Tag: Bobi Pricop

  • Theaterbranche während der Pandemie: vielfältige Probleme, Notlösungen mit Potential

    Theaterbranche während der Pandemie: vielfältige Probleme, Notlösungen mit Potential

    Der 21. September 2020 war ein weiterer Wendepunkt im rumänischen Theaterbetrieb. Um 22.30 Uhr Bukarester Zeit startete die 28. Ausgabe der UNITER-Gala. Ursprünglich für das Frühjahr 2020 geplant, wurde der Abend auf die Herbst-Tagundnachtgleiche verschoben. Die UNITER-Gala wurde diesmal in der südrumänischen Stadt Craiova veranstaltet und markierte 170 Jahre seit der Gründung des dortigen Theaters, das heute den Namen des 1996 verstorbenen Dichters und Dramatikers Marin Sorescu trägt. Die Gala fand im Sommertheater im Park Nicolae Romanescu“ statt, und der Kultursender von Radio Rumänien übertrug die Gala live — wer Bilder wollte, konnte online zusehen auf den Websites des Staatsfernsehens und der Theatervereinigung UNITER, die die Gala auch organisierte. Diese unpolitische, nichtstaatliche und gemeinnützige Berufsorganisation, die durch den freien Zusammenschluss von Theaterschaffenden in Rumänien sofort nach der Wende gegründet wurde, feierte 2020 ihr drei Jahrzehnte langes Bestehen.



    Am 10. September 2020 begann die UNITER mit der Videopromotion der Künstler, die für die Preise nominiert worden aren. Die Nominierungen erfolgten auf der Grundlage der Leistungen des Vorjahres, und ab dem 14. September konnten alle Zuschauer ihre Favoriten unterstützen, indem sie ihre Stimme auf uniter.ro abgaben. Ob es der Ort der Veranstaltung war, oder die besondere Lockdown-Atmosphäre — es war auf jeden Fall ein Triumph der Kreativität über die Angst, meint die Theaterkritikerin Oana Cristea Grigorescu, Mitglied im UNITER-Verband:



    Die UNITER-Gala-Veranstaltung hat es diesmal geschafft, etwas zu verändern — sie hat den etwas konservativen Ansatz der letzten 20 Jahren hinter sich gelassen. Jeder hat vor allem eine Umgestaltung des Formats gespürt, was nicht nur daran lag, dass die Veranstaltung unter freiem Himmel in Craiova stattfand… Ich glaube, all das war vor allem aufgrund des Vertrauens möglich, das die Organisatoren in die beiden Produzenten der Gala, den Regisseur Bobi Pricop und die Bühnenbildnerin Irina Moscu, gesetzt haben. Hinter ihnen stand ein ganzes Team, und jeder spürte den lebensspendenden Wind in den Segeln dieser Gala… Und wir haben auch eine Dosis Optimismus abbekommen, durch den prägnant-sauberen Ablauf. Aber da war noch etwas anderes, vielleicht der wichtigste Aspekt. Einige der Reden der Preisträger haben ein wichtiges Thema aufgegriffen. In der rumänischen Kultur gibt es, zumindest formal, aber vor allem aus organisatorischer Sicht, eine Kluft zwischen den unabhängigen Künstlern und den Künstlern, die von subventionierten Institutionen kommen. Diese Kluft ist ein Fehler, und die Künstler konzentrierten sich auf die sehr spezifische Idee, dass es an der Zeit sei, administrative Lösungen zu finden, um die verdienten unabhängigen Künstler zu unterstützen. Das sollte so geschehen, dass ihr Beitrag zur Vielfalt der Theaterbühne gewürdigt wird. Am Ende der Gala versprachen der Präsident von UNITER und der Intendant des Nationaltheaters in Bukarest, Ion Caramitru, dass Lösungen zur Unterstützung des unabhängigen Theaters gefunden werden. Und das ist ein Punkt von strategischer Bedeutung. Es ist eine Art von Kulturpolitik, die UNITER gelobt hat, fortan umzusetzen.“



    Und dann kam im Spätherbst die 30. Ausgabe des Nationalen Theaterfestivals in Bukarest. Die Veranstaltung Ende November war zugleich eine Premiere. Die drei Persönlichkeiten, die das online übertragene Programm inszenierten und kuratierten, hatten eine klare Absicht: einen Dialog zwischen der Ästhetik der Schöpfer von gestern und der künstlerischen Suche von heute herzustellen. Radio Rumänien ist einer der traditionellen Partner der Veranstaltung, daher auch das Label der Sondersektion FNT ON AIR. Eine der drei treibenden Kräfte hinter der Veranstaltung war Maria Zărnescu, au‎ßerordentliche Professorin an der Bukarester Universität für Theater und Film (UNATC).



