanzug vor dem Schreibtisch, ebenso sein Stellvertreter, Mihai Antonescu, der sich gegen ein Bücherregal lehnte. Antonescu fragte: ‚Wer hat euch den Auftrag gegeben, die Mitteilungen im Radio zu senden?‘ Er sprach dabei Mînzatu an, der ihm antwortete: ‚Sie haben angeordnet, dass alle Mitteilungen vom Vorsitz und der Legionärsbewegung direkt an die Radiosprecher weitergegeben werden.‘ Und da hat Antonescu gesagt: ‚Will mir Horia Sima [der Anführer der Legionäre — Anm. d. Red.] mit den Arbeitern von den Malaxa-Werken beweisen, dass er das Land hinter sich hat? Ich zeige euch morgen, dass die Intellektuellen und die Landesarmee mit dem General Antonescu sind und ihr euch lieber um eure Sachen kümmern sollt! Sendet keine Mitteilungen mehr, hört mit der Agitation auf! Sendet nichts anderes als das, was wir euch vom Vorsitz des Ministerrates schicken!‘ Ich bin zur Sendeanlage in Băneasa gefahren und dort war die deutsche Armee. Ein Kapitän, der sehr gut Rumänisch konnte, sagte uns: ‚Horia Sima kennt sich nicht aus in der Politik. Ihr tut mir leid, regt euch ab, denn Antonescu hat die Partie gewonnen!‘“




    Der damals leitende General der Gendarmerie, Mihail Baron, gab 1995 selbst ein Interview für das Zentrum für Mündliche Geschichte. Vor allem die Ausführung der erhaltenen Befehle sei ihm in Erinnerung geblieben.



    Am Morgen des 21. Januar haben sie den Angriff auf die Lokal- und Zentralbehörden landesweit gestartet. Dank der überraschenden Aktion konnten sie das Justizministerium, den Sitz des Amtsblattes und andere Institutionen besetzen, darunter die Nationalbank, die Sparkasse, die zentrale Poststelle. Nur den Rundfunk haben sie nicht bekommen. Sie konnten zwar den Radiosender in Bod [bei Kronstadt] besetzen, aber in Bukarest gelang ihnen das nicht, weil der Rundfunk von der Gendarmerie bewacht wurde und sie auch entsprechend reagierten. Und weil sie doch mit den restlichen Landesteilen kommunizieren wollten, haben sie dann die unterirdischen Kabelleitungen abgeklemmt und die Verbindung zu einem mobilen Sender hergestellt, mit dem sie angeblich aus der Hauptstadt berichteten und Geschichten verbreiteten, wonach die Regierung gefallen sei und die Legionäre gesiegt hätten. Auch haben sie überall Plakate geklebt. Einige waren gelb oder rot, auf anderen wurden die Freimaurer angegriffen, auf weiteren die Kommunisten — dadurch wollten sie noch mehr Spannungen erzeugen. Am 21. Januar marschierten auf allen Stra‎ßen die Legionäre. Sie riefen laut ›Sieg der Legion!‹. Sie versperrten die Stra‎ßen mit geparkten LKWs, mit Stra‎ßenbahnen, mit Bussen, mit Betonmischern, mit Benzinfässern, die sie bei Bedarf anzünden wollten. Am 22. Januar, gegen 14 Uhr, als Marschall Antonescu sah, wie viele Gewaltverbrechen begangen worden waren, dass es hunderte Verletzte gab, erteilte er der Armee den Befehl, einzugreifen, den Widerstand zu brechen und die Rebellen festzunehmen.“




    Nach der Rebellion wurden etwa 8000 Legionäre festgenommen, angeklagt und zu verschiedenen Strafen verurteilt. Rund 700 von ihnen, allen voran Horia Sima, suchten in Deutschland Zuflucht. Infolge der Ereignisse blieb Ion Antonescu der alleinige Herrscher über die politische Szene in Rumänien.

  • Der Leibeigenen-Aufstand in Siebenbürgen 1784

    Der Leibeigenen-Aufstand in Siebenbürgen 1784

    Am 1. November 1784 starteten Scharen von siebenbürgischen Leibeigenen einen Aufstand gegen ihre Grundherren. Der Adel hatte sich geweigert, die Lockerung der Abgabepflichten umzusetzen, die von Kaiser Josef II. beschlossen worden war. Angeführt von den Bauern Horea, Cloşca und Crişan setzten die Aufständischen die Residenzen des Adels in Brand, zerstörten ihre Güter und töteten sogar diejenigen, die sich ihnen widersetzten. Der Aufstand sollte am 30. Januar 1785 mit der Festnahme der drei Anführer ein Ende nehmen.



    Der Aufstand vor 230 Jahren habe vor einem bestimmten Hintergrund stattgefunden, erklärt der Historiker Ioan Aurel Pop, Akademiemitglied und Universitätsprofessor in Cluj (Klausenburg):



    Das alles findet Ende des 18. Jahrhunderts statt, des sogenannten Jahrhunderts der Aufklärung, in dem sich ein weitreichender Revolutionsgeist zusammenbraute. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Aufstand fünf Jahre vor Beginn der gro‎ßen Französischen Revolution ausbrach, in einer Zeit, in der die revolutionären Ideen in Europa und den zukünftigen Vereinigten Staaten von Amerika in Umlauf waren. Es waren die Ideen der Aufklärer, von Jean-Jacques Rousseau bis hin zu Voltaire, der Grundgedanke war Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Da Siebenbürgen damals Teil eines mitteleuropäischen Reiches war, wanderten diese Ideen von einem Ende bis zum anderen Ende des Kontinents. Auch wenn die meisten Aufständischen, also Horea, Cloşca, Crişan und andere, Bauern waren, einige darunter Halb-Analphabeten oder sogar Analphabeten, hatten diese Ideen sie erreicht. Und das führte zur Entstehung eines Umfeldes, in dem gewisse Seiten des feudalen Obrigkeitsdenkens abgeschüttelt werden konnten, etwa durch die Verweigerung der Abgabepflicht, die die Bauern belastete. Es herrschte ein allgemeines Bestreben nach mehr Gleichheit, der Wunsch einer Eigenverantwortlichkeit der politischen Entscheidungsträger. Die sehr gro‎ßzügige Idee, die damals aufkam, war, dass man durch Bildung und Unterricht die Freiheit erreichen kann.“




