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  • Tradition und Avantgarde in der Kunst des modernen Rumänien

    Tradition und Avantgarde in der Kunst des modernen Rumänien

    La Belle Époque“ war eine Periode in der französischen Geschichte während der Dritten Französischen Republik, die durch regionalen Frieden und wirtschaftlichen Wohlstand, einen Höhepunkt der Kolonialreiche und technologische, wissenschaftliche und kulturelle Innovationen gekennzeichnet war. Rumänien teilte auch die europäische Denkströmung dieser Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Die Exposition Universelle von 1900, besser bekannt als die Pariser Ausstellung 1900, war eine Weltausstellung, die in Paris stattfand, um die Errungenschaften des vergangenen Jahrhunderts zu feiern und die Entwicklung ins nächste zu beschleunigen. Paris war ein Ort, an dem die Geopolitik kulturelle Dimensionen erhielt. Länder aus der ganzen Welt wurden von Frankreich eingeladen, ihre Leistungen und ihren Lebensstil zu präsentieren. Später versuchte die Zwischenkriegsavantgarde, die etablierten Kunstformen zu verändern und neue künstlerische Elemente einzubringen.



    Der Kunsthistoriker Erwin Kessler hat an einer vom Museum der Stadt Bukarest organisierten Diskussionsrunde mit dem Titel Ideen in der Agora“ teilgenommen. Dabei hielt er einen Vortrag mit dem Titel Tradition, Modernisierung, Avantgarde und zurück: die Avatare der rumänischen Kunst vor und nach dem Ersten Weltkrieg“. Erwin Kessler:



    Auf der Pariser Ausstellung von 1900 trat Rumänien als schizoides Land auf — es gab einen nationalen Pavillon in Form eines Ölbohrturms, der den Blick in das industrielle Zeitalter Rumäniens offen gab. Doch im Inneren waren Heiligenbilder, Volkstrachten, Volkstänze und Bauernkunst zu sehen. Rumänien sah aus wie ein Land mit einem riesigen traditionellen bäuerlichen Kern unter einer sehr dünnen Industrieschale — dieser schizoide Auftritt war perfekt wirklichkeitsgetreu, da über 75% der Bevölkerung auf dem Land lebten, und über 60% der Produktion Rumäniens nicht aus Erdöl oder Erdölprodukten, sondern aus landwirtschaftlichen Erzeugnisse bestand.“




    Der Historiker Sorin Antohi, Gastgeber der Konferenz Ideen in der Agora“, sprach über das dörfliche Rumänien zur Zeit der Weltausstellung 1900, aber auch über das Leben der rumänischen Bauern aus dieser Zeit, im Gegensatz zur idyllischen Darstellung der Dorfwelt in den Werken des Kunstmalers Nicolae Grigorescu. Sorin Antohi:



    Die ausländischen Reisenden notieren immer wieder mit Bedauern die Präsenz der rumänischen Bauern in ihren Aufzeichnungen. Der schwindende, dunkle, vage Bauer… Dieser schwindende Bauer ist der Fokus einer schockierenden Erscheinung, wie wir in dieser Zeit gesehen haben, in der soziale Spannungen, die Wirtschaftskrise, all diese Dinge im rumänischen Fall zu einem typisch ambivalenten Resultat führen. Die Monarchie feiert ihr Jubiläum und arbeitet hart daran, das lokale Äquivalent sowohl für die Einheimischen, aber auch für die Protokollbesucher etwa wie Potemkinsche Dörfer zu präsentieren.“




    Die junge Künstlergeneration war mit der Kunst jener Zeit unzufrieden, so dass ein Jahr später, am 3. Dezember 1901, einige von ihnen die Gruppe Tinerimea Artistică“, (Die Künstlerische Jugend“) gründeten. Dieser elitäre Verein bestand aus den Kunstmalern Ştefan Luchian, Gheorghe Petraşcu und Frederic Storck. Tinerimea Artistică“ integrierte sich schnell in den westlichen Raum, so dass die Ausstellung von 1904 als erste eine positive Rezension im The Studio“, einem sehr beliebten Kunstmagazin in London, erhielt, das schrieb: Einige der Künstler, deren Werke ausgestellt wurden, scheinen neuen Theorien und künstlerischen Formeln zuzustimmen.“ Erwin Kessler darüber:



