Tag: Benachteiligung

  • Schulen im ländlichen Milieu auf NGO und Privatinitiativen angewiesen

    Schulen im ländlichen Milieu auf NGO und Privatinitiativen angewiesen

    Laut Spiru Haret, dem gro‎ßen rumänischen Gelehrten und Gründervater des modernen rumänischen Bildungswesens im 19. Jahrhundert, wird das Land morgen so aussehen, wie die Schule heute aussieht. In den vergangenen Jahren stand das rumänische Bildungssystem jedoch vor zahlreichen Herausforderungen, und die gegenwärtige Pandemie hat diese Probleme noch verschärft. Die Schule auf dem Lande trägt derzeit die Hauptlast der aktuellen Situation.



    BookLand, eine NGO, hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Situation zu verbessern und Kindern auf dem Land eine Chance auf qualitativ hochwertige Bildung zu bieten. Neben einer wandernden Buchmesse, Kulturcamps und verschiedenen Konferenzen für die jungen Leute hat sich die genannte Organisation auch an der Sanierung mehrerer Schulen beteiligt und sie mit der für die Ausbildung der Schüler notwendigen Ausstattung versehen.



    Mihaela Petrovan, die Gründerin von BookLand, hat uns mehr über die Errungenschaften, Herausforderungen und zukünftigen Projekte dieser Organisation erzählt:



    Ich glaube an Bildung, ich glaube, dass Bildung für den Gesundheitszustand der Rumänen von Vorteil ist. Und ich übertreibe nicht. Wir, das Team von BookLand, sind eine Gruppe ehrlicher, hart arbeitender Menschen, die ihr Wort halten und sogar die Extrameile gehen, um unsere Versprechen zu erfüllen. Letztes Jahr haben wir zum Beispiel versprochen, 10 Schulen zu sanieren, und haben stattdessen 14 saniert. Warum Schulen und warum auf dem Lande? Nun, ich kann sagen, dass ich eine gro‎ße Leidenschaft für Bücher und Bildung im Allgemeinen habe. Ich bin auf dem Land geboren, in einem Dorf, und ich bin stolz darauf. In einem Dorf aufzuwachsen, gab mir Kraft, Stärke… Und diese Leidenschaft für Bildung kommt irgendwie von selbst zu mir. Ich möchte erzählen, dass wir die Idee, zu helfen und uns zu engagieren, von den Lehrern einer bestimmten Schule bekamen, die uns anriefen und um Hilfe bei einer Aktivität baten. Es war nicht kompliziert, in einer Excel-Tabelle zu schreiben, dass eine bestimmte Schule Türen und Fenster oder ein Dach oder Tische oder was auch immer braucht… Was kompliziert war, war, zu bestimmten Firmen zu gehen und sie zu bitten, Materialien und Fachkräfte zur Verfügung zu stellen. Solche Sanierungsarbeiten können nicht von Drohnen oder Robotern durchgeführt werden. Was man braucht, sind Arbeiter. Und das war die gro‎ße Herausforderung — genug Geld für diese Tätigkeit zu finden.“



    Doch Mihaela Petrovan und ihre Kollegen von BookLand gaben nicht auf und schafften es trotz der Geldknappheit, zunächst eine Schule zu sanieren, dann noch eine und noch eine. Firmen und Unternehmen beteiligten sich mehr und mehr an diesem Projekt, und schlie‎ßlich wurden den Schulen im Durchschnitt jeweils fast 31 Tausend Euro zugeteilt. Innerhalb von einem Jahr und drei Monaten wurden 14 Schulen saniert. Die wichtigsten Errungenschaften? Eine Schule hat ein neues Dach, eine andere eine brandneue Heizungsanlage, berichtet Mihaela Petrovan mit Stolz:



