Tag: Ausgrenzung

  • Soziales Bildungsrisiko: Schüler aus prekären Verhältnissen sind benachteiligt

    Soziales Bildungsrisiko: Schüler aus prekären Verhältnissen sind benachteiligt

    Über das rumänische Schulsystem wird schon seit langem viel geschrieben, von allen Seiten und aus allen Blickwinkeln. Eltern, Lehrer und Schüler brachten ihre eigenen Ansichten darüber ein, warum beispielsweise die Abbrecherquoten so hoch sind (im Jahr 2020 lag sie bei 15,3%, also über der EU-Rate). Viel diskutiert wurde auch, warum die Schüler so schlecht ausgebildet sind — denn 2018 galten etwa 40% der 15-jährigen Schüler als sogenannte funktionale Analphabeten. Ein anderes Thema war, warum die Lehrer nicht motiviert sind.



    Hinzu kommt die Tatsache, dass verschiedene soziologische Studien darauf hinweisen, dass viele Schüler aus ländlichen und benachteiligten Gebieten sehr arm sind, was Auswirkungen auf ihre Bildung hat. Um Klarheit zu schaffen, hat die NGO Human Catalyst das Konzept des sozialen Bildungsrisikos entwickelt, ein Instrument zur Messung von Bedingungen, die zu schlechten schulischen Leistungen und sozialer Ausgrenzung aufgrund schlechter Bildung führen. Unter diesem Gesichtspunkt wurden fast alle Schulen in Rumänien über einen Zeitraum zwischen 2015 und 2019 geprüft, wobei die Untersuchung auf Klassen zwischen der ersten und achten Klasse lief. Es handelt sich dabei um ein Aggregationsinstrument, da die Schulleistungen stark von dem Umfeld beeinflusst werden, in dem die Bildung stattfindet, erläutert Laura Greta Marin, die Human Catalyst vorsteht:



    Mit Hilfe von Langzeitdokumentationen, theoretischen Studien, aber auch Feldforschung haben wir diese Formel und diesen Algorithmus entwickelt, bei dem wir Bildungsdaten mit Informationen über den Kontext, in dem das Kind lebt, oder über die Gegend, in der die Schule liegt, kombinieren. Das ist wichtig, denn es ist eine bekannte Tatsache, dass die Umgebung einen erheblichen Einfluss auf die schulischen Leistungen hat. Daher war es uns ein gro‎ßes Anliegen, einen relevanten und vertrauenswürdigen Indikator zu finden, der zusätzlich zu den offiziellen Daten über Bildungssysteme verwendet werden kann. Es handelt sich dabei um ein Instrument zur Aggregation von Daten über das schulische Umfeld wie auch über das Lebensumfeld der Menschen.“





    Die Ergebnisse der Anwendung des Sozialen Bildungsrisikos zur Untersuchung rumänischer Schulen über vier Jahre wurden kürzlich in einer einschlägigen Studie veröffentlicht. Sie wird von einer Online-Karte begleitet, die die Situation der Schulen in jedem Landkreis detailliert beschreibt. Doch welche Indikatoren flie‎ßen in das Bildungsrisiko ein? Zum einen die Schulabbrecherquote, aber auch andere Elemente, die Laura Greta Marin erklärt:



    Ein wichtiger Indikator ist die Ausbildung der Lehrer, ausgedrückt durch die Anzahl der Lehrer ohne angemessene Ausbildung im Verhältnis zur Gesamtzahl der Lehrer in einer bestimmten Einheit. Dann haben wir die Schüler gezählt, die nicht an der nationalen Lernstanderhebung teilgenommen haben, und auch den Notendurchschnitt der Schüler, die daran teilgenommen haben. Auch ziehen wir den sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungsstand der Region oder des Ortes heran, den wir von der Weltbank haben. Hier wird die Ausgrenzung von 1 bis 4 eingestuft, wobei 4 der maximale Grad ist. Dies bedeutet ein niedriges Bildungsniveau sowie ein niedriges soziales und wirtschaftliches Niveau.“





    Nachdem Human Catalyst so über 4000 Schulen prüfte, kam der Verein zum Schluss, dass fast 40% von ihnen zwischen 2018 und 2019 sozialpädagogisch gefährdet waren. Über 1.500 wurden als benachteiligt“ eingestuft, also fast 40%. Das ist weit mehr als im Zeitraum 2017–2018, als 27% der Schulen benachteiligt“ waren, und noch mehr als 2015–2016. Am schlimmsten schnitten die Landkreise Covasna, Vaslui, Mureș, Călărași und Tulcea ab. Auch in Bezug auf die Lehrerausbildung besagt die Human Catalyst-Studie, dass es für benachteiligte Gebiete schwierig ist, an ausgebildetes Lehrpersonal zu kommen. Rückläufig sind die Ergebnisse der Nationalen Lernstandserhebung am Ende der 8. Schulklasse. Bei der Analyse dieser Ergebnisse kamen die Mitarbeiter von Human Catalyst zu dem Schluss, dass die Durchschnittsnoten im Schuljahr 2018–2019 in allen Landeskreisen mit vier Ausnahmen im Vergleich zum Schuljahr 2015–2016 niedriger waren.



    Die Studie gilt nun als Grundlage für die Bildungspolitiker, die Gegenma‎ßnahmen erarbeiten müssen.

  • Integration von behinderten Kindern: viele Akteure gefragt

    Integration von behinderten Kindern: viele Akteure gefragt

    Die Kampagne Gemeinsam aufwachsen, gemeinsam stärker werden“ wurde vom Ministerium für Arbeit und Sozialschutz über seine Nationale Behörde für die Rechte von Behinderten, Kindern und Adoptionen ins Leben gerufen wurde. Die anderen Partner sind das Bildungsministerium und der UNICEF. In Rumänien gibt es offiziell etwa 70.000 behinderte Kinder, von denen etwa die Hälfte in Sonderschulen isoliert sind, während die anderen, die in reguläre Schulen gehen, keine besondere Hilfe erhalten. Selbst wenn Rumänien die UN-Konvention über die Rechte von Behinderten unterzeichnet hat und sich damit verpflichtet, von Sonderschulen auf integrative Schulen umzusteigen, geht es nach Ansicht des UNICEF-Vertreters für Rumänien, Gabriel Vockel, nur langsam voran. Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen geben jedes Jahr Tausende von Euro für die Behandlung aus, während Kinder, deren Eltern sich das nicht leisten können, in Heimen oder Institutionen isoliert bleiben, so Mădălina Turza von der Nationalen Behörde für die Rechte von Behinderten, Kindern und Adoptionen:



