Tag: avantgarde

  • Ausstellung zum Werk von Max Hermann Maxy im Kunstmuseum

    Ausstellung zum Werk von Max Hermann Maxy im Kunstmuseum

    Maxy war eine der wichtigsten Persönlichkeiten der rumänischen Avantgarde, Gründer der Avantgarde-Zeitschrift Integral“ und Direktor des rumänischen Kunstmuseums. Er war eine komplexe und starke Persönlichkeit aber zugleich umstritten und kritisiert, ein Künstler, der in zwei verschiedenen Epochen schuf: im monarchischen Rumänien (bis 1947) und im Rumänien des neuen kommunistischen Regimes (in der zweiten Hälfte seines Lebens). Die Ausstellung präsentiert das Werk des Künstlers anhand von Gemälden, Grafiken, szenografischen Projekten, Kunstobjekten und Magazinen und folgt dabei dem chronologischen Verlauf seiner Biografie. Über die Ausstellung und Maxy sprachen wir mit dem Generaldirektor des Kunstmuseums, Călin Stegerean, dem Kurator der Ausstellung.



    Er war eine au‎ßergewöhnliche Persönlichkeit in der rumänischen Kunst des 20. Jahrhunderts, vor allem als Anführer der Avantgarde-Bewegung in der Zwischenkriegszeit, als Schöpfer einer wichtigen Avantgarde-Zeitschrift und einer Werkstatt für dekorative Kunst, die sich um diese Zeitschrift herum entwickelte. Er war auch ein sehr begabter Bühnenbildner, der mit verschiedenen Avantgarde-Theatergruppen zusammenarbeitete. Nach der Machtübernahme des kommunistischen Regimes bekleidete er führende Positionen im Staatsapparat, zum Beispiel war er Vorsitzender der Gesellschaft Bildender Künstler, und 1950 wurde er Direktor des ersten Nationalen Kunstmuseums Rumäniens, des damaligen <Kunstmuseums der Rumänischen Volksrepublik>. Er unterstützte die Avantgarde-Bewegung, die er zuerst in Deutschland kennenlernte, wo er studiert hatte, und wurde später einer der Organisatoren der gro‎ßen Ausstellungen der Avantgarde-Kunst im Rumänien der Zwischenkriegszeit sowie Mitarbeiter aller Avantgarde-Zeitschriften dieser Periode, die eine Plattform darstellten, auf der die bildenden Künste auf das Schaffen, die Philosophie und alles, was die Erneuerung der künstlerischen Sprache bedeutete, trafen.


    Er war sehr eng mit Marcel Iancu befreundet. Er stand auch Tristan Tzara sehr nahe, oder Ilarie Voronca, Ion Călugăru, mit denen er an der Zeitschrift <Integral> zusammenarbeitete, allesamt Repräsentanten der Avantgarde in Rumänien. Im Grunde gab es eine sehr enge Beziehung, denn die Werte und die Eliten genossen gegenseitige Anerkennung und suchten jeweils die Nähe der anderen. Bereits 1942 wurde Maxy Mitglied der Kommunistischen Partei. Es war eine sehr schwierige Zeit, in der die jüdische Bevölkerung verfolgt wurde, und es waren diese Aktionen, die tatsächlich zum Verschwinden der jüdischen Ethnie führten bzw. führen sollten. Aber die Avantgarde brachte im Allgemeinen Menschen mit linken Überzeugungen zusammen. Der Übergang zum sozialistischen Realismus verlief jedoch etwas anders als bei anderen Künstlern. Er wandte seine Aufmerksamkeit den unterprivilegierten Menschen in Rumänien zu. Die 1930er und 1940er Jahre sind der Beweis für dieses Interesse an den Arbeitern, den Bergleuten, diesen Klassen, die nicht zu den bevorzugten gehörten.


    Das Konzept der Ausstellung trägt der Tatsache Rechnung, dass er in zwei verschiedenen, aber fast gleich langen Epochen tätig war: der Monarchie und der kommunistischen Zeit, in denen er jeweils eine führende Rolle spielte. In der ersten Periode war er natürlich der Förderer einer Erneuerung der künstlerischen Sprache, die unsere Kultur brauchte, zumal sie auch mit einem internationalen Geist verbunden werden sollte. Und im zweiten Teil deutet sich eine gewisse schöpferische Freiheit an, eine gewisse Freiheit der Darstellung, die ihn irgendwie zu den Ausdruckselementen der Zwischenkriegszeit zurückführt. Natürlich ohne den gleichen Umfang, ohne den gleichen Geist, aber die Tatsache, dass dies nach einer Zeit des ideologischen Drucks und des ideologischen Dogmatismus möglich war, war ein sehr starkes Signal an seine Kollegen.“



    Călin Stegerean vom Nationalen Kunstmuseum fasst im Gespräch mit RRI auch die Tätigkeit Maxys als Leiter der Institution zusammen.



    Maxy hat den Schauplatz des Museums im Wesentlichen selbst gestaltet. Sie sollten wissen, dass die besten Gemäldesammlungen jene sind, die Maxy in diesem Museum eingerichtet hat. Er war auch derjenige, der zusammen mit anderen Kollegen die Rumänische Kunstgalerie und die Gallerie der Universalkunst gegründet hat. Er hatte auch die Idee, parallel zu den Ausstellungen Aktivitäten durchzuführen, die auf die allgemeine Bildung des Publikums und die Verbindung der Künste mit dem Leben im Allgemeinen abzielten.



    Während der Eröffnung der Ausstellung sprach der Präsident des Verbands der jüdischen Gemeinden in Rumänien, Silviu Vexler, über Maxy.



    Maxy ist eine der komplexesten Figuren der rumänischen Kunst, aber gleichzeitig ist er einer der prominentesten jüdischen Künstler in Rumänien, zusammen mit Marcel Iancu, zusammen mit Victor Brauner sind sie, wenn man so will, die sichtbarsten und erkennbarsten Symbole für die Präsenz jüdischer Künstler in Rumänien. Gleichzeitig ist Maxy als Künstler eine äu‎ßerst komplexe Figur, deren Schaffen im Kontext der Epochen, die er durchlief, stark variiert. Es ist wichtig, dass bei der Betrachtung seiner Gemälde auch der Kontext, in dem sie entstanden sind und in dem Maxy seine Arbeit ausgeführt hat, dargestellt wird. Obwohl er eine so prominente Figur ist, ist er in der Gesellschaft leider viel zu wenig bekannt, und so ist die Tatsache, dass eine solche Ausstellung im Nationalen Kunstmuseum stattfindet, eine gro‎ßartige Gelegenheit für diejenigen, die sein Werk vielleicht noch nicht kennen.



    Silviu Vexler sprach in seinem Vortrag auch über den Menschen Maxy, jenseits des Avantgarde-Künstlers.



    Ich glaube nicht, dass man Menschen ignorieren kann. Ich denke, man kann einen Punkt erreichen, an dem man versteht, dass es beim künstlerischen Schaffen manchmal nicht um bestimmte negative Seiten von Menschen geht, aber man kann sie nicht völlig auslöschen. Wenn man so will, ist die berühmteste Situation dieser Art bei Wagner zu finden. Und bis heute ist Wagner ein äu‎ßerst umstrittener Künstler, aber nicht nur das, in Israel gab es zum Beispiel, glaube ich, nur ein einziges Wagner-Konzert bis heute. Gleichzeitig kommt man nicht umhin, Wagners Werk als grundlegend für die Opernmusik anzuerkennen.


    Aber ich bin nicht damit einverstanden, dass man versucht, die negativen Aspekte im Leben eines Menschen auszulassen, nur um seiner Schöpfung willen. Meiner Meinung nach ergänzen sich diese beiden Dinge, sollten parallel bekannt sein und in ihrer wahren Bedeutung verstanden werden. Und letztendlich ist es unvermeidlich, dass die Meinung eines Künstlers sein Werk beeinflusst. Deshalb möchte ich betonen, dass der zusätzliche Wert dieser Maxy gewidmeten Ausstellung darin besteht, dass sie alle Facetten seines Lebens beleuchtet. Es wird nicht nur eine Reihe von Gemälden ausgestellt, was natürlich an sich willkommen gewesen wäre, aber der Kontext der Gesellschaft, in der er schuf, die Art und Weise, wie sich sein Leben entwickelte und veränderte und wie dies sein Werk beeinflusste, ist von enormer Bedeutung.