    Historiker sind sich einig, dass während der Aufklärung das Nationalgefühl der Völker geweckt wurde. Und das trifft auch auf den Bauernaufstand von 1784-1785 in Siebenbürgen zu, glaubt Ioan Aurel Pop:



    Es hat eine nationale Dimension dieses Aufstandes gegeben, weil die Bauern, die sich gegen ihre Grundherren aufgelehnt hatten, in ihrer überwältigenden Mehrheit Rumänen waren. Die Grundherren, die Adligen also, waren grö‎ßtenteils Ungarn. Als der Aufstand im vollen Gange war, als der Höhepunkt erreicht wurde, waren die Bauern mit den Rumänen und die Adligen mit den Ungarn gleichzusetzen. In vielen Fällen vermischten sich die Losungen der Aufständischen: Die Bauern riefen nicht immer ‚lasst uns den Adel bekämpfen‘, sondern ‚lasst uns gegen die Ungarn kämpfen, die uns unterdrücken‘. Und der ungarische Adel rief nicht ‚lasst uns die Bauern zerschlagen‘, sondern ‚zerschlagen wir die Walachen‘. Und überhaupt, während des Aufstandes war es nicht so, dass die Bauern bei ihren Vorstö‎ßen auf die Anwesen der Adligen diese ganz einfach töteten. Nein, manche von ihnen wurden verschont, man zwang sie auf das rumänische Kreuz zu schwören, rumänische Tracht anzuziehen, und setzte sie gewisserma‎ßen mit den Idealen der Unterdrückten gleich.“




    Die drei Anführer der Aufständischen wurden zur Abschreckung der Bevölkerung hart bestraft. Crișan erhängte sich noch während seiner Haft, Horea und Cloșca wurden am 28. Februar 1785 durch Rädern öffentlich hingerichtet und anschlie‎ßend gevierteilt. Wieviele Bauern starben bei dem Aufstand und welche waren die Folgen, fragten wir Ioan Aurel Pop.



    Man geht davon aus, dass die Adligen, ihre Kriegstruppen und die Regimente der Habsburger 450-500 Bauern töteten. Die Bauern haben nicht mehr als 150 Adelige getötet. Das Verhältnis der Opfer könnte mit anderen Worten allenfalls 1:3 ausgefallen sein. Die Bauern mussten also dreimal so viel einstecken wie der Adel, sicherlich waren sie auch deutlich in Überzahl. Es wäre auch sehr schwierig, das Ausma‎ß der Sachschäden zu evaluieren. Während derartiger Aufstände werden Wertsachen zerschlagen, Residenzen zerstört. Doch neben den eigentlichen Sachschäden erzeugte der Aufstand einen Ideenstrom, der aus vielen Gesichtspunkten Emanzipation aufkommen lie‎ß. Und auch die Obrigkeit traf in Siebenbürgen Ma‎ßnahmen zur Modernisierung der Verwaltung, zur Aufhebung bestimmter Praktiken des Lehnswesens. Eine weitere Folge des Aufstandes war auch die Versetzung mehrerer Hundert Bauern aus dem Apuseni-Gebirge, um den Kampfgeist in Keim zu ersticken.“




    Manche Historiker vermuten hinter dem Kampfgeist des Rebellenführers Horea eine Gewisse Nähe zu den Freimaurern. Ioan Aurel Pop steht der These eher skeptisch gegenüber.



    Ich bin von dieser Theorie überhaupt nicht überzeugt, da es sehr wenige Quellen gibt, die zudem nicht allzu präzise sind. Es gibt in der Tat gewisse Hinweise darauf, aber gleichzeitig überwiegen die Gegenargumente. Man hat sehr viel über Horea geschrieben, über seine Familie. In der Boulevardpresse, die in Wien und anderen europäischen Hauptstädten immer mehr Zulauf fand, dort, wo das Publikum das Ungewöhnliche suchte, gab es Nachrichten über Frau Horea. Sie soll Hüte wie in Paris und hohe Absätze getragen haben. Sie war aber eine Bäuerin. Deshalb müssen diese Vermutungen über die Zugehörigkeit Horeas zu den Freimaurern mit grö‎ßter Zurückhaltung betrachtet werden, weil man nicht einmal genau bestimmen kann, ob Horea schreiben und lesen konnte. Es gibt noch eine kleine Kirche, die er dekoriert haben soll, wo eine eingeschnitzte kyrillische Inschrift offenbar die ‚Arbeit von Horea Ursu‘ belegt. Wir wissen aber nicht genau, ob die Inschrift von ihm stammt. Er war ein aufgeklärter Bauer, der als Anführer von Massen geboren wurde, es ist allerdings sehr unwahrscheinlich, dass er den Freimaurern hätte beitreten können. Denn die Freimaurerlogen hatten eine bestimmte Struktur und strenge Aufnahmekriterien. Es gibt also keine klaren Beweise für diese These und ich glaube nicht, dass der Aufstand in irgendeiner Hinsicht unzertrennlich zu seiner nachgesagten Zugehörigkeit zu den Freimaurern in Verbindung steht.“




    Horea, Cloşca und Crişan sind jedenfalls als Kämpfer für Würde und Gleichheit in die Geschichte eingegangen. Und das vor dem Hintergrund eines Jahrhunderts, das die Erfüllung höchster Ideale in glänzender Manier in Aussicht stellte. Die Anführer des Bauernaufstandes wählten eine radikale Lösung, die von der Mehrheit der Bauern nicht angenommen wurde, jedoch der Ausdruck einer Überzeugung jener Zeiten war.

  • Der Asseniden-Staat (12.-13. Jh.)