    Das ist nicht viel, aber zumindest ist es ein Klaps auf die Schulter. In dieser dritten Ausstellung von 1904, der ersten, die in einen internationalen Kontext gestellt wurde, plant »Tinerimea Artistică« zum ersten Mal, eine Reihe von Künstlern aus den Nachbarländern, vor allem aus dem Balkanraum, in die rumänische Kunst und Ausstellungen einzubeziehen.“




    Bis zum Ende der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts war Rumänien eine ständige Präsenz in der europäischen Kulturlandschaft. Die Einführung der futuristischen Strömung in der Literatur hat eine wichtige Verbindung zu den rumänischen modernen Dichtern. Der Kunsthistoriker Erwin Kessler:



    In Rumänien war Filippo Tommaso Marinetti, der den Futurismus einleitete, noch vor Februar 1909 viel bekannter als in anderen Teilen Europas, als er in der französischen Zeitschrift »Le Figaro« das »Manifeste du Futurisme« veröffentlichte. Seine Arbeit begann 1905, als er anfing, die Poesia-Zeitschrift in Mailand zu veröffentlichen, die von Anfang den rumänischen Schriftstellern offenstand. Der Literaturkritiker Ovid Densuşianu schreibt über die Poesia-Zeitschrift und auch über Marinetti. 1906, im Jahr des Manifests des Futurismus, waren in »Poesia« einige Gedichte des rumänischen Dichters Alexandru Macedonski erschienen. Marinetti war also auf der rumänischen Kulturbühne bekannt.“




    Die künstlerische Avantgarde macht sich bemerkbar und prägt die rumänische Kultur in der Zwischenkriegszeit. Die von dem Dichter Ion Minulescu herausgegebene Zeitschrift Insula“ (Die Insel“), war eine Plattform für die rumänische Kulturavantgarde. Erwin Kessler dazu:



    Im Frühjahr 1912 wurde die Zeitschrift »Insula« von Ion Minulescu gegründet. Es war ein kometenhaftes, aber unverzichtbares Magazin, in dem eine Avantgarde-Bewegung offensichtlich war, ebenso offensichtlich wie die Uneinigkeit mit allem, was das System der rumänischen Moderne in diesem Moment bedeutete. Ein gro‎ßer Teil der Redaktion wird von einer Gruppe junger Gymnasiasten weitergeführt, die von Oktober bis Dezember 1912 eine Zeitschrift namens »Symbol« mit einer Illustration von Marcel Iancu herausbringen wird. Der künstlerische Leiter der Zeitschrift »Symbol« war Marcel Iancu, Herausgeber waren Ion Vinea und Samuel Rosenstock (der später als Tristan Tzara bekannt wird).“




    1924 wurde die Contimporanul“-Gruppe von Victor Brauner, Marcel Iancu, Miliţa Petraşcu und Mattis Teutsch gegründet, die auch mit dem Bildhauer Constantin Brâncuşi und einigen ausländischen Künstlern zusammenarbeiteten. Die erste Ausstellung der Gruppe Contimporanul“ veranstalteten die Künstler Arthur Verona, Camil Ressu und Ion Theodorescu Sion am 20. November 1924 im Saal der Gewerkschaft der Bildenden Künste in Bukarest.

  • Sozialistisches Gedankengut in Rumänien Ende des 19. Jh.

    Sozialistisches Gedankengut in Rumänien Ende des 19. Jh.

    Um das Jahr 1900 suchten die rumänischen Intellektuellen nach einer Lösung für die Probleme der Landwirte. Die Bevölkerung Rumäniens bestand damals zu 80% aus Bauern. Diesen sollte geholfen werden, aus der Armut herauszukommen. Der wichtigste Teil der rumänischen Elite war Anhänger der nationalen Idee, der Emazipation durch die Pflege der nationalen Identität. Diese Gedankenschule stützte sich vor allem auf kulturelle Elemente. Doch auch sozialistische Ideen hatten ihre Befürworter.



    Eine Minderheit der Intellektuellen war der Ansicht, dass die Wirtschaft und die soziale Emanzipation eine wichtigere Rolle spiele. Unter dem Einfluss des Sozialismus und des Marxismus hatten diese nicht nur gegen ihre konservativen Gegner zu kämpfen, sondern auch gegen diejenigen, die ihre Ideen, aber nicht ihre Lösungen unterstützten.