    Leider gibt es in Rumänien derzeit nur etwa 270 Tagesbetreuungs- oder Therapiezentren, was bedeutet, dass wir landesweit nur eine begrenzte Anzahl von Diensten haben, die nur eine minimale Abdeckung bieten, und das für weniger als 18% der behinderten Kinder in Rumänien. Und deshalb sind die Dinge so komplex und schwierig, wenn es darum geht, für die Eingliederung zu sorgen. Au‎ßerdem befinden sich etwa 36% der Kinder unter besonderem Schutz aufgrund von Armut und 8% aufgrund von Behinderungen in dieser Situation. Das bedeutet, dass diese Kinder ohne ausreichende und wirksame Therapie am Ende in eine Anstalt eingewiesen werden.“




    Das fehlende Engagement des Staates bei der Unterstützung von Kindern mit Behinderungen führt laut Mădălina Turza zur Vernachlässigung:



    Eine der Prioritäten, die ich und die Behörde haben, ist die Regelung der sogenannten ‚Pausendienste‘ für behinderte Kinder, denn in Rumänien tragen die Familien dieser Kinder eine schrecklich schwere Last, sie haben keinen Platz, wo sie ihre Kinder für ein paar Stunden oder für einen oder zwei Tage unter Aufsicht lassen könnten, um die Probleme, die sie haben könnten, zu bewältigen. Deshalb sind diese Eltern überfordert, und für die Kinder steigt von da an das Risiko des Verlassenwerdens. Wir haben in allen Bezirken mobile Teams für die Frühförderung behinderter Kinder und für die Integration in die Gemeinschaft geschaffen, und wir haben Pläne, diese Dienste weiter zu finanzieren. Dies ist ein entscheidender Aspekt bei der Integration von Kindern mit Behinderungen. Wir brauchen gut ausgebildete Spezialisten, die mit verschiedenen Arten von Therapien, Intervention und Genesung arbeiten, mit allen fürsorglichen Diensten, die behinderte Kinder brauchen.“




    In Rumänien gibt es Tausende von Fällen, in denen Kinder mit Behinderungen diskriminiert oder ausgegrenzt werden, weil nicht alle Lehrer für die Arbeit mit ihnen ausgebildet sind. Es gibt Bezirke in Rumänien, die nur einen ausgebildeten Lehrer für je 150 behinderte Kinder haben. Die Ministerin für Bildung und Forschung Monica Anisie versprach, dass die Zahl der Berater in den Schulen bald steigen wird:



    Ich plane, die Zahl der Vertrauenslehrer im voruniversitären Bildungssystem und in der Lehrerausbildung zu erhöhen. Ich habe Gespräche mit Vertretern der Universitäten geführt, um im Schuljahr 2020 eine höhere Zahl von Vertrauenslehrern zu erreichen, weil die Gesellschaft in diesem Bereich Hilfe braucht. Wir planen, gemeinsam daran zu arbeiten, das Schulpersonal in den Kompetenzen der Arbeit mit behinderten Kindern zu schulen. Wir ermutigen die Eltern, sich uns anzuschlie‎ßen, wir ermutigen das Lehrpersonal, die Kinder zu unterstützen und angehende Lehrer durch kontinuierliche Weiterbildung oder durch Erstausbildung zu spezialisieren.“




    Die Diskriminierung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen findet in ganz Europa statt, nicht nur in Rumänien. UNICEF-Daten zeigen, dass mindestens 75% der 5,1 Millionen behinderten Kinder, die in Mittel- und Osteuropa sowie in Zentralasien leben, keine hochwertige Bildung erhalten. Ebenfalls laut UNICEF gibt es weltweit über 93 Millionen behinderter Kinder.

  • Leistungsschwache Schüler bleiben auf der Strecke

    Leistungsschwache Schüler bleiben auf der Strecke

    Für die Bewertung des Schulsystems sind nicht nur amtliche Daten relevant, sondern auch Erhebungen zivilgesellschaftlicher Vereine — die Organisation Human Catalyst hat in diesem Sinne ein neues Instrument entwickelt und erfolgreich ausprobiert: einen Index für das Bildungs- und Sozialrisiko.



    Der Index wurde bisher nur bei der Bewertung der Schüler bis zur 8. Klasse eingesetzt — bei Kindern also im Alter zwischen sechs und 14 Jahren. Human Catalyst prüft dazu Daten wie die Zahl der Abbrecher, der sitzengebliebenen Schüler, der Rauswürfe usw. Beim Risikoindex zählt aber auch, wie gut oder schlecht die Lehrkräfte ausgebildet sind, wie die Schüler bei den nationalen Prüfungen abschneiden und die Entwicklungslage des Ortes, an dem die Schule arbeitet — der Grad der Ausgrenzung nach Daten der Weltbank also. Laura Greta Marin, Chefin von Human Catalyst, liefert Einzelheiten: Der Risikoindex geht von 1 bis 10 — wobei 10 das höchste Risiko ist. Wir haben dabei vier Arten von Schulen erkannt: 446 leistungsstarke mit einem Index von 0 bis 1, dann über 2.600 Schulen mit mittlerem Risiko — über 60% der geprüften, 1.115 gefährdete Schulen und 54 zutiefst gefährdete Schulen“, so Laura Greta Marin von Human Catalyst, die alsdann auch ein Profil der gefährdeten Schulen zeichnet: Diese Schulen liegen generell in ausgegrenzten Gebieten, so wie diese von der Weltbank beschrieben wurden. Es sind in der Regel kleine Schulen mit etwa 300 Schülern, von denen etwa 10% und mehr Roma sind. In einigen von ihnen sind Roma die Mehrheit, weitere sind sogar nur für Roma bestimmt. Die Abbrecherquote liegt in bestimmten Fällen bei sogar 70%“, zählt die Expertin die Merkmale auf.



