Tag: Auswanderung

  • Junge Wählerschaft in Rumänien: 23 % anfällig für Extremismus

    Junge Wählerschaft in Rumänien: 23 % anfällig für Extremismus

     

     

    Die Umfrage, die vom 9. bis 14. März bei einer Stichprobe von 800 Befragten durchgeführt wurde, liefert keine ermutigenden Ergebnisse: Die überwiegende Mehrheit der jungen Menschen ist der Meinung, dass sich das Land in die falsche Richtung entwickelt, und hat kein Vertrauen in die Demokratie in Rumänien, während 23 % eine extremistische Partei wählen würden. Răzvan Petri, Koordinator der zivilgesellschaftlichen Gruppe „Junge Wähler“, kommentiert im folgenden die Ergebnisse der Umfrage unter seinen Generationskommilitonen.

    Das Wichtigste ist, sich vor Augen zu halten, dass die jungen Menschen hierzulande glauben, dass Rumänien sich in eine falsche Richtung bewegt. Eine überwältigende Mehrheit, 68 % der Befragten, ist dieser Meinung. Mehr noch: 79 % glauben, dass die demokratische Gesellschaftsordnung in unserem Land nicht vertrauenswürdig sei. Es gibt also ein sehr großes Problem, wenn es um das Vertrauen in die demokratischen Grundlagen in Rumänien geht, und das heißt, dass politische Institutionen wie Parteien, Parlament und Regierung nur ein geringes Vertrauen genießen. Es mangelt an Vertrauen in grundsätzliche Instrumente, mit denen man normalerweise arbeitet, um gute Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Und das ist sehr gefährlich, denn die Tendenz ist, sich in Ermangelung eines Vertrauens in demokratische Institutionen anderen Instrumenten zuzuwenden, die außerhalb des demokratischen Spielraums liegen.“

     

    Die Neigung zu Rhetorik und politischen Handlungen außerhalb des demokratischen Rahmens lässt sich jedoch durch die Enttäuschung darüber erklären, wie die demokratischen Institutionen in Rumänien eher schlecht denn recht funktionieren. Mit anderen Worten: Wenn die demokratische Praxis mangelhaft ist, verleitet das junge Leute zum Glauben, dass die Demokratie an sich schlecht sei. Erstaunlicherweise genießt jedoch die Europäische Union bei den Jugendlichen in Rumänien mehr Vertrauen als die heimischen Institutionen, selbst wenn die komplexe Funktionsweise der EU nicht hinreichend bekannt ist. Es sei alles eine Frage der politischen Bildung, sagt weiter Răzvan Petri.

    Junge Menschen wissen leider nicht wirklich, wie die Institutionen funktionieren, und das trägt erheblich zu ihrer Verwirrung darüber bei, wie die politischen Mechanismen in Rumänien funktionieren. Staatsbürgerliche Bildung wird leider nur in der Grundschule vermittelt, und das führt dazu, dass junge Menschen, die sich dem wahlberechtigten Alter nähern, orientierungslos sind. Auch auf europäischer Ebene ist die Lage noch verworrener, denn die Europäische Union ist sehr komplex und kompliziert. Selbst unter unseren Politikern gibt es nicht wenige, die es manchmal vorziehen, die Verwirrung über die Funktionsweise der Europäischen Union aufrechtzuerhalten, damit sie Brüssel die Schuld geben können, wenn etwas schief läuft oder wenn sie ihre Versprechen nicht einhalten können.“

     

    Die Enttäuschung oder gar Verzweiflung über das schlechte Funktionieren der rumänischen Institutionen, das zu tiefgreifenden sozialökonomischen Problemen führt, erkläre auch die Vorliebe vieler jungen Menschen für ein autoritäres Regime, erläutert Răzvan Petri weiter.

    Sie lehnen die politischen Parteien und insgesamt das existierende System in Rumänien ab, und deshalb sehen wir diese Sehnsucht nach einer starken Hand, die alle Probleme lösen würde, denn junge Menschen sind auch ungeduldig. Sie wollen Veränderungen viel schneller als ältere und erfahrene Leute sehen, die verstehen, dass normale Entwicklungen Zeit brauchen. So erklärt sich auch der jugendliche Zuspruch für radikale Parolen von Populisten, die etwa sagen: ‚Das war’s, das reicht jetzt! Jetzt kommen wir ins Spiel und wir werden nicht zulassen, dass dieses ganze politische Gezänk noch mehr von unserer Zeit in Anspruch nimmt.‘ Und dann kommen die systemfeindlichen Parteien ins Spiel, die sagen, dass sie, wenn sie einmal an die Macht kämen, alle Probleme Rumäniens lösen würden. Viele junge Menschen, die rechtsextreme Parteien wählen, sind nicht unbedingt von extremistischen oder systemsprengenden Botschaften angetan. Aber sie wählen diese Parteien, weil sie ihnen Veränderungen versprechen. Sie versprechen ihnen, dass sie es den Politikern da oben zeigen werden, die es versäumt haben, den jungen Menschen einen Weg zu weisen.“

     

    Dieses Scheitern der demokratischen Institutionen wird implizit auch von jungen Menschen besonders akut wahrgenommen. Die vielen sozialökonomischen Probleme, die eine unfähige Politik seit vielen Jahren nicht zu lösen vermochte, lässt viele Jugendliche Rumäniens bereits planen, das Land zu verlassen, sagt zum Schluss unseres Features Răzvan Petri vom Bürgerverein „Junge Wähler“.

    Auf den ersten vier Plätzen der Problemliste finden sich zwei, die mit der wirtschaftlichen Situation der Jugendlichen zu tun haben: mangelnde Wahlmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt und die schlechte Qualität der Bildung und Ausbildung. Die jungen Menschen in Rumänien gehören zu den ärmsten in Europa, wie aus den Statistiken von Eurostat hervorgeht. Diese Statistiken zeigen, dass Rumänien die höchste Zahl junger Menschen hat, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind. 30 % der jungen Menschen in Rumänien sind davon betroffen. Die Jugendlichen nehmen das sehr früh wahr. Sie sehen, dass es Probleme gibt, die nicht rechtzeitig gelöst wurden und sich sogar verschlimmert haben. Viele denken daran, vorübergehend oder dauerhaft auszuwandern. Dieser Trend hält schon seit langem an, denn Rumänien wird immer noch nicht als ein Land mit Zukunftschancen angesehen. Selbst wenn es sie gäbe, haben sie noch nicht das Niveau erreicht, bei dem wir sagen könnten, dass junge Menschen hierzulande einen ähnlichen Lebensstandard wie im Westen erreichen könnten.“

  • Theaterstück von Elise Wilk thematisiert Auswanderung der Siebenbürger Sachsen

    Theaterstück von Elise Wilk thematisiert Auswanderung der Siebenbürger Sachsen

    Elise Wilk ist eine der bekanntesten zeitgenössischen rumänischen Dramatikerinnen. Sie studierte Journalistik (an der Babes Bolyai Universität Klausenburg) und Theaterwissenschaft (an der Universität Târgu Mureş / Neumarkt am Mieresch). Ihre in vielen europäischen Ländern präsentierten Stücke — insbesondere die Jugendtrilogie Papierflugzeuge / Krokodil / Grüne Katze“ — wurden mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet. Elise Wilk gilt als Teil der Gruppe junger rumänischer Kreativer, die Trends im rumänischen Theater setzen (Forbes Magazine Romania). Sie ist eine von vier europäischen Dramatikern, die für das Hot-Ink-Programm des renommierten Kreativlabors Lark Theatre (New York) ausgewählt wurden. Parallel dazu übersetzt sie Stücke aus dem Deutschen ins Rumänische und ist Chefredakteurin der deutschsprachigen Zeitung Karpatenrundschau“ in Kronstadt.



    Verschwinden“ erzählt die Geschichte einer siebenbürgischen Sachsenfamilie von 1945 bis heute. Ana Nedelea sprach mit der mehrfach preisgekrönten Dramatikerin über diese Themen, mit denen sie sich zum ersten Mal auseinandersetzte.



    Audiobeitrag hören:



  • Jugendliche in Rumänien: armutsgefährdet und politisch unterrepräsentiert

    Jugendliche in Rumänien: armutsgefährdet und politisch unterrepräsentiert

    Die 2018 durchgeführte Umfrage zeigt die Einstellung, Perspektive und das Selbstbild der Rumänen im Alter zwischen 14 und 29 Jahren zu Themen wie Familie, Bildung, Lebensstil, Religion und Demokratie. Sie wurden mit jungen Menschen aus anderen europäischen Ländern, EU- und Nicht-EU-Mitgliedern, verglichen.



    Alle wirtschaftlichen und sozialen Indikatoren, die sich auf junge Menschen in Rumänien beziehen, sehen sehr schlecht aus, sagt Gabriel Bădescu, einer der Autoren der Umfrage, die zusammen mit Daniel Sandu, Daniela Angi und Carmen Greab erstellt wurde. Einige dieser Indikatoren müssen jedoch in einem breiteren europäischen Kontext angewendet werden. So stimmen beispielsweise mehr als die Hälfte der rumänischen Befragten zu, dass Demokratie eine gute Regierungsform ist, aber 23% glauben immerhin, dass Diktatur unter bestimmten Umständen eine bessere Regierungsform als Demokratie sein könnte. Im Vergleich zu den anderen neun in die Erhebung einbezogenen Ländern Südosteuropas genie‎ßt die Demokratie in Rumänien die geringste Unterstützung, ungeachtet der in allen europäischen Ländern sichtbaren autoritären Tendenzen.



    Bemerkenswert ist, dass der Generationswechsel allein schon bessere, demokratieliebendere Bürger mit sich bringt, sagt Gabriel Bădescu:



    Dieser Rückgang der Bindung der Menschen an die Demokratie ist nicht gleichmä‎ßig über alle Altersgruppen verteilt. Tatsächlich hängt es sehr stark vom Alter des Befragten ab. Wenn wir von der Qualität der Demokratie sprechen, sollten wir wissen, dass junge Menschen eine gefährdete und problematische Kategorie sind. Problematisch, denn Studien zufolge ist es äu‎ßerst schwierig, bestimmte Einstellungen, sobald sie in jungen Jahren geprägt sind, später zu ändern; sie bleiben verwurzelt und verselbstständigen sich.“




    Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung untersuchte neben den Mentalitäten auch das Ausma‎ß der Unterstützung von Minderheiten in Rumänien und den anderen neun Ländern. Gabriel Bădescu erzählt uns, was die Ergebnisse sind:



    Die Unterstützung für Minderheitenrechte ist bei jungen Menschen gering. Rumänien hat bei mehreren Kategorien von Minderheiten aus allen zehn Ländern die niedrigste Unterstützung. Sie hat auch die zweitniedrigste Unterstützung für die ethnischen Minderheiten und die drittniedrigste, wenn es um die Rechte der Armen geht.“




    Die Studie hat auch ein Gefälle zwischen den Regionen Rumäniens sowie zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten festgestellt. Das Gefälle zwischen jungen Menschen in den städtischen Gebieten und denen in den ländlichen Gebieten widerspiegelt eine Benachteiligung der letzteren. Nach anderen Umfragen lag die Armutsgefährdungsquote im Jahr 2017 im ländlichen Raum bei 37,3% und damit sechsmal höher als in städtischen Gebieten. Die 2018 durchgeführte Umfrage unter Jugendlichen zeigt, dass 23% der Jugendlichen in ländlichen Regionen unter der Kategorie NEET fallen, die für Not in Education, Employment or Training“ (dt. nicht in Ausbildung, Arbeit oder Schulung“) steht, was bedeutet, dass sie keine formale Ausbildung absolvieren und auch nicht beschäftigt sind. Diese Zahl ist in den ländlichen Gebieten doppelt so hoch wie in den städtischen Gebieten, ein Unterschied, der in anderen EU-Ländern nicht zu finden ist.