    Die nationale Idee war jedoch stärker, auch wenn um das Jahr 1900 sowohl der Nationalismus als auch der Sozialismus blühten. Der Soziologe Călin Cotoi von der Bukarester Soziologie-Fakultät erklärt, warum sich die nationale Idee durchsetzte:



    Wir haben es hier mit einer Art Ereignis, das eigentlich kein Ereignis darstellt, zu tun. Das Soziale erscheint nicht als Problem. Es handelt sich um eine rasche Nationalisierung des Sozialen, bevor es ein Problem wurde. Das geschah innerhalb der sozialistischen Disputen der Epoche. Wegen dieser raschen Nationalisierung infolge des Disputs zwischen den Poporanisten (abgeleitet von rum. ‚popor‘ = Volk) und den Marxisten kam es zur Entstehung einer nationalisierten sozialen Idee mit einer ethnischen Komponente. Als dann in der Zwischenkriegszeit das soziale Programm erscheint, ist es auf diese Periode zurückzuführen. Die Technokraten der Gusti-Schule oder der demographischen Schule von Sabin Manuilă und der Klausenburger Schule von Moldovan setzten die Diskussionen von 1900 fort.“



    Die beiden wichtigen Bewegungen, die sich für die Emanzipation der Landwirte einsetzten, waren der Marxismus und der Poporanismus. Obwohl beide Bewegungen peripherisch waren, konnten sie meistens keine gemeinsamen Punkte finden. Der Sozialismus hatte keinen gro‎ßen Einfluss in den Reihen der Landwirte.



    Der Marxismus wurde insbesondere von Constantin Dobrogeanu-Gherea vertreten. Er kam als Solomon Katz in einer jüdisch-ukrainischen Familie zur Welt, flüchtete nach Rumänien und wurde in Bukarest zu einem der einflussreichsten sozialistischen Theoretiker. Dobrogeanu-Gherea veröffentlichte mehrere Bücher, darunter auch eine marxistische Analyse der wirtschaftlichen Lage der Landwirte. Sein Gegner war ebenfalls ein Flüchtling, der aus Bessarabien stammende Constantin Stere. Dieser brachte die Ideen der russischen Narodniki nach Rumänien. Zusammen mit dem Literaturkritiker Garabet Ibrăileanu gründete er nach dem russischen Vorbild den Poporanimus. Der Soziologe Călin Cotoi dazu:



    Die Mehrheit der rumänischen Sozialisten entstammt — abgesehen von einer kleinen Minderheit mit einer französisch-belgischen Orientierung — dem russischen Projekt der Narodniki, der Volksfreunde. Die rumänischen Volksfreunde wollten aber nicht als russische Narodniki angesehen werden. Die rumänischen Poporanisten versuchen, sich von den Russen zu distanzieren. Stere hat Texte, die fast identisch mit denen von Nikolai Michailowski sind. Er zitiert aber Eduard Bernstein, Karl Kautsky, Karl Marx, deutsche Neopositivisten. Seine Literaturangaben sind überwiegend deutsch.“




    Die Beziehung zwischen den Intellektuellen und den Landwirten war wesentlich, der Vergleich mit dem Westen, der wirtschaftlich entwickeltesten Region, und die Überwindung der Gegensätze zwischen Fortschritt und Tradition waren wichtige Programm-Punkte. Călin Cotoi erläutert:



    Es ist interessant, den rumänischen Fall in diesem russischen Kontext zu betrachten. Der Poporanismus spielt, meiner Meinung nach, eine viel geringere Rolle in der Modernisierung der sozialen Idee. Es gibt zwei Dimensionen des Poporanismus, die man verstehen muss. Zum einen den theoretischen Weg, darauf bezieht sich insbesondere Constantin Stere — auch bei seinen Disputen mit den Marxisten. Die andere Dimension ist der diffuse Poporanismus, der, wie die Bewegung der Narodniki, Elemente der genossenschaftlichen Bewegung, die Entstehung von Banken und Unterstützung der ländlichen Kreditaufnahme umschlie‎ßt. Diese entwickeln sich nur wenig und werden vom Staat übernommen und zerstört. Die Übernahme der Bewegung der russischen Volksfreunde von Russland nach Rumänien bedeutet die Transplantation einer Bewegung aus einem Imperium in einen Rahmen, in dem gerade eine Nation aufgebaut wurde. Das ist der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Gedankenrichtungen.“



    Der Bauernaufstand von 1907 veranschaulicht und bestätigt die Diagnose, die die rumänischen Sozialisten um 1900 Rumänien folgenlos bescheinigt hatten. Die Lösung kam allerdings vom Staat, durch die später eingeleitete Bodenreform.



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