Tag: Baudenkmäler

  • Historische Bausubstanz in Bukarest: Starkes Erdbeben hätte fatale Folgen

    Historische Bausubstanz in Bukarest: Starkes Erdbeben hätte fatale Folgen


    Die Bausubstanz der rumänischen Hauptstadt Bukarest ist seit Jahrzehnten eine einzige Leidensgeschichte. Die Enteignung vieler Immobilien-Eigentümer durch die kommunistischen Machthaber, die grö‎ßenwahnsinnigen Umgestaltungspläne des Diktators Ceaușescu, die oft mit Korruption einhergehende Rückerstattung mancher Gebäude nicht immer an die rechtmä‎ßigen Besitzer, vor allem aber die Untätigkeit der Stadtväter seit der Wende haben der historischen Bausubstanz hart zugesetzt. Nicht wenige Gebäude sind nach jahrzehntelanger Vernachlässigung nicht nur in einem desolaten Zustand, sondern könnten im Fall eines grö‎ßeren Erbebens zur Gefahr werden — ein vollständiger Einsturz vieler Gebäude ist nicht auszuschlie‎ßen. Es geht dabei in erster Linie um massive Funktionalbauten oder Wohnhäuser aus der Zeit der zweiten Hälfte des 19. Jh. bis zu den ersten Dekaden des 20. Jh. Viele davon sind seit ihrer Errichtung nur unzulänglich konsolidiert oder renoviert worden — schuld daran ist nicht nur die Stadt, sondern in manchen Fällen auch die alten oder neuen Eigentümer, die entweder nicht ausreichend Geld oder kein Interesse an einer sachgemä‎ßen Konsolidierung haben. Ștefan Bâlici ist Architekt von Hause aus und Leiter des Nationalen Instituts für Historische Bausubstanz. Er ist der Meinung, dass man es in Bukarest auch mit einem Mangel an Bewusstsein für den Wert des architektonischen Erbes zu tun hat — trotz einiger bescheidener Projekte zur Restaurierung von historisch relevanten Gebäuden:



    Ich glaube, wir leben immer noch mit der negativen Einstellung, nach der ein historisches Baudenkmal eher als Problem angesehen wird, statt als erhaltungswürdiges nationales Erbe zu gelten. Solange wir keine effizienten und wirksamen Instrumente zur Verfügung haben, um diese weitverbreitete Mentalität zu ändern, werden wir weiterhin tatenlos zusehen müssen, wie historische Bauten abgerissen oder dem Verfall preisgegeben werden. Ein Gebäude in die Liste geschützter Baudenkmäler aufzunehmen reicht nicht aus, um den Verfall aufzuhalten. Schlie‎ßlich gilt die ganze Altstadt von Bukarest als Baudenkmal — und trotzdem passieren immer wieder unsachgemä‎ße Eingriffe. Denkmalschutz bedeutet auch gewisse Einschränkungen — der Abriss ist strengstens verboten, aber auch für etwaige Eingriffe oder Veränderungen braucht man Genehmigungen, die wiederum Behördengänge erfordern und höhere Kosten verursachen — für Eigentümer ist das kein Segen, viele fühlen sich gegängelt. Das Gleichgewicht kann nur durch Unterstützung der Eigentümer wiederhergestellt werden — oder schlicht durch Finanzierungsprogramme.“




    In anderen rumänischen Gro‎ßstädten wie Timișoara (Temeswar) oder Oradea (Gro‎ßwardein) laufen seit einigen Jahren beeindruckende Konsolidierungs- und Restaurierungsprogramme für die historische Bausubstanz der Innenstadt. In Bukarest schreitet man nur mühsam voran, denn zum einen ist die Stadt viel grö‎ßer und zum anderen gibt es mehrere Areale mit erhaltungswürdigen historischen Gebäuden, die oft in unterschiedlichen Stadtteilen liegen. Hinzu kommt, dass niemand das Gesamtbild kennt, also wei‎ß, wieviele Gebäude bei einem Erdbeben einsturzgefährdet sind und wie hoch die Gesamtkosten einer Konsolidierung wären, sagt Radu Văcăreanu, Professor an der Bauhochschule Bukarest:



    Bei uns auf der Bauhochschule haben wir eine schnelle und nur ungefähre Kostenveranschlagung für die Konsolidierung der Bausubstanz in Rumänien gemacht. Und wir sind auf eine Summe von 13–14 Mrd. Euro gekommen. Denken Sie sich noch eine ähnliche Kalkulation für die effiziente Wärmedämmung aus — der Green Deal ist ja in aller Munde –, dann kommen wir locker auf insgesamt 27. Mrd. Euro. Selbst wenn der Weihnachtsmann höchstpersönlich aufkreuzen und uns mit diesem Geld überschütten würde, hätten wir nicht die Möglichkeit, ein solches Megaprojekt umzusetzen. Weder der Staat noch die Bauunternehmen verfügen über eine solche administrative Kapazität. Was wir brauchen und tun können, ist eine Priorisierung, und dafür müssen wir das exakte Ausma‎ß des Problems in Bukarest eruieren. Wir sind ein bisschen auf Tuchfühlung auch mit der Situation der Erdbebengefährdung gegangen. Hier gibt es zwei Ebenen, die man berücksichtigen muss. Zu aller erst ist die Sicherheit der Menschen wichtig, die in einsturzgefährdeten Gebäuden wohnen — es geht also schlicht um Menschenleben. Und wenn wir schon von Erdbeben sprechen, müssen wir zweitens auch die Schadensbegrenzung vorplanen.“




    Doch was hat die Stadt bislang in dieser Hinsicht getan? Mit dieser Frage haben wir uns an Edmond Niculușcă gewandt, den Leiter des Bukarester Amtes für Konsolidierungsarbeiten. Er sagt, dass unlängst ein Programm zur Sanierung und Konsolidierung der historischen Gebäude gestartet wurde, das von der Stadt — bei aller Knappheit der Ressourcen — mitfinanziert wird.



    Das Amt für Konsolidierungsarbeiten ist eine relativ neue Institution unter der Obhut der Stadt. Als ich mein Amt vor acht Monaten übernahm, musste ich überrascht feststellen, dass es unter den insgesamt 90 Angestellten keinen einzigen Ingenieur mit Spezialisierung in Baustrukturen gab — und damit habe ich schon vieles gesagt. Es stimmt zwar, dass es keine spezifischen Finanzierungsprogramme gibt. Aber nicht der Geldmangel ist das eigentliche Problem. Wir wissen, dass die Stadt generell knapp bei Kasse ist, doch das Amt für Konsolidierungsarbeiten hat momentan keine Finanzierungsschwierigkeiten. Unser Programm anvisiert alle historischen Baudenkmäler in denkmalgeschützten Arealen, einschlie‎ßlich einiger Gebäude, denen das Denkmalstatus aberkannt wurde. Es handelt sich um Kredite mit Immobilien-Garantie, die in 25 Jahren zurückgezahlt werden müssen. Die Eigentümer können sich nach bestimmten Kriterien für dieses Programm bewerben, und wir unterstützen sie während der gesamten Zeit der Renovierungs- und Konsolidierungsarbeiten, angefangen bei der Projektphase bis hin zur Durchführung. Und wir stehen ihnen mit Rat und Tat auch für die Behördengänge zur Seite, denn Genehmigungen können eine ziemlich komplizierte Sache sein. Die Stadt beteiligt sich mit 50–75 % des Gesamtetats. Es ist das erste Finanzierungsprogramm dieser Art, das denkmalgeschützten Gebäuden in Bukarest gewidmet ist.“




    Stichwort Eigentümer — ihr Profil kann sehr unterschiedlich sein, und dabei spielt Geld fast immer eine Rolle. Es hat immer wieder Fälle gegeben, in denen historische Bausubstanz absichtlich dem Verfall preisgegeben wurde. Die pfiffige wie zynische Idee dahinter: Den betreffenden Gebäuden wird das Denkmalstatus aberkannt, aufgrund der Einsturzgefahr werden sie anschlie‎ßend abgerissen, um kostbare Grundstücke im Herzen der Stadt oder in begehrten Gegenden frei zu machen. Es gibt aber auch Eigentümer, die sich gro‎ßangelegte Konsolidierungsarbeiten einfach nicht leisten können. Edmond Niculușcă glaubt, dass in allen Fällen die Verantwortung in erster Linie bei der Stadt liegt.



    Es gibt Mieter- oder Eigentümervereine, die aus unterschiedlichen Gründen eine Konsolidierung des Wohnhauses ablehnen oder sich über die Durchführungsweise nicht einig sind. So kommen die Arbeiten dann ins Stocken und das ganze Projekt läuft ab oder verliert die vor längerer Zeit erteilte Genehmigung. Wir als Bauamt sind in solchen Fällen laut Gesetz verpflichtet, ein Protokoll zu erstellen, in dem steht, dass der oder die Eigentümer die Konsolidierungsarbeiten verhindern, damit das Einsturzrisiko im Falle eines Erdbebens billigend in Kauf nehmen und somit auch die Verantwortung für die Folgen übernehmen. Es stimmt also, dass es auch solche Situationen gibt, doch sie sind bei weitem nicht so verbreitet, wie in den letzten Jahren immer wieder behauptet wurde. In vielen Fällen sind die Eigentümer zurückhaltend oder misstrauisch, weil auch die Behörden bislang sehr undurchsichtig gehandelt haben. Niemand wusste so richtig genau, wieviel eine Renovierung kostet, was und wieviel von der Stadt finanziert wird und vor allem wie lange es dauert.“




    Auf der offiziellen Liste der akut einsturzgefährdeten Bauten im Falle eines Erdbebens in Bukarest stehen 349 Gebäude, doch NGO und Bauexperten erachten, dass die Dunkelziffer viel höher ist, denn selbst die Risikoevaluierung wurde bisher unsystematisch und unvollständig durchgeführt.

  • QSL 11/2021: Neologe Synagoge Sion in Großwardein

    QSL 11/2021: Neologe Synagoge Sion in Großwardein

    Eine beeindruckende Synagoge mit einer riesigen Orgel und einem Fassungsvermögen von über 1000 Personen, die 1878 im Zentrum der Neustadt nach der Spaltung der jüdischen Gemeinde in Gro‎ßwardein in Orthodoxe und Kongressisten oder Neologen erbaut wurde. Mit einer vom maurischen Stil inspirierten Architektur war sie bei den Menschen in Gro‎ßwardein als Zion-Tempel bekannt, der mit dem berühmten Oberrabbiner Dr. Lipót Kecskeméti in Verbindung gebracht wurde.



    Das imposante eklektische Bauwerk wurde nach Plänen der Architekten David Busch und Kálmán Rimanóczy Senior errichtet. Heute finden in der Zion-Synagoge verschiedene Darbietungen zeitgenössischer Kunst statt, hier werden häufig Konzerte, Ausstellungen, Eröffnungen oder Kino-Konzerte organisiert.

  • Der Brâncoveanu-Stil in der Kunst und Architektur der Walachei

    Der Brâncoveanu-Stil in der Kunst und Architektur der Walachei

    Die Brâncoveanu-Kunst ist in der Walachei, dem ehemaligen südlichen rumänischen Fürstentum im Mittelalter, in der Architektur, Malerei und in der Bildhauerei vertreten. Der Fürst Constantin Brâncoveanu war zwischen 1688 und 1714 Fürst der Walachei. Diese Epoche hat die anschlie‎ßende künstlerische Entwicklung geprägt. Der Begriff wird für die Kunstwerke, die bis um das Jahr 1730 geschaffen wurden, benutzt. Kunsthistoriker vergleichen die Entstehung dieses Stils mit der westlichen Renaissance. Die Grundsteine des Brâncoveanu-Stils wurden während der 20jährigen Herrschaft des Fürsten Matei Basarab im 17. Jahrhundert gelegt. Während dieser Zeit war die Walachei politisch stabil und die Künste konnten sich entwickeln. In der Periode nach Brâncoveanu hat sich insbesondere die Architektur der Herrenhäuser entwickelt. Die Kunsthistorikerin Adriana Scripcariu über die Brâncoveanu-Kunst:



    In 2014, dem Brâncoveanu-Jubiläumsjahr, haben wir ein Projekt eingeleitet, ein Buch. Wir wollten dem breiten Publikum die Schönheit des Brâncoveanu-Kulturerbes näher bringen. Das Buch ist eine Darstellung mit vielen Bildern, mit vielen einfachen Erklärungen, mit einem Lexikon für die unterschiedlichen Themen der Brâncoveanu-Kunst. Ein Kapitel ist dem Kloster gewidmet, ein anderes dem Schloss. Ein weiteres Kapitel behandelt unterschiedliche Handwerke: Steinmetzarbeit, Tischlerei, Weberei, Goldschmiedekunst. Ein Kapitel ist den Stiftern und den Stiftungen gewidmet. In diesem versuchen wir zu zeigen, wie der Wille der Stifter das ganze Monument beeinflusst. Es gibt Details, die den Baudenkmälern Leben einflö‎ßen. Wir sind mit relativ technischen Erklärungen gewohnt, mit der Grö‎ße, dem Baujahr, dem Namen des Stifters. Die Geschichten, die sich hinter diesen Stiftungen verbergen, werden uns seltener vorgestellt.“




    Bis jetzt wurden viele Bücher über das Brâncoveanu-Kulturerbe geschrieben, über die unterschiedlichen Stifter und über den Bau der wunderbaren Werke. Viele unserer Historiker haben über dieses schöne Kapitel in der rumänischen Geschichte geschrieben. Wozu dann noch ein weiteres Buch darüber? — könnte man sich vielleicht fragen. Insbesondere weil das Buch keine unbekannten Details entdeckt, die von einem Archäologen erforscht wurden. Trotzdem ist das Buch innovativ, der Leser wird verstehen, warum“ — steht im Vorwort des Buches von Adriana Scripcariu Das Brâncoveanu-Kulturerbe für alle“. Die Autorin erläutert weiterhin die Struktur ihres Buchs:



    Wir haben ein Anfangskapitel, das wir »Glossar der Brâncoveanu-Zivilisation in Bildern« genannt haben. In diesem Kapitel erklären wir dem Leser die Hauptelemente der mittelalterlichen rumänischen Mentalität, wer die Bojaren waren, wer die Fürsten waren und wie die unterschiedlichen sozialen Schichten in Kontakt miteinander kamen. Wir erklären die Rolle der Kirche, ein paar theologische Begriffe, die zum Verstehen des Themas beitragen. Am Ende haben wir ein sehr schönes Kapitel, das von der Kunsthistorikerin Luiza Zamora geschrieben wurde und der Kunst nach Brâncoveanu gewidmet ist. Es ist die längste Periode in der rumänischen Kunst, aus der wir viele Baudenkmäler haben. Viele von diesen sind heutzutage leider im Ruinenzustand. Das Buch sei eine angenehme Lektüre, hat man mir schon gesagt, und sehr attraktiv wegen der Bilder. Der Fotograf unseres Projekts ist George Dumitriu, der sich seit Jahrzehnten mit dem Fotografieren der Kulturdenkmäler beschäftigt. Man spürt die Erfahrung und die Herzlichkeit, mit der er gearbeitet hat. Graphisch ist das Buch auch besonders, wir wollten kein herkömmliches Kunst-Album erstellen.“




    Die Sommerresidenzen des Fürsten Constantin Brâncoveanu in Potlogi und Mogoşoaia sowie der Alte Palast in Bukarest sind historische Monumente, die im Brâncoveanu-Stil gebaut wurden. In der religiösen Architektur sind die Grö‎ße und das einheitliche Konzept zu erwähnen. Das Sinaia-Kloster, das Horezu-Kloster und das Antim-Kloster in Bukarest sind einige der wichtigsten religiösen Bauten im Brâncoveanu-Stil. Die Kunsthistorikerin Adriana Scripcariu:



    Man kann sich in die Brâncoveanu-Zivilisation verlieben, wenn man die Details entdeckt und die Ernsthaftigkeit, mit der die Stifter jede kleine Geste behandelten, Gesten, die zusammen die Schönheit, die wir auch heute bewundern, mit sich brachten. Ich denke hier an ein Beispiel, an das Sinaia-Kloster, das von Mihail Cantacuzino gestiftet wurde, nachdem er von einer Pilgerfahrt zu den heiligen Stätten zurückkam. Man kann viele Details über diese Reise und über die Art und Weise, auf der diese Reise in der Seele dieses Stifters Spuren hinterlassen hat, entdecken. Wir können diese auf den Fresken im Sinaia-Kloster wiederfinden.“



    Leider wurden echte Juwelen der Brâncoveanu-Architektur wie die Klöster Cotroceni und Văcăreşti vom kommunistischen Regime Mitte der 1980er Jahre abgerissen. Das Kloster Cotroceni wurde aber in den Jahren 2003-2004 auf demselben Platz wieder aufgebaut.