    Jede der geposteten Veranstaltungen war 48 Stunden lang zu sehen, man kann sie aber wieder besuchen, wenn jemand das möchte. Es war ein volles Programm, da wir die Vergangenheit des Festivals, also seine drei Jahrzehnte, Revue passieren lassen wollten. Und dabei haben wir teilweise bemerkenswerte schauspielerische Vorträge entdeckt, in enger Verbindung mit dem Dreiergespann Schauspieler-Regisseur-Dramatiker. Kürzere Beiträge haben wir in einer speziellen Sektion zusammengefasst, die den Titel »Die gro‎ße Schauspielkunst« trägt. Die Sektion legt den Schwerpunkt auf die Schauspieler, die beim rumänischen Publikum sehr beliebt sind, aber alle an der künstlerischen Arbeit beteiligten Schöpfer sind nicht weniger wichtig.“



    Natürlich gab es auch bemerkenswerte internationale Stücke, die im Rahmen des Nationalen Theaterfestivals in Bukarest aufgeführt wurden und zudem sozusagen Pandemieprojekte wie ZOOM BIRTHDAY PARTY, basierend auf einem Text von Saviana Stănescu, in der Regie von Beth Milles (aus den USA) oder POOL (NO WATER) von Mark Ravenhill, ein Projekt, das von Radu Nica, Andu Dumitrescu und Vlaicu Golcea getragen wurde.



    Die rumänischen Bühnenkünstler waren wirklich fähig, Ideen zu finden, um die aktuellen Zustände auf den Prüfstand zu stellen, und zwar in Formen, die sie mit der Gesellschaft und ihren Fragen in Verbindung halten. Einige der Notlösungen haben bereits ihre Machbarkeit bewiesen und haben vielleicht auch das Zeug zu neuen Meilensteinen in der rumänischen darstellenden Kunst.

  • Hermannstädter Kinder- und Jugendtheater nimmt Aufführungen mit Publikum wieder auf

    Hermannstädter Kinder- und Jugendtheater nimmt Aufführungen mit Publikum wieder auf

    Nach einer fast dreimonatigen Pause kehren die Darsteller des Kinder- und Jugendtheaters Gong“ in Hermannstadt wieder auf die Bühne zurück. Die Aufführung Hermann träumt“ in der Regie von Eliza Păuna, nach einer Bearbeitung von Daniel Chirilă, war die erste Produktion, die dem Publikum präsentiert wurde. Wir sprechen über diese Premiere mit dem Theaterintendanten Adrian Tibu und mit der Schauspielerin Eliza Păuna, die die Aufführung inszenierte. Adrian Tibu:



    Wir hoffen, dass 2021 für das Theater anders sein wird. Wir sind sehr glücklich, dass wir vor unserem treuen Publikum auftreten durften, wir sind sehr aufgeregt, und die Freude des Wiedersehens ist umso grö‎ßer, als wir über eine Premiere sprechen. Die Kinder hatten die Möglichkeit, sich mit dem Animationstheater erneut zu treffen, natürlich unter der strengen Einhaltung aller Corona-Regelungen, und die Reaktionen haben unsere Erwartungen überschritten. »Hermann träumt« ist eine musikalische Aufführung, Charlie Fălămaş ist sowohl Schauspieler als auch Komponist in dieser Produktion, die eine urbane Liebeserklärung an unsere Stadt, Sibiu, darstellt. Es ist für uns besonders wichtig, vor dem Publikum aufzutreten, das ist unser Auftrag als Theater einer Gemeinschaft — wir wollen eine lebendige Chronik dessen sein, was um uns herum geschieht. Die beiden Aufführungen, die dem Publikum präsentiert werden, »Hermann träumt« und »Der grö‎ßte Gulliver«, eine Adaption von Leta Popescu nach dem gleichnamigen Text von Gellu Naum, können zum Glück mit Publikum auf die Bühne gebracht werden, weil wir im letzten Jahr unser Programm neu gestaltet haben, um es an den Kontext anzupassen. Und »Hermann träumt« ist eine kleine Aufführung, mit nur drei Schauspielern auf der Bühne, also konnten wir während der Proben Abstand halten, die Schauspieler trugen Masken, wir haben die Corona-Regelungen eingehalten, damit alle sicher sind.“