  • Urmuz, an author of the absurd

    Urmuz, an author of the absurd

    Urmuz’s real name was Demetru Dem.
    Demetrescu-Buzău and he was born in March 1883 in the small central town of
    Curtea de Argeș. A forerunner of
    surrealism and the literature of the absurd, Urmuz was an enigmatic and bizarre
    figure, just like his literature, which was aesthetically captivating despite the
    fact that the words didn’t seem to make much sense. The literary critic and historian
    Paul Cernat tells us more about Urmuz’ odd personality:




    Urmuz was a
    lonely and shy man, whose life was just as bizarre as his life. It appears that
    he first trained to become a doctor but gave up because during dissections, he’d
    get a fright when he would pinch the dead bodies and they wouldn’t react. So he
    took up law instead and became a clerk at the Court of Cassation. He also concerned
    himself with music, being an amateur composer in his free time and writing
    music to entertain his family, as one of his sisters recounted. Unfortunately,
    his music scores have not survived, having been lost in the 1960s. Literature
    was a secret passion of his, even more so than music. He knew the writer and
    poet Tudor Arghezi, who gave him the penname Urmuz and who published his work.
    In fact, the only works Urmuz would ever publish appeared thanks to Arghezi in
    the magazine Cuget românesc, a very traditionalist publication,
    ironically. This was in 1922. Urmuz committed suicide in 1923, shooting himself
    in the bushes on the side of a popular street in the north of Bucharest where
    people often went for walks. The reason is unclear, and there were speculations
    about an unhappy love affair or a terrible disease that no one knew about. The
    many stories that circulated around Urmuz’ enigmatic, secretive and
    subterranean personality eventually turned him into something of a myth. This myth
    is very much alive today and is the foundation of the Romanian literature of
    the absurd.




    Urmuz’s dull existence as a clerk and his unexplained
    suicide combined with his apparently absurd works have contributed to the
    fascination he still exerts on his readers, who wonder if there’s a connection
    between his literature and his life. Critic Paul Cernat elaborates on this:




    He was a strange man who liked to play but
    who also probably had some traumas. He was compared with Kafka, based on their
    relationships with their fathers. In reality, however, we don’t know very much
    about him, in fact we know very little, and any speculation is plausible. As
    far as Urmuz was concerned, there was a split between his public identity and
    his private, secret identity, between his public image as a dull clerk and his
    identity as an anarchic writer whose work was breaking all the rules of
    literature at that time. Despite their anarchic and absurd appearance, his
    works were very polished and the result of painstaking effort. Urmuz was like Flaubert,
    paying attention to every word and the orchestration of his little texts.




    Even the two texts published during his
    lifetime, Algazy and
    Grummer and Ismaïl and Turnavitu had been chiselled up to the very last
    minute before publication. According to Tudor Arghezi, Urmuz wanted to change
    some words even after they were sent to the printers. Critic Paul Cernat:




    Urmuz’ small but explosive
    body of work became really known after his death, some of it appearing in the
    1920s in the Contimporanul
    magazine published by Ion
    Vinea and Marcel Iancu. But most of his work appeared in UNU magazine, being published by
    the writers Sașa Pană and Geo Bogza who in the 1930s contacted Urmuz’ sister, who
    had a chest full of his manuscripts. They published whatever they found there
    and which hadn’t been published before. And it seems there’s still more to be
    published. (…) A lot has been lost, but what we do have is more than enough to
    ensure Urmuz a status he would never have dreamt of.




    Urmuz had a great influence
    on the generation of avantgarde writers after the First World War and beyond. Tudor
    Arghezi’s prose was also influenced by Urmuz. The generations of post-1965
    writers, the so-called Târgoviște school and the poets Marin Sorescu and Nichita
    Stănescu also showed the influence of Urmuz, which can even be traced in today’s
    post-modernist literature.

  • Bewegender Dokumentarfilm über Dichterin Nina Cassian in den Kinos

    Bewegender Dokumentarfilm über Dichterin Nina Cassian in den Kinos

    Mit ihrem Ruf als verführerische Frau, erstaunlich trinkfest und Kettenraucherin war die Avantgarde-Dichterin, Literatur-Übersetzerin, Komponistin und Grafikdesignerin Nina Cassian (1924–2014) sowohl Komplizin des stalinistischen Regimes als auch problematisch für die kommunistischen Anführer. Sie geriet in einen direkten Konflikt mit dem Ceauşescu-Regime. 1985 entschied sie sich für einen ungewollten Exil in New York, nachdem der [mit ihr befreundete] Dissident Gheorghe Ursu ermordet wurde“, sagen die Filmemacher.



    Wir luden Mona Nicoară und Dana Bunescu zu einer Diskussion über ihren Dokumentarfilm ein, eine Diskussion, die uns helfen würde, zu verstehen, wie ein Film von einer Stunde und drei‎ßig Minuten die Geschichte eines solch komplexen Lebens wiederherstellt und Nina Cassian auf ihrem Weg begleitet, die eigenen Optionen in Frage zu stellen. Der Film, der von Hi Film Productions (Rumänien) und Sat Mic Film (USA) in Zusammenarbeit mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender TVR produziert wurde, hat aufgrund der komplizierten Lebensgeschichte von Nina Cassian in Rumänien viele Reaktionen ausgelöst.



    Dies ist der Grund, warum der Dokumentarfilm und die Art, wie er gemacht wurde, meistens im Hintergrund belassen wurden. Alles fing im Jahr 2013 an, als Mona Nicoară begann, Nina Cassian kurz vor ihrem Tod in ihrer New Yorker Wohnung zu filmen. Die Archivrecherchen wurden bis 2014 erweitert. Die Hauptfinanzierung kam erst 2015. Während des Films spricht Nina Cassian über ihre Gedichte, die Gründe, aus denen sie sich dem Kommunismus verschrieben hat, die Enttäuschungen, die das Ceauşescu-Regime in Rumänien mit sich brachte. Einer der Vorwürfe, die den beiden Filmemacherinnen gemacht wurden, ist, dass sie eine proletkultistische Schriftstellerin in eine Ikone verwandelt haben. Das, obwohl Nina Cassian au‎ßer ein paar Bänden (aus den 1950er Jahren), in denen sie ihre politischen Überzeugungen zum Ausdruck brachte, etwa 20 weitere Bände von Gedichten und ebenso viele Bücher für Kinder veröffentlicht hat. Mona Nicoară über die Vorwürfe gegen den Film:



    Ich glaube nicht, dass wir es geschafft haben, Nina in eine Ikone zu verwandeln, Nina war schon lange eine Ikone. In der Schwulengemeinschaft zum Beispiel war sie bekannt, sie galt als eine der gro‎ßen Verbündeten dieser Gemeinschaft. In Schulbüchern oder im Fernsehen wurde sie als Autorin von Kinderbüchern oder als proletkultistische Dichterin präsentiert. Je nach den Umständen beurteilt jeder einen Teil, eine Facette ihrer Persönlichkeit. Es ging uns darum, all diese Versuche, Ninas Persönlichkeit zu beleuchten, zusammenzubringen, um zu sehen, wie all die Gesichter zusammenpassen. Tatsächlich stand sie all diesen Wahrnehmungen sehr kritisch gegenüber.“




    Der Abstand zwischen mir und mir“ sei kein testamentarischer Film. Alles, was sie gesagt hat, um sich zu erklären oder zu rechtfertigen, hatte Nina Cassian bereits in Memoiren geschrieben, so die Regisseurin Mona Nicoară. Aber sie mochte die Idee des Films, der Fragmente ihres Lebens zusammenbringt und sie mit der Gegenwart konfrontiert. Mona Nicoară:



