Tag: Bauernpartei

  • Arlette Coposu, die leidgeprüfte Frau des „Senioren“

    Arlette Coposu, die leidgeprüfte Frau des „Senioren“

    Über Corneliu Coposu und seine Leidensgeschichte in kommunistischen Gefängnissen ist nach 1989 viel geschrieben worden. Er war ein Vorbild für die Wiederbelebung der rumänischen Demokratie nach 1990 und ein Wahrzeichen dafür, dass man die kommunistische Gefangenschaft mit Würde ertragen kann. In der Zwischenkriegszeit war er persönlicher Sekretär des gro‎ßen christlich-konservativen Politikers Iuliu Maniu (Nationale Bauernpartei – PNŢ). Zwischen 1947 und 1964 wurde er 17 Jahre lang von den kommunistischen Behörden inhaftiert und verbrachte 8 Jahre in Einzelhaft. Im Dezember 1989 baute er mit einigen anderen Überlebenden des kommunistischen Kerkers die Christlich-Demokratische Nationale Bauernpartei (PNŢCD) wieder auf.



    Seine Frau Arlette wurde jedoch weniger Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl diese bemerkenswerte Frau es überaus verdient hätte. Sie erlebte ein noch schlimmeres Schicksal als ihr berühmter Ehemann. Nachdem ihr Mann am 14. Juli 1947 verhaftet worden war, wurde sie aus ihrem Haus vertrieben und musste zur Familie ihres Mannes ziehen. Im Jahr 1950 wurde sie zusammen mit ihrer Schwester France verhaftet und unter dem Vorwurf der Spionage für Frankreich inhaftiert. Ihre Schwester starb im Gefängnis, und Arlette, obwohl sie das Gefängnis überlebte, starb 1966, zwei Jahre nach ihrer Entlassung und der Wiedervereinigung mit ihrem Mann, an Krebs. Corneliu Coposu heiratete nie wieder, und das Paar hatte nie Kinder.



    Sie wurde 1915 als Arlette Marcovici in Constanţa geboren. Ihr Vater war der General Ion Marcovici, und ihre Mutter, Jeanne Huser, war französisch-schweizerischer Abstammung. Aus der früheren Ehe ihres Vaters stammten die drei Schwestern France, Odette und Antoinette. Die Familie Marcovici hatte ein Hotel am Meer, das Französische Hotel“, in dem sie 1941 ihren zukünftigen Ehemann, Corneliu Coposu, kennenlernte. Sie heirateten am 24. Oktober 1942 und waren nur 5 Jahre lang zusammen.



    Corneliu Coposu hat eine wichtige Rolle in der jüngsten Geschichte Rumäniens gespielt. Manche Historiker sagen, dass die Demokratie in Rumänien ohne ihn und sein Überleben unter der kommunistischen Verfolgung und Inhaftierung viel schwieriger wiederaufzubauen gewesen wäre. Um ihn über seine Politik hinaus besser kennen zu lernen, muss man seine Familie und seine Empfindlichkeiten betrachten. Ionuţ Gherasim ist Vorsitzender der Stiftung Corneliu Coposu“. Er zitiert für uns ein Porträt von Arlette, das von Flavia Bălescu-Coposu, ihrer Schwägerin, skizziert wurde:



    Dass Arlette in unser Leben trat, war ebenso überraschend wie unerwartet. Es war im Frühjahr 1941, als wir Flüchtlinge waren, weit weg von zu Hause. Unser Vater kam von einem Treffen mit dem päpstlichen Nuntius, Erzbischof Andrea Casulo, zurück und traf Corneliu, der in Begleitung einer blonden, blauäugigen jungen Frau ankam. Sie sprach die schönste rumänische Sprache, die kultivierteste, ohne jede Spur eines regionalen Akzents. Sie war strahlend und blickte einem direkt in die Augen. Vater sagte uns, er habe das Gefühl, dass sie die Braut von Corneliu sein würde. Zeitlich betrachtet dauerte die Ehe 24 Jahre, aber sie verbrachten nur 6 Jahre miteinander. In unserer kurzen Begegnung, liebten und bewunderten wir sie, weil sie die Verkörperung ihres Namens war, denn Arlette bedeutet »Ehre«. Sie war kompetent, aktiv, freundlich, gro‎ßzügig, aufmerksam, ernsthaft, kreativ und temperamentvoll.“




    Die Historikerin Andreea Mâniceanu ist die Autorin einer Biografie über Arlette Coposu. Sie verbrachte viele Stunden mit Flavia und Rodica Coposu, ihren Schwägerinnen, die ihr anhand von Fotos und Dokumenten aus dem Familienarchiv von der Beziehung ihres Bruders zu ihr berichteten. Das Ergebnis war ein kleiner Abschnitt der Geschichte, auf den die Autorin sehr stolz ist. Besonders stolz ist sie darauf, dass sie eine Heldin der jüngeren rumänischen Geschichte in den Vordergrund gestellt hat, die beispiellosem Übel gegenüberstand und es überlebte, um in die Zukunft zu blicken:



    Dies ist eine Lebensgeschichte, die ich auf ewig zu erzählen habe. Es ist die Lebensgeschichte eines Vorbildes von Würde und Bescheidenheit. Sie war eine au‎ßergewöhnliche Frau mit ungebremstem Mut und starkem Glauben. Auf dem Foto, das am Tag ihrer Entlassung nach 14 Jahren in kommunistischen Gefängnissen aufgenommen wurde, fand sie die Kraft, zu lächeln. Es ist das Foto einer Frau, die nach über einem Jahrzehnt der Qualen die Kraft findet, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Ihre Geschichte sollte der Historie nicht verloren gehen, sei es auch nur deswegen.“




    Die Geschichte von Arlette Coposu ist den Rumänen heute nicht sehr bekannt, aber sie wäre es würdig, Denkmäler wie die ihres viel bekannteren Mannes in Bukarest und im ganzen Land zu haben.