    Die wirtschaftliche Situation wird von den Autoren der Umfrage zum Anlass genommen, um den relativ hohen Anteil junger Menschen zu erklären, die auswandern wollen. Im Gegensatz zu 2014, als eine ähnliche Umfrage durchgeführt wurde und 60% der 14- bis 29-Jährigen emigrieren wollten, sank diese Zahl 2018 auf fast 30%. Der Soziologe Daniel Sandu weist darauf hin, dass diese Zahl den Wünschen und nicht unbedingt konkreten Plänen entspricht, das Land zu verlassen:



    Es ist nicht entscheidend, wie intensiv dieser Wunsch ist, um festzustellen, ob sie das Land tatsächlich verlassen werden. Der Wunsch, zu gehen, kann vielmehr als Antwort auf die Frage interpretiert werden: Wie beurteilen Sie Ihre Chancen auf Selbstentfaltung in Ihrem eigenen Land? Wenn die wirtschaftliche Situation in Ihrem eigenen Land schwierig ist, wie im Jahr 2014, und wenn es weniger Möglichkeiten gibt, dann besteht die Tendenz, Ihre Abreise zu planen oder das Land verlassen zu wollen.“




    Zur Frage, wer das Land am stärksten verlassen will, zeigt die Umfrage einige überraschende Antworten, sagt der Soziologe Daniel Sandu:



    Wenn wir genauer hinsehen, bemerken wir eine bimodale Verteilung der Migrationsabsichten. Es gibt zwei sehr unterschiedliche Gruppen, an den gegenüberliegenden Enden. Eine Gruppe besteht aus jungen Menschen aus begünstigten Familien, die ein Auslandsstudium planen. Die Gruppe besteht aus jungen Menschen aus Familien, die Zugang zu materiellen Gütern haben, aber nicht aufgrund des Wohlstands ihrer Familien, sondern weil verschiedene Familienmitglieder bereits im Ausland sind. Sie schicken Geld zurück ins Land und geben diesen jungen Menschen Zugang zu Gütern, aber sie geben ihnen keine Stabilität und keine wirklichen Zukunftsaussichten in diesem Land.“




    Die Wahrnehmung der Zukunft basiert in der Tat darauf, wie die Gegenwart wahrgenommen wird. In diesem Zusammenhang bestätigt die Umfrage andere Statistiken. Die Vertreterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Rumänien, Victoria Stoiciu, erklärt:



    Wie aus unserer Umfrage und anderen Studien hervorgeht, sind junge Menschen eindeutig eine unterprivilegierte Kategorie, in erster Linie wirtschaftlich. Wenn wir uns die Armutsquote unter jungen Menschen ansehen, und da meine ich die Jugendlichen zwischen 14 und 25 Jahren, werden wir sehen, dass sie sehr hoch ist, höher als in anderen Altersgruppen. Wir beziehen uns in der Regel auf ältere Menschen oder Rentner, wenn wir solche Vergleiche anstellen. Das bedeutet nicht, dass ältere Menschen keine Probleme haben, sondern dass die wirtschaftliche Situation junger Menschen viel schlechter ist. Au‎ßerdem sind junge Menschen politisch unterrepräsentiert.“

  • Arbeitsmarkt auf ausländische Gastarbeiter und rumänische Rückkehrer angewiesen

    Arbeitsmarkt auf ausländische Gastarbeiter und rumänische Rückkehrer angewiesen

    Während auf dem rumänischen Arbeitsmarkt die Zahl der ausländischen Arbeitnehmer steigt, versucht das rumänische Arbeitsministerium, rumänische Arbeitskräfte, die in anderen Ländern der Europäischen Union tätig sind, zurückzugewinnen, um der Arbeitsmarktkrise entgegenzuwirken. Die von der Generalinspektion für Einwanderung in Bukarest vorgelegten Daten zeigen, dass sich Ende letzten Jahres über 120.000 ausländische Staatsbürger in Rumänien aufhielten, und mehr als die Hälfte von ihnen stammte aus Nicht-EU-Ländern. Und da die Schätzungen zeigen, dass immer noch ausländische Arbeitskräfte benötigt werden, hat die Regierung in diesem Jahr eine Quote von 20.000 neu aufgenommenen Arbeitskräften auf dem rumänischen Arbeitsmarkt genehmigt. Die Sprecherin des Generalinspektorats für Immigration, Ermina Mihai, erklärt :



    Beim Treffen dieser Entscheidung hat das Generalinspektorat für Immigration mehrere Aspekte berücksichtigt: Das wirtschaftliche Entwicklungspotential Rumäniens, die Notwendigkeit der Bereitstellung von Arbeitskräften in einigen Tätigkeitsbereichen oder Berufen, die nicht von rumänischen Arbeitnehmern abgedeckt werden können, und die Vorbeugung der Schwarzarbeit. Die Einwanderungspolizei hat im vergangenen Jahr mehr als 7.000 Handelsunternehmen kontrolliert und 470 ausländische Bürger entdeckt, die ohne legale Dokumente arbeiteten.“




    Während auf dem rumänischen Arbeitsmarkt die Zahl der hauptsächlich vietnamesischen Arbeitskräfte steigt, versucht das rumänische Arbeitsministerium rumänische Arbeitnehmer, die in anderen Ländern der Europäischen Union tätig sind, zurückzugewinnen, um der von der Auswanderung der Rumänen verursachten Arbeitsmarktkrise entgegenzuwirken. Die Ministerin für die Auslands-Rumänen, Natalia Intotero, wei‎ß dazu mehr:



    Infolge der Angaben aus den Ländern, wo rumänische Staatsbürger leben und arbeiten, wurde im Jahr 2017 durch einen Regierungsbeschluss die Strategie für die Auslands-Rumänen angenommen. Die Zahl der rumänischen Bürger, die im Ausland leben, wird auf etwa 10 Millionen eingeschätzt. Etwa 4 Millionen der im Ausland lebenden Rumänen gehören den historischen ethnischen Gemeinschaften an; der Unterschied macht die Diaspora aus. Wir wissen, dass die grö‎ßte rumänische Gemeinde sich in Italien befindet — mehr als 1,2 Millionen angemeldete rumänische Bürger. In Spanien leben laut offiziellen Angaben etwa 1 Million Rumänen. Sehr viel gewachsen ist auch die Zahl der Rumänen, die in Gro‎ßbritannien leben — über 410.000 angemeldete rumänische Bürger, fast so viele wie in Frankreich. Auch in Deutschland, Österreich, und in den skandinavischen Ländern haben wir beträchtliche rumänische Gemeinschaften.“




    Warum gehen die Rumänen ins Ausland? Hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen. Professor Daniel David von der Babeş-Bolyai-Universität in Cluj (Klausenburg):



    Natürlich verlassen die Menschen ein Land, in diesem Fall Rumänien, in der Hoffnung, ein besseres Leben zu führen. Was bedeutet aber ein besseres Leben? Viele Menschen leben in Rumänien an der Armutsgrenze, sie sind verzweifelt und hoffen, im Westen ein normales Leben führen zu können. Es gibt aber auch Bürger, die auf ein relatives Wohlbefinden in Rumänien verzichten, weil sie mehr wollen; sie erhoffen sich ein höheres Ma‎ß an Lebensqualität, sie wollen höhere Lebensstandards. Viele junge Rumänen studieren im Ausland und bleiben dann in den Ländern, in denen sie studiert haben. Natürlich sind die Ursachen unterschiedlich und vielfältig. Und abhängig von den Ursachen können wir darüber nachdenken, was wir in den Bereichen Sozialpolitik und Arbeitspolitik tun können oder worauf wir hoffen können. Wenn die Menschen ihre Heimat aus Verzweiflung verlassen haben, oder auf der Suche nach einem mindestens anständigen Lebensniveau ins Ausland gegangen sind, so könnten sie durch eine kluge Arbeits- und Sozialpolitik überzeugt werden, zurückzukehren. Wenn aber die Rumänen auf einen relativen Wohlstand verzichtet haben, um im Ausland ein noch besseres Leben zu führen, oder wenn sie im Ausland studieren, würden viele von ihnen niemals nach Rumänien zurückkehren.“




    Über die Grundbedürfnisse hinaus wollen die Rumänen sich bei den Behörden Gehör verschaffen, respektiert werden und qualitativ hochwertige Dienstleistungen bekommen. Die Ministerin für die Auslands-Rumänen, Natalia Intotero:



    Wir können nicht sagen, dass in den letzten Jahren in Rumänien nichts unternommen wurde. Natürlich hat man etwas unternommen in dieser Hinsicht; man versucht, alle rumänische Bürger zu unterstützen, sowohl in Rumänien, um diesen Exodus zu stoppen, und auch, um die Rückkehr der im Ausland lebenden Rumänen durch verschiedene Projekte und Programme zu fördern. Es gibt auch Rumänen — eine genaue Zahl haben wir nicht –, die derzeit beschlie‎ßen, für ein paar Monate, für einen gewissen Zeitraum, als Saisonarbeiter oder auf längere Zeit im Ausland zu arbeiten. Aber wir haben auch Bürger, die nach 10 oder sogar 14 Jahren nach Rumänien zurückgekehrt sind. Es gibt auch viele Rumänen, die nicht in die Heimat zurückkehren würden, aber bereit sind, mit ihren im Ausland gewonnenen Kenntnissen und ihrer Erfahrung zur Entwicklung Rumäniens beizutragen, und das ist sehr erfreulich.“

  • Umfrage zur Migration: Jugendliche sind Euro-Pendler

    Umfrage zur Migration: Jugendliche sind Euro-Pendler

    Eine weitere Untersuchung bestätigt, was auf informeller Ebene in privaten Diskussionen seit Langem diskutiert wird: Junge Menschen beabsichtigen ebenfalls auszuwandern. Die internationale Studie zur Jugendmobilität verarbeitete Daten aus einer Umfrage unter 30.000 jungen Menschen in neun EU-Ländern: Deutschland, Schweden, Gro‎ßbritannien, Irland, der Slowakei, Lettland, Italien, Spanien und Rumänien. Ende 2015 und Anfang 2016 haben 2000 Menschen in Rumänien an dieser Umfrage teilgenommen. Die Schlussfolgerung ist jedoch noch heute gültig: Fast die Hälfte der rumänischen Jugendlichen zwischen 16 und 35 Jahren würde auswandern. Professor Dumitru Sandu von der Fakultät für Soziologie der Universität Bukarest trug zur Forschung bei und zog die Schlüsse.