    Der Asseniden-Staat (12.-13. Jh.)

    Im Jahr 1185 waren die Steuerzahler im byzantinischen Reich sehr aufgeregt. Die zentrale Verwaltung hatte die Steuern angehoben, um die Hochzeit des Kaisers Isaak II. Angelos mit der Tochter des ungarischen Königs finanzieren zu können. Zwei Brüder, die rumänischen Bojaren Petru und Ioan Asan, Anführer der Gemeinden im nördlichen Teil des heutigen Bulgariens, haben dem Kaiserhof in Konstantinopel ein formelles Protestschreiben eingereicht. Ihr Antrag wurde abgelehnt. Zurück in Veliko Tarnovo haben die beiden Brüder einen antibyzantinischen Aufstand gestartet. Dieser führte zur Gründung des rumänisch-bulgarischen Staates oder des 2. Bulgarischen Reiches, unter der Führung der Asan-Dynastie (auch Assen od. Asseniden genannt). Der Staat funktionierte bis etwa 1260, als es sich spaltete. 1396 wurden alle Nachfolgestaaten vom Osmanischen Reich erobert.



    Das rumänisch-bulgarische Reich war ein multiethnischer Staat, in dem mindestens drei Volksgruppen gelebt haben: Rumänen, Bulgaren und Kumanen. Der Historiker Alexandru Madgearu meint, man könne kaum eine Karte des Staates erstellen.



    Es gibt mehrere Quellen, die zugleich — manchmal im selben Satz — die Wlachen, die Bulgaren und die Kumanen erwähnen. Man machte einen klaren ethnischen Unterschied bei der Teilnahme an einer Militärkampagne, bei einer Belagerung. Man machte sogar den Unterschied zwischen Gebieten, zwischen Bulgarien und der Walachei. Anscheinend gab es eine Walachei. Der Name wurde aber nicht von den Rumänen benutzt, weil die Rumänen sich nie selbst als Walachen bezeichnet haben. Die Quelle ist ein päpstliches Dokument. Wenn im selben Satz über die Walachei und Bulgarien berichtet wird, bedeutet das, dass der Staat Gebiete hatte, die sich einer Autonomie erfreuten. In dieser Hinsicht wissen wir kaum etwas. Wir wissen nur, dass man in byzantinischen Quellen, insbesondere des byzantinischen Historikers Niketas Choniates, einen klaren Unterschied zwischen Walachen und Bulgaren gemacht hat.“




    Auch wenn die mittelalterliche Nation nicht der modernen Nation entspricht, waren sich die Assen-Brüder ihrer Herkunft bewusst. Alexandru Madgearu:



    Natürlich waren sie sich ihrer ethnischen Herkunft bewusst. Wir müssen aber bedenken, dass die Idee des Volkes, der Nation nicht dieselbe Bedeutung wie beginnend mit dem 18.-19. Jahrhundert hatte. Damals handelte es sich mehr um die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, einer Religion oder sozialen Schicht. Direkt von ihnen wurde uns nur die Information, die mehrmals in der Korrespondenz mit dem Papst erscheint, dass sie römischer Herkunft seien, übermittelt. Bei diesen Aufständen war die Beteiligung multiethnisch. Die Feinde waren nicht die Griechen als Volksgruppe. Der Feind war die Macht in Konstantinopel, die Steuern einnahm. Alles ging von wirtschaftlichen Gründen aus, nicht unbedingt die Armen, sondern die Reichen haben den Aufstand gestartet. Insbesondere diese hatten zu leiden und haben dann auch die anderen zum Aufstand verleitet.“




    Der antibyzantinische Aufstand hatte auch eine mystische Komponente. Die Religion wurde im Mittelalter sehr oft für politische Zwecke eingesetzt. Alexandru Madgearu dazu:



    So haben die Assen-Brüder die Rumänen und Bulgaren in Tarnovo zum Aufstand aufgefordert. Sie haben eine komplizierte Geschichte erfunden, mit dem Heiligen Demetrios, der Thessaloniki verlassen hatte. Sie haben der Bevölkerung gesagt, der Heilige hätte die Griechen wegen ihrer Sünden verlassen und wäre zu ihnen nach Tarnovo gekommen. Sie haben am Fu‎ße der Burg eine Art Kapelle gebaut und haben dann einige Menschen dorthin gebracht, die meiner Meinung nach unter dem Einfluss von halluzinogenen Pilzen standen. So beschreibt es der Historiker Niketas Choniates. Diese begannen zu singen und schrien ‚Der Heilige Demetrios ist mit uns‘ und ‚Kämpfen wir gegen die verfluchten Griechen!‘. Niketas Choniates berichtet, die Bevölkerung war nicht kampflustig. Eine solche Strategie des psychologischen Kriegs war ma‎ßgebend für den Start des Aufstandes.“




    Den Staat der Assen-Brüder kennt man nicht näher, weil es nur wenige historische Quellen gibt. Alexandru Madgearu berichtet:



    Es fehlen die Quellen, wir können nicht wissen, wieviele Leute in einer Stadt Rumänen und wieviele Bulgaren waren. Wir haben auch keine Friedhöfe gefunden, sie darauf hinweisen könnten. Wenn die Anführer schwach waren, kam es zu abtrünnigen Bewegungen, so während der Herrschaft von Borilă und dann von Constantin Assen. Es hing von der Autorität des Herrschers ab. Wenn dieser nicht autoritär war, haben sich Bojaren in unterschiedlichen Gebieten autonom oder sogar unabhängig gemacht.“



    Die ersten drei Anführer – Petru, Ioan und Ioniţă Asan waren rumänischstämmig. Nachher wird die Dynastie bulgarisch. Das zweite bulgarische Reich bleibt auch nach dem Fall Konstantinopels selbstständig. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzritter im Jahr 1204 wurde das byzantinische Reich sehr geschwächt. Die Eroberungen des Osmanischen Reiches in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts brachten einen gro‎ßen politischen Wandel in der Region mit sich.