  • Exil-Rumänen zu Zeiten des Kommunismus: Ion Raţiu kämpfte für Demokratie

    Exil-Rumänen zu Zeiten des Kommunismus: Ion Raţiu kämpfte für Demokratie

    1990 kam er aus seinem Exil in Gro‎ßbritannien zurück nach Rumänien und trug zur Wiederbelebung der historischen Nationalen Christlich-Demokratischen Bauernpartei und zum Wiederaufbau der Demokratie in Rumänien bei. Ioan Raţiu wurde am 6. Juni 1917 im westrumänischen Turda in einer Intellektuellen-Familie geboren, die für die nationalen Rechte der Rumänen im Habsburgerreich und später in Österreich-Ungarn gekämpft hat. Er studierte Jura in Cluj (Klausenburg) und Wirtschaft in Cambridge und wurde auch aktiv in der Bauernpartei. 1940 wurde er als Diplomat angestellt und im Februar 1940 nach London geschickt. Nachdem Frankreich, der wichtigste Alliierte Rumäniens, besetzt wurde, arbeitete Raţiu weiter in der Botschaft Rumäniens in London, bis Anfang September 1940. Dann wurde die Macht von General Antonescu und der Eisernen Garde ergriffen. Raţiu lehnte die Allianz mit Nazi-Deutschland ab.




    1985 erklärte Ion Raţiu in einem Interview für die Sendung Actualitatea românească“ des Senders Freies Europa, unter welchen Umständen er in Gro‎ßbritannien geblieben ist. Das Interview stammt aus dem Archiv des Zentrums für Mündliche Geschichte des Rumänischen Rundfunks:



    Nach der Abreise des Königs Karl II. und der Ausrufung des Legionären Staates habe ich im September 1940 gekündigt. Ich bin zum britischen Au‎ßenministerium gegangen und habe politisches Asyl beantragt. Das habe ich auch gleich bekommen. Ich hatte das gro‎ße Glück, ein Stipendium an der Cambridge-Universität zu bekommen und habe nach drei Jahren ein Master of Arts-Diplom im Bereich der Wirtschaftswissenschaften bekommen. Während der Zeit in Cambridge habe ich eine Reihe von Radio-Sendungen mit patriotischem Inhalt gemacht, die im Mittelpunkt Siebenbürgen hatten, insbesondere nach der Trennung Nordsiebenbürgens von Rumänien im Jahr 1940. Im Studentenleben im Rahmen des Verbandes rumänischer Studenten in Gro‎ßbritannien war ich auch aktiv.“




    Ion Raţiu wirkte auch in den Propaganda-Bemühungen für den Austritt Rumäniens aus der Achsenmächte-Allianz. Er wollte, dass Rumänien und ganz Mittel- und Osteuropa unter dem Einfluss der westlichen Demokratie nach dem Krieg bleibt.



    Ich habe im Internationalen Studenten-Ausschuss gearbeitet, da war ich Vize-Vorsitzender während des Krieges. Ich war auch im Weltjugend-Exekutiv-Komitee tätig. Uns war die Zukunft Europas nach dem Krieg wichtig, weil wir in England im Exil waren. Deswegen haben wir die Organisation CECCILS gegründet, »Central East European Students for a New Society«. Obwohl ich jung war, wurde ich von der Bewegung der freien Rumänen rekrutiert, die sich der Ausrichtung Rumäniens an die Politik Nazi-Deutschlands widersetzte und die der Meinung war, dass Rumäniens Platz an der Seite der gro‎ßen demokratischen Mächte des Westens ist, die Gro‎ßrumänien gegründet hatten. In dieser Periode habe ich Artikel geschrieben, Konferenzen organisiert und wurde auch vom BBC eingeladen.“




    Ion Raţiu wurde ein wohlhabender Geschäftsmann. Er gründete aber auch eine antikommunistische Organisation, die Weltunion der Freien Rumänen, und gab eine demokratische Zeitung, Românul liber“ (zu deutsch Der freie Rumäne“), heraus. Das war auch eine der einflussreichsten Publikationen des rumänischen Exils. Ion Raţiu dazu:



    Schon 1955 gab ich wöchentlich ein englisches Nachrichtenblatt heraus. Ich nannte es »Free Romanian Press«, Ziel war es, den Westen, insbesondere die Zeitungen und die eiflussreichen Abgeordneten und Politiker in England über die Lage in Rumänien zu informieren. Nach 20 Jahren wandelte sich diese Publikation in eine etwas grö‎ßere Zeitschrift, es war eine monatliche englisch-französische Broschüre. 1965 habe ich den Acarda-Verein, den Kulturellen Verband der Rumänen in England gegründet. Wir nannten ihn ‚kulturell‘, in unserer siebenbürgischen Tradition bedeutete das aber auch ‚politisch‘.“




    1985 war Ion Raţiu davon überzeugt, dass nur die Einheit aller Rumänen die Rückkehr zur Demokratie ermöglichen könnte.



    1980 habe ich zusammen mit Professor Brutus Coste aus Amerika alle aufgefordert, etwas zu machen, damit dieses Land im Westen ehrwürdig vertreten wird. Bis 1975 war ein Rumänischer National-Ausschuss tätig. Wir waren der Meinung, dass dieser Kampf weiter gehen muss und haben uns 1984 organisiert.“




    Ion Raţiu kam 1990 zurück nach Rumänien und wurde in der Politik aktiv. Er starb am 17. Januar 2000 in London, wurde aber — so sein Wille — in seinem Geburtsort Turda bestattet.

  • Rumänien in der Zwischenkriegszeit: 1927 – das Wendejahr auf dem Weg zum Autoritarismus

    Rumänien in der Zwischenkriegszeit: 1927 – das Wendejahr auf dem Weg zum Autoritarismus

    Die Krisenzeiten der Geschichte lassen niemals die Folgen in ihrem wahren Ausma‎ß vorhersehen. In der ersten Hälfte des 20. Jh. wurde der Fall der Demokratie durch Krisensignale angekündigt. Allerdings behandelten die Menschen diese, auch in der Hoffnung, dass alles wieder normal wird, oft oberflächlich. Vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs lieferte die Demokratie einige Indizien bezüglich ihrer Feinde. In Rumänien trat die Demokratie im Februar 1938 in eine Krise, als König Karl II. die politischen Parteien auflöste, eine neue Verfassung erarbeitete und sein eigenes Diktaturregime einführte.