    Sie wollen nicht einfach das Weite suchen, sie haben geordnete Pläne, zu gehen. Zu sagen, dass man weg gehen möchte ist eines — denn Wünsche sind unterschiedlich in der Intensität und im Grad der Gestaltung der Zukunft –, aber wir arbeiten niemals nur mit Fragen, was die Menschen wollen. Wir gehen ins Detail. 47% ist also der Anteil der rumänischen Jugendlichen im Alter von 16 bis 35 Jahren, die zum Zeitpunkt der Umfrage sehr gut strukturierte Absichten, sogar Pläne haben, das Land in den nächsten fünf Jahren zu verlassen.“




    Für die rumänische Öffentlichkeit ist das soweit keine Überraschung. Beim Vergleich zwischen den Ländern treten jedoch Überraschungen auf. In Bezug auf die Gründe für die Auswanderung sind die Rumänen beispielsweise den Italienern sehr ähnlich. Professor Dumitru Sandu:



    Die Liste der Gründe ist lang. Es fängt fast immer mit Löhnen, Jobs und Wohlstand an. Aber nicht nur das sind die Gründe. Und zwischen Rumänien und Italien ist der gemeinsame Punkt: Korruption und die schlechte Verwaltung. Da sich die Situationen und die Motivationen im Moment unterscheiden, ist es angemessen, von dem auszugehen, was wir kennen: die Situation der Ärzte. Da die Hauptgründe für die Auswanderung wirtschaftliche Gründe sind, würde man erwarten, dass Gehaltserhöhungen ein wichtiger erster Schritt sind, um die Auswanderung zu stoppen. Das ist aber nicht der Hauptgrund. Seitdem sich die Situation verbessert hat — nämlich seit der Anhebung der Gehälter –, ist sicherlich nicht viel vergangen, aber aus den vorläufigen Daten ergibt sich auch etwas anderes: Die Kluft zwischen dem Privatsektor und dem öffentlichen Bereich hat zugenommen, und die Ärzte in der privaten Krankenpflege wollen so hohe Gehälter wie jene, die im staatlichen Gesundheitswesen arbeiten. Finden sie diese in Rumänien nicht? Dann ist das Ausland nahe. In diese Gleichung muss unverzüglich der Stabilisierungsfaktor eingeführt werden, die Stabilisierung junger qualifizierter Leute. Darüber hinaus müssen Faktoren wie die Qualität des Arbeitsumfelds und des Berufslebens eingeführt werden. Dies gilt auch für andere Tätigkeitsbereiche, nicht nur für die Medizin. Junge Menschen wünschen sich nicht nur gute Arbeitsbedingungen, sondern auch entsprechend ihrer Leistung beruflich gefördert zu werden, wie in anderen Teilen Europas.“




    In den Diskussionen von Professor Dumitru Sandu mit den 2000 jungen rumänischen Teilnehmern an der Studie zur Jugendmobilität wurde die Frage der Rückkehr in das Land angegangen.



    Wenn wir das Thema des Exodus der jungen Menschen nur anhand von wirtschaftlichen Gesichtspunkten beurteilen, werden wir es niemals lösen. In der vorhin erwähnten Umfrage fragte ich die 2000 jungen Leute — einige von Ihnen waren bereits ausgereist und kehrten zurück –, warum sie ausgereist sind, als sie das erste Mal ausreisten, und wie oft sie das getan haben. Beim Vergleich zwischen den neun Ländern hinsichtlich der Lebenserfahrungen, die zur Migration führen, stellt man fest, dass es im Falle Rumäniens wichtig ist, dass man sich bereits im Ausland aufgehalten hat. Der typische, junge oder weniger junge Rumäne wird bei seinen Migrationsabsichten stark davon beeinflusst, ob er das schon mal getan hat oder nicht. Migration ist ein Kreislauf.“




    Die Kreislaufmigration wurde bereits in den Fachstudien als Euro-Pendeln“ definiert und umfasst das Austreten aus dem Arbeitsleben, die Rückkehr in die Heimat für einen bestimmten Zeitraum und die Rückkehr zu den Arbeitsplätzen im Ausland. Dieses Pendeln ist jedoch nur auf der Grundlage sehr fester Arbeitsverträge möglich. Ein Vergleich mit anderen Ländern kann auch andere Aspekte der Arbeitsmigration klären: die Möglichkeit und die Bedingungen für eine Rückkehr in die Heimat. Professor Dumitru Sandu schlussfolgert:



    Wie aus anderen Studien hervorgeht, besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen dem durchschnittlichen rumänischen und beispielsweise dem polnischen Migranten darin, dass der letztere aufgrund von vertraglichen oder institutionellen Grundlagen migriert, die wesentlich günstiger für die Kreislaufmigration sind. Die Rumänen hingegen verlassen sich eher auf Familienbeziehungen. Wenn wir einen durchschnittlichen rumänischen Migranten mit dem schwedischen oder deutschen vergleichen, kehren die Nordeuropäer nach Hause zurück, weil sie ihren Plan erfüllt haben, den sie vor der Abreise aufgestellt haben. Der in die Heimat zurückkehrende Rumäne kommt aus Zwang oder Verpflichtung zurück: Zwang im Falle einer eigenen Erkrankung und Verpflichtung gegenüber den Angehörigen, etwa bei einer Scheidung oder dadurch, dass er die zu Hause zurückgelassenen Kinder besucht. Es ist eine erzwungene Rückkehr, die daher seltener stattfindet.“




    Die Institutionalisierung der Kreislaufmigration wäre eine Lösung für die Rückkehr der jungen Menschen, die jedoch mit dem Wunsch ausreisen, einmal zurückzukehren, um nicht vollständig zu entwurzeln. Die geht auch aus der Studie von Professor Dumitru Sandu hervor.



    Sie reisen jedoch mit dem Gedanken aus, unter bestimmten Umständen zurückzukehren. Die Entscheidung, zurückzukommen, hängt von einer Art permanenten Vergleichs ab — sie behalten ihr Heimatland im Auge und vergleichen die Geschehnisse im Westen mit jenen in der Heimat. Darüber hinaus leiten einfache Menschen ihr Verhalten nicht nur anhand objektiver Indikatoren ab, sondern auch anhand subjektiver Faktoren wie das Vertrauen. Ich spreche von Vertrauen in das Parlament, die Regierung und andere öffentliche oder private Institutionen. Ein weiterer Aspekt dabei ist, dass junge Menschen sowohl im Inland als auch im Ausland ein starkes Misstrauen gegenüber den öffentlichen Einrichtungen haben, insbesondere gegenüber der öffentlichen Verwaltung in Rumänien.“




    Folglich sei die Hauptvoraussetzung für die Rückkehr der Euro-Pendler die der Änderung der Umstände in der Heimat, so dass erneut Vertrauen gegenüber den öffentlichen Institutionen entsteht, sagt Professor Dumitru Sandu.

  • Migration: Jeder fünfte Rumäne lebt im Ausland

    Migration: Jeder fünfte Rumäne lebt im Ausland

    Wir sprechen von 4 bis 5 Millionen Menschen, die meisten jetzt in Italien und Spanien, wo über zwei Millionen Rumänen leben. Als nächstes kommt Deutschland mit rund 600.000 Rumänen, dann Gro‎ßbritannien und die USA mit jeweils einer halben Million. Der Anteil der arbeitenden Bevölkerung, der 2007 im Ausland lebte, als Rumänien der Europäischen Union beitrat, betrug lediglich 7,4%. Wir wollten herausfinden, warum sich diese Situation so sehr verändert hat. Corina Neagu, Personalberaterin, sagte uns, dass der Grund nicht unbedingt mit finanziellen Problemen zu tun habe:



    Die Rumänen gehen nicht nur aus finanziellen Gründen. Ihre Umzugsgründe haben sich geändert. Früher waren diese überwältigend auf Geld zurückzuführen, jetzt aber wegen wirtschaftlicher, politischer, sozialer und kultureller Instabilität und der mangelhaften sozialen Systeme in Rumänien. Ich denke, wir müssen verstehen, warum Menschen gehen, und herausfinden, wie wir die Ursache dieser Situation ändern können — es ist keine oberflächliche Angelegenheit, weil immer mehr Menschen gehen, immer mehr junge Menschen, weil sie hier keine Zukunftsperspektiven haben. Und das nicht aus Mangel an Arbeitsplätzen, sondern weil sie keinen Zugang zu diesen Arbeitsplätzen haben. Der rumänische Markt ist nicht bereit für das, was bevorsteht.“




    Corina Neagu sagt, dass es junge gebildete Leute gibt, die den internationalen Kontext verstehen und wissen, was heutzutage gefragt ist, und die keinen Arbeitsplatz in ihrem eigenen Land finden können. Dies zeigt sich auf Jobmessen, auf denen die Menschen die entsprechenden Qualifikationen erwerben, aber aufgrund der Vorurteile der rumänischen Arbeitgeber nicht zu Interviews eingeladen werden — es hei‎ßt, dass sie überqualifiziert wären, zu viel Geld wollten und Ähnliches. Schätzungen zufolge umfasst der Arbeitsmarkt in Rumänien knapp eine Million Menschen, und die Aussichten, dass sich die Lage bald ändert, sind gering. Obwohl die Wirtschaft und die Löhne in Rumänien auf dem Vormarsch sind und der Arbeitsmarkt grö‎ßer ist als die Nachfrage, gibt laut einer kürzlich veröffentlichten Umfrage die Hälfte der Jugendlichen an, dass sie das Land in den nächsten Jahren verlassen wollen. Genauer gesagt 47% der jungen Rumänen, so Soziologieprofessor Dumitru Sandu:



    Migration an sich ist kein Thema. Die Verwaltung der Migration kann Probleme schaffen, und wenn die Dinge auf nationaler Ebene so wie jetzt bleiben, wird es schlimmer. Man stellt sich die Frage, was zu tun ist. Erstens brauchen wir saubere und aktualisierte Informationen, z.B. aus im Ausland durchgeführten Umfragen: Die letzten derartigen Umfragen wurden vom rumänischen Staat in Italien und Spanien im Zeitraum 2007–2008 durchgeführt. Ein grundlegendes Merkmal der Migration ist, dass sie sich nicht nur in Bezug auf Intensität, geografisches Gebiet und Alter, sondern auch schnell in Bezug auf die Motivation ändert.“




    Die Migration junger Menschen ins Ausland führt nach Ansicht des Soziologen Dumitru Sandu zu einer inkonsistenten Entwicklung. Das Gute dabei ist, dass die Geldüberweisungen Rumänien geholfen haben, sich zu entwickeln, da die im Ausland arbeitenden Rumänen seit dem Beitritt Rumäniens zur EU über 55 Milliarden Euro nach Hause geschickt haben. Gleichzeitig gibt es negative Auswirkungen, von den Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt bis hin zum Drama der zurückgelassenen Kinder, die zuhause von Verwandten gro‎ßgezogen werden. Laut Dumitru Sandu ist eines der Hindernisse gegen die Lösung dieser Probleme ein Mythos:



    Dieser Mythos besagt, dass es keine Rolle spielt, dass die Menschen gehen. Wir könnten ja Menschen aus dem Ausland bringen. Wir bringen Ärzte, wir bringen Bauarbeiter. In anderen Ländern herrschte vorher auch Arbeitskräftemangel, die Einwanderung löst die Auswanderung ab und die Einwanderung von au‎ßerhalb der EU werde die Ausreisen innerhalb der EU kompensieren. Dies ist ein schädlicher Mythos: Rumänien befindet sich in einer Krise, es wird schlimmer, und wir werden keine Lösung finden. Es ist klar, dass Rumänien Arbeitskräfte aus dem Ausland importieren muss. Wir werden allerdings schnell feststellen, dass bestimmte Wirtschaftsbereiche teurere Arbeitskräfte benötigen und dass der Import qualifizierter Arbeitskräfte teurer sein wird, als Menschen im Land zu behalten oder ausgewanderte Arbeitskräfte zurückzubringen.“




    Dumitru Sandu ist der Ansicht, dass der Migrationsprozess optimiert werden muss, um dem Ursprungsland, dem Zielland, Familien und Unternehmen zu helfen, wobei davon ausgegangen wird, dass es keine Wundermittel gibt.

  • Rumäniendeutsche nach 1945: Verschleppt, entwurzelt, verkauft

    Rumäniendeutsche nach 1945: Verschleppt, entwurzelt, verkauft

    Der Zweite Weltkrieg hinterlie‎ß eine neue ethnische Zusammensetzung, eine Folge des Völkermords, der Kriegsverbrechen und Vertreibungen, wie sie zuvor in der Weltgeschichte undenkbar gewesen waren. Alle Länder, Sieger und Besiegte, versuchten nach den sechs Jahren die Folgen des Krieges zu überwinden, vor allem im Hinblick auf die demographische und wirtschaftliche Katastrophe. Am schlimmsten litten zweifelsohne die Juden, von denen Millionen auf deutschen Befehl ermordet wurden.



    Das darf wiederum nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Deutsche unter dem Krieg gelitten haben, den sie selbst entfesselt hatten. Wenn das Leid auch nicht aufgerechnet werden kann, so sollten sie doch haftbar gemacht werden für das verwüstete Europa, für die Millionen von Toten und den Holocaust.



    Die meisten Deutschen in Rumänien sind bereitwillig Hitlers Ruf nach Deutschland gefolgt und viele starben in dem Krieg, den Nazi-Deutschland über Europa gebracht hatte. Stalin lie‎ß diejenigen deportieren, die man als unzuverlässige Nationalitäten“ ausgemacht hatte, und auf dieser Liste standen die Deutschen ganz oben. Nach der Rückkehr aus der Deportation und aus den Kriegsgefangenenlagern wählten die meisten Westdeutschland als ihre neue Heimat und die Abwanderung aus Rumänien setzte sich fort: Bis 1989 führte der systematische Exodus der Deutschen fast zu ihrem Verschwinden aus Rumänien. Die beiden Gründe für diese massenhafte Abwanderung sind in der Politik der BRD gegenüber den Deutschen in Mittel- und Osteuropa zu sehen, aber auch in dem Wunsch des rumänischen Staates, aus dieser Politik Geld zu machen.



    Der Soziologe Remus Anghel untersucht das Phänomen der Migration am Institut für nationale Fragen in Cluj (Klausenburg) und ist Co-Autor eines Buchs über die Geschichte der Deutschen in Rumänien nach 1930:



    Die Verbände der Deutschen in Rumänien versuchten, die Bundesregierung zu überzeugen, den ethnischen Deutschen zu helfen, indem sie Hilfsprogramme auflegen und dem rumänische Staat Kompensationen zahlen sollte. In der Tat gab es auch eine Vorgeschichte in der jüdischen Migration, es hatten auch hier Gespräche zwischen der rumänischen und der israelischen Regierung stattgefunden, um die Auswanderung der rumänischen Juden zu erleichtern. In Rumänien neigt man dazu, die Dinge, die mit dem rumänischen Kontext zusammenhängen, auch aus der Perspektive des rumänischen Kontextes zu verstehen. Dies ist ein Fehler — die Geschichte der Deutschen in Rumänien im 20. Jahrhundert ist hauptsächlich mit den historischen Ereignissen und den beiden wesentlichen Machtpersonen verbunden: Hitler und Stalin. Wie alle Deutschen in Ost- und Mitteleuropa gerieten sie in die Expansion Nazi-Deutschlands, in den Krieg, und mussten dessen Folgen hinnehmen.“




    Nach dem Zweiten Krieg flohen etwa 12 Millionen Deutsche aus Mittel- und Osteuropa nach Deutschland, fast eine Million von ihnen überlebte nicht. Dies war ein kollektives Drama in Westdeutschland, das eine Politik der Verantwortung anstrebte. Remus Anghel sagt, dass die Umsiedlung der Deutschen in Rumänien nach dem Krieg vorhersehbar gewesen sei.



    Während des Krieges und danach gab es eine Bewegung zur Unterstützung der Ausreise der Rumäniendeutschen. Wir lebten im Kommunismus und waren uns dieser Absichten nicht bewusst — wir wussten nur, dass es deutsche Gemeinschaften gab. Aber fast 40% der Banater schwäbischen Bevölkerung sind im Krieg oder danach gestorben. Praktisch alle jungen Leute schlossen sich der deutschen Wehrmacht oder der SS an und starben oder gingen später nach Deutschland. Die deutsche Bevölkerung der Dobrudscha, der Bukowina, von Bessarabien und der Walachei wurde in den 1940er Jahren zunächst nach Polen und dann nach Deutschland umgesiedelt. Es gab vor dem Krieg eine Bevölkerung von 750.000 Deutschen in Rumänien — nach 1945 waren es nur noch 300.000–310.000.“




    Nach 1989 sprachen rumänische Historiker von der Auswanderung der Deutschen als von ihrem Verkauf“. Nach Angaben der Abreisenden betrug der deutsche Beitrag zu ihrer Ausreise zwischen 1.500 und 15.000 Mark. Dramatisch waren die versuche jener, die kein Geld hatten und die Grenze illegal überqueren wollten, viele von ihnen starben. Remus Anghel sprach über die Ausreise der Deutschen in Rumänien als Raub, dem die Menschen unterworfen waren.



    Das Verkaufsphänomen muss aus zwei Perspektiven gesehen werden. Erstens wurden die Deutschen in der Verantwortung gesehen. Es ging nicht darum, die Deutschen aus dem Osten als Arbeitskräfte zu bekommen, weil überall billige Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Deutsche in Rumänien litten mehr als Rumänen, Ungarn und andere Nationalitäten während des Kommunismus, denn in fast allen Familien war gleich nach dem Krieg mindestens ein Familienmitglied in die Sowjetunion verschleppt worden, vor allem Männer und Frauen im Alter von 18–45 Jahren. Dieses soziale Drama hat die gro‎ße Mehrheit nicht wahrgenommen. Das hat die Menschen getroffen und entwurzelt, und auch deswegen ging das Vertrauen und ihr Zugehörigkeitsgefühl zu diesem Land verloren. Für Deutschland war der Freikauf von Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben ein Reparationsprozess — für Rumänien gab es da ein falsches Verständnis. Nach 1977 gab es viele Ausreiseanträge, die Quote lag bei 10-15.000 und man hatte kaum Quoten festgelegt. Wenn sich jemand zur Ausreise entschied, begann der Weggang für einen mit einem schmerzhaften Verwaltungsprozess: Man verlor seine Arbeit und die Häuser mussten zu einem sehr niedrigen Preis verkauft werden. In der Tat war es eine Art Erpressung der Deutschen und des deutschen Staates für die Auswanderung. Aus meiner Sicht war nicht Geld das Problem, sondern die Art, wie die Menschen behandelt wurden.“




    Mit dem Abzug der Deutschen verlor Rumänien auch einen Teil seiner ethnischen Vielfalt. Aber diejenigen, die gingen, wohin sie wollten, waren besser dran und das war vielleicht auch das Beste für sie.

  • Arbeitsmarkt und Migration: Rumänische Unternehmen importieren vermehrt ausländische Arbeitskraft

    Arbeitsmarkt und Migration: Rumänische Unternehmen importieren vermehrt ausländische Arbeitskraft

    Rumänien belegt den zweiten Platz in der EU unter den Ländern, die Arbeitskräfte von au‎ßerhalb des EU-Raumes importieren. Den ersten Platz nimmt Tschechien ein. Die meisten Ausländer, die in Rumänien 2018 angestellt wurden, kommen aus Vietnam (35%), der Türkei, Nepal, Serbien, Sri Lanka, China und der Moldaurepublik. Der gravierendste Mangel an Arbeitskraft wird in Bereichen wie Gastronomie, Schiffbau, Verkauf von Kleidungsstücken und dem Bausektor registriert. Zahlreiche Rumänen arbeiten seit Jahren in EU-Ländern genau in diesen Bereichen und nicht nur. Die Europaabgeordnete Maria Grapini, selber Geschäftsfrau und Unternehmerin, erklärte, das sei eine Erklärung für den Mangel an Arbeitskraft. Hinzu komme das rumänische Bildungssystem, das nicht genügend Fachkräfte ausbilde:



    Der Mangel an Arbeitskraft kommt auf der Ebene der Arbeiter vor, die keinen Hochschulabschluss brauchen. Leider ist das die Folge der Auflösung der Berufsschulen. In der Zwischenzeit funktioniert der Dualunterricht. Es gibt auch ein Gesetz für die Lehrlinge am Arbeitsplatz. Der Weg ist aber noch lang. Meine Unternehmen sind in der Textilindustrie tätig. In den Berufsschulen gab es vor 30 Jahren Klassen für Weberei und Färberei. Berufe wie Elektriker, Drechsler oder Schwei‎ßer brauchen unbedingt Nachschub.“




    Rumänien importiere besonders unqualifizierte Arbeitskraft, sagen auch Vertreter der Beratungsfirmen. Dana Ionescu, die sich mit Personaleinstellung beschäftigt, meint, der Import von Arbeitskräften sei alles andere als billig. Dana Ionescu, Global-Mobility-Managerin bei ADECCO Rumänien, dazu:



    Es ist gar nicht billiger, ausländische Bürger zu bringen. Es gibt einige Beschränkungen, was die Löhne anbelangt. Ein Ausländer muss den Durchschnittslohn bekommen. Ein Rumäne kann aber auch den Mindestlohn erhalten. Hinzu kommen weitere Kosten wie Übersetzung der Dokumente, notarielle und andere Gebühren usw.“




    Die Zahl der rumänischen Arbeitgeber, die ausländische Arbeitskräfte anstellen, wird immer höher. Mit Einzelheiten kommt Dana Ionescu:



    Im ersten Jahresquartal 2018 wurden 31.464 Arbeitsplätze immer wieder von den Arbeitgebern als frei erklärt. Daher die immer steigende Zahl der Ausländer, die in Rumänien arbeiten. Dieses Kontingent wird durch Regierungserlass am Anfang des Jahres genehmigt. Während des Jahres kann es verändert und auf andere Bereiche ausgeweitet werden.“




    In diesem Jahr stieg das Kontingent um 55% gegenüber dem gleichen Zeitraum 2017. Am Anfang bezifferte sich das Kontingent für 2018 auf 7.000 Arbeiter. Im August aber hat man seine Erhöhung genehmigt. Es geht um eine Rekordzahl. Dana Ionescu dazu:



    Für die ständigen Arbeiter wurde das Kontingent verdoppelt — von 4.000 auf 8.000. Die Zahl der Leiharbeiter stieg um das Vierfache: von 1.200 auf 5.200. Vielleicht muss das Kontingent bis Jahresende noch verdoppelt werden.“




    Abgesehen von einer Anpassung des Ausbildungssystems an den Arbeitsmarkt und der Fortbildung der Lehrlinge am Arbeitsplatz sei es notwendig, die ausgewanderten Rumänen zur Rückkehr in ihre Heimat zu ermutigen, meint die Europaabgeordnete Maria Grapini. Allerdings sei das nicht so leicht, denn viele ausgewanderte Rumänen sehen den rumänischen Arbeitsmarkt als unstabil an:



    Es gibt ein gro‎ßes Misstrauen unter den rumänischen Migranten. Als ich in Spanien war, bin ich mit Vertretern der Rumänen zusammengekommen. Sie vertrauen dem rumänischen System nicht mehr. Sie wünschen sich einen festen Arbeitsplatz. Wer im Ausland arbeitet, will nicht mehr zurück, weil er Angst hat, den Arbeitsplatz immer wieder zu verlieren. Wir brauchen bessere Gesetze, eine bessere öffentliche Politik.“




    Bis dahin bleibe der Import eine vorübergehende Lösung, die meist umgesetzte Ma‎ßnahme. Die Vereinfachung der Gesetze für den Import der ausländischen Arbeitskraft werde ebenfalls anvisiert. Au‎ßerdem sei eine flexible Lohnpolitik notwendig, welche in der Spannbreite vom Mindest- zum Durchschnittslohn eine angemessene Entlohnung der Arbeitnehmer je nach Qualifikation ermöglichen würde. Es bleibe abzuwarten, ob diese Ansätze Anklang beim Gesetzgeber finden, so abschlie‎ßend die Europaabgeordnete Maria Grapini.

  • Migration: Rumänen wandern massenhaft aus, Einwanderung bleibt bescheiden

    Migration: Rumänen wandern massenhaft aus, Einwanderung bleibt bescheiden

    Die meisten von ihnen bleiben länger als ein Jahr in einem der Länder, die aus ihrer Sicht ökonomisch stärker sind. Der Sozialmonitor, ein soziologisches Projekt der Friedrich-Ebert-Stiftung in Rumänien, hat diese Entwicklung bis ins Detail analysiert. Etwas mehr als 2,5 Millionen Rumänen lebten im Jahr 2017 im Ausland, ergab die Detailstudie der Friedrich-Ebert-Stiftung laut Angaben der Programmleiterin Victoria Stoiciu.



    Es ist eine Statistik für den Zeitraum 2003 bis 2017. Auf der einen Seite drückt sie die Anzahl der Rumänen aus, die sich 2017 länger als ein Jahr im Ausland aufgehalten haben, auf der anderen Seite bezieht sie sich auch auf den Trend der Abwanderung, ein zunehmender Trend. Diese Zahl bezieht sich nicht auf die saisonbedingte Migration, d.h. sie berücksichtigt nicht die rumänischen Gastarbeiter, die drei, sechs oder acht Monate im Jahr im Ausland arbeiten. Sie gehen dorthin, entweder um Erdbeeren zu pflücken oder um während der Bausaison angestellt zu werden. Wenn wir sie hinzufügen würden, würde das sicherlich die Statistik in die Höhe treiben. Die Gesamtzahl der Auswanderer geht also über die 3-Millionen-Grenze hinaus, wenn wir diejenigen einbeziehen, die für weniger als ein Jahr weggehen.“




    Aufgrund dieser Entwicklung lie‎ße sich Rumänien gar mit einem Land vergleichen, in dem ein harter und langwieriger Bürgerkrieg herrscht, etwa Syrien, behauptet Victoria Stoiciu.



    Damit belegen wir Platz zwei hinter Syrien in der weltweiten Rangliste der Länder mit der am schnellsten zunehmenden Abwanderung der Bevölkerung. Das bezieht sich weder auf die Gesamtzahl der Migranten noch auf deren Anteil an der Bevölkerung, sondern auf die Wachstumsrate der Auslandsgemeinschaften. Die Geschwindigkeit, mit der die Rumänen ihr Land verlassen haben, steht also an zweiter Stelle hinter der der Syrer. Dies ist jedoch sehr besorgniserregend, da Rumänien seit 2000 ein wirtschaftliches Wachstum verzeichnet. Von daher müssen wir das Wachstumsmodell ernsthaft hinterfragen. Wie wird dieses Wachstum an die Bevölkerung weitergegeben und wie fühlt es sich denn an? Diese Fragen muss man stellen, wenn man bedenkt, dass die Bevölkerung Rumäniens so schnell und zahlreich auswandert, wie die Bevölkerung eines Landes im Bürgerkrieg.“




    Die Auswanderer stammen vor allem aus einer besonders wichtigen Kategorie für die gegenwärtige und zukünftige Wirtschaft Rumäniens: Es sind die Personen, die zwischen 25 und 38 Jahre alt sind. Sie machen etwa 20% der Gesamtzahl der rumänischen Migranten aus. Es gibt auch viele Fachkräfte, egal ob sie in Bereichen wie dem Bauwesen ausgebildet oder hochqualifizierte Ärzte oder Informatiker sind. Unter diesen Umständen bleibt die Lücke, die diese Abwanderung auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen hat, vorübergehend ungefüllt.



    Das ist also die Situation der Auswanderer aus Rumänien. Wie sieht es aber mit den Einwanderern in Rumänien aus? Zum Beispiel zeigten die Ende 2017 von der Generalinspektion für Immigration erfassten Daten, dass in Rumänien rund 67.000 Ausländer aus Drittländern lebten, einschlie‎ßlich international anerkannte Flüchtlinge. Unter ihnen befanden sich etwas mehr als 800 Menschen, die über den EU-Umsiedlungsmechanismus eintrafen.



    Im vergangenen Jahr wurden 4820 Asylanträge gestellt, eine deutliche Steigerung im Vergleich zum Durchschnitt der vergangenen Jahre, der bei etwa 1500 Anträgen lag. Wer sind aber diese Personen aus Drittstaaten oder die Asylbewerber und warum entscheiden sie sich für Rumänien? Sie sind im Allgemeinen allein ankommende Männer, die, sobald sie den Flüchtlingsstatus oder internationalen Schutz in Rumänien erhalten haben, eine Familienzusammenführung beantragen können. Die Wiedervereinigung mit Familienmitgliedern ist übrigens einer der Hauptgründe für die Einwanderung vieler Menschen aus Drittländern nach Rumänien. Aber es gibt einen anderen Grund, der in letzter Zeit häufiger vorkommt: Angst vor der Verfolgung oder der allgemeinen Gewalt in den Heimatländern. Es gibt allerdings auch Ausländer, die nach Rumänien kommen, um einen Arbeitsplatz zu finden, berichtet die Soziologin Luciana Lăzărescu.



    Die ungefähre Anzahl der Ausländer mit einem Arbeitsvisum für Rumänien beträgt derzeit 5900. Dies sind Drittstaatsangehörige. Die meisten der im Jahr 2017 ausgestellten Stellenausschreibungen wurden vietnamesischen Staatsangehörigen für die Schifffahrt erteilt. Sie wurden auch für Bürger aus der Türkei, China und Serbien freigegeben. Die gefragtesten Berufe auf dem rumänischen Arbeitsmarkt, für die die Arbeitserlaubnis erteilt wurde, sind Schwei‎ßer, Schlosser im Metall- und Schiffsbau, Ausbau-Tischler und Sanierer. Hauptsächlich qualifizierte Fachkräfte für die Schifffahrt.“




    Allerdings sei Rumänien noch kein Zielland für die Flüchtlinge, muss Luciana Lăzărescu einräumen. Man sei noch nicht so attraktiv wie andere westeuropäische Länder. Die Soziologin verweist ferner auf ein Regierungsprogramm zur Integration von Flüchtlingen auf den Arbeitsmarkt.



    Es gibt ein staatliches Integrationsprogramm für Menschen mit internationalem Schutz: eine Reihe von Ma‎ßnahmen, die die Integration von Ausländern in die Gesellschaft erleichtern sollen, aber auch ihre Integration auf den Arbeitsmarkt sowie die Anpassung an rumänische Gepflogenheiten und an die Arbeitsweise der rumänischen Institutionen. Das Programm beinhaltet einen rumänischen Sprach- und Kulturkurs, aber es gibt auch andere Dienstleistungen, die NGOs dieser Kategorie von Ausländern anbieten. Das Regierungsprogramm wird also umgesetzt. Viel heikler ist die Frage, wie die an verschiedenen Teilbereichen dieses Programms beteiligten Institutionen zusammenarbeiten und verstehen, diese Aufgabe zu übernehmen.“




    Die Zahl der Ausländer, die ein Aufenthaltsrecht in Rumänien genie‎ßen, ist also gering, und die Politik zur Rückführung der rumänischen Auswanderer ist mangelhaft. Was kann vor diesem Hintergrund unternommen werden, um die fehlenden Arbeitskräfte zu ersetzen? — fragten wir Victoria Stoiciu.



    Es ist leichter gesagt als getan. Einwanderer anzuziehen, ist schwierig, weil Rumänien für sie nicht attraktiv ist. Da ein Migrant oder ein Flüchtling ein Visum für die EU erhält, stellt sich eine einfache Frage: Warum sollte er in Rumänien bleiben und nicht in Deutschland oder in Frankreich oder Belgien arbeiten, wo die Gehälter viel höher sind? Es ist auch nicht einfach, die rumänischen Gastarbeiter zurück nach Hause zu bringen. Am Ende lässt sich alles auf eine sehr einfache Frage reduzieren: die des Gehalts. Der Staat hat diesen Mindestlohn als Mittel, der 2011 um das 2,5-fache gestiegen ist, aber der private Sektor muss sich anpassen und die Löhne erhöhen. Aber das würde manchmal bedeuten, Gewinne zu reduzieren oder sogar Firmen zu schlie‎ßen. So einfach ist es nicht. Die Lösung ist nicht einfach.“

  • Diaspora: Projekte für die Gründung von Start-up-Unternehmen durch Heimkehrer

    Diaspora: Projekte für die Gründung von Start-up-Unternehmen durch Heimkehrer

    Der Hauptgrund, warum die Rumänen auswandern, ist ein besser bezahlter Arbeitsplatz. Ausgehend von dem Gedanken, dass viele der ausgereisten Rumänen in die Heimat zurückkehren würden, wurden hierzulande mehrere Projekte ins Leben gerufen, die diesen entgegenkommen sollen. Die Heimkehrer sollen unterstützt werden, ein Geschäft zu gründen und zu entwickeln. Dafür gibt es auch europäische Fördermittel. Es gibt ein Opportunitätsfenster in dieser Richtung für die kommenden Jahre. Es gibt die Möglichkeit der Entwicklung von lukrativen Geschäften in Rumänien, wenn sie mit ihren Fachkompetenzen, mit ihren Ressourcen zurückkehren und ernst arbeiten wollen. Ich denke, sie können einen sehr gro‎ßen Beitrag für Rumänien leisten“, erklärte im Oktober letzen Jahres Marius Bostan, Sozialunternehmer, aber auch Experte in Lokalentwicklungsprojekten, Gesellschaftsfinanzierung und Management, ehemaliger Minister für Informationsgesellschaft in der politisch unbahänigen Regierung, die letzes Jahr von Dacian Cioloş geführt wurde.



    Ein erster Schritt zur Förderung der Rückkehr so vieler Rumänen wie möglich in die Heimat wurde damals gemacht. Rapatriot“, ein Projekt von Romanian Business Leaders, hat zum ersten Mal in Bukarest einen Geschäftsgipfel — Gemeinsam für Rumänien“ — organisiert. Es war ein Elitereignis der rumänischen Geschäftswelt, das dafür gedacht war, um den Wiederanschluss der Rumänen in der Diaspora zu fördern, besonders um im Heimatland zu investieren. Der Ausdruck der Unterstützung Bukarests war die Beratung hinsichtlich des schnellen Zugangs zu den Opportunitäten im Land. Das Fazit des Treffens — die Rumänen aus der Diaspora würden in den Bereichen IT, Landwirtschaft und Tourismus investieren. Laut der Mehrheit der Teilnehmer bietet Rumänien attraktive Opportunitäten für Geschäftsleute. Sie möchten diese ausnutzen, doch es gibt weiterhin Hindernisse auf dem Weg zu einem gesunden Geschäftsumfeld, wie exzessive Bürokratie, die Art und Weise der Umsetzung von Steuerleitlinien, mangelnde Vorhersehbarkeit der Gesetzgebung.



    Ein weiterer Schritt wurde durch die Lancierung des Projekts Diaspora Invest“ gemacht. Dieses wird von den Verbänden des Entwicklungszentrums SMART, dem Arbeitgeberverband der Jungen Unternehmer im Südostraum und der Liga der rumänischen Studenten im Ausland bis 2020 durchgeführt. Das Projekt fördert den Unternehmergeist der Rumänen, die auswandern mussten, um zu arbeiten. Diese werden gefördert, um in einer der 7 benachteiligten Regionen Rumäniens ein eigenes Geschäft zu gründen. Durch dieses Projekt bietet die Europäische Union nichtrückzahlbare Finanzierungen von maximal 40.000 Euro für nichtlandwirtschaftliche Geschäfte in den Städten, die mindestens zwei Arbeitsplätze schaffen. Über die potentiellen Nutznie‎ßer spricht Radu Oprea, Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes der Jungen Unternehmer im Südostraum:



    Sie müssen einen Wohnsitz in Rumänien haben und au‎ßerdem nachweisen, dass sie in den letzten 12 Monaten im Ausland gelebt haben. Wir möchten Bewerber aus vielen Ländern haben, denn wir sind daran interessiert, dass sie neue Erfahrungen einbringen. Auch wenn jemand z.B. in den Vereinigten Staaten lebt und dort sehr vieles gelernt hat, möchten wir ihn wieder zurück ins Land bringen, um hier ein Geschäft zu eröffnen, das aus seiner dortigen Erfahrung inspiriert ist. Natürlich versuchen wir auch Rumänen aus der Europäischen Union anzuwerben, aber auch aus der Republik Moldau und warum nicht aus Asien.“




    Au‎ßer der Umsetzung der besten Geschäftsideen in Rumänien, die aus anderen, entwickelten Ländern inspiriert sind, bleibt das Projekt seinem Ziel treu, die Rumänen in ihre Heimat anzulocken. Iulian Cazacu, Vorsitzender des Entwicklungszentrums SMART:



    Eine Statistik, über die wir verfügen, verweist darauf, dass rund 3,2 Millionen Rumänen ausgewandert sind. Natürlich ist diese Welle nach dem EU-Beitritt Rumäniens 2007 rasch gewachsen. Infolge der Studien ergibt sich, dass 20% von ihnen ein Geschäft in Rumänien eröffnen oder hier ein Haus bauen oder ein Grundstück erwerben würden. Die Mehrheit ist in Länder wie Spanien, Deutschland, Gro‎ßbritannien ausgewandert, aber wir zielen auf die Rumänen aus aller Welt ab. In diesem Sinne werden wir eine Ereignisreihe in zehn europäischen Städten, aber auch in drei amerikanischen Städten veranstalten. Dabei werden wir diese Opportunität fördern.“




    Durch das Programm Diaspora-Start-up“, das vom Ministerium für die Auslandsrumänen gefördert wird, werden die Rumänen aus der Diaspora Unterstützung erhalten, um in Rumänien Freiberufler oder Unternehmer zu werden, um innovative Mikro- oder Kleinunternehmen zu Gründen. Das Ziel ist, die Beschäftigung durch die Unterstützung der nichtlandwirtschaftlichen Unternehmen in den Städten zu fördern. Im Sommer hat die Bukarester Ressortanstalt 32 Projekte in Wert von 76 Millionen Euro durch Diaspora-Start-up genehmigt.

  • Einsatz der jüdischen Hilfsorganisation Joint Distribution Committee in Rumänien

    Einsatz der jüdischen Hilfsorganisation Joint Distribution Committee in Rumänien

    Anschlie‎ßend wurde auch Juden in Mittel- und Osteuropa geholfen. Die Spender waren reiche amerikanische Juden und unterschiedliche amerikanische jüdische Organisationen. 1916 wurde der Joint auch in Rumänien tätig und half den Armen. In Rumänien wurde der Industrielle Adolf Salomon Vorsitzender der Organisation. Nach seinem Tod 1920 übernahm der Jurist Dr. Wilhelm Filderman bis 1947 dieses Amt. Die Anfänge des American Jewish Joint Distribution Committee in Rumänien wurden von der Historikerin Lya Beniamin beschrieben:



    Der Joint nimmt seine Tätigkeit in Rumänien in 1916 auf. Ich finde es interessant, wie schnell sich die Nachrichten auch damals verbreiteten. Die jüdische Bukarester Zeitung »Curierul israelit« kündigte schon im Dezember 1914 die Gründung des Joints an. Der Joint wurde 1916 in Rumänien aktiv, weil es am Anfang auch die Absicht gab, den Juden in den kriegführenden Ländern zu helfen. Deren Lage, wie auch die generelle Lage, verschlechterte sich.“




    Wegen des Krieges wurde als Hilfe zunächst Geld geschickt. Die Historikerin Natalia Lazăr vom Zentrum für das Studium der Geschichte der Juden in Rumänien beschreibt die ersten Hilfeaktionen des Joint während der Kriegsjahre und gleich danach:



    Am Anfang wurde Geld geschickt. Nach Rumänien schickte der Joint 1917 etwa 40 Tausend US-Dollar. 50 Tausend Dollar von damals entsprechen heute einer Million. Anschlie‎ßend wurden ab 1919 die lokalen Ausschüsse gegründet. Der Joint schickte seine Vertreter in jedes Land in Osteuropa, also auch nach Rumänien, es gab einen regionalen Direktor. Am Anfang wurden die Hilfen für die Juden aus Rumänien dem amerikanischen Botschafter in Bukarest Charles Vopicka überreicht. Der Joint schickte das Geld durch das Au‎ßenministerium zum Jewish Colonization Association, eine andere wichtige Organisation aus St. Petersburg, und von dort wurde das Geld Vopicka überreicht und dieser brachte es nach Rumänien und verteilte es den lokalen Ausschüssen. Zwischen 1914 und 1921 leistete der Joint Nothilfe und half den Kriegsopfern.“




    Nach dem Krieg, beginnend mit 1921, startete der Joint ein Wiederaufbau-Programm. So wurden Kredit-Kooperativen für die Unterstützung der kleinen Handwerker gegründet. Weiter wurden die im Krieg zerstörten Häuser wieder aufgebaut. Das war in Czernowitz der Fall. In der Zwischenkriegszeit schickte der Joint Geld für die Berufsschule Ciocanul“ in Bukarest. Lya Beniamin über die Tätigkeit des Joints in der Zwischenkriegszeit:



    Man muss sagen, dass es ein bestimmtes Hilfskonzept gab. Im Rahmen der Hilfsaktion wurde nicht einfach Geld den Armen gegeben. Man wollte der jüdischen Bevölkerung helfen, unterschiedliche produktive Tätigkeiten aufzunehmen. Man verteilte die Hilfe, 100 oder 200 Dollar, nicht wie man einem Bettler etwas zusteckt, um den Tag zu überwinden. Der kleine Handwerker oder Kaufmann sollte unterstützt werden, seine Einnahmequellen wieder herzustellen.“




    Wir haben Lya Beniamin gefragt, wie die Tätigkeit des Joint in den Jahren der Rassengesetze und des Holocausts in Rumänien verlief:



    Das Problem waren zunächst nicht die Rassengesetze, sondern der Krieg. Verbote kamen eher von der amerikanischen Seite als seitens des Antonescu-Regimes. Aus politischen Gründen wollte die amerikanische Regierung kein Geld mehr in ein Land schicken, das Krieg gegen die USA Krieg führte. In dieser Periode kam die Hilfe mittels des Internationalen Roten Kreuzes. Eine wichtige Rolle spielte auch das Rote Kreuz in Rumänien. Als die Deportationen nach Transnistrien anfingen, war das grö‎ßte Problem, insbesondere in einer ersten Phase, den deportierten Juden zu helfen, die unter schlimmen Bedingungen lebten. Am Anfang verbot oder erschwerte das Antonescu-Regime die Hilfelieferungen nach Transnistrien. Bis zuletzt wurden einige Genehmigungen eingeholt, einige Hilfen erreichten Transnistrien. Zudem durften Vertreter des Internationalen Roten Kreuzes nach Transnistrien reisen, die Lager und Ghettos besuchen und Medikamente, Geld und Lebensmittel bringen.“




    In der Zwischenkriegszeit half das American Jewish Joint Distribution Committee etwa 100 Tausend Menschen. 1949 wurde seine Tätigkeit vom neuen kommunistischen Regime verboten. Nach dem 2. Weltkrieg half der Joint aber den Holocaust-Opfern aber. Er unterstützte auch die Auswanderung der Juden aus Rumänien nach Israel und in andere Länder.

  • Die Woche 5.12.-9.12.2016 im Überblick

    Die Woche 5.12.-9.12.2016 im Überblick

    Am Sonntag wählt Rumänien ein neues Parlament

    Am Samstag ruhen die Waffen im rumänischen Wahlkampf – nach geltender Rechtslage ist es den Parteien und Kandidaten am Tag vor den Wahlen verboten, um Stimmen zu werben. Die Bürger sind aufgeordert, sich das Angebot zu überlegen und zu entscheiden, wen sie am Sonntag wählen. Die technischen Vorbereitungen laufen allerdings auf Hochtouren. 466 Mandate werden im ganzen Land ausgeschrieben – 136 im Oberhaus, 312 in der Abgeordnetenkammer. Darum bewerben sich 6500 Kandidaten in 43 Wahlbezirken. Die Vertreter der Bürger werden nach einem neuen Gesetz gewählt, das nach zwei Legislaturen die Listenwahl wieder einführt. Zum ersten Mal durften Rumänen im Ausland auch per Briefwahl ihre Stimme abgeben – am Donnerstag, den 8. Dezember, lief der Termin für die Übermittlung der Stimmzettel aus. Die Wahlen sind ebenfalls im digitalen Zeitalter angekommen – ein IT-System meldet automatisch der Polizei jeden Versuch einer doppelten Stimmabgabe, die Auszählung der Stimmzettel wird mit Videokameras aufgenommen, die Ergebnsiprotokolle nach der Auszählung werden elektronisch verfasst und automatisch veröffentlicht.



    NATO-Außenministrer vereinbaren mehr Kooperation mit EU

    Die neue vertiefte Zusammenarbeit zwischen der NATO und der EU müsste nach Auffassung des rumänischen Außenministers Lazăr Comănescu auch für die Nachbarschaft gelten – dabei sollten die Fähigkeiten der jeweiligen Organisation berücksichtigt werden, sagte er beim NATO-Ministertreffen in Brüssel. Zu Russland meinte er, dass es unter ihnen zwar Schattierungsunterschiede gebe, dass aber sämtliche Allierten die Kombination zwischen Entmutigungs- und Verteidigungsmaßnahmen parallel zu Dialogbereitschaft unterstützten: Eine Kooperation mit Russland in der Lösung bestimmter Fragen wie beispielsweise der Syrien-Krise sollte nicht das eventuelle Risiko schaffen, dass vor diesem Hintergrund die notwendige Aufmerksamkeit gegenüber der östlichen Nachbarschaft abnimmt, sagte Lazăr Comănescu. Anlässlich des Ministertreffens bekräftigte er die klare Unterstützung Rumäniens für die Unabhängigkeit und teritorielle Integrität der Ukraine sowie für den Ausbau der Kooperation zwischen der Ukraine und der NATO. Die Teilnehmer prüften auch die Situation in Afghanistan, wobei der rumänische Außenminister den signifikanten Beitrag Rumäniens zum NATO-Engagement im Gebiet ansprach. Die Außenminister der NATO-Länder verabschiedeten ein Paket von über 40 Maßnahmen zur vertieften Kooperation mit der EU in sieben Kernbereichen, darunter bei der Bekämpfung von hybriden und digitalen Bedrohungen unde bei der Führung von Marineeinsätzen.



    Woche der Korruptionsbekämpfung in Rumänien

    Der 9. Dezember war der internationale Tag gegen Korruption – und zu diesem Anlass ist in Rumänien die Woche der Korruptionsbekämpfung an den Grenzen organisiert worden. Die Antikorruptionsbehörden DNA informierte über ein verantwortungsvolles Verhalten der Bürger, die die Grenze Rumäniens passieren. Reisende wurden an den Grenzen Rumäniens zur Moldau und zur Ukraine, an den Grenzübergangspunkten Sighet, Halmeu, Galaţi, Oancea, Albiţa, Siret sowie am internationalen Flughafen Otopeni aufgeklärt, wie sie es vermeiden können, der Korruption Vorschub zu leisten. Besonders für ein proaktives Anzeigen von Korrurption der Grenzbeamten warb die DNA. Parallel dazu ging auch der Fiskus in dieser Woche verstärkt gegen Steuersündern unter Firmen vor.



    Neue Strategie soll Ärzte zum Bleiben motivieren

    auswanderung Rumäniens Gesundheitsminister Vlad Voiculescu hat in dieser Woche eine Strategie vorgelegt, die Ärzte dazu ermutigen soll, nicht mehr auszuwandern – in den zehn Jahren seit dem Beitritt Rumänien zur EU sind 43 Tausend Mediziner ausgewandert oder haben Unterlagen angefordert, die sie zu einer Ausübung des Berufs im Ausland befähigen. Der Plan ist auf vier Jahre ausgelegt und soll die aktuelle Schieflage erleichtern. Rumänische Krankenhäuser leiden an Personaldefizit, ganze Städte haben keine Hausärzte mehr, klagte der Minister – er will die Ärzte mit einer neuen, leistungsorientierten Lohnpolitik und finanziellen Anreizen motivieren, in Rumänien zu bleiben. Erste lohnpolitische Schritte wurden bereits unternommen, die Geschäftsführer der Krankenhäuser werden korrekter beurteilt, die Ausschreibung von Stellen ist durch die Veröffentlichung im Internet transparenter geworden. Der Maßnahmenplan ist vom Gesundheitsministerium mit Unterstützung der Staatspräsidentschaft und der WHO erstellt worden und sieht neben Lohnerhöhungen auch mehr Chancen zur beruflichen Entwicklung vor.


  • Rumänische Behörden besorgt über zunehmende Auswanderung qualifizierter Arbeitskräfte

    Rumänische Behörden besorgt über zunehmende Auswanderung qualifizierter Arbeitskräfte

    Die befürchtete Einwanderung der Rumänen und Bulgaren in die Sozialsysteme wetseuropäischer Staaten, die im engen Zusammenhang mit dem fremdfeindlichen Diskurs mancher westeuropäischen Parteien steht, erweist sich eher als Mythos, als Wirklichkeit. Zuerst in Italien und Frankreich, dann in den Niederlanden und Gro‎ßbritannien, löste die sogennante Armutsmigration aus Rumänien und Bulgarien schrittweise europaweit Panik aus, dennoch wird sie durch soziologische Fachforschungen widerlegt. Im Vergleich zu der deutlichen Mehrheit der Rumänen die im Ausland als Steuerzahler gelten, bleibt die Kriminalität der aus Rumänen stammenden Zuwanderergruppen ein Randphänomen.





    Nach dem EU-Beitritt des Landes, am 1. Januar 2007, verzeichente Rumänien einen deutlichen Verlust durch die zunehmende Auswanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte. Der jüngste Bericht des Europäischen Institutes in Bukarest stellt deutlich heraus, dass die Zahl rumänischer Zuwanderer das erwartete Ma‎ß nicht erreicht habe und der grö‎ßte Anteil der Migranten keine Einwanderer in bessere Sozialsysteme seien. Vielmehr stellen sie hochqualifizierte Arbeitskräfte dar, die in die Arbeitsmärkte westeuropäischer Staaten schnell assimilliert werden.





    Der Staatssekräter im Arbeitsministerium Codrin Scutaru erklärte, die Bukarester Behörden seien über die zunehmende Auswanderung der Absolventen von Hochschul- und Postuniversitätsstudien tief besorgt: Über zwei Millionen Staatsbürger Rumäniens arbeiten derzeit im Ausland und das führt zu einem deutlichen demographischen Rückgang. Wir dürfen über die Auswirkung der Freizügigkeit qualifizierter und hochqualifizierter Arbeitskräfte aus Rumänien nicht hinwegsehen.”





    Die Studie baut zudem die negativen Stereotypen angesichts der Nachteile der Freizügigkeit rumänischer Arbeitnehmer auf dem europäischen Markt ab. Jeder Bürger eines Landes, der legal in einem anderen Land arbeitet bringe einen deutlichen Beitrag zum Wirtschaftswachstum seines Gastlandes. Die Ansicht teilt auch der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments Hans-Gert Pöttering: “Die Reise- und Arbeitnehmerfreizügigkeit ist sehr wichtig weil sie den Grundstein des europäischen Binnenmarktes darstellt. Wir müssen uns selbstverständlich gegen die Ausnutzung der Sozialsysteme einsetzen. Es ist sehr wichtig dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit der Erwerbstätigen nicht eingeschränkt wird.” In Bukarest erklärte der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments zudem, die Europäische Union soll die Freizügigkeit ihrer Bürger nicht einschränken, denn dieses Phänomen bringe den Mitgliedstaaten deutliche Vorteile.



  • Hörerpostsendung 9.2.2014

    Hörerpostsendung 9.2.2014

    Andreas Pawelczyk (aus Mannheim, Deutschland) meldete sich unlängst per E-Mail mit Feedback zu unserem Programm:



    Sehr geehrte deutsche Redaktion,


    Sehr geehrter Herr Sorin,



    die gro‎ße Aufregung über Rumänen, die nach Deutschland kommen und keine Arbeit in strukturschwachen Gegenden bekommen, war für mich noch nie ein Thema, weil ich bisher jedem die Arbeit und die Sozialtransfers in Deutschland gegönnt habe. Zudem lese ich eine gewisse Presse, was für ein Niveau sie auch immer hat, grundsätzlich nicht.



    Zurzeit bewegt mich eher mehr ein Artikel, den ich auf Ihrer Webseite gelesen habe. Da wird auf Spiegel-Niveau“ berichtet, dass die Geburtenrate in Rumänien drastisch fast auf die Hälfte seit Ceauşescus Zeiten gesunken sei, also von 370.000 Geburten pro Jahr auf ca. 200.000 pro Jahr im Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Grund soll die mangelhafte finanzielle Förderung bei Geburten sein. Ginge dies so weiter, hätte Rumänien im Jahre 2030 nur noch gut 16 Mio. Einwohner.



    Dies wirkt für mich gravierend und befremdend, weil dies doch nur ein Problem der Nachwendezeit ist. Man wird sich in der Politik schleunigst etwas einfallen lassen müssen, wenn Rumänien kein aussterbendes Volk werden will.



    Der Empfang Ihres Senders ist übrigens bestens.




    Vielen Dank für das Feedback, lieber Herr Pawelczyk. Die zurückgehende Geburtenrate, über die wir in unserer Rubrik Das globale Dorf“ berichtet haben, ist nicht allein auf das unzulängliche Kinder- und Erziehungsgeld zurückzuführen, das Mütter und Erziehungsberechtigte vom Staat erhalten. Vielmehr war nach der forcierten Bevölkerungspolitik des Ceauşescu-Regimes auch zu erwarten, dass die Geburtenzahlen zurückgehen. Über die unselige Geburtenpolitik Ceauşescus habe ich ausführlich im Funkbriefkasten vom 12.05.2013 berichtet, ebenfalls aufgrund einer Hörerfrage. Hier eine Zusammenfassung der damaligen Ausführungen:



    In der Zeit 1967-1989 waren Abtreibungen in Rumänien verboten und der Zugang zu Verhütungsmitteln wurde erschwert. An den Folgen illegaler Abtreibungen starben schätzungsweise 9.500 Frauen. Die Dunkelziffer dürfte aber viel höher sein, denn in den ärztlichen Registern stand aufgrund einer Parteiweisung oft nur die halbe Wahrheit. So wurden als Todesursache nicht selten nur Nierenblockade“ oder Blutvergiftung“ erwähnt. Grund für diese menschenverachtende Geburtenpolitik war die Wahnvorstellung des Regimes, Rumänien bis im Jahr 2000 eine Bevölkerung von 30 Mio. Einwohnern zu bescheren. Im Oktober 1966 war daher das ominöse Dekret Nummer 770 promulgiert worden, womit Abtreibungen unter schweren Strafandrohungen verboten wurden.



    Hintergrund für den Erlass war die kurz davor erarbeitete demographische Studie einer Kommission, die der damalige Gesundheitsminister leitete; die Studie wurde im August 1966 dem Zentralkomitee der Rumänischen Kommunistischen Partei vorgelegt. Ein älterer Erlass von 1957 erlaubte bis dahin den Schwangerschaftsabbruch, unter allen damaligen Ostblockstaaten hatte Rumänien eine der liberalsten Abtreibungsregelungen. Dies habe zu einer dramatischen Zunahme der Abtreibungen geführt, die Zeitung Adevărul“ berichtete in einem Artikel zum Thema, dass allein im Jahr 1965 insgesamt über 1,1 Mio. Kürettagen durchgeführt worden seien und damit doppelt so viel wie 1959. Die Autoren der demographischen Studie waren allerdings guten Glaubens und nannten als Ursache der hohen Abtreibungszahlen die mangelhafte Sexualaufklärung sowie unzureichende Verhütungsmittel.



    Trotzdem stand Rumänien damals in puncto Bevölkerungszuwachs gar nicht so schlecht da. Die Volkszählung von 1965 hatte 19,1 Mio. Einwohner ermittelt und damit um zwei Millionen mehr als zehn Jahre früher. Unter Beibehaltung der damaligen natürlichen Bevölkerungszuwachsrate von 14,6% habe Rumänien im Jahr 2000 etwa 21,5 Mio. Einwohner zu erwarten, hie‎ß es noch in der damaligen Studie. Das war den hohen Kadern im Zentralkomitee aber nicht genug. Die Studie und ihre Autoren lie‎ßen sie abschmettern und forderten eine Geburtenpolitik, die Rumänien bis im Jahr 2000 eine Bevölkerung von 30 Mio. Einwohnern bescheren soll.



    Zum anderen ist aber auch die Auswanderung ein weiterer Grund für die zurückgehenden Bevölkerungszahlen, es gibt also durchaus einen Zusammenhang mit der Migration. Nach unterschiedlichen Schätzungen haben 10 bis 18 Prozent der Gesamtbevölkerung das Land seit 1989 verlassen. Gleich nach 1990 wanderten in erster Linie Angehörige der deutschen und z.T. auch der ungarischen Minderheit, aber auch rumänischstämmige Bürger aus. Die anhaltend schlechte Wirtschaftslage bewirkte in den folgenden Jahren, dass immer mehr Angehörige der Mehrheitsbevölkerung Rumänien verlie‎ßen. Waren bis ca. 1995 Israel und die Türkei wichtige Zielländer für rumänische Arbeitsmigranten, wurden bis 2000 Spanien und Italien immer wichtiger. Und hier darf ich erneut weitere konkrete Zahlen aus einer bereits vor einigen Wochen erwähnten Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bukarest zitieren: Nachdem zum 1. Januar 2002 die Visumspflicht für Rumänen im Schengen-Raum fiel, begann eine dritte, bis heute anhaltende Phase der Migration. Hier stieg die Zahl rumänischer Migranten in der EU stark. Im Jahr 2002 arbeiteten mindestens 300.000 Rumänen im EU-Ausland. Kurz vor dem EU-Beitritt im Jahr 2007 waren es bereits über 1,3 Millionen. Seit dem EU-Beitritt im Jahr 2007 wuchs die Zahl weiter. Die OECD schätzt, dass im Jahr 2011 ca. 3,5 Millionen Rumänen im Ausland arbeiteten, was ca. 18,5 Prozent der rumänischen Gesamtbevölkerung gleichkomme. Unter den neuen EU-Mitgliedsländern entsendet Rumänien gemeinsam mit Polen die meisten Migranten in die alten EU-Staaten.“



    Wenn also knapp ein Fünftel der aktiven Bevölkerung im Ausland lebt und hierzulande die Geburtenzahlen drastisch zurückgegangen sind, ist es kein Wunder, dass die demographische Zukunft Rumäniens momentan nicht rosig aussieht. Ich hoffe, damit Ihr Interesse für das Thema mit entsprechenden Zusatzinformationen einigerma‎ßen befriedigt zu haben, lieber Herr Pawelczyk. Ihre ältere Frage, was aus der ehemaligen Securitate und ihren Mitarbeitern geworden ist, hebe ich mir für eine spätere Sendung auf, da die Recherche zum Thema nicht gerade leicht ist.




    Und nun zu einer weiteren Hörerfrage. Dieter Feltes (aus Pyrbaum, Bayern) schreibt:



    In einer Ihrer Sendungen berichteten Sie über das Rote Kreuz in Rumänien. Ich finde, dass dies eine sehr gute Einrichtung ist. Hierzu hätte ich eine Frage. Gibt es in Rumänien beim Roten Kreuz auch einen Hausnotruf? Dies betrifft vorwiegend ältere Leute, die ihre Wohnung teilweise nicht mehr verlassen können. Wenn es ihnen nicht gut geht, dann drücken sie auf ein Amulett, das sie immer bei sich tragen, und dann kommen Sanitäter und Notarzt. Der Hausschlüssel ist beim Roten Kreuz hinterlegt. Ich kenne dies von meiner Mutter, der ich so etwas auch besorgt habe. Sie hatte oft von dieser Einrichtung Gebrauch gemacht.




    Vielen Dank für Ihre Frage, lieber Herr Feltes. Ich habe mich auf der Homepage des Roten Kreuzes in Rumänien schlau gemacht und es gibt tatsächlich etwas Ähnliches. Hier nennt man es Telemedizin“, es ist eine neue Einrichtung und es ermöglicht vorerst nur herzkranken Senioren, ihren Blutdruck und den Herzrhythmus in Echtzeit über eine telefonische Verbindung direkt an ein medizinisches Zentrum zu übermitteln, wo ein Arzt die Ergebnisse evaluiert. Wie das technisch funktioniert, wird auf der Webseite leider nicht näher erläutert. Zu lesen ist noch, dass das Monitoring bestimmter Gesundheitsparameter in Zukunft erweitert werden soll, so dass immer mehr alleinstehende Senioren davon Gebrauch machen können.



    Darüber hinaus gibt es die klassischen Komponenten der Seniorenunterstützung. So arbeitet das Rote Kreuz sowohl mit Volontären als auch mit professionellem Personal, um alleinstehenden oder gebrechlichen Senioren bei ihren Pflege- und Hygiene-Bedürfnissen zu helfen, Einkäufe für sie zu erledigen u.a.m. Ähnliche Einrichtungen gibt es auch bei den Sozialämtern, alleinstehende oder mittellose Senioren haben unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, die Unterstützung durch einen Sozialarbeiter zu beantragen.



    Bevor es zur Posteingangsliste geht, noch eine kurze Ankündigung. Am 13. Februar wird der Weltradiotag begangen. Aufgrund der an alle Sprachdienste zugesandten Hörerbeiträge erstellt unsere Zentralredaktion ein spezielles Feature, das anstelle des Sozialreports am kommenden Mittwoch gesendet wird. Die Zusendungen an unsere deutschsprachige Redaktion waren diesmal sehr spärlich, was eigentlich nicht verwunderlich ist: Das Thema Bedeutung und Zukunft des Radios als Kommunikationsmittel wird bereits zum dritten Mal in den letzten 12 Monaten angeschlagen, im Februar 2013 beim vorangegangenen Weltradiotag war es das erste Mal und im November erneut, als wir das 85-jährige Jubiläum unseres Senders feierten. Ich wei‎ß natürlich nicht, wieviele Beiträge die anderen Redaktionen erhalten haben, und kann auch nicht garantieren, dass alle deutschsprachigen Zusendungen in der Produktion der Zentralredaktion berücksichtigt werden. Sollten Sie dennoch Beiträge oder relevante Fotos im Zuge der kommenden Woche noch zuschicken, kann ich sie zusammenfassend im nächsten Funkbriefkasten verlesen.



    Und nun die Posteingangsliste. In der Ablage fand ich diese Woche einen einzigen Postbrief und zwar von Reiner Peuthert (aus Stendal, Sachsen-Anhalt). Ein Fax erhielten wir von Günter Spiegelberg (aus Güstrow, Mecklenburg-Vorpommern).



    E-Mails erhielten wir bis Sonntagmittag von Georg Pleschberger, Christian Meyer und Josef Robl (alle drei aus Österreich), Hans Verner Lollike (aus Dänermark) sowie von Rolf Endris, Petra Kugler, Bernd und Willi Seiser, Hendrik Leuker, Andreas Pawelczyk, Siegbert Gerhard, Ralf Urbanczyk, Helmut Matt, Reinhold Meyer, Herbert Jörger, Peter Vaegler, Klaus Pfahl, Horst Cersovsky, Jörg-Clemens Hoffmann (alle aus Deutschland).



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