    Bei der Prüfung der Daten fielen den Organisation merkwürdige Zusammenhänge auf — ein Phänomen greift um sich, das sie Brăila-Phänomen“ nennt: Die Region war die zweitbeste bei den nationalen Prüfungen, hinter Bukarest. Aber zugleich nahmen von hier die wenigsten Schüler an diesen Bewertungsprüfungen teil — nur rund 60%. Beamte und Eltern sagten uns dann, dass es seit Jahren eine Praxis gibt — Kinder mit schlechten Leistungen werden gezwungen oder erpresst, nicht an den Bewertungen teilzunehmen, um die Leistung der Schule nicht kaputtzumachen. Das wird aus dem ganzen Land berichtet.“



    Die Schulen wissen, welche Schüler voraussichtlich schlecht abschneiden werden, weil die Prüfungen zunächst nur simuliert werden. Manche Schulleiter versuchen dann nach dieser Simulierung Schüler mit schwachen Leistungen zu entmutigen — das erzählt auch eine Mutter aus Bukarest. Ihre Söhne — Drillinge — riskierten aufgrund der schlechten Mathe-Noten, sitzenzubleiben. Aber anstatt ihnen zu helfen, verhielt sich die Schulleitung besonders perfide, so die Frau: Sie hatten schlechte Noten, aber ich wusste nichts davon. Das hat mich erstaunt. Sie waren schwach, das ahnte ich, aber nicht ganz so schlecht. Die Leiterin sagte mir, sie würde die Lehrerin anweisen, die Kinder nicht zu versetzen, damit sie bei der Bewertungsprüfung nicht dabei sind — hätten sie eine schlechte Bewertung geschrieben, hätte die Schule negativ abgeschnitten“, erzählt die Mutter der drei Kinder.



    Solchen Druck auf die Lehrer zu machen, ist illegal. Und es beeinträchtigt die Moral der Kinder, meint sie: Meine Söhne werden die Prüfung im Herbst schreiben müssen — sie sehen sich als Versager. Und sie haben sich gesagt, es macht ja keinen Sinn, noch in Mathe zu pauken, weil sie ja sowieso sitzen bleiben.“



    Die Mutter der Kinder beschwerte sich beim Bildungsministerium, aber auf Initiative von Human Catalyst richteten auch mehrere NGOs im Verbund eine Petition zum Thema dieses Phänomens. Die Behörde zeigte sich zumindest offen und lud zum Dialog ein.

  • Nachrichten 07.04.2018

    Nachrichten 07.04.2018

    Eine Woche nach den römisch-katholischen und den evangelischen Christen feiern die orthodoxen Christen weltweit das Osterfest. Heute ist Karsamstag, der letzte Tag der Karwoche und der zweite Tag des österlichen Triduums. Am Karsamstag, dem Tag der Grabesruhe Jesu Christi, gedenken die Christen seines Abstiegs in die Unterwelt, bei dem er nach seiner Kreuzigung die Seelen der Gerechten seit Adam befreit habe. Die orthodoxen Christen in Rumänien und in aller Welt feiern am Sonntag die Auferstehung Jesu Christi. Eine Delegation der Rumänischen Patriarchie ist nach Jerusalem gereist, um das Heilige Licht zu empfangen und es um Mitternacht beim Osternachtgottesdienst an die Gläubigen in Rumänien zu verteilen.



    Mehr als 50.000 Angestellte des Innenministeriums, Polizisten und Gendarmen, werden diese Tage für Ordnung und öffentliche Sicherheit in Rumänien sorgen. Sie werden besonders in den Gegenden, wo Klöster und Kirchen liegen, einsatzbereit sein. Diese Tage werden rund 700 öffentliche Veranstaltungen stattfinden, an denen mehr als 250.000 Menschen erwartet werden. Die Verkehrspolizei wird mit mehr als 300 Einsatzwagen den Verkehr überwachen und wird auch von Hubschraubern unterstützt. 800 Feuerwehrwagen und 300 Teams des Rettungsdienstes SMURD sind auch bereit, bei eventuellen Notsituationen zu intervenieren.



    Der Staatspräsident Klaus Iohannis hat am Samstag eine Botschaft anlässlich des Internationalen Roma Tages an die Öffentlichkeit gerichtet. Dabei sagte der rumänische Staatschef, es sei wichtig, die Traditionen, die Werte, die Wünsche und Bestreben der Roma-Gemeinden zu verstehen, um Lösungen für die soziale Inklusion der Roma zu finden und gleichzeitig ihre kulturelle Identität zu bewahren. Jedes Jahr am 08. April findet der Internationale Roma-Tag statt, in Erinnerung an den ersten Internationalen Roma-Kongress, der 1971 in London stattgefunden hat. Roma ist der Oberbegriff für eine Reihe ethnisch miteinander verwandter, ursprünglich aus dem indischen Subkontinent stammender Bevölkerungsgruppen. Roma leben als ethnisch-kulturelle Minderheit auf allen Kontinenten, in ihrer großen Mehrheit jedoch in Europa und dort vor allem in Südosteuropa und einigen mitteleuropäischen Staaten, sowie in Spanien und Frankreich. Sehr viele Roma-Angehörige werden sowohl aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit als auch aufgrund ihrer sozialen Situation marginalisiert und stehen so im Schnittpunkt zweier Formen gesellschaftlicher Ausgrenzung. In manchen europäischen Staaten sind sie über eine gesellschaftliche Randstellung hinaus noch in jüngster Zeit offener Verfolgung ausgesetzt gewesen oder noch ausgesetzt.