    Der Augenblick 1938 ist nicht wie aus dem Nichts entstanden. Die Krise der rumänischen Demokratie begann sich 1927, in einem entscheidenden Jahr für die Politikgeschichte Rumäniens, zu entwickeln. 1927 verstarben zwei gro‎ße Persönlichkeiten der rumänischen Politik: König Ferdinand I. und der visionäre liberale Politiker Ion I. C. Brătianu. Beiden hatte man viel für die Schaffung Gro‎ßrumäniens zu verdanken. Das Zwischenkriegsrumänien hat es niemals geschafft, den Schock dieser Verluste zu beheben. Für die Monarchie bedeutete der Tod Ferdinand I. einen beschleunigten Verlust ihres Ansehens als Institution und für die National-Liberale Partei (PNL), die Partei Brătianus, den Anfang einer Periode voller Unruhen und Spaltungen. Au‎ßerdem brachte das Jahr 1927 ein neues Problem der rumänischen Politik und Gesellschaft auf: die Sicherung der Thronnachfolge, denn Ferdinands Nachfolger war sein Enkelkind, der 5 Jahre alte Mihai.



    Florin Müller, Professor für zeitgenössische Geschichte der Rumänen an der Geschichtsfakultät der Bukarester Universität, stellt uns die Art und Weise vor, wie die Monarchie von dem Tod des Königs Ferdinand I. betroffen wurde.



    Der Tod König Ferdinands I. war in der rumänischen Geschichte lange Zeit von Bedeutung. Nach dem Tod des Königs entsteht das, was man in der Geschichte als die ›geschlossene Frage‹ bezeichnet hat. Es handelt sich um die Urkunde von 4. Januar 1926, wodurch Karl, Ferdinands Sohn, auf seine Erbrechte als Kronprinz verzichtet. Durch den Tod des Königs Ferdinand blieb die Frage des Erben ungelöst. Die Regentschaft war eine provisorische Struktur, eine simulierte Monarchie, die den Inhalt dieser Institution des rumänischen Staates nicht löste. König Ferdinand hatte keinen autoritären Stil wie Brătianu und umso weniger wie der seines Sohnes Karl II. Er hinterlie‎ß allerdings den Eindruck der Beständigkeit und Stabilität der Monarchie. Die Monarchie zu Zeiten Ferdinands verzeichnete keine Abweichungen in Richtung absolute Macht, die es während der Herrschaft Karl des II. gegeben hat. Man kann auch an die Neigungen der Königin Maria zur Autoritarismus erinnern, aber diese stellten nicht den wahren Inhalt der Monarchie Ferdinands dar. König Ferdinand war eine stärkendes Bild der Monarchie, die eine Vertretungsinstitution und keine echte Macht war.“




    Der Tod Brătianu konnte von der National-Liberalen Partei nicht verarbeitet werden, denn es gelang ihr nicht, einen gleichwertigen Ersatz für ihn zu finden. Diese Unfähigkeit kann man auf die Art zurückführen, wie er seine Macht innerhalb der Partei ausübte, glaubt Florin Müller.



    Ion I. C. Brătianu war der erzeugende und ordnende Faktor der liberalen Demokratie. Er gestattete eine beschränkte Demokratie innerhalb des von der PNL geschaffenen Rahmens, in dem Sinne, dass die Reformen auf einer höheren Ebene stattfinden mussten. Die exekutive Staatsgewalt hatte die Beschlusskraft über die Legislative. In den 20er Jahren ist die Hyperpersonalisierung der rumänischen Politik ihr Hauptmerkmal gewesen. Diese sollte auch in den kommenden Jahren noch Wirkung zeigen. Ion I. C. Brătianu konzentriert sehr viel Macht. Die PNL-Führer selbst üben eine gro‎ße Macht im Vergleich zu den Sitten des demokratischen Systems aus. Brătianu gestattete durch seinen persönlichen Stil die Gründung einer liberalen Politikelite im klassischen Sinne des Begriffs nicht. Wir können an I. G. Duca, seinen Nachfolger an der Parteiführung, oder an seinen Bruder Vintilă Brătianu verweisen. Diese kann man allerdings nicht mit ihm vergleichen. Duca näherte sich einigerma‎ßen dem, was Brătianu einst war, doch was andere liberale Politiker angeht, war das nicht der Fall.“




    Von der Krise der Liberalen profitierte die Nationale Bauernpartei (PNȚ), die 1926 als Opposition zum liberalen Regime gegründet wurde. Der Tod Brătianus und die Krise der Liberalen beförderte diese Partei 1928 auf einer Sympathiewelle an die Macht. Diese Partei konnte aber die autoritären Exzesse nicht eindämmen. Die sichtbarsten davon waren jene des künftigen Königs Karl II. Der Historiker Florin Müller erläutert:



    Die politisch-ideologische Ladung der Nationalen Bauernpartei war echt, in dem Sinne, dass deren Mitglieder die Aufmerksamkeit mit vielen Argumenten auf die oligarchische Macht der PNL gerichtet haben. Blo‎ß kam die PNŢ mit einer pseudorevolutionären Linksrhetorik, die den langfristigen Anforderungen der rumänischen Gesellschaft nicht entsprach. Angenommen, dass diesen pseudorevolutionären Neigungen durch die Charakterstärke eines Iuliu Manius ein Riegel vorgeschoben wurde, hatte die PNŢ aber auch ein weiteres Problem: Sie unterstützte die Restauration, die Rückkehr des Ex-Königs Karl ins Land und seine Proklamation zum König. Es entsteht eine parallele Macht zu jener der PNŢ, die im November 1928 die Regierung übernommen hatte, die die PNŢ eigentlich sabotiert. Interessant ist, dass die PNŢ und in erster Linie Maniu eine zweideutige Stellung gegenüber der Restauration haben. Maniu sprach sich, im Unterschied zu Duca und der PNL, für eine Überarbeitung der Urkunde vom 4. Januar 1926 aus. Doch der Führer der PNŢ strebte eine Überarbeitung an, die den demokratischen Sitten, mit der Einhaltung der Demokratie durch den künftigen König entsprechen sollte. Karl hingegen lie‎ß sich niemals auf Verpflichtungen in diesem Sinne ein. Darüber hinaus setzte er niemals den Wunsch Manius um: die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Grundsätze.“




    Eine weitere wichtige politische Macht, die sich in der rumänischen Politszene ab 1927 profiliert, ist die Faschistenbewegung Legion der Erzengels Michael“. Mit Umwandlungsbestreben wollten die Legionäre die Gesellschaft von den Übeln des Kapitalismus befreien. 1927 sollte der Augenblick des Übergangs von einer ruhigen zu einer aufgeregten Politik werden. Au‎ßerdem sollte Radikalismus zum kennzeichnenden Begriff für die politische Rhetorik werden.

  • Corneliu Coposu, der Senior der rumänischen Demokratie nach der Wende

    Corneliu Coposu, der Senior der rumänischen Demokratie nach der Wende

    Beginnend mit 1947 hat das kommunistische Regime in Rumänien beinahe die gesamte politische, kulturelle und wirtschaftliche Elite des Landes verhaftet. Viele starben in den kommunistischen Gefängnissen, andere verblieben jahrelang in Haft. Corneliu Coposu verbrachte 17 Jahre im kommunistischen Kerker, nach der Wende baute er die Bauernpartei (PNŢ) wieder auf und leistete einen erheblichen Beitrag zur Demokratisierung des Landes. Doch Anerkennung erhielt er erst am Ende seines Lebens.



    Man sagt, das Wichtigste im Leben eines Menschen sei das, was er hinterlässt, sein Erbe. Dabei geht es nicht unbedingt um Sachen oder anfassbare Dinge, sondern mehr um symbolisches Erbe, um Verhalten, um Ratschläge für die Nachfolger und um Lebensstil. Corneliu Coposu ist am 11. November 1995 gestorben und für fast alle Rumänen ist er ein Märtyrer der Demokratie und ein Vorbild der Wiedergeburt nach der Wende von 1989, nach fast 50 Jahren Kommunismus.



    Er hinterlie‎ß ein riesiges symbolisches, politisches und religiöses Kapital. Corneliu Coposu war eine aufrichtige Person, die dem kommunistischen Regime physischen und psychischen Widerstand leistete. Viele andere verzichteten auf den Kampf oder arbeiteten mit dem Regime zusammen. Der Teufel in der Geschichte“, wie es der polnische Philosoph Leszek Kolakowski nannte, das Regime des roten Terrors, lie‎ß Corneliu Coposu bis zu seinem Fall 1989 nicht in Ruhe leben. Das Regime versuchte, ihn zur Kollaboration zu verlocken, seine Seele und seine Überzeugungen zu kaufen und ihn zu kompromittieren. Seinen eigenen Aussagen zufolge, die auch von den Dokumenten im Archiv der ehemaligen Sicherheitspolizei Securitate bestätigt wurden, wurde Corneliu Coposu nach seiner Haftentlassung weitere 27-mal für kurze Perioden verhaftet. Sein Haus wurde Dutzende Male durchsucht und mehr als 3000 persönliche Dokumente wurden dabei beschlagnahmt.



    Corneliu Coposu war der Mensch, um den 1989 ein paar Rumänen und anschlie‎ßend immer mehr sich vorgenommen haben, das politische, gesellschaftliche, kulturelle und geistige Gewebe der Rumänen, das von den Praktiken der kommunistischen Tyrannei stark verletzt worden war, wieder aufleben zu lassen. In den ersten Monaten des Jahres 1990 schien Coposu allein zu sein und von der Mehrheit abgelehnt zu werden. 1995, als er starb, hatte Coposu einen erheblichen Teil der Rumänen auf seiner Seite. Diese wünschten sich einen Wandel.



    Corneliu Coposu hat viel gelitten und das trug am meisten zur Änderung der Einstellung der Rumänen gegenüber ihm zwischen 1990 und 1995. Nach siebzehneinhalb Jahren Haft, von 1947 bis 1965, hat der Senior“, wie er genannt wurde, eine alte Weisheit bestätigt: dass die Wahrheit immer gewinnt. Corneliu Coposu bezeichnete sich jedoch nicht als alleinstehendes Beispiel. Er sagte immer, sein Vorbild sei das einer ganzen rumänischen Generation gewesen, die das Regime leider nicht überlebt habe, um zu erzählen.



    Corneliu Coposu wurde am 20. Mai 1914 im heutigen Landkreis Sălaj in der Familie eines griechisch-katholischen Priesters geboren. Er wurde Anwalt und promovierte an der Universität in Cluj (Klausenburg). Er war zudem der persönliche Sekretär von Iuliu Maniu, dem Vorsitzenden der Nationalen Bauernpartei PNȚ. Am 14. Juli 1947 wurde Coposu zusammen mit der ganzen Parteileitung infolge einer gestellten Aktion der kommunistischen Behörden verhaftet. Er wurde anfänglich zur lebenslänglichen Zwangsarbeit verurteilt. Er kam letzten Endes nach mehr als 17 Jahren raus. Neun Jahre verbrachte er in kompletter Isolation und verlernte fast das Sprechen. Ein Treffen mit ihm war für jeden ein Privileg. In einer Aufzeichnung erinnerte sich Corneliu Coposu an die Haftbedingungen im Gefängnis von Râmnicu Sărat:



    Das Gefängnis in Râmnicu Sărat hatte 34 Zellen, jeweils 16 im Erdgeschoss und im 1. Stock, die von einem Drahtnetz abgetrennt waren. Seitlich gab es noch 2 Zellen und weitere 4 Isolations-Zellen im Untergeschoss. Jede Zelle war 3 Meter lang und 2 Meter breit. Die Zellen waren wie ein Bienenstock aufgestellt, in 3 Metern Höhe gab es ein abgedecktes Fenster, 45 cm lang, 30 cm breit. Das Licht konnte nicht reinkommen. Eine 15 Watt-Glühbirne leuchtete ständig, wie in einer Gruft sah es aus. Heizung gab es keine, denn das Gefängnis wurde Anfang des Jahrhunderts, gegen 1900 gebaut. Die Wände waren dick. Ringsum gab es zwei sehr hohe, 5-6 Meter hohe Mauern, dazwischen einen Kontroll-Gang. An der zweiten Mauer waren auch die Wachtürme, in denen bewaffnete Soldaten standen.“




    Das totalitäre Regime betrachtete die Menschen nicht als menschliche Wesen mit Namen und Vornamen, sondern als Nummern. Corneliu Coposu erinnerte sich 1993 an das Leben im Gefängnis:



    Jeder Gefangene hatte eine Nummer, die der Zellen-Nummer entsprach, keiner hatte einen Namen, unsere Namen waren uns untereinander nicht bekannt. Da jeder Insasse allein war, war jedwedes Gespräch ausgeschlossen, und lange Zeit kommunizierte man mit den Insassen aus den anderen Zellen durch den Morse-Code, durch Schläge an die Wand, bis das System entdeckt und die Insassen sehr hart bestraft wurden. Nachher kommunizierte man durch Morse-Husten, was sehr anstrengend war, insbesondere weil wir alle sehr geschwächt waren. Ich war in der Zelle Nummer 1, darüber, in der Zelle 32, war Ion Mihalache, der mittels Morse am Anfang noch kontaktiert werden konnte. Nach 4-5 Jahren wurde sein Hörsinn schwächer und er reagierte nicht mehr auf die Schläge gegen die Wand.“




    Coposu wurde oftmals gefragt, ob er sein Leben anderes leben würde, wenn er zurück in die Vergangenheit gehen könnte. Seine Antwort war immer negativ. 1993 sagte er: Ich habe mein Gewissen selbst unter die Lupe genommen, habe alle Leiden verzeichnet und mich an alle Grausamkeiten während der Haft und der anschlie‎ßenden Jahren erinnert und ich glaube, ich würde heute nicht anders entscheiden. Mit geschlossenen Augen würde ich dasselbe Schicksal wählen. Wahrscheinlich haben wir alle ein Schicksal, das im Vornhinein entschieden ist. Ich bin kein Fatalist, würde ich aber die Wahl haben, würde ich das, was ich schon erlebt habe, gelassen wieder wählen.“

  • Postkommunismus: Der Bergarbeitereinfall vom Juni 1990

    Postkommunismus: Der Bergarbeitereinfall vom Juni 1990

    Der Bergarbeiterangriff vom 13.-15. Juni 1990 gegen Oppositionelle in Bukarest schockierte ganz Rumänien, Europa und die Welt. 7000 Bergarbeiter wurden damals nach Bukarest gebracht, um die Proteste gegen die Regierung und gegen den neuen Staatschef Ion Iliescu gewaltsam zu unterbinden.



    Im Juni 1990 haben unzufriedene Rumänen massiv gegen die Nationale Rettungsfront protestiert, die im Mai die ersten demokratischen Wahlen nach der antikommunistischen Revolution vom Dezember 1989 gewonnen hatte. Mit Unterstützung der Bergarbeiter aus dem Schil-Tal (rum. Valea Jiului) haben damals die Sicherheitskräfte die Proteste auf dem Bukarester Universitätsplatz brutal niedergeschlagen. Der Bergarbeiterangriff vom 13.-15. Juni 1990 gilt als eine Attacke gegen die demokratischen Strukturen des Staates. Der Politanalyst Gabriel Andreescu über den politischen Rahmen, der das zu dem Zeitpunkt ermöglicht hat:



    Es handelt sich nicht nur um eine unglückliche Entwicklung, sondern um tragische Ereignisse. Menschen haben ihr Leben verloren und es gab auch Folgen für die gesamte Gesellschaft. Die Nationale Rettungsfront war entschlossen, alle Mittel einzusetzen, um die Kontrolle zu ergattern, die der Staat im Kommunismus gehabt hatte. Wir dürfen nicht vergessen, dass die alte Sicherheitspolizei, die Securitate, fast komplett von den neuen Nachrichtendiensten SIE und SRI übernommen wurde. Formell wurden diese im März 1990 gegründet. Die Wirtschaftsmacht der ehemaligen Kommunisten stieg. Es handelte sich also um einige Gruppierungen, die gewöhnt waren, eine vollständige Kontrolle auszuüben. Die vollständige Kontrolle war aber nicht mehr möglich. So sind die Demonstranten trotz der Wahl-Ergebnisse und der Aufforderung, die Proteste zu beenden, auf der Stra‎ße geblieben.“




    Am 13. Juni 1990 wurden die Zelte der Demonstranten auf dem Universitätsplatz niedergerissen. Menschen wurden verhaftet und Arbeiter von der Fabrik für Schwermaschinen Bukarest (IMGB) haben sich den Sicherheitskräften angeschlossen. Ion Iliescu rief alle verantwortungsbewusste“ Kräfte auf, den Sitz der Regierung gegen die vermeintlichen Extremisten zu verteidigen. Am Abend des 13. Juni brachten drei Sonderzüge die Bergarbeiter aus dem Schil-Tal nach Bukarest. Der Politanalyst Gabriel Andreescu erinnert sich:



    Die Zeitung România Liberă, wie auch die Gruppe für Sozialen Dialog (GDS) beanstandeten permanent die neuen Machthaber, die jedoch von der Bevölkerung im Amt bestätigt wurde. Was im Nachhinein passiert ist, hat praktisch die Demokratie zerstört. Die Bergarbeiter sollten die wichtigsten Demokratie-Quellen der Opposition ausschalten. Das waren die Zeitung România Liberă, deren Sitz zerstört wurde, und die Gruppe für Sozialen Dialog. Ich war da auch anwesend. Die Bergarbeiter kamen zum Tor, um uns herauszuholen. Nur eine Verhandlungs-Strategie ermöglichte es uns, sie aufzuhalten.“




    Am nächsten Tag, den 14. Juni, wurden die Bergarbeiter unter der Leitung von Miron Cozma vom rumänischen Nachrichtendienst übernommen und zu den wichtigsten Standorten der Opposition in Bukarest geführt. Das Gebäude der Universität wurde in Brand gesetzt, berühmte Professoren, darunter auch Petru Creţia, wurden angegriffen, sowie die Anführer der Studenten. Dasselbe Schicksal hatten auch die Sitze der neugegründeten historischen Parteien, der Sitz der Liberalen Partei und der Sitz der Bauernpartei. Gabriel Andreescu hat die Details:



    Die Sitze der historischen Parteien wurden zerstört. Normalerweise hätte man dadurch die Opposition ausgeschaltet. Das ist aber nicht passiert. Die Reaktion der Bukarester und des ganzen Landes war unglaublich. Die Ereignisse haben die Menschen mobilisiert, unterschiedliche Gemeinden wie Gewerkschaften, Oppositionsparteien und unabhängige Intellektuelle kamen zusammen. Infolge dieser Ereignisse wurde die Bürger-Allianz gegründet. Es folgte die Demokratische Antitotalitäre Front in Cluj (Klausenburg), die dann 1996 unter dem Namen Demokratische Konvention Rumäniens den Machtwechsel sicherte. Diese ermöglichte die Gründung der ersten wahrhaft demokratischen Institutionen in Rumänien.“




    Am 15. Juni 1990 wurden die Bergarbeiter, die das Zentrum Bukarests verwüstet hatten und Demonstranten, Intellektuelle und Studenten brutal geschlagen hatten, zum Messegelände Romexpo gebracht. Dort dankte ihnen Ion Iliescu für ihren Einsatz in der Hauptstadt. Gabriel Andreescu dazu:



    Es gab gravierende Folgen für die gesamte Gesellschaft, zugleich wurde aber auch die Opposition mobilisiert. Die internationalen Folgen waren jedoch schrecklich, die grausamen Bilder gingen damals um die ganze Welt. Unter dem Schutz der Behörden griffen Bergarbeiter-Banden junge Männer und Frauen an und zerstörten Bildungs-Institutionen. Es ist eine riesige Schande, es ist ein Fleck in der rumänischen Geschichte, der nur schwer verschwinden wird.“




    25 Jahre nach diesen erschütternden Ereignissen sind die Umstände immer noch nicht restlos aufgeklärt und die verantwortlichen Politiker wurden auch nicht von der Justiz belangt.

  • Nachrichten 20.05.2014

    Nachrichten 20.05.2014

    BUKAREST: US-Vizepräsident Joe Biden hat am ersten Tag seines Rumänien-Besuchs keine Zweifel an der Unterstützung der Vereinigten Staaten aufkommen lassen. Es sei aus Sicht der USA eine heilige Verpflichtung, ihnen und der NATO beizustehen. Also darf ich ihnen folgende Botschaft von Präsident Obama überbringen: Sie können auf uns zählen!“, sagte Biden im Rahmen einer Ansprache vor 100 rumänischen und amerikanischen Soldaten auf einem Luftwaffenstützpunkt in Bukarest. Die Aggresion auf der Krim habe den NATO-Alliierten gezeigt, dass sie zusammenstehen müssen, erklärte er. Die Grenzen in Europa dürften nicht mit Waffengewalt geändert werden, deshalb verurteile er die Besetzung der Krim durch Russland, so der US-Vizepräsident Biden. Rumäniens Verteidigungsminister Mircea Dusa sagte im Gegenzug, dass die USA der wichtigste Partner Rumäniens seien. Er verwies zudem auf die Entscheidung der rumänischen Regierung, den Verteidigungsetat bis 2016 auf 2% des BIP anzuschrauben. Am Mittwoch soll Biden zu Gesprächen mit Präsident Traian Basescu und Ministerpräsident Victor Ponta zusammenkommen. Vergangene Woche waren NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen und die stellvertretende CIA-Direktorin Avril Haines zu Gast in Bukarest. Auch Pentagon-Chef Chuck Hagel hat eine Rumänien-Reise in den kommenden Wochen angekündigt.



    BUKAREST: Rumäniens Präsident Traian Băsescu hat die Situation in der Ukraine als kompliziert bezeichnet. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem tschechischen Amtskollegen, Milos Zeman, sprach der rumänische Staatschef von der Gefahr der Ausweitung des Konflikts auf die Region um Odessa. Das würde sich auf die Lage in der abtrünnigen Region Transnistrien im Osten der Moldaurepublik negativ auswirken, so Basescu. Der tschechische Präsident betonte, es sei von wesentlicher Bedeutung, dass die Präsidentschaftswahlen am Sonntag auch im Osten der Ukraine abgehalten werden können. Die Enthaltung der russischsprachigen Ukrainer bei diesem Urnengang sei ein Fehler, sagte Zeman und rief dabei die Bürger im Osten der Ukraine zur Wahlbeteiligung auf.



    BUKAREST: Am 20. Mai ist in Rumänien des hundertsten Geburtstags des gro‎ßen rumänischen Politikers Corneliu Coposu gedacht worden. Er war 1995 im Alter von 81 Jahren verstorben. Corneliu Coposu leistete nach dem Fall des Kommunismus einen beträchtlichen Beitrag zur Wiedergeburt der Nationalen Bauernpartei, die gemeinsam mit der National-Liberalen Partei zu den historischen Parteien der rumänischen Politik gehört. Bereits in den 90ern setzte sich der monarchienahe Coposu für die Beseitigung der ehemaligen Angehörigen des kommunistischen Parteiapparats aus den neuen Strukturen des Staates und für den Beitritt Rumäniens zu den Organisationen der westlichen Welt ein. Für seine ganze politische Tätigkeit und für seine zwei Jahrzehnte langen Leiden in den kommunistischen Gefängnissen, wurde Corneliu Coposu 1995 zum Offizier der Ehrenlegion Frankreichs ernannt. Einzelheiten dazu hören Sie nach den Nachrichten.



    BUKAREST: Vier Richter des Bukarester Amtsgerichts, die der Korruption angeklagt wurden, sind am Dienstag dem Berufungshof vorgeführt worden. Für sie wurde die Untersuchungshaft beantragt. Die besagten Richter wurden festgenommen, nachdem der Oberste Justizrat dem zugestimmt hatte. Ihnen wird vorgeworfen Geld oder verschiedene Wertgegenstände direkt oder durch Zwischenleute erhalten zu haben, um bestimmte Liquidatoren oder Insolvenzverwalter in einigen Insolvenzakten zu begünstigen. Laut den Antikorruptionsstaatsanwälten betrugen die Geldsummen, die die vier Richter monatlich erhalten haben, zwischen 10.000 Lei (umgerechnet (2250 Euro) und 15.000 Lei (umgerechnet 3400 Euro).

  • Rumänische Politiker bereiten sich auf Europa-Wahl vor

    Rumänische Politiker bereiten sich auf Europa-Wahl vor

    Am Mittwoch ist die Frist für Einreichung der Wahlvorschläge für die Europawahl abgelaufen. Ab Donnerstag können gegen diese Vorschläge angefochten werden. Bis zum 16. April sollen diese dann auch geklärt werden. Alle parlamentarischen Parteien haben komplette Listen für die 32 Mandate, zu denen Rumänien im Europa-Parlament berechtigt ist, eingereicht. Die linksorientierte regierende Allianz gebildet aus der sozialdemokratischen Partei, der Union für den Fortschritt Rumäniens und die konservative Partei, der mitregierende Ungarnverband, sowie auch die opositionellen Liberalen und Liberaldemokraten schicken zur Wahl Personen, die in dieser Amtszeit den Erwartungen der Partei-Chefs gerecht wurden.




    Es ist folglich sehr wahrscheinlich, dass die Sozialdemokraten Corina Cretu und Catalin Ivan, die Liberalen Norica Nicolai und Adina Valean, der Liberaldemokrat Theodor Stolojan oder Iuliu Winkler vom Ungarnverband wieder einen Sitz im Europa-Parlament gewinnen werden. Die Volkspartei, die 2012 zum ersten Mal ins Parlament zog und ein paar ausserparlamentarische Parteien haben ebenfalls ihre Listen eingereicht.




    Mitte-rechts orientiert sind die Bauernpartei, die Ende der 90er Jahre den Kern einer Regierungskoalition darstellte und die neu gegründeten Volksbewegung, Neue Republik und Zivilmacht, die alle dem Staatschef Traian Basescu nahe stehen. Linksorientiert sind die Sozialistische Allianz, die Partei der Sozialen Gerechtigkeit und die Ökopartei. Als selbstständige Organisation hat auch der Nationale Verband der Landwirte seine Liste eingereicht.




    Auch die nationalistisch-populistische Grossrumänien-Partei nimmt an der Europa-Wahl teil. Anfang der 2000er Jahre war die Partei die zweitstärkste im Land, seit Jahren schafft sie aber nicht mehr den Einzug ins Parlament. Zwei zentrale Figuren der Partei, der Gründer Corneliu Vadim Tudor und der Ex-Bürgermeister von Klausenburg-Cluj, Gheorghe Funar kämpfen jetzt um die Macht. Beide haben im Namen der Partei beim Zentralen Wahlbüro Wahllisten eingereicht. Das Zentrale Wahlbüro muss jetzt entscheiden welche Liste gültig ist. Zudem stellen sich acht unabhängige Kandidaten zur Wahl. Die bekannsteste unter diesen ist die ehemalige Weltmeisterin in Turnen Corina Ungureanu.




    Der ehemalige liberale Kulturminister Mircea Diaconu tritt als unabhängiger Kandidat an. Seine juristische Lage ist jedoch noch nicht geklärt. Die Nationale Integritätsbehörde warnte, er könne bis 2015 kein offizielles Amt bekleiden, weil er gegen das Unvereinbarkeitsgesetz verstosst hat.




    Umfragen zufolge werde die Allianz um die sozialdemokratische Partei etwa die Hälfte der Mandate gewinnen. Die liberale Partei, die liberaldemokratische Partei, die Volksbewegung und der Ungarnverband würden die andere Hälfte der Stimmen gewinnen. Keine der anderen Parteien die antreten, würden den Umfragen zufolge, die 5 %- Hürde erreichen.

  • Iuliu Maniu, der Gentleman der rumänischen Demokratie

    Iuliu Maniu, der Gentleman der rumänischen Demokratie


    Wenn wir das Wort Politik“ hören, werden wir des öfteren misstrauisch. Die Politik, so wie sie heutzutage praktiziert wird, ist meistens synonym mit Korruption, Arroganz, Hochstapelei, in der Regel mit den übelsten Eigenschaften des Menschen. Man sollte sich aber vor Verallgemeinerungen hüten — es gibt auch Ausnahmen, wie den Fall des rumänischen Politikers Iuliu Maniu, der die meisten unserer Vorurteile demontiert.


    Der rumänische Politiker Iuliu Maniu wurde am 8. Januar 1873 in Siebenbürgen, damals noch Teil von Österreich-Ungarn, als Angehöriger der rumänischen griechisch-katholischen Kirche geboren. Nach dem Jurastudium in Klausenburg und Budapest und der juristischen Promotion in Wien arbeitete er als Anwalt des unierten Erzbistums Făgăraș und Alba Iulia in Blaj. 1896 wurde er ins Präsidium der in Ungarn aktiven Nationalen Partei der Rumänen gewählt. 1906 wurde er für diese Partei in das ungarische Parlament gewählt. Dort wurde er schnell zum Sprecher des parlamentarischen Arms der rumänischen Nationalbewegung.


    Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Zerfall des K.u.k. Monarchie wurde die Forderung nach einem Anschluss Siebenbürgens an Rumänien verwirklicht. 1926 schloss sich die Nationale Partei der Rumänen, deren Vorsitzender Maniu inzwischen geworden war, mit der aus dem rumänischen Altreich stammenden Bauernpartei zur Nationalen Bauernpartei, die sich im Inneren gegen die National-Liberale Partei stellte und nach au‎ßen die Anlehnung an Frankreich suchte.


    Am 12. Dezember 1928 errang die Nationale Bauernpartei einen eindeutigen Wahlsieg, worauf Maniu zum Ministerpräsidenten wurde. Ein Schwerpunkt seiner Regierung war der Abbau von Handelsschranken, wodurch er den rumänischen Getreideexport und damit seine bäuerliche Stammwählerschaft ebenso förderte wie ausländische Investitionen und damit die industrielle Entwicklung des Landes. Die Weltwirtschaftskrise machte diese Bemühungen jedoch weitgehend zunichte. Iuliu Maniu sprach sich für eine Rückkehr König Karls II. aus, die am 6. Juni 1930 erfolgte.


    Als dieser entgegen einem Versprechen der Regierung gegenüber seine Geliebte Elena Lupescu nicht vor Gericht stellte, sondern ins Ausland entkommen lie‎ß, trat Maniu am 6. Oktober 1930 zurück. 1932 und 1933 war er noch einmal kurzzeitig Ministerpräsident. Anschlie‎ßend hatte er bis zum Zweiten Weltkrieg mehrfach für einen kurzen Zeitraum Ministerposten inne, führte aber auch die Opposition an. Das Verhältnis zu Karl II. blieb von Spannungen belastet.


    Erbitterten Protest erhob Maniu gegen den Zweiten Wiener Schiedsspruch, in dem Rumänien, dass sich den Achsenmächten angeschlossen hatte, den nördlichen Teil Siebenbürgens an Ungarn abtrat. Auch gegen den Kriegseintritt Rumäniens am 23. November 1940 opponierte Maniu, ebenso gegen die Fortführung des Kampfes, nachdem 1941 die Territorien zurückerobert waren, die die Sowjetunion im Jahr zuvor annektiert hatte. Später beteiligte er sich an Verhandlungen, die zu einem Waffenstillstand mit den Alliierten führen sollten.


    1944 war Maniu am Aufbau einer Schattenregierung beteiligt, die nach dem Sturz Ion Antonescus am 23. August 1944 die Macht übernahm. Sein Ministeramt gab er bereits im November des Jahres wieder ab, da die Sowjetunion immer grö‎ßeren Einfluss auf die Regierung gewann. Am 6. März 1945 wurde auch seine Bauernpartei aus der Regierung ausgeschlossen, wodurch die Sowjetunion endgültig die politische Kontrolle über Rumänien erlangte.


    Bis 1947 veröffentlichte der ehemalige Ministerpräsident immer wieder Artikel in westlichen Medien, in denen er Rechtsbrüche und Wahlfälschungen der Sowjets und ihrer Verbündeter in Rumänien kritisierte. Am 19. Juli 1947 wurde seine Immunität als Abgeordneter aufgehoben und er wurde verhaftet. Am 11. November 1947 wurde er im Alter von 75 Jahren zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt, welche aus Altersgründen in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt wurde. In der Gefangenschaft starb er 1953.


    Iuliu Maniu war einer der stärksten Meinungsbildner, der die Zielsetzungen der rumänischen Gesellschaft in der ersten Hälfte des 20. Jhs. bestimmte. Der charakterstarke, unbestechliche, charismatische Iuliu Maniu war in der Tat der Mann, den die Rumänen in den schweren Momenten ihrer Geschichte brauchten. Für alle, die ihn gekannt haben, war er ein Musterpolitiker und ein au‎ßergewöhnlicher Mensch.


    Aus den zahlreichen Zeugnissen seiner Zeitgenossen bringen wir heute zwei Aufnahmen aus dem Archiv des Zentrums für mündlich überlieferte Geschichte des Rumänischen Rundfunks. In einer Aufnahme vom Jahr 2000 bezeichnete Ioana Berinde, die Tochter des Politkers Ioan Hudiță von der Nationalen Bauernpartei, Herrn Iuliu Maniu”, wie sie ihn respektvoll nannte, als besonders gutmütigen und bescheidenen Menschen.


    Im Jahr 2000 erzählte Sergiu Macarie, ein aktives Mitglied der Jugendorganisation der Nationalen Bauernpartei, dass der Einmarsch der Sowjetischen Armee nach Rumänien ein Alarmsignal für alle Rumänen wurde. Die rumänische Gesellschaft hatte sofort gegen die Sowjets mobil gemacht. Trotz seines fortgeschrittenen Alters und seiner angeschlagenen Gesundheit zögerte Iuliu Maniu nicht, sich aktiv einzusetzen.


    Iuliu Maniu war mehr als ein ehrlicher Politiker, er war ein Symbol der Demokratie. Zwischen 1944 und 1947 waren die Hoffnungen der Rumänen mit seinem Namen eng verbunden, er war der wichtigste Dialogpartner Rumäniens mit dem Westen. Seine Aufrichtigkeit brachte Iuliu Maniu aber die Inhaftierung und den Tod. Er hat sich für seine Prinzipien und Ideale aufgeopfert, und durch sein Opfer wurde der Name Iuliu Maniu zum Meilenstein der rumänischen Politik des 20. Jahrhunderts.


    In der Audiodatei können Sie die Erinnerungen der zwei Zeitzeugen hören.