    Was mich an diesem Dokumentarfilm interessiert hat, war zu sehen, was hinter dieser Aussage steht, die den Titel des Films gibt und die ich in ihren Memoiren, »Die Distanz zwischen mir und mir«, gefunden habe. Ich wollte wissen, wie eine Person mit einer komplizierten Lebensgeschichte ihre Vergangenheit bewältigt. Ich nahm an, dass es eine komplizierte Beziehung zwischen dem Archiv und ihrem persönlichen Gedächtnis sein würde, und ich wusste nicht, wie wir all diese Dinge lösen werden. Gleichzeitig wollten wir es mit diesem Archiv in Verbindung bringen. Andererseits ist es auch so: Wenn man mit der Arbeit an einem Film beginnt, fühlt man eine Unsicherheit, man wei‎ß nicht, wo man hingelangen wird, und die Tendenz besteht darin, so viel Material wie möglich zu sammeln. Neben diesen Interviews, die die Grundlage des Films bildeten, hatten wir einige Dinge, die wir verwenden konnten: ein Archiv, das keine direkte Verbindung zu Nina hatte, einige Filme, die ich mit Ovidiu Mărginean und Rudolf Costin in New York und Bukarest gemacht hatte. Dana Bunescu hat mich überzeugt, auf diese zu verzichten. Dank Dana bin ich zu dieser scheinbar formalen Einfachheit gekommen, die den Film zu dem gemacht hat, was ich wollte: eine Beziehung zwischen Nina Cassian und sich selbst.“




    Bis zur endgültigen Version des Films probierte Mona Nicoară viele Varianten aus. Zusammen mit Dana Bunescu kam sie zu dieser sehr einfachen Struktur, die die Chronologie eines Lebens nachstellt. Dana Bunescu:



    Der Film entstand nach vielen Diskussionen über das Material, das wir hatten. Und wir hatten viel Material: die Dreharbeiten, die Mona im Jahr 2013 gemacht hatte, also das Interview mit Nina Cassian. Dann die Recherche beim CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung des Securitate-Archivs) und im Staatsarchiv. Auch das Archiv des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders TVR und das Nationale Filmarchiv. Mona kannte all diese Aufzeichnungen, schaute sie sich erneut mit mir zusammen an, und wir haben viel darüber geredet, was wir behalten und wie wir das Material organisieren. Von einem Punkt zum anderen gab es viele Anordnungsversuche, so dass unsere Geschichte effizient und klar ist und Raum für Fragen lässt. Der schwierigste Teil war wahrscheinlich die Einfügung von Teilen der Securitate-Akte Nina Cassians und von Aufzeichnungen durch einen Spitzel, die wir vom CNSAS erhalten haben, weil damit das Auftreten einer dritten Person in der Dokumentation bewirkt wird — es ist die Stimme einer unbekannten, nicht näher identifizierbaren Person, die aber im Leben Ninas existierte.“




    Dana Bunescu sprach mit uns über die Reaktionen, die der Film ausgelöst hat.



    Ich war froh, junge Leute im Saal zu sehen. Junge Leute, die nicht genau wussten, was für einen Film sie sehen werden, aber ich hörte sie nach dem Film sprechen, sie wollten nach Nina Cassians Büchern suchen. Nichts hat mich stärker berührt.“

  • Rumänisch-französische Schauspielerin heimisch in der französischen Avantgarde heimisch

    Rumänisch-französische Schauspielerin heimisch in der französischen Avantgarde heimisch

    Die Ausstellung Génica Athanasiou: Muse und Lebensgefährtin von Antonin Artaud“ kann bis zum 28. August beim Nationalen Literaturmuseum in Bukarest besichtigt werden. Die Ausstellung ruft eine sowohl in ihrer Wahlheimat Frankreich als auch in ihrem Heimatland Rumänien vergessene Persönlichkeit in Erinnerung. Der echte Name der Darstellerin war Eugenia Tănase, sie wurde 1897 in Bukarest geboren. Die Schauspielerin mit einer 40 Jahre langen Karriere lebt heute noch in den Briefen des französischen Dramatikers, Dichters und Regisseurs Antonin Artaud, Lettre an Génica“. Der Intendant des Literaturmuseums kommt zu Wort mit Einzelheiten über die Ausstellung:



    Génica Athanasiou war überhaupt nicht bekannt im rumänischen Kulturraum. Mit 20 Jahren hat sie sich in Frankreich niederlassen, in ihrer Wahlheimat ist sie in zahlreichen Aufführungen aufgetreten, auch zusammen mit Antonin Artaud. Wir haben sie als Muse und Lebensgefährtin von Antonin Artaud vorgestellt, aber somit haben wir nur einen kleinen Teil ihrer Persönlichkeit preisgegeben. Génica Athanasiou hat nicht nur mit Antonin Artaud zusammengearbeitet, sondern auch mit zahlreichen Darstellern der Zwischenkriegszeit, und ist in Paris und auf vielen internationalen Bühnen aufgetreten. Génica Athanasiou war Teil der künstlerischen Avantgarde in Frankreich. Diese Dokumentation-Ausstellung verdanken wir der französischen Forscherin Laurence Meiffret, die 10 Jahre ihrer Karriere dem Leben und der Karriere von Génica Athanasiou gewidmet hat.“




    Es war unmöglich, die eindrucksvollen Aufführungen der Zwischenkriegszeit in die Gegenwart zu bringen, wir wollten aber diese Unbekannte jenseits der Aura um ihre Persönlichkeit entdecken, wir sind also ihren Spuren von Paris nach Bukarest gefolgt, auf der Jagd nach vergessenen Begebenheiten, alten Dokumenten, unvollständigen Archiven, wenigen Zeugen, um diese seltsame Art von Frau hinter allen diesen Sachen wiederzufinden: die Muse und die Künstlerin.“ Das ist ein Auszug aus dem Album Génica Athanasiou — das leidenschaftliche Leben einer Rumänin in der Pariser Avantgarde“ von Laurence Meiffret. Das zweisprachige Album, das im Verlag des Nationalen Literaturmuseums erschienen ist, ist die erste der Darstellerin gewidmete Publikation. Museumsdirektor Ioan Cristescu kommt erneut zu Wort mit Einzelheiten:



    Es handelt sich um ein monographisches Album, eigentlich um ein Buch über Génica Athanasiou, das als Beweis für ihr ganzes Leben, vom Anfang bis zum Ende, steht. Sie wurde in Bukarest, im Wohnviertel Uranus geboren, sie hat ihren Namen geändert, anstatt Tănase hie‎ß sie Athanasiou, im Buch steht auch, in welchen Filmen, Theateraufführungen sie gespielt hat, dass sie von Rumänien nach Frankreich ausgewandert ist, um Schauspielerin zu werden. In diesem Album, das mit so viel Leidenschaft von Laurence Meiffret geschrieben wurde, steht eigentlich ihre Lebensgeschichte.“




    Der Ausstellungsraum im Nationalen Literaturmuseum wird für diese Ausstellung in mehrere Räume aufgeteilt: das berufliche und das private Leben von Génica Athanasiou, persönliche Gegenstände und einen Videozusammenschnitt ihrer Filme.

  • Tradition und Avantgarde in der Kunst des modernen Rumänien

    Tradition und Avantgarde in der Kunst des modernen Rumänien

    La Belle Époque“ war eine Periode in der französischen Geschichte während der Dritten Französischen Republik, die durch regionalen Frieden und wirtschaftlichen Wohlstand, einen Höhepunkt der Kolonialreiche und technologische, wissenschaftliche und kulturelle Innovationen gekennzeichnet war. Rumänien teilte auch die europäische Denkströmung dieser Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Die Exposition Universelle von 1900, besser bekannt als die Pariser Ausstellung 1900, war eine Weltausstellung, die in Paris stattfand, um die Errungenschaften des vergangenen Jahrhunderts zu feiern und die Entwicklung ins nächste zu beschleunigen. Paris war ein Ort, an dem die Geopolitik kulturelle Dimensionen erhielt. Länder aus der ganzen Welt wurden von Frankreich eingeladen, ihre Leistungen und ihren Lebensstil zu präsentieren. Später versuchte die Zwischenkriegsavantgarde, die etablierten Kunstformen zu verändern und neue künstlerische Elemente einzubringen.



    Der Kunsthistoriker Erwin Kessler hat an einer vom Museum der Stadt Bukarest organisierten Diskussionsrunde mit dem Titel Ideen in der Agora“ teilgenommen. Dabei hielt er einen Vortrag mit dem Titel Tradition, Modernisierung, Avantgarde und zurück: die Avatare der rumänischen Kunst vor und nach dem Ersten Weltkrieg“. Erwin Kessler:



    Auf der Pariser Ausstellung von 1900 trat Rumänien als schizoides Land auf — es gab einen nationalen Pavillon in Form eines Ölbohrturms, der den Blick in das industrielle Zeitalter Rumäniens offen gab. Doch im Inneren waren Heiligenbilder, Volkstrachten, Volkstänze und Bauernkunst zu sehen. Rumänien sah aus wie ein Land mit einem riesigen traditionellen bäuerlichen Kern unter einer sehr dünnen Industrieschale — dieser schizoide Auftritt war perfekt wirklichkeitsgetreu, da über 75% der Bevölkerung auf dem Land lebten, und über 60% der Produktion Rumäniens nicht aus Erdöl oder Erdölprodukten, sondern aus landwirtschaftlichen Erzeugnisse bestand.“




    Der Historiker Sorin Antohi, Gastgeber der Konferenz Ideen in der Agora“, sprach über das dörfliche Rumänien zur Zeit der Weltausstellung 1900, aber auch über das Leben der rumänischen Bauern aus dieser Zeit, im Gegensatz zur idyllischen Darstellung der Dorfwelt in den Werken des Kunstmalers Nicolae Grigorescu. Sorin Antohi:



    Die ausländischen Reisenden notieren immer wieder mit Bedauern die Präsenz der rumänischen Bauern in ihren Aufzeichnungen. Der schwindende, dunkle, vage Bauer… Dieser schwindende Bauer ist der Fokus einer schockierenden Erscheinung, wie wir in dieser Zeit gesehen haben, in der soziale Spannungen, die Wirtschaftskrise, all diese Dinge im rumänischen Fall zu einem typisch ambivalenten Resultat führen. Die Monarchie feiert ihr Jubiläum und arbeitet hart daran, das lokale Äquivalent sowohl für die Einheimischen, aber auch für die Protokollbesucher etwa wie Potemkinsche Dörfer zu präsentieren.“




    Die junge Künstlergeneration war mit der Kunst jener Zeit unzufrieden, so dass ein Jahr später, am 3. Dezember 1901, einige von ihnen die Gruppe Tinerimea Artistică“, (Die Künstlerische Jugend“) gründeten. Dieser elitäre Verein bestand aus den Kunstmalern Ştefan Luchian, Gheorghe Petraşcu und Frederic Storck. Tinerimea Artistică“ integrierte sich schnell in den westlichen Raum, so dass die Ausstellung von 1904 als erste eine positive Rezension im The Studio“, einem sehr beliebten Kunstmagazin in London, erhielt, das schrieb: Einige der Künstler, deren Werke ausgestellt wurden, scheinen neuen Theorien und künstlerischen Formeln zuzustimmen.“ Erwin Kessler darüber:



    Das ist nicht viel, aber zumindest ist es ein Klaps auf die Schulter. In dieser dritten Ausstellung von 1904, der ersten, die in einen internationalen Kontext gestellt wurde, plant »Tinerimea Artistică« zum ersten Mal, eine Reihe von Künstlern aus den Nachbarländern, vor allem aus dem Balkanraum, in die rumänische Kunst und Ausstellungen einzubeziehen.“




    Bis zum Ende der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts war Rumänien eine ständige Präsenz in der europäischen Kulturlandschaft. Die Einführung der futuristischen Strömung in der Literatur hat eine wichtige Verbindung zu den rumänischen modernen Dichtern. Der Kunsthistoriker Erwin Kessler:



    In Rumänien war Filippo Tommaso Marinetti, der den Futurismus einleitete, noch vor Februar 1909 viel bekannter als in anderen Teilen Europas, als er in der französischen Zeitschrift »Le Figaro« das »Manifeste du Futurisme« veröffentlichte. Seine Arbeit begann 1905, als er anfing, die Poesia-Zeitschrift in Mailand zu veröffentlichen, die von Anfang den rumänischen Schriftstellern offenstand. Der Literaturkritiker Ovid Densuşianu schreibt über die Poesia-Zeitschrift und auch über Marinetti. 1906, im Jahr des Manifests des Futurismus, waren in »Poesia« einige Gedichte des rumänischen Dichters Alexandru Macedonski erschienen. Marinetti war also auf der rumänischen Kulturbühne bekannt.“




    Die künstlerische Avantgarde macht sich bemerkbar und prägt die rumänische Kultur in der Zwischenkriegszeit. Die von dem Dichter Ion Minulescu herausgegebene Zeitschrift Insula“ (Die Insel“), war eine Plattform für die rumänische Kulturavantgarde. Erwin Kessler dazu:



    Im Frühjahr 1912 wurde die Zeitschrift »Insula« von Ion Minulescu gegründet. Es war ein kometenhaftes, aber unverzichtbares Magazin, in dem eine Avantgarde-Bewegung offensichtlich war, ebenso offensichtlich wie die Uneinigkeit mit allem, was das System der rumänischen Moderne in diesem Moment bedeutete. Ein gro‎ßer Teil der Redaktion wird von einer Gruppe junger Gymnasiasten weitergeführt, die von Oktober bis Dezember 1912 eine Zeitschrift namens »Symbol« mit einer Illustration von Marcel Iancu herausbringen wird. Der künstlerische Leiter der Zeitschrift »Symbol« war Marcel Iancu, Herausgeber waren Ion Vinea und Samuel Rosenstock (der später als Tristan Tzara bekannt wird).“




    1924 wurde die Contimporanul“-Gruppe von Victor Brauner, Marcel Iancu, Miliţa Petraşcu und Mattis Teutsch gegründet, die auch mit dem Bildhauer Constantin Brâncuşi und einigen ausländischen Künstlern zusammenarbeiteten. Die erste Ausstellung der Gruppe Contimporanul“ veranstalteten die Künstler Arthur Verona, Camil Ressu und Ion Theodorescu Sion am 20. November 1924 im Saal der Gewerkschaft der Bildenden Künste in Bukarest.

  • Jahrhundertwende: Junge Künstlergruppe revolutioniert Kunstverständnis um 1900

    Jahrhundertwende: Junge Künstlergruppe revolutioniert Kunstverständnis um 1900

    Die in den 1860er Jahren gegründete Literatengruppe Junimea“ — die übersetzt sinngetreu Jugend“ bedeutet — war nur der Anfang. Noch radikaler und westlicher orientiert war jedoch die Gruppe Tinerimea artistică“, die gleich nach der Wende zum 20. Jahrhundert nach dem Vorbild der Wiener Sezession und der Art Nouveau im französischsprachigen Raum Europa entstand. Tinerimea artistică — die Künstlerjugend — war als Bewegung auf eine ästhetische Revolution aus und setzte konzeptuell fast 1:1 den modernistischen Trend aus dem Westen um. Für Erwin Kessler, Ästhetiker und Kunstphilosoph, entstand die Bewegung als Reaktion auf den offiziellen Kanon und als rumänischer Ausdruck der neuen europäischen Strömungen.



    Viele dieser neuen Kreationen und Konzepte entstanden aus reiner Not, aus Frust. Und so kam es zu diesem phantastischen, frühlingsverhei‎ßenden Namen und diesem au‎ßerordentlichen Erscheinungsbild im franko-englischen Mix der »Tinerimea artistică«. Der Name selbst klingt nach Aufbruch, nach dem Startschuss für eine Künstlernation“, findet Kessler. Es ging den Anhängern darum, gegen den Kanon der älteren Künstler zu rebellieren. Aber anders als heute, so Kessler, standen hinter den innovativen Ansätzen nicht die Studenten: Es waren nach heutigen Begriffen eher reife Künstler von 30–35 Jahren, die es ganz satt hatten.



    Die »Tinerimea artistică« erschien im Kielwasser der Weltausstellung in Paris zwischen dem 14. April und dem 12. November 1900, der gro‎ßen Ausstellung, die die die Belle Époque prägte. Sie war kultureller Austragungsort für Geopolitik, für Zivilisationsgeschichte und wirkte für die rumänischen Künstler sehr frustrierend“, meint Kessler. Rumänien trat damals als schizoides Land auf, beschreibt er die Lage — es gab einen nationalen Pavillon in Form eines Ölbohrturms, der den Blick in das industrielle Zeitalter Rumäniens offen gab. Doch im Inneren waren Heiligenbilder, Volkstrachten und Bauernkunst zu sehen. Rumänien sah aus wie ein Land mit einem riesigen traditionellen bäuerlichen Kern unter einer sehr dünnen Industrieschale — dieser schizoide Auftritt war perfekt wirklichkeitsgetreu, da über 75% der Bevölkerung am Land lebten, erläutert Kulturphilosoph Erwin Kessler.




    Zur damaligen Zeit war Nicolae Grigorescu der offizielle Maler und Begründer der rumänischen Malerei. Er weigerte sich, in Paris auszustellen, weil der zugeteilte Raum zu klein war, und andere Künstler standen ihm bei. Die Pariser Weltausstellung war der Auslöser der Energie zum Protest gegen den Manierismus in der Kunst. Es entstand dort ein Riss für die Moderne. Die zweitbesten Maler sagten nämlich: Wir wollen dabei sein. Keine Karrieresüchtigen, sondern Maler wie Ştefan Luchian und Theodor Pallady, die zum Glück auch sehr gut waren. Sie haben die Herausforderung angenommen, sich auf kleinstem Raum in einer Ecke des Grand Palais zu zeigen“, erklärt Erwin Kessler.



    Der Saal im Grand Palais war derart klein und unbequem und isoliert, dass die Künstler rebellierten und etwas Besseres für ihre Zukunft anstrebten. Unzufrieden, gründeten etwa ein Dutzend Künstler, die in Paris und München studiert hatten, am 3. Dezember 1901 die Tinerimea artistică“. Zu ihnen gehörten Ştefan Luchian, Gheorghe Petraşcu, Frederick Storck, führt Ästhetiker Erwin Kessler aus. Obwohl die Gruppe für einen neuen Kanon eintrat, für mehr Realismus und soziale Themen in der Kunst, war sie doch eher elitär ausgerichtet. Die »Tinerimea artistică« war ja nicht die erste Künstlergesellschaft, schon 1890 wurde der Künstlerkreis, der »Cercul artistic«, gegründet — das war aber eine Sammelbewegung. Wer wollte, konnte dort beitreten. Die »Tinerimea artistică« ist jedoch eine Elitegruppe, die von 1901 bis zum Verbot durch die Kommunisten 1947 nie ein Ästhetik-Abhandlung, ein Manifest der Mitglieder veröffentlichte“, so Kessler.




    Für die Mitglieder der Künstlerjugend waren Ausstellungen und Kataloge das Ein und Alles. Ausstellungen waren ihr Ziel, das sie konsequent verfolgten. Das war eine Modernisierung, eine Alternative zum offiziellen staatlichen Ausstellungsbetrieb. Diese Ausstellungssalons der Künstlerjugend standen unter dem Zeichen des Moderne; die Gruppe förderte eine Neubelebung der Kunst, aus der sich dann Avantgarde, absurde Kunst und Surrealismus speisten.

  • Anim’est: Bukarester Festival für Animationsfilme erreicht 13. Auflage

    Anim’est: Bukarester Festival für Animationsfilme erreicht 13. Auflage

    Bis 7. Oktober bringen die Festspiele unkonventionelle und innovative Animationsfilme nach Bukarest, die seit den 1920ern bis heute produziert wurden. Es handelt sich um emblematische Produktionen, die die Geschichte der Kinowelt und insbesondere der Animationsfilme stark beeinflusst haben.



    Der Spielfilm Another Day of Life“ in der Regie von Raúl de la Fuente und Damian Nenow, eine Produktion des mehrfach ausgezeichneten polnischen Filmstudios Platige Image, hat die Festspiele in Bukarest eröffnet. Der Film verbindet Szenen von Action-Filmen, Archivbildern und aktuellen Interviews. Die Animation ist eine Verfilmung nach dem gleichnamigen Buch des polnischen Journalisten Ryszard Kapuściński und schildert reale und fesselnde Erfahrungen des berühmten Journalisten während des Bürgerkriegs in Angola, der im Jahr 1975 ausgelöst wurde. Der Konflikt, der 27 Jahre lang dauerte, gilt als einen der blutigsten Konflikte in der Geschichte. Die Animation feierte ihre Weltpremiere auf dem Internationalen Filmfestival in Cannes und wurde au‎ßer in Wettbewerben beim jüngsten Internationalen Filmfestival in Annecy, dem grö‎ßten Fachevent weltweit, gezeigt.



    Die Internationalen Festspiele der Animationsfilme schlagen dem rumänischen Publikum auch zwei Events vor, die für Sensationssüchtige gedacht wurden: Trippy Animation Night und Creepy Animation Night. Der Festivalintendant Mihai Mitrică sagte dazu:



    Diese Events locken jedes Jahr ein breites Publikum. Für das erste Wochenende haben wir die Sektion »Trippy Animation Night« geplant, wo ein Freund unseres Festivals, der niederländische Filmsammler Michael Helmerhost, seltene Filme zeigt. Michael Helmerhost hat ein beeindruckendes Archiv in Amsterdam, er hatte also zahlreiche Animationsfilme zur Verfügung und hat die besten Experimental- und Avantgardefilme für das rumänische Publikum ausgewählt. Am zweiten Wochenende haben wir eine ganze Nacht den Horror-Animationsfilmen gewidmet. Wir haben die besten Produktionen dieser Art in der Sektion »Creepy Animation Night« gesammelt und sie werden von einer Live-Performance begleitet.“



    Auch dieses Jahr enthält das Internationale Festival eine Sektion, die den Kindern gewidmet ist. Mihai Mitrică kommt erneut zu Wort mit Einzelheiten:



    Wir haben auch einen internationalen Wettbewerb für Kinder, und die Jurymitglieder sind ebenfalls Kinder. Wir feiern zudem den 50. Jahrestag der berühmten Gestalt Professor Balthasar. Die Serie wurde von einem Filmkünstler aus Zagreb gedacht und wir werden einige der besten Filme aus Zagreb zeigen, die den Professor Balthasar als Hauptfigur haben. Wir feiern zudem den 60. Jahrestag der Comicfiguren »Die Schlümpfe«. Im Kino des Französischen Kulturinstituts »Elvira Popescu« zeigen wir eine Retrospektive der berühmten Serie, die seit Ende der fünfziger Jahre so viele Kinder weltweit begeistert hat.“



    Die Filme werden in den Kinos Eforie, Elvire Popesco sowie im Kulturzentrum CINETic gezeigt. Das Festival ist das einzige in Rumänien, das Filme für Oscar-Nominierungen vorschlägt. Der Gewinner der Trophäe Anim’est“ wird direkt auf die Liste der Oscar-Nominierungen in der Kategorie Animation gesetzt.

  • Bukarester Tanzzentrum: Performance zu Ehren des Avantgardisten Isidore Isou

    Bukarester Tanzzentrum: Performance zu Ehren des Avantgardisten Isidore Isou

    Der 1925 im nordrumänischen Botoşani geborene Isidore Isou lie‎ß sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Frankreich nieder. In seinem Heimatland ist er nur den wenigsten bekannt — das war auch der Grund für die Veranstaltung des ihm gewidmeten Abends in Bukarest und die Fortsetzung der Reihe im Rahmen weiterer Projekte. Kurator des Events am Bukarester Landeszentrum des Tanzes (CNDB) war Igor Mocanu.



    Isidore Isou hatte selbstverständlich, wie jeder Vertreter der Avantgarde, und auch weil er ein Künstler mit vielfältigen Interessen war, ein Manifest des Tanzes und mehrere theoretische Texte über den Tanz. Als Gegengewicht zu den Sprüngen im deutschen Expressionismus der ersten Tanzavantgarde der 1920er-30er Jahre schlug er eine Choreographie des Falls, der stürzenden Körpers vor. Vielleicht wird es bei CNDB auch eine Vorstellung aufgrund dieser Ausprägung im Schaffen Isidore Isous geben. Für heute haben wir aber einen französischen Komponisten eingeladen, der in Berlin wohnt und der einen zeitgenössischen Kunst- und Soundraum leitet — La Plaque Tournante –, dabei hat er eine britische Mezzosopranistin als Partnerin. Sie hei‎ßen Frédéric Acquaviva und Loré Lixenberg. Neben ihrem Interesse für die zeitgenössische Kunst, mit Sound oder ohne Sound, sind sie auch sehr gute Deuter des Werks von Isidore Isou. Frédéric ist übrigens im Besitz einer beeindruckenden Sammlung von Büchern und anderen Werken von Isou.“




    Die Veranstaltung rund um Isidore Isou begann mit der Videoprojektion eines zweiminütigen Auszugs aus einem Dokumentarfilm von Orson Welles mit dem Titel Around the World in Saint-Germain des Prés“. Der Film wurde 1955 im Buchladen Fischbacher in Paris gedreht, und in dem am CNDB vorgeführten Auszug sind Isidore Isou, Maurice Lemaître, Jacques Spacagna und Orson Welles zu sehen. Der anschlie‎ßende Auftritt von Loré Lixenberg beinhaltete einige Stücke des Künstlers aus dem Zeitraum 1947-1984, wie die Mezzosopranistin selbst erklärt.



    Wir haben Stücke aus einer sehr langen Zeitspanne ausgewählt, die nach 1945 und bis 1984 entstanden sind. Wir haben eines seiner ersten Arbeiten ausgewählt, »Neige«/»Schnee«, die die geniale Arbeitsweise Isous widerspiegelt: Er nimmt ganz einfach eine Situation, in der er sich befindet, und verwandelt sie eher in etwas anderes, anstatt sie theatralisch zu verarbeiten. Dann führe ich einige Arbeiten aus seinem aphonen System vor, mit anderen Worten stille Gedichte, die Gesten und Bewegung voraussetzen. Aus Sicht eines Performers ist es faszinierend, weil es ein derartig reichhaltiges Material ist, es enthält eine Fülle an unterschiedlichen Lauten. Und au‎ßerdem liebe ich diese Trennung der Laute von ihrer Bedeutung. Es fühlt sich sehr gut in meinem Mund an. Das nennt sich auch »good mouth feel«.“




    Gegen sein Lebensende hat sich Isou der Musik stark genähert. Deshalb enthielt der zweite Teil der Veranstaltung in Bukarest eine Komposition aus dieser Periode. Es handelt sich um die Symphonie Nr. 4: Juvenal, die 2001 entstand und 2003 von Frédéric Acquaviva orchestriert wurde. Der französische Komponist lernte Isou in seinen letzten zehn Lebensjahren persönlich kennen und gemeinsam komponierten sie einige Symphonien, die Acquaviva dann orchestrierte. Am Tanzzentrum in Bukarest schilderte Acquaviva die Begegnung mit dem musikalischen Schaffen Isidore Isous.



    Er hat Rumänien nach dem Zweiten Weltkrieg verlassen und ist 1945 in Paris angekommen. Seine Idee war es, lettristische Poesie zu schaffen, das war eigentlich ein Gemisch aus Gedicht und Musik. Deshalb hätte einer später den Begriff Poesie nutzen können, aber eigentlich ist die lettristische Poesie eine Art Dichtung, bei der nur die Stimme und alle Bewegungen und Laute zum Einsatz kommen, die mit Hilfe des Körpers erzeugt werden können. Also ist es eine Art »Lied des Körpers« /»body sound« und es ist eine sehr fortschrittliche Gattung, es ist eine völlig abstrakte Poesie. Seine Musik hört sich ein wenig primitiv an, weil sie in Schleifen aufgebaut ist. Sie mutet sehr bizarr an. »Juvenal« ist die vierte Symphonie von den fünf, die wir gemeinsam geschaffen haben. Diese habe ich über die Stimmlage des Chors hinweg orchestriert, also würde ich behaupten, dass man nicht genau wei‎ß, in welcher Zeit man sich befindet, in welchem Land, und das ist sehr interessant und etwas Besonderes.“




    Der Komponist Frédéric Acquaviva hat bereits mehrere Veranstaltungen europaweit organisiert, die Isidore Isou gewidmet sind. Er möchte seine Projekte fortsetzen, sagt er.



    Wir haben bereits einige Ausstellungen organisiert, einige Bücher über ihn geschrieben. Gemeinsam mit dem Rumänischen Institut in Stockholm haben wir einen Band über seine hypergraphischen Romane herausgebracht. Aber, weil wir hier am Landeszentrum für Tanz sind, muss gesagt werden, dass er einige phantastische Choreographien geschaffen hat, die seiner Zeit um mindestens 40 Jahre voraus waren. Denn das, was er in den 1950er Jahren schrieb, findet sich im zeitgenössischen Tanz der 1990er Jahre, etwa in Frankreich, wieder. Jetzt arbeite ich gerade an einigen Projekten über ihn, allen voran an einer Monographie seiner gemalten Bilder und Kunstwerke. Ich hoffe, dass sie noch in diesem Jahr von den Editions du Griffon veröffentlicht wird, die kurioserweise auch die erste Brâncuşi-Monographie in den 1950er Jahren herausbrachte.“

  • Performance und Experiment: LIKE CNDB – das etwas andere Festival

    Performance und Experiment: LIKE CNDB – das etwas andere Festival

    Die 3. Auflage des Festivals LIKE CNDB, das vom Nationalen Tanzzentrum Bukarest vom 17. März –17. April veranstaltet wurde, lief unter dem Motto: De neîncadrat“ (zu deutsch in etwa Die, die aus der Reihe tanzen“). Unter diesem Motto versuchten die Festivalveranstalter, die sog. Waisenkinder“ der Unterhaltungskunst, hybride Vorstellungen und Shows, die aus Kombinationen verschiedener Künste resultieren, zusammenzubringen und bekanntzumachen. Mehr dazu von der Managerin des Nationalen Tanzzentrums Bukarest, Vava Ştefănescu:



    Warum das Motto »Die, die aus der Reihe tanzen«? Erstens, weil wir dieses Jahr 100 Jahre DADA feiern. DADA war eine der stärksten Bewegungen der Avantgarde, und das Nationale Tanzzentrum Bukarest (CNDB) wird von diesem Geist der Avantgarde beseelt. Bereits seit seiner Gründung hat das CNDB dem Publikum au‎ßergewöhnliche, nicht der Norm entsprechende Veranstaltungen angeboten, Aufführungen, die aus der Reihe tanzten. Unsere Tanzaufführungen haben den Rahmen der Tanzkunst gesprengt, die Perspektive über diese Kunstform und deren Aufführungsmittel von Grund auf erneuert. In letzter Zeit haben die Künstler um uns herum breit gefächerte Interessen und Projekte, die nicht zu einem Genre passen, nicht in eine bekannte Kategorie einzustufen sind. Die Tanzkunst steht auch nicht mehr alleine da — jetzt bieten die Gegenwartstänzer komplexe Aufführungen an — in Begleitung anderer Kunstformen entstehen mehrere Diskurse in derselben Performance.“




    Zu den Veranstaltungen, die aus der Reihe tanzen“ und vom Nationalen Tanzzentrum Bukarest dieses Jahr ein LIKE“ bekommen haben, gehört auch die Aufführung mit dem Stück EA e băiat bun“ (dt. SIE ist ein guter Junge“), Text und Regie von Eugen Jebeleanu, basierend auf dem Dokumentarfilm Rodica ist ein guter Junge“ (Rodica ist ein weiblicher Name in Rumänien). Ziel des Projekts war, eine Aufführung über den Mangel an sozialer Toleranz gegenüber Minderheiten zu präsentieren, um die öffentliche Meinung für die schlimmen Folgen der Intoleranz und Diskriminierung zu sensibilisieren, oder mindestens um Fragen zu stellen. Mehr dazu vom Hauptdarsteller Florin Caracala:



    Das ist keine Theateraufführung und auch keine Tanzaufführung. Es ist im Grunde genommen die Sublimierung der Geschichte Rodicas aus dem Dokumentarfilm »Rodica ist ein guter Junge«. Sehr wichtig ist dabei auch die Art und Weise wie wir, die Künstler, die Geschichte der echten Rodica, das Leben im Dorf Rozavlea, wo sie lebt, die Erfahrungen Rodicas, erlebt haben. Rodica ist ein Transsexueller. Was uns besonders überrascht hat, ist, dass alle Leute im Dorf Rozavlea Rodica sehr gern haben. Daher glauben wir, dass dieses Dorf ein gutes Beispiel für die ganze Welt ist. Wenn man im Dorf Rozavlea fragt: ‚Wie ist Rodica denn so?‘ — kommt sofort die Antwort: ‚Rodica ist ein guter Junge.‘ Rodica kümmert sich um die Tiere, sie singt bei Hochzeiten und Taufen… Alle lieben Rodica im Dorf Rozavlea. Wir haben einige Fragmente vom Dokumentarfilm, Gespräche mit Rodica, übernommen und diese in unserer Performance verwendet, aber in der Performance geht es nicht um den Dokumentarfilm, sondern um Rodica selbst, über unsere Beziehung zu Rodica, über Transsexualität, über Gender– und Geschlechtsidentität und auch über die Gesetzgebung betreffend die Geschlechtsidentität in Europa.“




    Die Aufführung SIE ist ein guter Junge“ wurde in Cluj/Klausenburg produziert. Ebenfalls aus Cluj kommt die Konzert-Performance Parental CTRL“, eine Kreation des eklektischen Künstlers Ferenc Sinkó, die zum Thema Die, die aus der Reihe tanzen“ des Festivals LIKE CNDB perfekt passt. Ferenc Sinkó:



    Diese Konzert-Performance wurde bereits im Nationalen Tanzzentrum Bukarest und in mehreren Theatern aufgeführt. Wenn man einer Minderheit angehört, kann man irgendwie sowohl der Minderheit als auch der Mehrheit angehören — man hat diese Möglichkeit, diese Flexibilität. Und das bedeutet viel mehr, als nur eine klar eingestufte Person zu sein. Ich bin noch auf der Suche nach meinem Genre, nach einer Form, die mich repräsentiert, aber zurzeit ist diese Form immer noch unklar, verstreut, und momentan gefällt mir diese Form, die ‚aus der Reihe tanzt‘. Der Titel »Parental CTRL« ist nur ein Teaser, ein Anrei‎ßer. Wir haben uns nicht vorgenommen, ein Bühnenstück über Elternkontrolle oder über den Konflikt zwischen den Generationen zu präsentieren. Wir sind eher in eine etwas persönlichere Zone gegangen, wo jeder seine persönliche Geschichte in Bezug auf die Eltern und die Beziehung zu den Eltern hat. Von da an haben wir angefangen, die Situationen zu entwickeln und zu generalisieren. Ich hoffe, dass jeder, der diese Aufführung erlebt, sich selbst wie in einem Spiegel betrachtet und auch an persönlichere Erlebnisse denkt, nicht nur daran, was auf der Bühne passiert. Jeder hat seine Geschichte und seine Geschichten.“

  • Iosif Berman – der Star-Fotoreporter der Zwischenkriegszeit

    Iosif Berman – der Star-Fotoreporter der Zwischenkriegszeit

    Einer der wichtigsten Fotoreporter und Fotografen der Zwischenkriegszeit in Rumänien war Iosif Berman. Der Künstler jüdischer Abstammung verkehrte in Kreisen der rumänischen Avantgarde, fotografierte für bekannte Tageszeitungen und illustrierte Publikationen, begleitete den Soziologen Dimitrie Gusti während seiner Feldforschung und schaffte es bis zum offiziellen Fotografen des rumänischen Königshauses. Mit den Rassengesetzen von 1938 wurde ihm jede Tätigkeit als Fotograf untersagt. Wenige Jahre später starb der erkrankte Berman in gro‎ßer Verbitterung. In “Pro memoria” gingen wir dem filmreifen Leben Iosif Bermans nach.



    Vor der Erfindung der Fotografie wurden die Zeitungen mit Zeichnungen illustriert. Die Fotografie hat die Presse verändert und ihr mehr Glaubwürdigkeit verliehen. Dadurch entstand auch eine neue Kategorie von Journalisten: die Fotoreporter. In der Geschichte des 20. Jahrhunderts gibt es zahlreiche legendäre Bilder, die eine Mischung von alltäglichem Leben, bildender Kunst, Symbolik, Gesten und Erlebnissen darstellen.



    Einer der ersten rumänischen Fotoreporter war Iosif Berman. Er wurde 1892 im nordrumänischen Dorohoi, in der Familie eines jüdischen Kaufmanns geboren. Sein Vater kämpfte im Krieg für die Unabhängigkeit Rumäniens in den Jahren 1877-1878 und wurde dafür per königlichem Erlass eingebürgert. Bis dahin hatten die Juden in Rumänien keine rumänische Staatsbürgerschaft. Es scheint, dass Berman während eines Besuchs in Czernowitz sein Interesse am Fotografieren entdeckte. Das erklärte zumindest seine Tochter.



    1912 kommt Berman nach Bukarest, um seiner Leidenschaft nachzugehen. Die Journalistin Adina Stefan ist Biographin von Iosif Berman und hat das Foto-Album Iosif Bermans Rumänien“ veröffentlicht. Im folgenden sprach sie über die Anfänge der Karriere des wichtigsten Fotoreporters der Zwischenkriegszeit in Rumänien:



    Seine Kollegen sagten, er habe die Begabung eines amerikanischen Fotojreporters gehabt, dass er sogar besser als diese war. 1912 kam er nach Bukarest und wurde angestellt. Er arbeitete zunächst bei einer illustrierten Zeitung. Später stellte ihn der Journalist Constantin Mille bei den linken Zeitungen »Adevărul« und »Dimineaţa« ein. Dort hat er etwa 20 Jahre lang gearbeitet. Weiter war er Mitarbeiter der Zeitschrift »Realitatea ilustrată« und hat zusammen mit gro‎ßen zeitgenössischen Avantgarde-Künstlern Kunst-Fotos in der Zeitung »Cuvântul liber« veröffentlicht. Berman war ein Star in der Zwischenkriegszeit und leistete nur qualitätsvolle Arbeit. Er führte kein mondänes Leben, war aber eine sehr präsente und unwiderstehliche Person. Er hinterlie‎ß ein paar Dutzend Tausend Fotos.“




    Per Definition muss ein Journalist ein Suchender, eine Person sein, die die Wahrheit und die Menschen liebt. Gerade das trifft auf Berman zu. Der Krieg stellte für Journalisten eine sehr gute Gelegenheit dar, ihre Qualitäten zu beweisen. Im Ersten Weltkrieg hatte Berman die Gelegenheit, seine Begabung und seinen Mut zu beweisen. Während des Ersten Weltkriegs lernte er auch seine zukünftige Frau kennen. Biographin Adina Ştefan:



    1917 wurde Berman mit einem Regiment nach Russland geschickt, um die Kämpfe dort zu fotografieren. Es handelte sich dabei um den Ersten Weltkrieg und um die bolschewistische Revolution. Da setzt er sein Leben aufs Spiel und verliert seine Fotos. Mal schnappen ihn die Wei‎ßen, mal die Roten und zerstören seine Glas-Fotoplatten. Von der Schwarzmeer-Küste, von Odessa, kommt er bis zum Fu‎ße des Kaukasus, bis nach Noworossijsk. Was folgte, ist filmreif: Er geht in ein Café rein, wo sich mehrere junge Leute unterhielten. Ihm werden Essen und Getränke angeboten und ein junger Mann bietet ihm auch Unterkunft an. Berman akzeptiert und wacht am zweiten Tag im Haus einer wohlhabenden jüdischen Familie auf. Auf einem Balkon erblickt er ein schönes Mädchen, das sich gerade die Haare kämmte. Es war Liebe auf den ersten Blick, sie hie‎ß Raissa und war 20 Jahre alt, er war 27 Jahre alt. Sie haben schnell beschlossen, zu heiraten.“




    Bis 1923 haben Berman und seine Frau in Konstantinopel gelebt. Hier war er als Korrespondent für die Zeitungen Dimineaţa“ und Adevărul“ tätig. Berman hat auch eng mit dem Soziologen Dimitrie Gusti zusammengearbeitet und diesen auf seinen Feldforschungsreisen in den ländlichen Gebieten Rumäniens begleitet. Er wurde sehr bekannt und hat auch mit der New York Times“ und mit den Nachrichtenagenturen Associated Press und Scandinavian Newspapers Press zusammengearbeitet. In kurzer Zeit wird er zum Fotografen des Königs Karl II. Adina Ştefan erzählt weiter aus dem Werdegang Bermans:



    Berman war von Anfang an ein innovativer Fotograf. Er fotografierte alles. Er fotografierte das Leben, die Gestalten sind lebendig. Seine Tochter Luiza berichtete, dass er offizieller Fotograf des Königs Karl II. wurde. Ihm gelang es, den König aus allen Winkeln zu fotografieren, und immer sah der König souverän aus. Das gelang den anderen Profi-Fotografen nicht.“




    Der Zweite Weltkrieg, die rumänischen Rassengesetze von 1938 und die antisemitische Verfolgung waren harte Schläge für Berman, der seine Tätigkeit nicht mehr ausüben durfte. Er musste seinen jüdischen Namen ändern, die Zeitungen, für die er arbeitete, mussten ihre Tätigkeit einstellen, sein Studio wurde gesperrt und seine Kameras und seine Fotos wurden beschlagnahmt. Bis 1940 durfte er ab und zu noch arbeiten, danach wurde ihm als Jude die Tätigkeit gänzlich untersagt. Am 17. September 1941 verstarb der verbitterte und nierenkranke Iosif Berman im Alter von 49 Jahren in Bukarest.

  • Der Surrealist Gherasim Luca

    Der Surrealist Gherasim Luca

    Dieses Jahr wird der 100. Jahrestag der Geburt des Avantgarde-Schriftstellers Gherasim Luca gefeiert. In der monatlichen Kulturzeitschrift Dilemateca“ schrieb der Literaturkritiker Petre Răileanu über einen Text, der den Korpus des rumänischen Surrealismus mit einer seiner wesentlichen Schriften vervollständigt“ — es handelt sich um die Entdeckung des rumänischen Manuskripts von Gherasim Lucas Der passive Vampir“. Bislang ging man davon aus, dass Gherasim dieses Werk ausschlie‎ßlich auf frazösisch geschrieben hatte. Man kannte nur die urprüngliche französiche Fassung: Le Vampire passif, herausgegeben 1945 in Bukarest vom Verlag Editions de l’Oubli“. Das in rumänischer Sprache ausgearbeitete Manuskript trägt eine besondere Wichtigkeit für die Analyse literarischer Werke von Gherasim Luca.



    Der als Salman Locker geborene und später als Gherasim Luca bekannt gewordene Schriftsteller wurde in Bukarest in einer jüdischen Familie geboren. Sein Vater, Berl Locker, war Schneider und starb 1914. Luca war in vier Sprachen flie‎ßend: Jiddisch, Rumänisch, Deutsch und Französich.



    1938 begann er häufig nach Paris zu reisen. Dort schloss er sich schnell der surrealistischen Strömung an. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und die darauffolgende Verstärkung des Antisemitismus in Rumänien zwangen den Schriftsteller ins Selbstexil. Im Zeitraum 1945-1947 gründete er in Bukarest eine Gruppe surrealistischer Schriftsteller, der gro‎ße Namen der rumänischen Literatur angehörten: Gellu Naum, Paul Păun, Virgil Theodorescu und Dolfi Trost. Kurz danach beginnen die Schriftsteller, Gedichte in Französisch zu veröffentlichen. Gherasim Luca gilt als Erfinder der Kubusmanie und zusammen mit Dolfi Trost als Autor der berühmten Manifestschrift Dialectica dialecticii/Die Dialektik der Dialektik“. Der Schriftsteller, der in seinem Heimatland Rumänien ständig verfolgt wurde, flieht 1952 aus dem Land und lässt sich in Paris nieder.



    Gherasim Luca begang am 9. Februar 1994 Selbstmord. In den literarischen Kreisen seiner Zeit wurde er auch unter den Namen Zolman Locker, Gherashim Luca, Costea Sar und Petre Malcoci bekannt. In der Weltliteratur bleibt er als renommierter Theoretiker des Surrealismus und Dichter, dessen literarischen Ideen oftmals von Gilles Deleuze und Félix Guattari zitiert wurden. Als junger Schriftsteller schlioss er sich der Avantgardebewegung an und galt als wesentliches Mitglied der literarischen Gruppe Alge“ in den 1930er Jahren. Später schloss er sich in der zweiten surrealistischen Welle der von Gellu Naum, Victor Brauner und Jack Herold gebildeten Gruppe an.



    Gherasim Luca macht aus dem Passiven Vampir ein Wahrzeichen seines lyrischen Universums. Es kommen Vorschläge und Einflüsse aus Autoren zusammen, die in der rumänischen Phase seines Werks ständige und nachdrückliche Referenzen darstellen: Sade, Lautréamont, Rimbaud, Huysmans, Breton. Diese werden mehr oder weniger im Text erwähnt.“ Diese Worte stammen aus der Einleitung zum Band Der passive Vampir von Gherasim Luca, der beim Vinea-Verlag vorbereitet wird. Prof. Dr. Ion Pop, einer der Exegeten von Gherasim Luca, erläutert das späte Leben und Schaffen des Schriftstellers:



    Es ist wahr, dass Gherasim Luca in seinen letzen Lebensjahren mit einigen Lesungen einen sensationellen Erfolg feierte. Er hatte auch ein wahres Vortragstalent, ich habe ein paar Aufnahmen von ihm gesehen und gehört. Da hatte er einen ganz deutlichen rumänischen Akzent. Er veröffentlichte weiter zahlreiche originelle Bücher und setzte auf eine Art Homophonie, auf eine Art Wortspiel, weil die spielerische Seite der Sprache bei ihm stets eine wichtige Rolle einnahm. Gherasim Luca ist einer der wichtigen Namen der französischen Dichtung und der Mensch hatte ein sehr interessantes Leben. Er pflegte seine Beziehungen zu einigen Freunden in Rumänien. Dennoch lebte er in Isolation und wurde deswegen erst relativ spät bekannt.“



    Um seinen 100. Geburtstag zu feiern, hat das Nationale Bauernmuseum in Bukarest dem surrealistischen Dichter Gherasim Luca einen Abend gewidmet. An dieser Veranstaltung nahm auch der Dichter Valery Oişteanu aus den USA teil.



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