    Das Bukarester Institut Eudoxiu Hurmuzachi“ für die Rumänen in aller Welt organisiert zusammen mit dem Bildungszentrum Lauder-Reut“ in der Zeit 9.-13. April den Marsch der Holocaust-Überlebenden – zusammen mehr erfahren“. An diesem Kulturprojekt beteiligen sich junge Menschen aus 52 Ländern. Die rumänische Delegation besteht aus Schülern und Lehrern von der Lauder-Reut-Schule in Bukarest und von Schulen aus der Republik Moldau. Das Projekt ist Teil des Programms Karavane der rumänischen Identität“, das vom Institut Eudoxiu Hurmuzachi“ und vom Ministerium für die Rumänen in aller Welt organisiert wird. Besagtes Programm enthält mehrere Kulturevents zur Förderung der rumänischen Kultur und zur Konsolidierung der nationalen Identität der Rumänen und ist Teil des Strategischen Programms Rumänischer Kulturraum – Hundert Jahre seit der Großen Vereinigung – 1918-2018“

  • Armutsbekämpfung: bescheidene Fortschritte, widersprüchliche Statistiken

    Armutsbekämpfung: bescheidene Fortschritte, widersprüchliche Statistiken

    10 Jahre nach dem EU-Beitritt Rumäniens werden wie am Flie‎ßband Bilanzen gezogen. Laut Statistiken hat Rumänien in Sachen Armutsbekämpfung erhebliche Fortschritte verzeichnet. Lebten 2007 noch 47% der Rumänen unter der Armutsgrenze, so waren 2015 nur noch 37% der Bürger davon betroffen. Die sogenannte AROPE-Kennzahl dient der Berechnung in diesem Fall, in die sowohl die Jahreseinkommen als auch die eigenen Güter flie‎ßen. Doch der Schein trügt teilweise, wie wir von unseren Gesprächspartnern erfahren werden.



    Die verbesserte Armutsstatistik bedeutet, dass sich immer mehr Rumänen in den letzten Jahren elektronische Haushaltsgeräte und Handys leisten konnten sowie alle zwei Tage mindestens ein Fleischgericht essen oder einmal im Jahr in Urlaub fahren. Die Rumänien-Vertretung der Friedrich Ebert“-Stiftung untersuchte im Rahmen eines Projekts die Zahlen seit dem EU-Beitritt des Landes. Dabei sei die Organisation zu eigenen Schlussfolgerungen in Sachen Armut gekommen, erzählt die Programmdirektorin Victoria Stoiciu.



    Es ist offensichtlich, dass heute viel mehr Menschen ein Handy und einen Farbfernseher besitzen als 2007. Einerseits sind derartige Artikel billiger geworden und andererseits werden den Verbrauchern viel einfacher Kredite gewährt. Wenn wir also diese Kennzahl betrachten, kann davon ausgegangen werden, dass die Armut zwischen 2007 und 2015 erheblich gesunken ist und es den Rumänen besser geht.“




    Andererseits lässt sich aus der Erhebung auch eine widersprüchliche Aussage ableiten: Auch wenn sich die Missstände im Allgemeinen verringert haben, ist die Not in bestimmten Fällen grö‎ßer. Wenn nur die Einkommen betrachtet würden, das hei‎ßt ausschlie‎ßlich das Geld, über das die Menschen verfügen, dann würde man überrascht feststellen müssen, dass die Armut weiter zugenommen hat. Genauer gesagt ist die Anzahl der Personen gestiegen, deren Einkommen um 60% weniger als der Landesdurchschnitt betragen. 2015 machte diese Kategorie knapp 25% der Gesamtbevölkerung aus, während ihr Anteil 2007 noch 18% betragen hatte. Victoria Stoiciu von der Friedrich Ebert“-Stiftung ergänzt:



    Die ärmsten 10% der rumänischen Bevölkerung leben nach wie vor in ländlichen Gebieten. Es sind generell Menschen, die eine Subsistenz-Landwirtschaft betreiben. Auf diesem Gebiet ist überhaupt kein Fortschritt verzeichnet worden. 2007 verdienten die ärmsten 10% der Rumänen 556 Euro im Jahr. Und damit sind Einkommen gemeint, keine Gehälter oder Löhne, also Verdienste, die auch aus dem Verkauf kleiner Eigenerzeugnisse erzielt werden können, etwa Eier, Käse usw. 2015 erreichten die Einkommen der Ärmsten 714 Euro im Jahr, also eine unerhebliche Verbesserung. Geschätzte 2 Millionen Rumänen leben von 714 Euro im Jahr.“




    Über die Mängel der auf dem Lande und vor allem über die in Bergregionen lebenden Menschen wollten wir uns mit Iulian Angheluţă unterhalten. Seine Stiftung Free Mioriţa“ hat sich seit Jahren im Rahmen eines Projekts einem ehrgeizigen Ziel verpflichtet: die letzten nicht elektrifizierten Gemeinden Rumäniens mit Strom zu versorgen. Diese Regionen sind noch recht zahlreich, und am härtesten getroffen sind die isolierten Gemeinden und Weiler in den Bergen. Von Iulian Angeluţă wollten wir als erstes wissen, wie der Alltag in den entsprechenden Regionen derzeit aussieht.



    Dort sind einige Waldwege. Es gibt Wasserquellen, es flie‎ßt dort Quellwasser aus den Bergen. Aber Elektrizität gibt es keine. Fast überall im Apuseni-Gebirge in den Westkarpaten, im Hochland um Hunedoara, in der Maramuresch und um Bistritz, dort sieht man kaum Überlandleitungen. Es gibt nur Pläne und sogenannte Machbarkeitsstudien. Darüber hinaus fehlen an vielen Orten die obligatorischen Anhaltspunkte einer zivilisierten Gesellschaft — etwa Schulen oder Krankenhäuser. Die Menschen kommen mit ihrer Subsistenz-Landwirtschaft über die Runden. Ein jeder hat Tiere auf seinem Hof, vor allem Schafe und Kühe. Aus dem Wald in der Nähe wird das Holz für die Heizung besorgt, und dort pflücken die Einwohner unterschiedliche Früchte und Pilze.“




    Der Anschluss an das Stromnetz würde für diese Menschen ein Mindestkomfort bedeuten, aber auch die Möglichkeit, der Isolation zu entkommen. Einige von ihnen haben das elektrische Licht dank der Photovoltaik- oder Solarstromanlagen erblickt. Iulian Angheluţă und seine Kollegen von Free Mioriţa“ haben die notwendigen Spenden dafür gesammelt. Es seien vor allem die Kinder in den isolierten Gemeinschaften, denen sie mit ihrer Aktion helfen wollten.



    Jeder Haushalt braucht Arbeitskräfte. Ob wir es mögen oder nicht, Kinder werden im Haushalt eingesetzt. Sie gehen mit den Schafen auf die Weiden oder sie helfen ihren Eltern bei anderen Aktivitäten. Sie haben ein sehr schweres Leben, die Bildung bleibt im Hintergrund. Deshalb scheint mir die Elektrizität wichtig. Sie ist wichtig für die Kinder beim Erledigen der Hausaufgaben, aber sie ist auch wichtig für den Zugang zu Informationen und die Bildung im Allgemeinen. Man bekommt Zugang zum Radio oder zum Telefon, mit dem man etwa den Notarzt rufen kann.“




    Die Situation der Kinder und Jugendlichen im Verhältnis zu den älteren Personen ist eben einer der Widersprüche der errechneten Armutsreduzierung, berichtet Victoria Stoiciu von der Friedrich Ebert“-Stiftung.