  • Die öffentliche Wahrnehmung der rumänischen Revolution von 1989

    Die öffentliche Wahrnehmung der rumänischen Revolution von 1989

    Eine Obsession der rumänischen Revolution vom Dezember 1989 waren die sogen. Terroristen. Die mutma‎ßliche Verwicklung ausländischer Geheimdienste im Verlauf der Ereignisse hat zudem tief enttäuscht. Die Terroristen wurden zu einer wahrhaften Neurose, die die Wahrnehmung des wichtigsten Moments in der jüngeren Geschichte Rumäniens beeinflusst hat. Die Opfer vom Dezember, der nachfolgende langwierige Wandel und die enttäuschten Erwartungen brachten einige dazu, die rumänische Revolution mit Bedauern oder sogar mit Verachtung zu betrachten.



    Der Historiker Adrian Cioroianu von der Fakultät für Geschichte in Bukarest hat versucht zu erläutern, wer die sogenannten Terroristen waren, die damals aus dem Hinterhalt auf Menschen schossen:



    Es ist ein Begriff, an den viele damals geglaubt haben. Was wir heute als Terroristen bezeichnen, hätten Söldner-Truppen aus mehr oder weniger arabischen Ländern, es hätten die berüchtigten sowjetischen ‚Touristen‘ sein können. Was wir jetzt geschichtlich mit Gewissheit sagen können, ist, dass ein gro‎ßer Teil derjenigen, die bis zum 25. Dezember und sporadisch auch nach diesem Datum geschossen haben, Ceauşescu treu gebliebene Elemente der internen Sicherheitspolizei Securitate gewesen sein könnten. Wenn wir die Verschwörungstheorie befolgen, können wir natürlich Vermutungen anstellen, dass alles gro‎ßartig in Szene gesetzt wurde, um den Eindruck einer Revolution zu erwecken. Das ist eine Interpretation, vor der ich Angst habe, und ich wünsche mir, dass diese in Zukunft nicht bestätigt wird. Es würde zynisch sein, bei den Gefechten sind Menschen ums Leben gekommen.“



    Von Historikern erwartet man gewöhnlich eine klare Antwort betreffend die Terroristen. Aber ihre wohlüberlegten Erklärungen besitzen nicht die Überzeugungskraft der Verschwörungstheorien. Adrian Cioroianu über die Schwierigkeiten, auf die Historiker bei der Deutung geschichtlicher Ereignisse sto‎ßen:



    Solange wir keine glaubwürdigen Berichte von den Zeitzeugen bekommen, die damals die Situation kontrolliert haben, ist die Aufgabe des Historikers eine ziemlich undankbare. Wir können nur Zeugenaussagen von damals sammeln, ihre Glaubwürdigkeit ist aber streitbar. Damals, im Schock und Chaos, war es schwer, zwischen tatsächlich Erlebtem und Eingebildetem, zwischen wahren Eindrücken und falschen Wahrnehmungen zu unterscheiden. Der Historiker ist aber dazu verurteilt, nach der Wahrheit zu suchen. In einer chaotischen Periode ist es praktisch unmöglich, die Wahrheit zu finden, wenn diejenigen, die die Situation verwaltet haben, ihren Teil der Wahrheit nicht sagen. Veteranen der Geheimdienste, diejenigen, die im Dezember 1989 die Macht verloren haben, sprechen von einem Komplott, das vorbereitet gewesen wäre, manche sagen in der Sowjetunion. Wir können nur spekulieren, so lange wir keine minimale Dokumentations-Basis haben.“



    In der Geschichte der Revolutionen spricht man von konterrevolutionären Bewegungen, die sich der Revolution widersetzen. Manche Historiker meinen, die rumänische Revolution sei wegen der Anwesenheit der Terroristen atypisch gewesen. Adrian Cioroianu ist anderer Meinung:



    Ich glaube nicht, dass die rumänische Revolution atypisch war. Sie unterscheidet sich von den anderen in Osteuropa, wenn wir uns mit der Tschechoslowakei, mit Ungarn oder mit der DDR vergleichen. Wir müssen akzeptieren, dass die Existenz eines kommunistischen nationalen Regimes, so wie dieses in Ungarn, Polen oder der Tschechoslowakei nicht existierte, uns von Anfang an zu solchen Auseinandersetzungen verurteilte: Menschen, die gegen Ceauşescu ein Komplott schmiedeten, und Menschen, die Ceauşescu verteidigten. Wenn wir das heute mit klaren Augen betrachten, hätten wir diese Polarisierung und diese Trennung in zwei Konflikt-Parteien erwarten müssen. Und ich möchte dabei nur auf den Fall Jugoslawien verweisen: Dort gab es auch einen nationalen Kommunismus, und wir wissen, wie lange die Trennung von dem noch als kommunistisch angesehenen Regime von Milošević gedauert hat. Der National-Kommunismus hat immer solche Probleme verursacht und hat zu internen Konflikten geführt.“



    Gibt es eine Chance, dass die Rumänen den wahren Wert der Revolution vom Dezember 1989 erkennen werden? Adrian Cioroianu ist optimistisch:



    Ich bin mir sicher, dass immer mehr Rumänen zu der vernünftigen Schlussfolgerung kommen werden, dass diese Energiefreisetzung vom Dezember 1989 — zumindest aufgrund ihrer Folgen — eine Revolution war. Neutral sprechen wir ja von den ‚Dezember-Ereignissen‘, gerade weil wir vermeiden möchten, einen generischen Namen zu finden. Ich glaube, wir müssten es Revolution nennen, weil die Folgen denen einer Revolution entsprechen, ungeachtet dessen, was sich diejenigen vorgestellt haben, die möglicherweise einen Putsch gegen Ceauşescu vorbereitet hatten. Wenn solche Ereignisse in einem Land passieren, treten normalerweise die Geheimdienste der Nachbarländer in Alarmbereitschaft. Wir dürfen uns nicht vorstellen, dass die sowjetischen Geheimdienste, die Geheimdienste Jugoslawiens und Ungarns die Ereignisse in Rumänien nicht aufmerksam verfolgten. Das war ihre Pflicht. Natürlich muss man zwischen Aufmerksamkeit und Verwicklung unterscheiden. Für uns ist es aber noch nicht klar, inwieweit die Sowjetunion verwickelt war. Ich bin mir aber sicher, dass die Zeit alles heilt, auch in der Geschichte.“



    Die Revolution vom Dezember 1989 hat nach 45 Jahren Kommunismus die Freiheit und die Demokratie zurückgebracht. Die heutige Unzufriedenheit der Rumänen ist unbedeutend gegenüber dem Leben unter der kommunistischen Tyrannei.