    Wir konzentrierten uns auf die ärmsten Regionen Rumäniens und gingen in die am meisten benachteiligte Region des Landes, die Moldau, die, obwohl sie von gro‎ßartigen, hart arbeitenden Menschen bewohnt wird, nicht die Chance wie Siebenbürgen hatte, Investitionen anzuziehen. Ich bin in Siebenbürgen geboren, aber wir haben die Moldau gewählt, weil dort unsere Bemühungen am meisten gebraucht werden. Natürlich haben wir auch in Südrumänien gearbeitet, denn hier gibt es einige der ältesten Schulen des Landes, von denen einige dringend renovierungsbedürftig sind. Einige dieser Schulen wurden vor 100 Jahren gebaut. Man kann keine Leistung von Schülern verlangen, die gezwungen sind, in Schulen zu lernen, die wie Scheunen aussehen, Schulen, die auseinanderfallen. Und es ist eine Freude, in einer Schule zu lernen, in der alles neu ist und frisch riecht, nicht nach Schimmel und Feuchtigkeit. Wenn wir unsere Kinder respektieren, werden sie auch dem Land Respekt entgegenbringen.“



    Laut den statistischen Daten, die auf dem Facebook-Profil von BookLand gepostet wurden, wurden 82% der rumänischen Schulen vor 1970 gebaut, 16% vor der antikommunistischen Revolution von 1989 und nur 2% nach 1989. Einige dieser Bildungseinrichtungen haben immer noch Au‎ßentoiletten, kein flie‎ßendes Wasser oder Abwassersysteme. Aufgrund der Armut gehen oft nur 77 von 100 Dorfkindern zur Schule, und 21% der Landbevölkerung haben nur eine Grundschulbildung genossen. Nur 4,74% dieser Menschen haben einen Schulabschluss und über 42% der Schüler sind bei der Abiturprüfung durchgefallen. Au‎ßerdem haben 40 von 100 Haushalten auf dem Land keinen Zugang zum Internet und das ist sehr traurig, denn aufgrund der derzeitigen Pandemie hat Rumänien auf Online-Bildung umgestellt. Mihaela Petrovan zu diesem Thema:



    Mancherorts kann man sehen, wie Schulen sozusagen aus dem Nichts instand gesetzt werden. Diese Leute haben wahre Wunder vollbracht, z.B. haben sie die Lehrerpulte mit Stoffen abgedeckt, damit man die Löcher nicht sieht. Es ist herzzerrei‎ßend! Heutzutage kann man Menschen ohne Internetverbindung nicht unterrichten. Es gab Schulen ohne Tafeln, sie hatten einfach nur ein paar bemalte Holzbretter. Den Schülern fehlen grundlegende Einrichtungen, und wir reden über Online-Unterricht, Tablets und so weiter. Seien wir ehrlich, wir sind ein Haufen ignoranter Heuchler, wenn wir uns nicht um die Bildung im ländlichen Raum kümmern, denn die meisten von uns kommen von dort. Dorfkinder haben nicht die Bildungsmöglichkeiten wie ihre Stadtkollegen, und das ist nicht fair. Wir kritisieren niemanden, sondern haben angefangen, etwas zu tun, weil wir glauben, dass wir es können. Und jeder kann das tun, was wir gerade tun!“



    BookLand will in diesem Jahr 20 Schulen im ländlichen Rumänien sanieren und möchte auch sonst noch etwas erreichen. Mihaela Petrovan über die Zukunftspläne der NGO:



    Unser Traum in diesem Jahr ist es, einige Partnerschaften zu schlie‎ßen und die erste Referenzschule für Rumänien zu bauen; von Grund auf neu gebaut, nach finnischem Vorbild, eine Schule, wie alle Schulen in Rumänien sein sollten, natürlich angepasst an unsere balkanischen Traditionen, mit unseren Lehrern und einem von uns vorgeschlagenen Lehrplan… alles kostenlos.“

  • Soziales Bildungsrisiko: Schüler aus prekären Verhältnissen sind benachteiligt

    Soziales Bildungsrisiko: Schüler aus prekären Verhältnissen sind benachteiligt

    Über das rumänische Schulsystem wird schon seit langem viel geschrieben, von allen Seiten und aus allen Blickwinkeln. Eltern, Lehrer und Schüler brachten ihre eigenen Ansichten darüber ein, warum beispielsweise die Abbrecherquoten so hoch sind (im Jahr 2020 lag sie bei 15,3%, also über der EU-Rate). Viel diskutiert wurde auch, warum die Schüler so schlecht ausgebildet sind — denn 2018 galten etwa 40% der 15-jährigen Schüler als sogenannte funktionale Analphabeten. Ein anderes Thema war, warum die Lehrer nicht motiviert sind.



    Hinzu kommt die Tatsache, dass verschiedene soziologische Studien darauf hinweisen, dass viele Schüler aus ländlichen und benachteiligten Gebieten sehr arm sind, was Auswirkungen auf ihre Bildung hat. Um Klarheit zu schaffen, hat die NGO Human Catalyst das Konzept des sozialen Bildungsrisikos entwickelt, ein Instrument zur Messung von Bedingungen, die zu schlechten schulischen Leistungen und sozialer Ausgrenzung aufgrund schlechter Bildung führen. Unter diesem Gesichtspunkt wurden fast alle Schulen in Rumänien über einen Zeitraum zwischen 2015 und 2019 geprüft, wobei die Untersuchung auf Klassen zwischen der ersten und achten Klasse lief. Es handelt sich dabei um ein Aggregationsinstrument, da die Schulleistungen stark von dem Umfeld beeinflusst werden, in dem die Bildung stattfindet, erläutert Laura Greta Marin, die Human Catalyst vorsteht:



    Mit Hilfe von Langzeitdokumentationen, theoretischen Studien, aber auch Feldforschung haben wir diese Formel und diesen Algorithmus entwickelt, bei dem wir Bildungsdaten mit Informationen über den Kontext, in dem das Kind lebt, oder über die Gegend, in der die Schule liegt, kombinieren. Das ist wichtig, denn es ist eine bekannte Tatsache, dass die Umgebung einen erheblichen Einfluss auf die schulischen Leistungen hat. Daher war es uns ein gro‎ßes Anliegen, einen relevanten und vertrauenswürdigen Indikator zu finden, der zusätzlich zu den offiziellen Daten über Bildungssysteme verwendet werden kann. Es handelt sich dabei um ein Instrument zur Aggregation von Daten über das schulische Umfeld wie auch über das Lebensumfeld der Menschen.“





    Die Ergebnisse der Anwendung des Sozialen Bildungsrisikos zur Untersuchung rumänischer Schulen über vier Jahre wurden kürzlich in einer einschlägigen Studie veröffentlicht. Sie wird von einer Online-Karte begleitet, die die Situation der Schulen in jedem Landkreis detailliert beschreibt. Doch welche Indikatoren flie‎ßen in das Bildungsrisiko ein? Zum einen die Schulabbrecherquote, aber auch andere Elemente, die Laura Greta Marin erklärt:



    Ein wichtiger Indikator ist die Ausbildung der Lehrer, ausgedrückt durch die Anzahl der Lehrer ohne angemessene Ausbildung im Verhältnis zur Gesamtzahl der Lehrer in einer bestimmten Einheit. Dann haben wir die Schüler gezählt, die nicht an der nationalen Lernstanderhebung teilgenommen haben, und auch den Notendurchschnitt der Schüler, die daran teilgenommen haben. Auch ziehen wir den sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungsstand der Region oder des Ortes heran, den wir von der Weltbank haben. Hier wird die Ausgrenzung von 1 bis 4 eingestuft, wobei 4 der maximale Grad ist. Dies bedeutet ein niedriges Bildungsniveau sowie ein niedriges soziales und wirtschaftliches Niveau.“





    Nachdem Human Catalyst so über 4000 Schulen prüfte, kam der Verein zum Schluss, dass fast 40% von ihnen zwischen 2018 und 2019 sozialpädagogisch gefährdet waren. Über 1.500 wurden als benachteiligt“ eingestuft, also fast 40%. Das ist weit mehr als im Zeitraum 2017–2018, als 27% der Schulen benachteiligt“ waren, und noch mehr als 2015–2016. Am schlimmsten schnitten die Landkreise Covasna, Vaslui, Mureș, Călărași und Tulcea ab. Auch in Bezug auf die Lehrerausbildung besagt die Human Catalyst-Studie, dass es für benachteiligte Gebiete schwierig ist, an ausgebildetes Lehrpersonal zu kommen. Rückläufig sind die Ergebnisse der Nationalen Lernstandserhebung am Ende der 8. Schulklasse. Bei der Analyse dieser Ergebnisse kamen die Mitarbeiter von Human Catalyst zu dem Schluss, dass die Durchschnittsnoten im Schuljahr 2018–2019 in allen Landeskreisen mit vier Ausnahmen im Vergleich zum Schuljahr 2015–2016 niedriger waren.



    Die Studie gilt nun als Grundlage für die Bildungspolitiker, die Gegenma‎ßnahmen erarbeiten müssen.

  • Begabt, aber benachteiligt: Mentoren helfen Heimkindern mit künstlerischem Talent

    Begabt, aber benachteiligt: Mentoren helfen Heimkindern mit künstlerischem Talent

    In Rumänien erreicht die Zahl der in Sozialeinrichtungen aufgenommenen Kinder 60.000. Diese Kinder, die von Geburt an oder in der frühen Kindheit verlassen wurden, werden in Heimen (ehemaligen Waisenhäusern) untergebracht, wo sie bis zum Alter von 18 Jahren meistens ohne Zuneigung, Familie, ohne angemessene Ausbildung und ohne die Möglichkeit leben, ihr kreatives und intellektuelles Potenzial zu entwickeln. Es ist daher nicht überraschend, dass nur 0,1% der Waisenkinder eine abgeschlossene Hochschulausbildung haben.



    Lajos Kristoff ist einer von ihnen, der es geschafft hat. Er hat die Fakultät für Internationale Beziehungen und Europäische Studien abgeschlossen und hat einen Master in klinischer Psychologie. Im Alter von 3 Jahren wurde Lajos Kristoff in einem Heim im zentralrumänischen Landkreis Mureş aufgenommen. Er hat die Hindernisse des Systems überwunden und sein Potenzial ausgeschöpft. Lajos Kristoff erzählt, wie ihm das gelungen ist:



    Ich glaube, ich war sehr verträumt und doch ziemlich reif. Ich war mutig genug für meine Träume und bereit, dafür zu kämpfen. In meinem Leben gab es Menschen, die mir meinen Horizont öffneten und mich ermutigten, in dem sie mir sagten, dass ich, wenn ich etwas erreichen will, dies auch erreichen kann, wenn ich mir meinen Lebensweges wähle. Von Kindesbeinen an wollte ich Medizin studieren, um mich auf pädiatrische Neurochirurgie zu spezialisieren, aber das war nicht möglich. Aber ich sagte mir, wenn ich das nicht schaffe, werde ich etwas tun, das mit der Erziehung und der Arbeit mit Kindern zu tun hat. Und ich beschloss, sagen wir mal so, ein Doktor der Seelen zu werden.“




    Doktor der Seelen“ oder Genie-Ausbilder“, so wird Lajos Kristoff inzwischen genannt. Nach einer beruflichen Laufbahn in der Gesellschaft für begabte Kinder, dem Gifted Education Center, legte er den Grundstein für ein Exzellenzzentrum für die Entdeckung und Entwicklung des Talentes eines jeden Kindes, sowohl derjenigen, die in einem Heim untergebracht sind, als auch derjenigen, die in Familien leben. Aus diesem Grund arbeitet das Exzellenzzentrum sowohl mit Aufnahmeeinrichtungen, als auch mit normalen Bildungseinrichtungen zusammen. Für die Kinder, die sich im Kinderschutzeinrichtungen befinden, ist diese Betreuung oft lebenswichtig, sagt Lajos Kristoff.



    Die meisten Kinder und Jugendlichen in Einrichtungen wachsen mit der Angst vor der Zukunft auf. Aus diesem Grund können sie ihre Ziele nicht erreichen, und all ihre Träume enden vor der Tür des Heimes. Ohne Eltern, Liebe und all das, was einfühlsame menschliche Interaktion bedeutet, können sie nicht in die Zukunft blicken, können sie ihr Lebensziel nicht erreichen und ihre Lebensaufgabe nicht sehen.“




    Vor drei Jahren startete Lajos Kristoff ein weiteres Projekt, das dem Exzellenzzentrum ähnlich ist, aber ein intensiveres und ehrgeizigeres Programm zur Entdeckung des latenten Potenzials umfasst: Mentor in Rumänien.



    Es handelt sich um ein nationales Netzwerk von Mentoren und Kindern, innerhalb dessen die Kleinen Einzel- oder Gruppenunterricht erhalten. Das Netzwerk ist seit 2017 tätig. Wir nehmen die Verbindung mit diesen Kindern über Jugendämter, Bürgermeisterämter und natürlich über das Bildungsministerium auf. Dadurch können wir in Schulen gehen und die Lehrer über unsere Tätigkeit informieren. Die Betreuung umfasst 16 Stunden pro Monat an formellen und informellen Treffen. Formell, weil sie innerhalb der Einrichtung, normalerweise in der Schule, stattfinden, während die informelle Treffen in Familien abgehalten werden. Ich betreue mehrere Kinder, die alle überdurchschnittlich intelligent sind. Eines davon lebt in Oneşti. Die anderen sind Teil einer Theatergruppe, sie alle verfügen über künstlerische, aber auch über wissenschaftliche und mathematische Fähigkeiten.“




    Das Projekt Mentor in Rumänien“ richtet sich an alle Kinder unter 12 Jahren, die in Heimen sowie in Familien leben, verliert aber nicht aus den Augen, dass Heim- und benachteiligte Kinder mehr Hilfe brauchen. Lajos Kristoff:



    Seit 12 Jahren organisiere ich auch Bildungscamps im Gebirge. Es ist ein gemeinnütziges Camp. Eines Tages schlug ich meinem Team vor, eine Betreuung aufzunehmen: die Schule der kleinen Mentoren, die hauptsächlich den Kindern aus der Jugendfürsorge gewidmet ist. Die erste Ausgabe der Sommer-Betreuung dauerte einen Monat und wir arbeiteten mit 20 Kindern aus den Kindertagesstätten des 3. und 4. Bukarester Stadtbezirks zusammen. Unser System der Einzel-, aber auch der Gruppenbetreuung wurde in die Praxis umgesetzt und hatte ausgezeichnete Ergebnisse. Wir arbeiteten als Team und konnten drei Wochen lang Kindern, die sich keine Träume leisten konnten und Probleme mit dem Selbstwertgefühl hatten, durch Gespräche, Theaterunterricht und verschiedene innovative Methoden helfen, sich selbst zu entdecken. Die Kinder wählten ihre Betreuer selbst aus.“



    Das Theater hilft den Kindern, sich auszudrücken, und bietet ihnen gleichzeitig finanzielle Hilfe. Deshalb organisiert Lajos Kristoff im Rahmen seiner Projekte auch Theaterkurse für Kinder. Und mit der Aufführung von Alice im Weihnachtsland“, einer Adaption des klassischen Textes von Lewis Caroll, die von Kindern und für Kinder aufgeführt wurde, hatte er gro‎ßen Erfolg. Die Erlöse aus dem Verkauf der Eintrittskarten werden einigen Kindertagesstätten in benachteiligten Landesregionen zugutekommen. Die Aufführung, die mit Unterstützung des Staatlichen Jüdischen Theaters und dem SARIDA-Verband produziert wurde, wurde von Ioan Păduraru geleitet. Ioan Păduraru, ebenfalls ein Freiwilliger in den von Lajos Kristoff organisierten Exzellenz-Camps, hob die Vorteile hervor, die sich aus der Annäherung zwischen Kindern, die in Familien leben, und denen, die in Heimen leben, entwickeln.



    Als wir die Zusammenarbeit aufnahmen, kamen sich die Kinder aufgrund ihrer künstlerischen Affinität näher. Wir alle sind Künstler, wir alle haben mehr oder weniger eine künstlerische Seite, unabhängig vom künstlerischen Bereich, in dem wir uns ausdrücken können. Meiner Meinung nach ist das Heimkind extrem empfindlich und hat viel Potenzial. Da es beim Ausdrücken seiner Gefühle kein elterliches Vorbild hat, klammert er sich an alles und jeden und drückt seine Sensibilität spontan und vollständig aus. Es gibt auch einige, die sich hinter künstlichen Mauern verstecken, und unsere Aufgabe als Mentoren ist es, die Sensibilität hinter diesen Mauern zu erkennen. Unter diesem Gesichtspunkt haben wir in der Sommerschule bemerkt, dass nicht wir zuerst auf diese Kinder zugegangen sind, sondern sie auf uns, um ihnen zu helfen, sich zu öffnen.“




    Das Programm Mentor in Rumänien“ wird auch 2020 fortgesetzt, und für dieses Jahr haben Lajos Kristoff und sein Team sich vorgenommen, mehr als 250 Kindern zu helfen, ihr Potenzial zu entdecken.

  • „Casa bună“: private Hilfe für Kinder in einem Problemviertel Bukarests

    „Casa bună“: private Hilfe für Kinder in einem Problemviertel Bukarests

    Valeriu Nicolae ist Informatiker mit Berufserfahrung in den Vereinigten Staaten und Kanada, war Gründer des ersten Think-Tanks für Roma-Fragen in Rumänien, ist Mitglied des Büros des UN-Hochkommissars für Menschenrechte und der regionale Leiter von World Vision International und war Staatssekretär in der rumänischen Regierung im Jahr 2016. Er hat sich stets für die Rechte der Unterprivilegierten eingesetzt, denn er selbst kommt aus einem Problemumfeld, er gehört der Volksgruppe der Roma an und kennt sehr wohl die Probleme der Marginalisierten. Er wei‎ß, wie wichtig es vor allem für Kinder ist, die Möglichkeit zu haben, das Ghetto zu verlassen.



    Aus diesem Grund begann er bereits 2007 zusammen mit einer Gruppe von Freiwilligen in eine der Schulen in Ferentari zu arbeiten und half den Kindern bei ihren Hausaufgaben. Die Schule befand sich in der Nähe der sogenannten Drogenallee“, einem Ort, an dem täglich mindestens 50 Menschen kiffen, sagt Valeriu Nicolae. Müll, Ratten, Kakerlaken, 14 Quadratmeter gro‎ße Studios, in denen bis zu 6 Menschen dicht gedrängt leben — all das macht das Leben der Menschen in Ferentari aus. Mit Hartnäckigkeit und der Hilfe von Freiwilligen gingen die Kinder des Viertels im Sommer 2019 an den Wochenenden in die Schule, um ihre Hausaufgaben zu erledigen. Sie füllten bis zu 5 Klassenzimmer, erinnert sich Valeriu Nicolae:



    Wir halfen ihnen bei ihren Hausaufgaben. Aber wir haben viel mehr getan als das: Wir haben Behindertenausweise für einige ihrer behinderten Eltern besorgt, wir haben Menschen mit gesundheitlichen Problemen geholfen — von Menschen, die zum Zahnarzt mussten oder eine Herzoperation brauchten, bis hin zur Entfernung von Polypen, Zahnextraktionen oder kieferorthopädischen Behandlungen. Wir haben versucht, so gut wir konnten, zu helfen. Fast jedes Kind, mit dem wir arbeiteten, stand kurz davor, die Schule abzubrechen. Keines von ihnen gab auf. Von über hundert Kindern bereiten uns nur noch zwei Sorgen. Es war alles eine Katastrophe. Sobald sie in die fünfte Klasse kamen, brachen die meisten von ihnen die Schule ab. Jetzt haben wir sogar Kinder, die ins Gymnasium gehen. Die Situation hat sich definitiv verbessert. Wir kümmern und darum, dass sie auch warme Mahlzeiten erhalten.“




    Es lief gut, vielleicht zu gut, denn die Verwaltung des 5. Bezirks beschloss, genau an dieser Schule ein eigenes Sozialhilfeprogramm durchzuführen und zwang Valeriu Nicolae und sein Team von Freiwilligen, ihre Arbeit aufzugeben. Valeriu Nicolae gab aber nicht auf und gründete das Gute Haus“. In einem Gebäude nahe seiner Wohnung, unweit des Stadtteils Ferentari, kommen nun Kinder aus dem Ghetto für au‎ßerschulische Aktivitäten. Aus Spenden und mit freiwilliger Unterstützung war das Gute Haus nur einen Monat nach dem Kauf des eigentlichen Hauses, im Herbst 2019, fertig renoviert und konnte eröffnet werden. Valeriu Nicolae erinnert sich:



    Wir kauften zwei Kleinbusse, und gemeinsam mit den Privatfahrzeugen der Freiwilligen brachten wir die Kinder an jedem Wochenende in das Gute Haus. Wir hatten bis zu 100 Kinder. Wir haben eine gro‎ßartige Bibliothek eingerichtet, und es ging aufwärts. Wir haben Hilfe von vielen erhalten, zum Beispiel von berühmten Köchen, die hierherkamen, um für die Kinder zu kochen.“




    Die Dinge liefen wieder gut, bis die Covid-19-Pandemie und der damit verbundene Notstand kamen. Schulen wurden geschlossen, Isolation wurde zur Norm. Die Kinder können nicht mehr in das Gute Haus kommen. Valeriu Nicolae hat dennoch eine Lösung gefunden:



    Die Kinder machten Fortschritte, und wir konnten die Tätigkeiten nicht einfach absagen. Deshalb begann ich, im ganzen Ghetto Computer und Hotspots einzurichten. Man spendete mir eine Reihe von unbegrenzten Internetzugangskonten, und ich erhielt von verschiedenen Leuten einen Haufen älterer Handys. Wir kamen sehr schnell voran, und ich kehrte zu meinem alten Job als Informatiker zurück und schaffte es, alles zu installieren, was installiert werden musste. Wir brachten die Terminals zum Laufen und statteten sie mit Lernsoftware aus. Jetzt haben wir über 50 Freiwillige, die jeden Tag mit diesen Kindern online arbeiten. Sie bleiben und arbeiten von zu Hause aus, und wir halten die Verbindung zu den Kindern aufrecht.“




    Die heutigen Einschränkungen und die Stilllegung der Wirtschaft erschweren vielen Menschen, vor allem in Ghetto, das Leben. Valeriu Nicolae und sein Team von Freiwilligen erhalten jedoch Spenden von verschiedenen Unternehmen und versorgen die Menschen vor Ort:



    Wir schaffen es, den Bedarf an Lebensmittel zu decken. Viele Menschen, die dort leben, haben ihren Arbeitsplatz verloren. Unseren Familien geht es auch in der Zeit der Isolation gut. Wir haben es geschafft, ihnen alles lebensnotwendige zur Verfügung zu stellen. Ich hoffe, das wird uns auch weiterhin gelingen, denn das Leben in Ghetto wird immer schwerer. Obwohl mich die Menschen dort, auch diejenige, die Drogen nehmen, gut kennen, steigt die Gewaltbereitschaft. Auch die Drogenabhängigen wollen was zu Essen. Sie wissen, dass ich Essen für die Kinder bringe, aber sie wollen auch essen. Die häusliche Gewalt sowie Missbrauchsfälle jeder Art haben zugenommen. Leider kommt in eine Wohngegend wie diese keiner, um all diesen negativen Entwicklungen Einhalt zu gebieten.“




    Valeriu Nicolae schätzt, nur in Bukarest lebten dutzende benachteiligter Kinder, die nicht die Möglichkeit haben, am Online-Unterricht teilzunehmen und die in dieser Zeit der sozialen Isolation, in der auch die Schulen geschlossen sind, der Schule endgültig den Rücken kehren könnten.

  • EU-Bildungsbericht 2015: Große Chancenungleichheit im rumänischen Schulsystem

    EU-Bildungsbericht 2015: Große Chancenungleichheit im rumänischen Schulsystem

    Der diesjährige Bericht der EU-Kommission über die allgemeine und berufliche Bildung wartet nicht allein mit Statistiken über die Fortschritte der Bildung in den EU-Mitgliedsstaaten auf, sondern gibt auch Aufschluss über die Art und Weise, in der die Unterrichtssysteme den sozial-wirtschaftlichen Hintergrund beeinflussen. Der Bericht schlussfolgert, es seien Investitionen notwendig, um die Bildung integrativer zu gestalten und den gesellschaftlichen Aufstieg zu fördern. Eine Möglichkeit wäre, der Bildung einen höheren Prozentsatz vom Haushalt zu gewähren, sagte Angela Filote, die Leiterin der Vertretung der Europäischen Kommission in Rumänien:



    Eine Korrelation, die leicht bemerkbar ist, ist jene zwischen dem Haushalt für Bildung und der Leistung dieses Sektors. Rumänien belegt den letzten Platz in der EU und gibt immer weniger Geld für die Bildung aus. Ich hoffe, dass dieser Trend nicht fortgesetzt wird. Ich wünsche mir, dass das Geld richtig ausgegeben wird. Das Hauptproblem ist eigentlich die Qualität dieser Ausgaben. Die Bildung hat einen Einfluss auf die ganze Gesellschaft, und nicht nur auf die Wirtschaft. Eine Bevölkerung, die über gute Bildung verfügt, riskiert weniger, marginalisiert oder ausgegrenzt zu werden. In Rumänien gibt es viele Kinder, die keine Bücher haben. Dieses Phänomen ist besonders auf dem Dorf, in den benachteiligten Gemeinschaften, besonders bei den Roma, präsent.“




    Was den Schulabbruch anbelangt, liegt Rumänien mit 18,1% über den europäischen Durchschnitt von 11,1%. Die riesigen sozial-wirtschaftlichen und Bildungsunterschiede zwischen Stadt- und Dorfbevölkerung sind eine Konstante Rumäniens. Einzelne überragende Schulleistungen mindern dieses Stadt-Land-Gefälle jedoch nicht. Laut PISA-Testen verfügen die rumänischen Schüler im Alter bis zu 15 Jahren über niedrigere Lesekompetenzen (37,3%) verglichen mit dem EU-Durchschnitt (17,8%), und haben ein schwächeres Leistungsniveau auch in Fächern wie Mathematik (40,8% verglichen mit 22,1% in der EU) und Naturwissenschaften (37,3% verglichen mit 16,6%.). Michael Teutsch von der Generaldirektion für Bildung und Kultur der Europäischen Kommission meint, es sei wichtig aber nicht ausreichend, allein diese Daten zu kennen:



    All diese quantitativen Indikatoren sind zwar bedeutend. Die Art und Weise, in der wir uns auf sie beziehen, ist aber nur der Anfang. Diese Indikatoren sind kein Ziel, sie beschreiben eine Realität. Es freut uns, dass in Rumänien über mehrere Strategien debattiert wird. Ich kenne mindestens fünf, die ganz gut sind. Wir stellen uns die Frage, ob sie nur gut geschriebene Texte sind, oder wirklich etwas für die Menschen, an die sie sich richten, bedeuten. Diese Strategien sind wunderbare Dokumente. Die wichtigste Herausforderung ist jedoch ihre Umsetzung. Sie sollen nicht nur einfache offizielle Aufgaben sein, die als gelöst gelten.“




    Rumänien wurde empfohlen, die bereits formulierten Strategien umzusetzen. Florin Popa, Mitglied der Generaldirektion für Bildung und Kultur der Europäischen Kommission, dazu:



    Die Ungleichheit der Chancen, die Benachteiligung auf sozial-wirtschaftlicher Ebene sowie auf Bildungsebene hängen zusammen. Die Ungleichheit beginnt sehr früh, und wenn man nicht eingreift, wird sie immer schlimmer. Dieses Problem löst sich nicht von selbst. Im Gegenteil, das Problem wird noch grö‎ßer. Dieser Zusammenhang ist in den benachteiligten Gruppen, die besonders empfindlich sind, intensiver. Die frühzeitige Bildung, die Vorschulzeit ist sehr wichtig. Hier muss man eingreifen. Die politische Verantwortung könnte eine Lösung sein. Und hier geht es wiederum um die Kohärenz und die Komplementarität der unterschiedlichen Strategien.“




    Der neue Bildungsminister Adrian Curaj, ehemaliger Generaldirektor der Abteilung für die Finanzierung des Hochschulunterrichts, Forschung, Entwicklung und Innovation, meint, mit Innovation könnte man vieles anspornen. Die neue Bildungspolitik soll die Autonomie der Unterrichtsinstitutionen mit den Strategien verflechten. Adrian Curaj dazu:



    Die Idee, dem Bildungsgefälle entgegenzuwirken, ist ausgezeichnet. Das bedeutet die Beharrlichkeit, schrittweise ein Problem zu lösen. Ich wünsche mir, die Neuerung oder die Innovation zu finden, die mir helfen wird, diesen Sprung in die Wege zu leiten. Au‎ßer Befähigung, an der es uns sicherlich nicht fehlt, brauchen wir die Bereitschaft, zu experimentieren. Ich glaube sehr an die Kreativität der Rumänen, aber weniger an ihre Fähigkeit als Unternehmer. Rumäniens Chance ist die Kreativität und die Bildung. Hinzu kommt selbstverständlich auch die Wettbewerbsfähigkeit.“




    Der Bericht für die allgemeine und berufliche Bildung 2015 empfiehlt den Mitgliedsstaaten, zusammenzuarbeiten und Erfahrungen auszutauschen.