    Während Rumänien bei der Bekämpfung von Armut und der sozialen Ausgrenzung älterer Personen Fortschritte erzielt hat, waren diese Fortschritte bei den Jugendlichen viel bescheidener. Bei den jungen Rumänen im Alter von bis zu 16 Jahren ist die Armut um nur 6% zwischen 2007 und 2015 gesunken. Bei den über 64-Jährigen nahm die Armut um 24% ab. Für das beschleunigte Tempo könnte es auch eine Erklärung geben. 2009 hat die damalige Regierung eine Ma‎ßnahme getroffen, die zur Armutsreduzierung bei den älteren Personen entscheidend beigetragen hat: die Einführung der sozialen Mindestrente. Und dieser Pauschalbetrag liegt derzeit bei etwa 415 Lei, nicht einmal 100 Euro. Seien wir ehrlich! 100 Euro bieten kein anständiges Leben, aber es ist doch eine Verbesserung gegenüber vorigen Jahren.“




    Angesichts fehlender Strategien der für den sozialen Schutz zuständigen Behörden versucht die Zivilgesellschaft Abhilfe zu schaffen. Allein im vergangenen Jahr gelang es Free Mioriţa“ Solarstrom-Anlagen für 78 Haushalte in 15 Landkreisen zu liefern. Damit trug die Stiftung zur Elektrifizierung von vier Schulen und zwei Kirchen bei.

  • Nachrichten 08.04.2016

    Nachrichten 08.04.2016

    BUKAREST: Präsident Klaus Iohannis hat am Freitag die Ausgrenzung der Roma-Minderheit als Problem bezeichnet. Der Staat aber auch die Gesellschaft müssten Lösungen finden, um die Ausgrenzung von Roma zu bekämpfen. Auch wenn die Roma sich dank ihrer Traditionen eine besondere kulturelle Identität geschaffen hätten, würden sie heute noch diskriminiert. Ihre Gemeinschaften gehörten zu den ärmsten und benachteiligten Volksgruppen, sagte Iohannis. Der Staatschef verwies ferner auf die Gefahren, die von Ignoranz, Intoleranz, Ausländerfeindlichkeit und Rassismus ausgingen. Rumäniens parteiloser Ministerpräsident Dacian Cioloş drückte seine Hoffnung aus, dass bestimmte europäische Staaten ihre Neigung zur Stigmatisierung der Roma überwinden können. Die beiden Amtsträger hielten ihre Ansprachen anlässlich des Internationalen Roma-Tages. Laut offiziellen Statistiken leben in Rumänien gut 600.000 Roma, die Volksgruppe ist damit hinter den Rumänienungarn die zweitgrößte Minderheit des Landes.



    BUKAREST: Der Oberste Gerichtshof will das Urteil im sogennanten Prozess um den Referendumsbetrug des ehemaligen sozial-demokratischen Parteivorsitzenden Liviu Dragnea am 22. April aussprechen. Dragnea war in erster Instanz zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Die Nationale Antikorruptionsbehörde DNA legt Dragnea zur Last, 2012 bei der Volksabstimmung zur Amtsenthebung des Ex-Präsident Traian Băsescu einen komplexen Mechanismus koordiniert zu haben, um Wähler zu mobilisieren und die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Weitere 74 Angeklagte, unter ihnen Leiter und Mitglieder von Wahllokalen in vier rumänischen Landkreisen sind in demselben Verfahren freigesprochen oder zu Haft auf Bewährung verurteilt worden. Selbst wenn 87% der Wähler sich für die Emtmachung des Präsidenten Băsescu ausgeprochen hatten, hatte das Verfassungsgericht die Volksabstimmung aufgrund des nicht erreichten Quorums für ungültig erklärt.



    BUKAREST: Die rumänische Transport- und Kommunikationsinfrastruktur müssen modernisiert werden. Das erklärte in Bukarest auf einer Fachkonferenz die EU-Kommissarin für Binnenmarkt, Industrie und Unternehmertum, sowie kleine und mittlere Unternehmen, Elżbieta Bieńkowska. Sie ermutigte die Bukarester Regierung zudem, die makroökonomische Reformstruktur fortzusetzen, die Investitionsmöglichkeiten und die Abrufquote von EU-Fonds zu steigern. Am Vortag hatte die EU-Kommissarin mit dem rumänischen Premier Dacian Ciolos diskutiert. Ciolos stellte ihr die wichtigsten Prioritäten seines Kabinetts vor, darunter die Verbesserung des Investitionsumfeldes.



    BUKAREST: Mircea Albulescu, einer der beliebtesten rumänischen Schauspieler, ist in der Nacht zum Freitag im Alter von 81 Jahren gestorben. Er war am Donnerstagmittag mit Herzrhythmusstörungen in eine Bukarester Klinik eingeliefert worden. Der Rumänische Theaterverband UNITER bezeichnet Albulescu in einer Danksagung als einen der größten Schauspieler des Landes und beliebten Professor, der Dutzende Generationen von Künstlern geformt hat“. Das Ableben des promovierten Kunstwissenschaftlers, Publizisten, Dichters und Schriftstellers habe den Verband in eine tiefe Trauer gestürzt, hieß es. Während seiner 60-jährigen Karriere interpretierte Albulescu Hunderte von Rollen auf den Bühnen des Landes, spielte in über 70 Filmen und wirkte bei gut 300 Hörspielstücken mit. 2005 hatte der Theaterverband Albulescu mit dem UNITER-Preis für die gesamte Karriere ausgezeichnet.