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  • Nachrichten 20.12.2013

    Nachrichten 20.12.2013

    BUKAREST: Das Wirtschaftswachstum für das Jahr 2012 wurde um 0,1 Prozent nach unten korrigiert, und zwar von 0,7% auf 0,6%, verlautet aus den Daten, die am Freitag vom Nationalen Statistikamt veröffentlicht wurden. Im April 2013 hatte das Statistikamt ein geschätztes Wirtschaftswachstum von 0,7% für 2012 angegeben, weit über den zuvor angekündigten Rhythmus von 0,3%. Das BIP stieg in den ersten neun Monaten dieses Jahres um 2,7%, gestützt von der Industrie und der Landwirtschaft, hei‎ßt es noch im besagten Bericht.



    BRÜSSEL: Der Europarat hat beschlossen, in Bukarest ein Amt zur Bekämpfung der IT-Kriminalität einzurichten. Dies erklärte der rumänische Staatsprasident, Traian Basescu, am Freitag bei seiner Rückkehr aus Brüssel, wo er am Wintertreffen des Europarates teilgenommen hat. Die Verluste, die die IT-Kriminalität 2012 europaweit verursacht hat, belaufen sich auf 290 Milliarden Euro; täglich werden 148.000 Rechner von Häckern angegriffen und lahmgelegt und 150.000 Computerviren werden ebenfalls täglich in die IT-Systeme der EU-Staaten eingeführt, so Traian Basescu. Rumänien müsse au‎ßerdem seine Leistungsfähigkeit in der Verteidigungsindustrie verbessern, sagte noch der rumänische Staatspräsident.



    BUKAREST: Das Rumänische Parlament hat am Freitag den Publizisten Stelian Tănase als interimistischen Generalintendanten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens validiert. Tănase soll Claudiu Săftoiu ersetzen, der nach der Ablehnung des Aktivitätsberichts des öffentlichen Fernsehens zurückgetreten war. Der 61-jährige Stelian Tănase wurde von den Liberalen für dieses Amt vorgeschlagen. Er ist Philosophiedoktor, Schriftsteller, Kolumnist, Historiker, Politologe und Gestalter von Fernsehsendungen.



    BUKAREST: In Timisoara/Temeswar gab es am Freitag Veranstaltungen zum Gedenken des Tages, an dem die Stadt kommunismusfrei“ wurde. Vor 24 Jahren, nach dem Aufstand, der am 16. Dezember 1989 ausgebrochen war und nach der blutigen Unterdrückung der protestierenden Rumänen, die an den darauffolgenden Tagen auf die Stra‎ßen gegangen waren, wurde bei den Temewsarer Werken der Generalstreik ausgerufen. Mehr als 150.000 Menschen demonstrierten auf den Stra‎ßen von Temeswar für Freiheit und Demokratie. Vor diesem weiten Aufstand zog sich die Armee zurück in die Kasernen und Temeswar wurde zur ersten kommunismusfreien“ Stadt erklärt. In Erinnerung an diese Ereignisse läuteten am Freitag mittag die Sirenen in der Temeswarer Stadtmitte, genau wie vor 24 Jahren.

  • Dezember 1989: Temeswar, die erste kommunismusfreie Stadt in Rumänien

    Dezember 1989: Temeswar, die erste kommunismusfreie Stadt in Rumänien

    Doamne, vino Doamne, să vezi ce-a mai rămas din oameni“Oh Gott, komm auf die Erde, um zu sehen, was aus den Menschen geworden ist“, hei‎ßt es einem bekannten Lied namens Nächte“, das zur Hymne der Revolution von Dezember 1989 wurde. Der Aufstand begann am 16. Dezember in Temeswar, im Westen des Landes. Er breitete sich wie ein Lauffeuer aus, nachdem Elena Ceauşescu, die Ehefrau des Diktators Nicolae Ceauşescu, den Befehl gab, die Spuren der Repression zu beseitigen. In der Nacht zum 19. Dezember wurden im Rahmen der Operation Trandafirul“ (Die Rose“) die Leichen von 43 Revolutionären vom Leichenschauhaus des Kreiskrankenhauses in Temeswar zum Krematorium Cenuşa“ nach Bukarest gebracht und in einer Nacht- und Nebelaktion verbrannt. Die Vertreter der Behörden sollten nach der Beruhigung der Lage bekanntgeben, dass die 43 Rowdies“ das Land verlassen hätten.



    In der Zwischenzeit entwickelten sich die Protestbewegungen der Arbeiter zu einer Massenbewegung, die sich aufs ganze Land ausweitete. Man organisierte Protestdemonstrationen und Streike, bei denen politische und wirtschaftliche Forderungen gerufen wurden. Der Mut der Rumänen äu‎ßerte sich auch durch die gegen den Dikatator gerichteten Losungen, was bis Dezember unvorstellbar gewesen war. Die Zensur und der Personenkult waren seit Jahrzehnten Staatspolitik. Wo sind unsere Toten? Wir sind keine Hooligans! Wärme in den Wohnungen! Wir wollen Fleisch! Wir wollen Schokolade für die Kinder! Weg mit dem Diktator!“ Die Geduld der Temeswarer war zu Ende. Freiheit! Demokratie! Nieder mit Ceausescu!“, riefen alle wie aus einem Munde. In einigen siebenbürgischen Städten wie Sibiu, Alba Iulia, Sebeş, Deva, Târgu Mureş, Braşov wurde ein Manifest veröffentlicht.



    Am 20. Dezember erklärte sich Temeswar zur ersten vom Kommunismus befreiten Stadt. Heute, 24 Jahre nach der Wende, gedenkt die westrumänische Stadt ihrer Märtyrer. Trauerzeit. Trauerbeflaggung. Man hört die Sirenen in der ganzen Stadt. Die Nachkommen der Helden, deren Leichen in Bukarest verbrannt wurden, kommen nach Temeswar, um eine Kerze anzuzünden und einen Blumenkranz nieder zu legen. Auf dem Opernplatz wurden damals Jugendliche niedergeschossen. In den Kirchen werden Gottesdienste gehalten. Wir alle gedenken unseren Helden, die uns von der Diktatur, vom Kommunismus befreit haben.

  • Die rumänische Revolution von 1989 in Jassy

    Die rumänische Revolution von 1989 in Jassy

    Timişoara / Temeswar ist die Symbolstadt der rumänischen Revolution vom Dezember 1989. Am 16. Dezember haben die Bürger der Banater Hauptstadt entschieden, dass Rumänien sich wandeln muss. Ceauşescus Rumänien, eigentlich ihr Land und das Land ihrer Kinder, konnte nicht dasselbe bleiben, während in der ganzen kommunistischen Welt der Wandel nicht mehr gestoppt werden konnte. Heldenhaft und sehr entschieden gingen die Temeswarer auf die Stra‎ße, um ihre Sehnsucht nach Freiheit und ihr Recht auf ein besseres Leben zum Ausdruck zu bringen.



    In einer anderen Ecke des Landes bereitete sich die Hauptstadt der Moldauregion Iaşi vor, sich der kommunistischen Tyrannei Ceauşescus zu widersetzen. In den 1980er Jahren bildete sich hier eine Protestbewegung um die Schriftsteller Dan Petrescu, Tereza Petrescu, Luca Piţu und Alexandru Călinescu. Am 12. Dezember 1989 hat der Wirtschaftler Ştefan Prutianu zusammen mit ein paar weiteren Intellektuellen der Organisation Rumänische Volksfront“ in der ganzen Stadt Manifeste verbreitet, die die Bevölkerung aufforderten, am 14. Dezember um 16 Uhr an einer Kundgebung auf dem Vereinigungsplatz teilzunehmen.



    Die kommunistische Sicherheitspolizei Securitate hatte aber die Untergrundorganisation seit langem im Visier. Zehn Stunden vor Beginn der Kundgebung wurden Organisatoren des geplanten Protests verhaftet. Als erster wurde Ştefan Prutianu selbst verhaftet. Er hatte am 10. Dezember das Manifest geschrieben. Prutianu, Wirtschaftsprofessor an der Universität Alexandru Ioan Cuza“ in Iaşi, erzählte später, er habe damals gedacht, das sei die logische Folge seiner Taten.



    Gemischte Trupps der Miliz, Sicherheitspolizei und der patriotischen Garden haben den Vereinigungsplatz besetzt und Dutzende Menschen verhaftet, die zu diesem Platz eilten. Die Revolution in Iaşi wurde folglich vor ihrem Beginn gestoppt. Adrian Cioroianu, Dekan der Bukarester Fakultät für Geschichte, glaubt, man habe einigerma‎ßen erwartet, dass die antikommunistische Revolution in einer gro‎ßen Provinzstadt startet und nicht in der Hauptstadt. Diese Stadt musste eine Grenzstadt sein, in der die Geschehnisse bei den Nachbarn einen starken Impuls zum Wandel darstellten. Solwohl Iaşi als auch Timişoara — zwei der gro‎ßen Industriezentren Rumäniens — erfüllten dieses Kriterium.



    Ich würde auf folgendes Detail aufmerksam machen: Die Bewegungen gegen Nicolae Ceauşescu starteten in exzentrischen Städten, in Städten, die nahe an unseren Nachbarn liegen. Russland war damals die ehemalige Sowjetunion. Iaşi lag geographisch nahe der Ostgrenze. In der ehemaligen Sowjetischen Moldaurepublik war die Lage aus der Perspektive der Perestroika viel fortgeschrittener als in Bukarest. Dann Temeswar, die Stadt lag an der Westgrenze des Landes. Meiner Meinung nach können wir nicht behaupten, eine echte Revolution hätte nicht in Iaşi ausbrechen können. Schlie‎ßlich war Iaşi auch die Stadt einer offensichtlichen Widerstandsbewegung, zumindest auf geistiger Ebene gab es hier einige Mutige, die ihre Standpunkte öffentlich bekannt machten und von denen wir erst nach 1990 erfahren haben. Möglicherweise ist die notwendige kritische Masse für die Entstehung eines Schneeball-Effekts nicht zustande gekommen, wie es in Temeswar der Fall war. Temeswar war vor dem Hintergrund seiner konfessionellen und ethnischen Vielfalt auch der entsprechende Ort, um eine Widerstandsbewegung ins Leben zu rufen, an der sich Bürger beteiligen, die etlichen Glaubensrichtungen, Ethnien, einschlie‎ßlich Rumänen, beteiligen. Wenn in Temeswar die Rumänen nicht mitgewirkt hätten, dann, glauben wir, hätte Ceauşescu alle Gründe gehabt, zu behaupten, es handele sich um eine Einmischung unserer Nachbarn, was er allerdings auch gesagt hat. Durch die Beteiligung der Rumänen in Temeswar hat man diesem Protest einen nationalen und globalen Charakter verliehen. Man muss auch das, was in Iaşi passiert ist, in Betracht ziehen und untersuchen, aber infolge einer tiefgründigen Bewertung kommt man zum Schluss, dass die revolutionsreifste Stadt eine an der Westgrenze hätte sein müssen, wie es bei Temeswar auch der Fall war.“



    Temeswar ist der Ort, an dem die Revolution ausbrach und der der ganzen Welt über die Hoffnungen der Rumänen bezeugte. Adrian Cioroianu hat nachgewiesen, welche Vorteile Temeswar gehabt hat. Wir haben unseren Gesprächspartner gefragt, was in Iaşi gefehlt hat, um dort das Revolutionssignal Rumäniens zu geben.



    Es hat an einem Samen der Unzufriedenheit gefehlt, wie ihn Tőkés in Temeswar verkörpert hat. Wir müssen uns eingestehen, dass Revolutionen meistens nicht von Intellektuellen ausbrechen. Natürlich bereiten die Intellektuellen diese vor, doch wenn es keine massive Unterstützung gebe, würden die Intellektuellen selber keine gro‎ße Macht haben. Das Element Tőkés hat dem Aufstand in Temeswar einen mehrkonfessionellen rumänisch-ungarischen Charakter verliehen, dem sich natürlich auch die Deutschen und Serben aus der Gegend anschlossen. Deshalb stellte man eine gro‎ße Bereitschaft der Menschen fest. Wenn ich ‚Menschen‘ sage, dann beziehe ich mich auch auf die Reaktion des damaligen Westens Europas. Das hat dem Ceauşescu-Regime ein Ende gesetzt, denn diesem warf man bereits seit einem Jahrzehnt vor, eine Politik gegen die Minderheiten der Ungarn und der Deutschen durch die Gleichschaltung regionaler Unterschiede im Land durchzusetzen. Aus diesem Gesichtspunkt hatte Temeswar einen Vorteil, den Iaşi oder andere Städte des Landes nicht hatten.“



    Die rumänische Revolution in Iaşi war das Ergebnis eines Vorsto‎ßes derer, die ihren Alltag nicht mehr aushielten, ein Vorgang, der die stillschweigende Unterstützung der ganzen rumänischen Gesellschaft hatte. Temeswar und Bukarest sind die Städte, in denen die Rumänen ihre Freiheit wiedererlangten. Dennoch kann man auch Iaşi nicht die Rolle abstreiten, das Anfangssignal des grö‎ßten Augenblickes in der Neugeschichte Rumäniens gewesen zu sein.



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  • Rumänisch-polnische Beziehungen im 14. Jh. Aufstand der Eisernen Garde (1941)

    Rumänisch-polnische Beziehungen im 14. Jh. Aufstand der Eisernen Garde (1941)


    In unserer Reihe Pro Memoria bringen wir heute zwei Beiträge zur Geschichte Rumäniens, über Ereignisse, die am 20. Januar, allerdings in unterschiedlichen Jahrhunderten, stattgefunden haben. Als erstes sprechen wir über die rumänisch-polnischen Beziehungen im 14. Jh., versiegelt mit der Unterzeichnung des Abkommens zwischen der Walachei und Polen, in Lublin, am 20. Januar 1390. Anschlie‎ßend bringen wir ein bitteres Ereignis der rumänischen Gegenwartsgeschichte in Erinnerung: DenAufstand der Eisernen Garde vom 20. Januar 1941.


    Die Geschichtsschreibungen der zweiten Hälfte des 14. Jhs notierten die Präsenz des zukünftigen Osmanischen Reiches in Südosteuropa. Zwischen 1500 und 1900 wurde das Osmanische Reich zur grö‎ßten Macht der Region. Die christlichen Nationen auf dem Balkan versuchten mit allen Kräften, der osmanischen Invasion standzuhalten, was aber ihnen nur für kurze Zeit gelang. Im letzten Viertel des 14. Jhs suchte der Fürst der Walachei, Mircea der Alte, der zw. 1386 und 1418 herrschte, nach Allierten im Kampf gegen die Türken; diese hatten die Donau, die Grenze seines Fürstentums, erreicht. Da zu jener Zeit die Beziehungen zum ungarischen Herrscher Sigismund von Luxemburg (1387-1437) nicht besonders gut waren, konnte die Walachei keine Hilfe vom benachbarten Ungarn erwarten; daher versuchte Mircea der Alte eine Beziehung zu Polen aufzubauen, das damals vom König Wladislaw II. Jagello (1386-1434) regiert wurde.


    Nach der Niederlage der serbischen Armee in der Schlacht am Amselfeld (Kossovopolje), im Jahre 1389, geriet Mircea der Alte in eine noch schwierigere Lage. Durch Vermittlungen geführt vom moldauischen Fürst Petru Muşat (1375-1391), einem Vassalen des polnischen Königs, schlo‎ß Mircea der Alte am 10. Dezember 1389 eine Vereinbarung mit Polen, wodurch der Fürst der Walachei und der König Polens sich verpflichteten, einander Unterstützung su sichern, sowohl gegen den ungarischen König als auch gegen andere Feinde. Der Fürst der Walachei wurde von den Brüdern Manea und Roman Herescu vertreten; bei der Unterzeichnung des Abkommens war auch der Palatin Dragoi, als Vertreter des moldauischen Fürsten, anwesend. Die Ratifizierung dieser Vereinbarung fand am 20. Januar 1390 im polnischen Lublin statt. Die Bedingungen der Vereinbarung waren aber sehr vage, nicht präzise, und die wenigen existierenden Dokumente, wie zum Beispiel das Schreiben Mircea des Alten an Wladislaw II. Jagello, wodurch das bilaterale Abkommen paraphiert wurde, bieten auch nicht genügend Details. Das Schreiben des polnischen Königs, wodurch dieser seinerseits das Abkommen ratifizierte, ist leider nicht erhalten.


    Dem Abkommen von Lublin, unterzeichnet am 20. Januar 1390, folgte nach kurzer Zeit eine dreiseitige Vereinbarung zwischen dem walachischen Fürsten Mircea dem Alten, dem polnischen König Wladislaw II. Jagello und dem ungarischen König Sigismund von Luxemburg. Laut diesem neuen Abkommen vom 17. März 1390 verpflichteten sich Polen, Ungarn und die Walachei, sich gegenseitig im Kampf gegen den gemeinsamen Feind zu unterstützen. Durch das Beitreten des ungarischen Königs an dieser Allianz gewann Mircea der Alte einen Vorteil, da die geographische Lage Ungarns eine Beteiligung dieses Landes an einer militärischen Kampagne gegen das Osmanische Reich viel wahrscheinlicher war, als eine Beteiligung Polens.


    Obwohl die Beziehung zu Ungarn gut war — 1395 hatte sich Mircea der Alte zum Vasallen des Königs Sigismund von Luxemburg erklärt — erneuerte der Fürst der Walachei die Allianz mit dem polnischen König in 1404, 1410 und 1411, um sich vor der ungarischen Expansion zu schützen. Die Allianz zwischen dem polnischen König und dem walachischen Fürst funktionierte während der Schlacht bei Tannenberg (Grünwald), am 15. Juli 1410. Ein walachisches und ein moldauisches Kontingent trugen zum Sieg der polnisch-litauischen Armeen gegen das Heer des Deutschen Ordens bei.



    Die Eiserne Garde (rumänisch Garda de Fier), auch Legionärbewegung genannt (rumänisch Mişcarea Legionară) war eine terroristische, faschistische und antisemitische Bewegung bzw. eine politische Partei in Rumänien. Sie wurde am 24. Juli 1927 von Corneliu Zelea Codreanu als Legion des Erzengels Michael (rumänisch Legiunea Arhanghelului Mihail) gegründet. Codreanu blieb bis zu seiner Ermordung 1938 unter dem Titel Capitanul“ (Kapitän) der Führer der Bewegung. Nach seinem Tod wurde Horia Sima der neue Führer der Legion. Von Ende Juni 1940 bis Anfang September 1940 beteiligte sich die Legion erstmals an einer rumänischen Regierung. Am 4. September 1940 errichtete die Legion unter Führung Horia Simas gemeinsam mit General Ion Antonescu eine faschistische nationallegionäre“ Diktatur, die Rumänien an die Seite der Achsenmächte führte. Antonescu hoffte, durch die Machtbeteiligung der Legionäre, das neue Regime populär zu machen. Diese erzwang die Abdankung Carol II. zugunsten seines Sohns Mihai und neigte noch mehr den Achsenmächten zu. Horia Sima wurde Vizepräsident des Kabinetts. Formal trat Rumänien dem Dreimächtepakt im November 1940 bei.


    An die Macht gelangt, verschärfte die Eiserne Garde die ohnehin harten antisemitischen Gesetze und verfolgte straflos eine Kampagne der Pogrome und politischen Morde. Mehr als 60 vormalige Würdenträger und Funktionäre wurden am 26./27. November 1940 im Gefängnis von Jilava bei Bukarest hingerichtet, während sie auf ihren Prozess warteten. Der Historiker und frühere Premierminister Nicolae Iorga und der Ökonom Virgil Madgearu, ebenfalls Minister in einer früheren Regierung, wurden ohne Verhaftung ermordet.


    Nach nur fünf Monaten an der Macht überwarf sich Marschall Ion Antonescu mit der ebenfalls seit September 1940 an der Regierung beteiligten faschistischen Eisernen Garde, auch »Legionäre« genannt. Neben allgemeinen Machtkämpfen führte vor allem die Frage über die Methoden der Vertreibung und Enteignung der rumänischen Juden zu Konflikten. Die Eiserne Garde entfesselte seit September 1940 erbarmungslosen Terror gegen Juden durch Gewalt, Vertreibung und Enteignung. Antonescu strebte dagegen ein staatlich organisiertes, schrittweises und bürokratisches Vorgehen gegen die Juden an. Zudem befürchtete er, die Eiserne Garde und ihre Verbündeten könnten durch die Anhäufung von jüdischem Besitz zu mächtig werden. Nach Antonescus Wunsch sollte das geraubte jüdische Vermögen allein dem Staat und nicht einzelnen Organisationen zukommen.


    Bei einem Treffen mit Adolf Hitler in Deutschland am 14. Januar 1941 versicherte sich Antonescu dessen stillschweigender Zustimmung zu einem Vorgehen gegen die Eiserne Garde; seine Gegenleistung war das Versprechen einer rumänischen Beteiligung am bevorstehenden Angriff auf die Sowjetunion.


    Antonescu entlie‎ß am 20. Januar 1941 den Innenminister sowie weitere Amtsträger der Eisernen Garde. Dies nahm die Eiserne Garde als Anlass zum Aufstand: Ihre Anhänger bewaffneten und verschanzten sich in strategisch wichtigen Gebäuden in Bukarest, vor allem in Polizeirevieren. Die Propaganda der Eisernen Garde richtete sich — wie auch zuvor — gezielt gegen Juden, die sie für die Regierungskrise verantwortlich machten. In den folgenden Tagen nutzten die »Legionäre« die chaotischen Zustände in Bukarest für brutale antijüdische Ausschreitungen. Ihre Anhänger schlugen, misshandelten und töteten Juden. Am 22. Januar gab der Innenminister den Befehl, die jüdischen Stadtbezirke von Bukarest anzugreifen. Mindestens 120 Juden wurden bei dem Pogrom getötet. Die rumänische Armee griff nicht ein. Erst am 23. Januar 1941 führte die Armee schlie‎ßlich einen Angriff gegen die Eiserne Garde und schlug deren Aufstand am 24. Januar 1941 nieder.


    Nachdem ihr Putsch Ende Januar 1941 von Antonescu blutig niedergeschlagen wurde, wurde die Legion in Rumänien verboten. Tausende Mitglieder der Eisernen Garde wurden inhaftiert. Horia Sima und viele seiner Gefolgsleute flüchteten nach Deutschland. Unter seiner Führung sollte im Wiener Exil eine rumänische Nazi-Marionettenregierung gebildet werden, die in den noch nicht von der Sowjetunion besetzen Teilen Rumäniens aktiv werden sollte. Dieser Plan wurde wegen des raschen Vormarsches der sowjetischen Truppen aufgegeben.