    Hermann, die Hauptfigur der Aufführung, ist ein 8-jähriger Junge, der alle typischen Sorgen eines Kindes in seinem Alter hat: Die Schule scheint ihm zu schwer, er hat nicht genug Zeit zum Spielen und wird ständig von Eltern und Lehrern getadelt, weil auf ihn einwirken wollen, er aber das gleiche verträumte und verspielte Kind bleiben will. Phantasie ist eine von Hermanns Superqualitäten, und so wird ein banaler Schulweg zu einem Abenteuer, in dem Hermann die Rolle des Retters für Eltern, Lehrer und sogar die ganze Stadt spielt. Die Schauspielerin Eliza Păuna, Regisseurin der Aufführung, sagt dazu:



    Die Idee für diese Aufführung hatte ich schon lange. Hermann ist ein Kind, das auf dem Schulweg spielt und sich alles Mögliche einbildet, dass er jemand anderes ist, dass die Ampeln in der Stadt und die berühmten Hermannstädter Häuser mit Dachaugen mit ihm sprechen — kurzum, er ist ein Kind mit einer gro‎ßen Einbildungskraft. Es hat Spa‎ß gemacht, mit Daniel Chirilă an der Aufführung zu arbeiten, aber da sie nur 55 Minuten dauert, mussten wir auf einiges von dem verzichten, was wir uns vorgenommen hatten. Andererseits wollten wir die Zeichnungen von Dan Perjovschi in die Aufführung integrieren, obwohl unser Publikum, ich meine die Kinder, nicht wissen, wer Dan Perjovschi ist, sie wissen nicht, dass er einer der wichtigsten rumänischen bildenden Künstler ist. Aber auf diese Weise wirft die Aufführung viele Fragen auf. Und nach der Aufführung gibt es für die Kinder im Foyer eine Wand, auf der sie ihre Gedanken ausdrücken können. Wir waren überhaupt nicht überrascht, zu sehen, dass viele von ihnen Botschaften geschrieben haben, die mit Schule, Lehrern, Freizeit zu tun haben, Themen, die auch in der Aufführung vorkommen. Ich bin froh, dass ich dank dieses Drehbuchs, das an die Stadt Sibiu, die ich sehr liebe, angepasst ist, zum Gong-Theater gekommen bin. Au‎ßerdem bin ich jetzt auch Schauspielerin des Gong-Theaters, und wenn es gut läuft, werden Sie mich bald in der Rolle des Fuchses in der Aufführung »Der kleine Prinz« nach Antoine de Saint-Exupéry, in der Regie von Bobi Pricop sehen.“



    In weiteren Rollen sind Raluca Răduca, Adrian Prohaska und Lucia Barbu zu sehen, das Bühnenbild der Inszenierung unterzeichnet Romulus Boicu.

  • Theaterfestival für junges Publikum in Jassy: Unkonventionelles für Jung und Junggebliebene

    Theaterfestival für junges Publikum in Jassy: Unkonventionelles für Jung und Junggebliebene

    Ziel des Festivals ist, den Appetit der Kinder und Jugendlichen für die Theaterkunst anzuregen und die im Herzen junggebliebenen Theaterliebhaber mit besonderen Aufführungen zu verwöhnen. Mehr dazu von der Festivaldirektorin und künstlerischen Leiterin des Theaters, Oltiţa Cîntec:



    Unser Theaterfestival ist einmalig in Rumänien und in der Region: Wir richten uns an das junge Publikum und damit meinen wir nicht das biologische Alter, sondern das kulturelle Alter, nämlich die Theaterliebhaber, die im Herzen junggeblieben sind und sich für ausgefallene kulturelle Erfahrungen interessieren. Unser ‚junges‘ Publikum besteht aus Theaterinteressierten, die die jugendhafte Dimension ihrer Persönlichkeit ein Leben lang pflegen und entwickeln, egal wie alt sie sind.“




    Ein junges oder junggebliebenes Publikum braucht immer neue Herausforderungen. Dieses Jahr lief das Theaterfestival in Iaşi unter dem Motto Anderssein“. Oltiţa Cîntec dazu:



    Bei jeder Auflage unseres Festivals überlegen wir uns ein anderes Motto, etwas Neues, ein Programm mit originellen, ganz verschiedenen Veranstaltungen in allen Richtungen der Bühnenkunst. Das Programm beginnt um 9 oder 10 Uhr morgens und endet am späten Abend. Jeden Vormittag bieten wir Theater für Kinder, am Mittag und Nachmittag haben wir Events für Theaterfachleute und am Abend laufen Aufführungen für Zuschauer ab 14 Jahren. Das kulturelle Alter unseres Publikums ist aber schwer zu definieren, wir haben Zuschauer im hohen Alter, die ihren offenen, jungen Geist bewahrt haben. Wir bieten ein reiches, abwechslungsreiches Programm mit ungewöhnlichen Aufführungen — Partizipationstheater, dokumentarisches Theater, Leseaufführungen, Stra‎ßentheater und vieles mehr.“




    Die Performancekunst ist auch ein wichtiger Programmpunkt beim Internationalen Festival für das junge Publikum in Iaşi. Dieses Jahr lief die Performance NOK! NOK!“, eine freie Bühnenadaption des Buches Das Jahr des magischen Denkens“ von Joan Didion. Das Projekt ist Teil des Performance-Programms vom Nationalen Museum für Gegenwartskunst in Bukarest. Dramaturgin und Regisseurin ist die Schauspielerin Nicoleta Lefter:



    Zusammen mit der Schauspielerin Flavia Giurgiu, der Videokünstlerin Ioana Bodale und dem Tonkünstler Alexandru Raptiş haben wir eine Performance über die Angst vor der Einsamkeit auf die Bühne gebracht. Wir wollten zeigen, wie tief ängstigend Einsamkeit unter die Haut eines Menschen gehen kann, so dass er schlie‎ßlich keine Reaktionen mehr hat. Begonnen haben wir mit der Situation in dem autobiographischen Buch der amerikanischen Schriftstellerin Joan Didion. Didion beschreibt den plötzlichen Tod ihres Mannes John Dunne und die lebensbedrohliche Krankheit ihrer Tochter Quintana sowie ihre Trauer, ihre Gedanken und Empfindungen in der Folgezeit. Schicht für Schicht wird die Angst vor der Einsamkeit enthüllt — durch Reaktionen, Gesten bis zum Herzklopfen.“




    Laut der Festivaldirektorin Oltiţa Cîntec seien die Zeiten des kontemplativen Theaters, als das Publikum im Saal sitzen blieb und die Darstellung auf der Bühne verfolgte, längst vorbei. Daher werden beim Internationalen Theaterfestival für das junge Publikum in Iaşi immer mehr interaktive Aufführungen angeboten. Es sind originelle Projekte, bei denen die Theateraufführungen mit der unmittelbaren Beteiligung des Publikums entstehen. Ein Beispiel dafür ist Der Autor“ von Tim Crouch, Regie Bobi Pricop, eine Produktion des Nationaltheaters Marin Sorescu“ aus Craiova. Nach der Produktion Eine Eiche“ beim Theater in Piatra Neamţ ist dies die zweite Regiearbeit des jungen rumänischen Regisseurs nach einem Text des britischen Dramatikers. Tim Crouch revolutioniert die Beziehung des Publikums zum Theater, die Schauspieler und die Theaterbesucher werden gemeinsam zu Theaterschaffenden“, meint Bobi Pricop. Was hat ihn dazu bewegt, eine derart couragierte Aufführung vors Publikum zu bringen? Bobi Pricop antwortet:



    Ich bin ein Kontrollfreak, das muss ich zugeben. Dieses neuartige Theaterprojekt, die Begegnung mit Tim Crouch finde ich fabelhaft. Das ist ein gro‎ßes Risiko, ein Projekt mit sehr vielen Unbekannten, es ist eine exzellente Übung, um zu verstehen, wie wir funktionieren, wie wir mit Risiken umgehen. Bei der Aufführung »Der Autor« haben wir keine Bühnenbilder, keinen szenischen Raum. Es gibt blo‎ß einige gegeneinander gesetzten Stufensitze für das Publikum, ohne Raum dazwischen. Am Anfang der Aufführung geschieht gar nichts — 10 Minuten lang herrscht vollkommene Stille. Nach und nach werden die Zuschauer unruhig, sie fragen einander, was wohl passiert, warum nichts passiert. Und mit der Zeit erkennen sie die Schauspieler, die auch im Publikum sitzen.“




    Das Internationale Theaterfestival für das junge Publikum hat sich dieses Jahr um 18 Räumlichkeiten erweitert. Es sind konventionelle und unkonventionelle Räume, in Theatersälen und im Freien. Dazu die Festivaldirektorin Oltiţa Cîntec:



    Das Zentrum unseres Festivals ist das Nationaltheater in Iaşi, mit seinen zwei Sälen, aber wir haben mit unseren verschiedenen Theaterevents die ganze Stadt sozusagen ‚erobert‘. Mit unseren Aufführungen wollten wir so vielen Menschen wie möglich Freude bringen, zum Beispiel den Patienten, die im Krankenhaus liegen. Unser Festival sollte ein Fest und eine Freude für alle sein. Es wurde überall in der Stadt Theater gespielt — auf der Stra‎ße, in den Fu‎ßgängerzonen, in den Kaufhäusern. Wir sind an unkonventionellen Orten auf der Suche nach unserem Publikum gegangen, nach Menschen, die in der Regel nicht ins Theater gehen. Ich bin davon überzeugt, dass viele Leute, die bis jetzt das Theater wie einen steifen Kragen betrachteten, an diesen unkonventionellen Orten offene, lebendige Aufführungen miterlebten, die emotionale Brücken zu den Zuschauern geschlagen haben. Und das ist schon sehr viel.“

  • Nationales Theater-Festival (FNT) zu Ende – eine Bilanz

    Nationales Theater-Festival (FNT) zu Ende – eine Bilanz

    Eine Auswahl wie ein Bild dessen, was heutzutage in der Dynamik des rumänischen Theaters passiert, von kleinen Aufführungen, Schmuckstücken, bis zu gro‎ßen Aufführungen, gleicherma‎ßen Schmuckstücken, da Leistung keine Grenzen kennt und überall willkommen ist, in Kammerspielen oder auf sehr gro‎ßen Theaterbühnen. Wir verfolgen die Spuren der Leistung und möchten, dass man das alles beim Nationalen Theaterfestival sieht.“



    Diese Aussage machte die künstlerische Leiterin Marina Constantinescu zu Beginn der 24. Auflage des Nationalen Theaterfestivals (FNT).



    Schauspieler, Clowns, Tänzer und Akrobaten; Akkordeonmusik, Walzer, alte Liebeslieder und traditionelle Chöre. So könnte man das Schauspielereignis beim FNT 2014 Donka — Ein Brief an Tschechow“ zusammenfassen. Dieses wurde von der Gesellschaft Finzi Pasca aus der Schweiz in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Theaterfestival Tschechow produziert. Buch und Regie gehören dem berühmten Daniele Finzi Pasca. Maria Bonzanigo, Mitgründerin der besagten Gesellschaft, hat gemeinsam mit Finzi Pasca auch die Choreografie gestaltet. Die Künstlerin hat sich in Bukarest aufgehalten und von ihr erfuhren wir die Geschichte dieses visuellen Gedichts:



    Wir als Kreationsteam haben viel mit Tschechows Tagebuch gearbeitet. Wir haben alles gelesen, aber besonders hat uns die Reise nach Sachalin und das Leben als Arzt und als Mensch, aber auch als Schriftsteller und Angler interessiert… Also mehr die Person als der Künstler und der Schriftsteller. Wir waren an seinem Leben, an seiner Denkweise, an seinen Visionen interessiert. Im Schauspiel treten unsere Darstellungen Tschechows auf. Wir behaupten nicht, Tschechow wäre so oder so gewesen. Es sind unsere Visionen und unsere Huldigung Tschechows.“




    Für diejenigen, die das Schauspiel nicht gesehen haben, beschreibt Maria Bonzanigo die geschaffene Atmosphäre so:



    Voll von Licht, Farbe, eine Mischung zwischen Wirklichkeit und Traum. Es gibt eine Mischung von Ton, Text und Bühnensetzung, die ein einzigartiges, weniger vernünftiges Bild schafft, das eher das Ergebnis der Vorstellungskraft ist. Die Darsteller sind sehr gro‎ßzügig und einfühlsam. Jeder von ihnen hat seine eigene Einstellung Tschechow gegenüber und liebt Tschechow und drückt das aus, was Tschechow für ihn darstellt. Ich denke, dass das sehr aufregend ist.“




    Ein weiteres Schauspiel der 24. Auflage von FNT, das in die Kategorie Ereignisse“ eingestuft werden kann, war Die Nashörner“ von Eugène Ionesco. Inszeniert von Robert Wilson im Nationaltheater Craiova, markierte das Schauspiel den offiziellen Abschluss des Festivals. Somit reiste am 2. November der Gro‎ßteil der Gäste von FNT für einige Stunden nach Craiova.



    Die neue Inszenierung Robert Wilsons in Craiova war ein Triumph. Wilson hat verstanden, dass das kein Schauspiel des Kalten Krieges mehr war. Es war eine Geistesverfassun“, schrieb der Theaterkritiker John Elsom. Der junge Regisseur Bobi Pricop war Robert Wilsons Assistent beim Schauspiel Die Nashörner“ und berichtet über die Beziehung des Regisseurs zum Theater in Craiova und dem Theaterstück von Ionesco:



    Ich denke, dass er in erster Linie von den Schauspielern angezogen war, die er hier in Rumänien kennengelernt hat. Er hatte zwei gro‎ße Augenblicke, in denen er den Texten von Ionesco begegnet und Ionesco selbst in den 1970ern getroffen hat. So ist es gewesen. Es war ein Treffen, eine Kollision, worüber ich nicht theoretisieren kann. Das erscheint mir in dem Schauspiel lebendig: diese Kollision zwischen Ionesco und Wilson. Weil zu einem gewissen Zeitpunkt Eugène Ionesco gesagt hat, er möchte, dass seine Schauspiele von Wilson inszeniert werden. Letztendlich passiert das und ich bin froh, dass dies in unserem Land passiert. Es ist eine Begegnung, deren Zeuge man sein muss. Vielleicht werden daraus auch andere Schauspiele entstehen und es ist deutlich, dass dies Ionesco, Wilson und seinen Visionen zugutekommt.“




    Zum ersten Mal hat das Nationale Theaterfestival auch eine eigene Produktion gehabt. Es handelt sich um das berühmte Musical West Side Story“. Dieses wurde von dem Choreografen Răzvan Mazilu inszeniert, der für diese Produktion 21 junge Schauspieler ausgewählt hat. Răzvan Mazilu, über die Wahl dieses Musicals und über die Überschrift Das Manifest einer Generation“, eine Idee der künstlerischen Leiterin Marina Constantinescu:



    Ursprünglich schlugen wir eine Musicalwerkstatt vor, die im Rahmen von FNT auch ihr Ergebnis präsentiert. Allerdings haben sich die Dinge entwickelt und sind immer wichtiger und bedeutender geworden. Wir sind somit zu diesem für mich besonderen Ergebnis gekommen, denn das Projekt hat eine besondere Ladung. Es handelt sich um ein Projekt der Gro‎ßzügigkeit, ein Projekt, das einer ganz talentierten Generation Chancen gewähren möchte, die zu wenig Chancen im Theaterwesen bekommt. Die »West Side Story« ist selbst ein Manifest. Ein Manifest über Freiheit, Frieden, Menschlichkeit, Freude, über Jugend. Deshalb war ich der Meinung, dass dieses Buch sehr gut zu diesen jungen Künstlern passt, es scheint wie für sie geschrieben zu sein.“




    Zum Schluss stellen wir Ihnen die Meinung der rumänischen Journalistin Irina Wolf vor, die in Wien lebt und beim FNT zu Gast war, über die Initiative einer Produktion des Festivals und über die ganze Auflage 2014:



    Mir scheint es eine sehr gute Idee zu sein, die die Richtung verfolgt, die international auch verfolgt wird. Die Mehrheit der Festivals hat eine eigene Produktion oder Koproduktionen mit anderen Festivals. Auch die Wiener Festwochen und die Salzburger Festspiele, um mich auf die Festivals in Österreich zu beziehen. Ich glaube, dass die Säle sehr voll waren, das Publikum bestand meistens aus jungen Leuten. Diese Offenheit der Jugendlichen hat mich sehr gefreut, denn es waren nicht nur Theaterstudenten. Au‎ßerdem war die Organisation sehr gut. Ich freue mich auch, dass ich einen neuen Saal in Otopeni kennengelernt habe. Erwähnenswert ist auch die Liveübertragung auf der Webpublikation adevarul.ro. Täglich war ein Schauspiel für die Liveübertragung geplant. Somit war dieses auch für in Ausland lebende Rumänen sichtbar, die auf diese Weise mit dem Festival in Kontakt treten konnten.“




    Die 24. Auflage des Nationalen Theaterfestivals wurde vom Rumänischen Theaterverband UNITER zwischen dem 24. Oktober und dem 2. November veranstaltet. Radio Rumänien war traditionsgemä‎ß Partner dieses Ereignisses.