  • Davide Abdelal: Italiener arabischer Abstammung will Flüchtlingen helfen

    Davide Abdelal: Italiener arabischer Abstammung will Flüchtlingen helfen

    Ende der 2000er Jahre war die soziale Lage in Italien nicht die beste. Davide Abdelal wurde von seinen Schulkameraden wegen seiner arabischen Abstammung ausgegrenzt. Nachdem er das Gymnasialstudium beendete, ist er nach Rumänien gekommen. Seine Freunde hatten ihm über Rumänien erzählt. Davide lernte ein Jahr lang alleine Rumänisch:



    Für den Anfang wollte ich nur einen Job finden, um ein bisschen Geld zu verdienen. Danach wollte ich studieren. Und das habe ich auch getan. Ich habe eine Hochschule besucht und Chemie studiert, leider habe ich anschlie‎ßend nicht den gewünschten Job gefunden. Ich habe mir etwas mit Italienisch ausgesucht und es war gut, weil es ein bisschen kompliziert ist, als Ausländer eine Fakultät zu besuchen. Man braucht viele Dokumente, Urkunden. Ich hatte ein Jahr lang Zeit, mich zu organisieren und alle Unterlagen in Ordnung zu bringen.“



    Nach der Diplomarbeit in Energetik am Bukarester Polytechnikum macht Davide nun seinen Master in Wasserenergetik. Davide erzählt, warum er sich für eine rumänische Hochschule entschieden hat:



    Meine Mutter schickt mir Geld, damit ich die Miete bezahlen kann. Hätte ich mich für Deutschland entschieden, wäre es kaum finanzierbar gewesen. Es ist sowieso schwer für meine Mutter. Ich möchte ihr nicht zu viel zumuten. Rumänien war die einfachste Wahl. Ich bin europäischer Bürger und ich bezahle für das Studium keine Gebühren. Wäre ich in Italien geblieben, hätte ich mehr bezahlen müssen.“




    Die Mutter von Davide Abdelal ist Italienerin, der Vater Ägypter. Davide war noch nie in Ägypten und spricht auch kein Arabisch. Er ist auch kein Muslim, sondern Atheist:



    In der Schule wollten sich die Schulkameraden mit mir nicht anfreunden, sie wollten nicht mit mir nicht sprechen. Ein gewisser Rassismus war schon da. Sie sagten mir ‚ok, du bist in Italien aufgewachsen, also bist du Italiener‘. In Rumänien ist es viel besser.“




    Der Migrantenstrom aus dem Nahen Osten und Nordafrika nach Europa lässt einige Menschen behaupten, es bestehe die Gefahr der Islamisierung des Kontinents oder der Einschleusung von Terroristen unter den Flüchtlingen. Davide Abdelal dazu:



    Da kann man merken, wie einfach die Menschen manipuliert werden können. Es tut mir leid, so etwas zu hören. Auch wenn ich Verschiedenes darüber lese, bin ich sehr traurig. Es ist schwer, weil diejenigen, die kommen, eine ganz unterschiedliche Kultur haben. Beide Seiten müssen kooperieren. Wenn z.B. Frankreich als Land nicht kooperieren will, wenn man alle Flüchtlinge irgendwo sich selbst überlässt, so entsteht die Möglichkeit, dass unerwünschte Phänomene stattfinden.“




    Rumänien wird über 4.000 Flüchtlinge aufnehmen, die von den Behörden und einfachen Menschen unterstützt werden müssen. Davide Abdelal will auch helfen:



    Ich bin Mitglied eines europäischen rumänisch-panarabischen Verbandes. Ich beteiligte mich sogar an einer Kundgebung. Ich habe erfahren, dass Nahrungsmittel und Kleidungsstücke für Flüchtlinge gesammelt werden. Nun will ich Arabisch lernen, um mit ihnen kommunizieren zu können. Die Zeit ist kurz, aber ich tue mein Bestes. Da Rumänien nur wenig Geld für Flüchtlinge aufbringen kann, ist es nicht so einfach. Das bedeutet nicht, dass wir sie hassen müssen. Ich habe mich sehr gefreut, dass es Menschen gibt, die den Flüchtlingen helfen wollen.“




    Davide Abdelal wei‎ß noch nicht, ob er nach seinem Master Rumänien verlassen wird. Er wei‎ß nicht wohin. Eines wei‎ß er bestimmt, er will die Menschen, die Hilfe brauchen, unterstützen.

  • Projekte zur Integration der rumänischen Roma-Gemeinschaften

    Projekte zur Integration der rumänischen Roma-Gemeinschaften

    Die Roma stellen die ärmste und schutzbedürftigste Ethnie in Rumänien dar. Laut Statistik leben 80% der rumänischen Roma-Gemeinschaften unter prekären Bedingungen. Die Hauptprobleme, mit denen die Roma-Bevölkerung konfrontiert wird, sind nichtausreichende Einkommen, Mangel an Berufsausbildung, der niedrige Bildungsstand, Arbeitslosigkeit, begrenzter Zugang zu öffentlichen Anstalten, Diskriminierung. Was dennoch für die Eingliederung der Roma getan wird, erfahren wir aus dem folgenden Beitrag von Teofilia Nistor. Die deutsche Fassung bringt Florin Lungu.



    Die Mehrheit der Roma lebt in Häusern ohne Grundausstattungen wie Küche, Toilette, Dusche, Bad oder Elektrizität. Der grö‎ßte Anteil an Analphabetismus wird wiederum in der Roma-Bevölkerung verzeichnet. Auch wenn es Initiativen zur Verbesserung der Lebensbedingungen und zur sozialen Eingliederung der Roma sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene gegeben hat, stellen die Roma die europaweit meistdiskriminierte Gruppe, verglichen mit anderen Mnderheiten, dar.



    Um eine bessere Übersicht über die Lage dieser Gemeinden zu haben und in dem Versuch, ihre Lebensbedingungen zu verbessern, wurde neulich in Bukarest das Projekt Die soziographische Kartographie der rumänischen Roma-Gemeinden für eine Überwachung auf Gemeinschaftsebene der Änderungen hinsichtlich der Integration der Roma“ (SocioRoMap) ins Leben gerufen. Das Projekt soll Informationen und Daten für die öffentlichen Anstalten bieten, die Aufgaben in der Erarbeitung von öffentlichen Politiken haben, um Ma‎ßnahmen zur Eingliederung dieser Gemeinden zu treffen. Au‎ßerdem werden die Ergebnisse des Projekts die Behörden bei der Entwicklung von Programmen und Finanzierungsschemen für die Projekte zur Bekämpfung der Armut, für lokale Entwicklung und für die Förderung der Erfolgschancen einiger Randgruppen unterstützen.



    Das Projekt SocioRoMap wird von dem Institut zur Erforschung der Probleme der nationalen Minderheiten in Klausenburg in Zusammenarbeit mit der Stiftung für eine Offene Gesellschaft und dem Forschungszentrum für Zwischenethnische Beziehungen gefördert. Kartographiert werden sollen über 3000 rurale und urbane Verwaltungseinheiten. Dadurch soll man sich eine bessere Übersicht über die Bedürfnisse und Prioritäten dieser Roma-Gemeinden verschaffen. István Horváth, Präsident des Instituts zur Erforschung der Probleme der nationalen Minderheiten:



    Unser Ziel ist nicht nur eine einfache Inventur. Wir möchten, dass die Beschreibung und Vorstellung dieser Gemeinschaften auf möglichst verständlicher Weise erfolgt. Deren Probleme sollen visuell durch einige Karten vorgetragen werden. Darüber hinaus wollen wir ein Funktionsnetzwerk von Personen aufbauen, die relevante Informationen über den Stand dieser Gemeinden bieten können. Es wird Netzwerke der Sozialarbeiter geben, der NGOs, die bereits mit verschiedenen Gemeinden gearbeitet haben, der befugten Anstalten, also der Personen, die in Institutionen arbeiten, deren Aufgabe der Schutz der Roma ist. Dazu zählen Schul- und Sanitärmediatoren usw. Unser Ziel ist also, diese Gemeinden aufzuzeichnen, zu erfahren, welche Ma‎ßnahmen es gegeben hat und welche nicht, denn es gibt Gemeinden, für die man viele Ma‎ßnahmen getroffen hat, andere zu denen man gar nicht gelangen kann, denn sie sind zu arm und abgeschottet.“




    Bei der Einweihungsveranstaltung des Projekts SocioRoMap beteiligte sich Bruvik Westberg, die Botschafterin Norwegens in Rumänien und der Moldaurepublik:



    Ein leichterer Zugang zur Bildung und zum Gesundheitssystem für diese unterprivilegierten Völkergruppen, einschlie‎ßlich der Roma, sind die Hauptrichtungen dieses Programms. Es basiert auf dem Glauben, dass eine gute und gerechte Gesellschaft jene ist, die die ganze Bevölkerung miteinschlie‎ßt: Sie akzeptiert und toleriert jeden und bietet Dienstleistungen für alle. In Norwegen sind nicht alle gleich, doch die Gleichheit ist eine Norm. Menschen haben eine unterschiedliche Familienherkunft, unterschiedliche Einkommen, doch die Rechte sind für alle gleich, was sehr wichtig ist. Wir müssen die Realität in den rumänischen Roma-Gemeinschaften erkunden. Das haben wir durch dieses Projekt vor. Wir müssen den Entscheidungsträgern für die Planung der öffentlichen Politikrichtungen nützliche und relevante Informationen zur Verfügung stellen. Aus verschiedenen Gründen sind nur wenige Informationen über die Roma-Gemeinschaften auf Regierungsebene verfügbar. Wir müssen die fehlende Verbindung zwischen der Realität dieser Gemeinschaften und den Gesetzgebern herstellen. Wir müssen vielfältige Informationen über die Lage dieser Gemeinden sammeln: Lebensbedingungen, Bildungsstand und Zugang zu medizinischen Sozialdiensten.“




    Ein weiteres Projekt, diesmal zur Förderung der Kultur und der Künste in den benachteiligten Roma-Gemeinden wurde von vier rumänischen Verbänden ins Leben gerufen. Diese sind T.E.T.A., ADO, REPER 21 und Urbanium. Es handelt sich dabei um das Projekt Maskar“, ein Projekt zur Erziehung durch Theater. Dieses soll in zwei Städten im südlichen Landkreis Teleorman laufen: Alexandria und Turnu Măgurele. 40 Jugendliche und 60 Erwachsene aus diesen beiden Städten sollen 10 Monate lang Teil eines Projekts sein, das Kunstprogramme, Werkstätten, Ausstellungen und Aufführungen über die Kultur und Tradition der Roma beinhalten wird. Ausgehend von der Realität der beiden Städte, in denen zahlenmä‎ßig bedeutende Roma-Gemeinschaften leben, nimmt sich das Projekt vor, die positiven Geschichten dieser Städte vorzustellen. Mithilfe der Trainer sollen die Jugendlichen lernen, besser untereinander und mit anderen zu kommunizieren. Sie sollen au‎ßerdem ihr Selbstvertrauen stärken, ihr kreatives Potential entwickeln und sich derselben Rechte erfreuen. Ana Maria Pălăduş von dem Verband Kunst für Menschenrechte“ (ADO):



    Wir sprechen eine empfindliche Angelegenheit an, jene der Diskriminierung der Roma-Bevölkerung in diesen beiden Gemeinden. Wir machen das aber auf ganz neue Weise, durch Kunst. Wir schlagen das Theater als Mittel vor, um Brücken zwischen der rumänischen und der Roma-Kultur zu bauen. Wir werden zwei Gruppen von Jugendlichen bilden. Diese werden mehrere Monate lang an Werkstätten teilnehmen und anderen mitteilen, wie sie die Diskriminierung der Roma-Bevölkerung in ihrer Stadt sehen. Wir werden mit romastämmigen Jugendlichen, aber auch mit Nicht-Roma arbeiten. Diese werden einen Dialog untereinander führen. Am Ende der Werkstattreihe sollen zwei Theaterstücke inszeniert werden, eines in Turnu Măgurele und eines in Alexandria. Diese werden wir auch nach Bukarest und nach Klausenburg bringen.“




    Das besagte Projekt sieht auch die Einrichtung zweier Ausstellungen über die Roma-Kultur aus den beiden Städten und den umliegenden Ortschaften vor. Diese werden Kleidungsstücke, Handarbeit, Fotos, Schmuck, Melodien, Gedichte, Volkssagen oder Symbole beinhalten. Die Veranstalter des Projekts sind über den hohen Beteiligungsgrad der Roma-Kinder an diesem Projekt überrascht. Ana Maria Pălăduş:



    Wir haben eine unglaubliche Bereitschaft in den etwas schwächeren Schulen und Gymnasien der Stadt festgestellt. Als wir dort angekommen sind und nachgefragt haben, hat es, glaube ich, keinen Jugendlichen gegeben, der nicht mitmachen wollte, insbesondere da viele aus Roma-Familien stammen. Bei den etwas besseren Schulen und Gymnasien gab es eine starke Zurückhaltung, sogar eine rassistische Haltung der Roma-Bevölkerung gegenüber.“




    Die beiden Projekte, die den rumänischen Roma-Gemeinschaften gewidmet sind, werden durch den Norwegischen Finanzmechanismus finanziert.

  • Programme gegen Kinderarmut auf dem Land

    Programme gegen Kinderarmut auf dem Land

    In Rumänien leben 47,2% der Bevölkerung auf dem Lande. Auf den ersten Blick könnte man glauben, dass die Menschen hier sich selbst versorgen könnten. Man sollte hier folglich nicht auf extreme Armut sto‎ßen. Die Statistiken zeigen aber ein anderes Bild. Auf dem Lande Leben sechsmal so viele Menschen, die sich unter der Armutsgrenze befinden, als in der Stadt. Und, wie es auch zu erwarten war, sind die Kinder am meisten davon betroffen. Und das nicht nur auf dem Lande: Mehr als die Hälfte aller Kinder in Rumänien (52,2% in 2011) sind den Risiken der Armut und der sozialen Ausgrenzung ausgesetzt. Das ist die höchste Zahl der Kinderarmut in der EU. Sehr viele Kinder sind unterernährt und ihre Gesundheit hat darunter zu leiden. Weiter brechen sehr viele Kinder die Schule ab. Natürlich findet man solche Fälle öfter auf dem Lande vor. Daniela Buzducea von der rumänischen Filiale der Stiftung World Vision“ erklärt:



    Die Kinder in Rumänien leiden an Unterernährung. Viele Studien bestätigen, dass eines von zehn Kindern unter drei Jahre unterernährt ist. Die Mutter ernährt sich nicht gut und ernährt ihr Kind mangelhaft. Man verzeichnet ein niedriges Eisen-Niveau im Körper. Im Rahmen einer Studie, die wir vor zwei Jahren durchgeführt haben, wurden die Kinder gefragt, wie gut sie essen. Einer von 10 sagte, er würde hungrig zu Bett gehen. Die Folgen einer solchen Ernährung werden in einigen Jahren im Gesundheitswesen spürbar sein, nicht nur bei den Kindern, sondern auch bei den Erwachsenen.“



    Der Schulabbruch senkt die Chancen, später einen anständigen Arbeitsplatz auf dem europäischen Gemeinschaftsmarkt zu finden. Daniela Buzducea:



    In den letzten Jahren ist die Zahl der Kinder, die keine Schule besuchen, gestiegen. Jährlich brechen in Rumänien etwa 40.000 Kinder die Schule trotz Schulpflicht ab. Die Lage ist insbesondere auf dem Lande gravierend. Infolge der Word-Vision-Studie konnten wir erkennen, dass die Entfernung zur nächtsgelegenen Schule einen Grund für den Schulabbruch darstellt. Die Kinder auf dem Lande bekommen erheblich kleinere Zensuren bei den nationalen Prüfungen. In 2011 haben etwa 30% der Kinder auf dem Lande eine Durchschnittsnote von unter 5 (in einem Benotungssystem von 1 bis 10) bei der nationalen Prüfung nach dem Abschluss der 8. Klasse bekommen. In der Stadt waren nur 13% der Kinder in dieser Lage. Folglich gibt es auch einen Qualitätsunterschied zwischen der Bildung auf dem Lande und in der Stadt.“



    Welche ist dann die Lösung? Nichtregierungsorganisationen wie die Stiftung World Vision“ wickeln Programme für arme Kinder ab. Die kleine Gemeinschaft, aus der sie stammen, aber auch die breitere Gesellschaft soll diesen Kindern dabei helfen. Ein solches Programm ist Zukunfts-Spender“. Oana Şerban, Presse-Sprecherin von World Vision, erläutert:



    Der Zukunfts-Spender ist ein Programm, mit Hilfe dessen wir den Bürgergeist in unser Leben zurückzuholen versuchen. Wir arbeiten mit den lokalen Behörden zusammen, mit anderen Nichtregierungsorganisationen, auch mit Unternehmen. Es ist sehr einfach, an diesem Programm teilzunehmen. Jeder Spender gibt 68 Lei (umgerechnet etwa 15 Euro) im Monat. Dieses Geld hilft den Kindern und der Gemeinschaft. Mit diesem gesammelten Geld wird ein Fonds gegründet und es werden dann unterschiedliche Projekte in der Gemeinschaft finanziert. Die Schulen müssen zum Beispiel ausgestattet werden, mit PCs, Schreibwaren, oder sie müssen ans Stromnetz oder an die Wasserleitung angeschlossen werden. Man kann vieles für diese Kinder machen. Im Programm sind 600.000 Kinder registriert und wir haben 160.000 Spender gefunden. Wir müssen also noch daran arbeiten.“



    Das Programm Zukunfts-Spender“ fördert die Beziehung zwischen dem Spender und dem Kind, das dieser unterstützt. Die beiden tauschen Briefe aus und viele Male besucht der Spender das Kind und die Gemeinschaft, in der dieses lebt. Der Spender kann dann auch selbst sehen, wofür das Geld ausgegeben wird. Der Pianist Nicolae Dumitru ist Spender und begründet sein Engagement:



    Das Programm »Zukunfts-Spender« hat als Ziel, die Gleichgültigkeit zu brechen, die Menschen zu erschüttern. Es ist eine Sache, Geld für Schulbücher oder Schuhe oder Pakete mit Kleidung zu schicken. Ich glaube, dass wir, die die Gemeinden besuchen, diejenigen, mit denen wir in Kontakt treten, viel mehr beeinflussen werden. Diese Kinder brauchen ab und zu mal einen Energie-Impuls, der ihnen helfen soll, ihr Schicksal zu ändern.“



    Zurzeit wird das Programm Zukunfts-Spender“ nur in einigen ländlichen Gemeinden im Landkreis Dolj abgewickelt. Dort gibt es die meisten extrem armen Kinder. Sollten mehrere Spender Interesse zeigen, könnte man das Programm auch in anderen Regionen des Landes implementieren.



    Audiobeitrag hören: