Tag: Choreographie

  • Interdisziplinäre Auftritte: Das Caleido-Festival der darstellenden Künste

    Interdisziplinäre Auftritte: Das Caleido-Festival der darstellenden Künste

    Die 4. Ausgabe des Festivals hatte als Ziel, den interdisziplinären, interkulturellen und interethnischen Dialog in der Reihe Caleido Talks zu erweitern. Dabei handelte es sich um Diskussionen in Form von Podcasts, die sich wiederum mit dem Thema des Festivals auseinandersetzten: die Gesellschaft vielseitig gesehen, durch den Filter von Stereotypen, Beziehungen, Frauen, Gemeinschaften und der jüngsten Geschichte. Künstlerische Leiterin des Festivals war in diesem Jahr Andreea Novac, eine unabhängige Künstlerin, Choreografin und Performerin.



    Diese ist die erste Ausgabe, an der ich aus dieser Perspektive beteiligt bin, die der Person, die die künstlerische Auswahl trifft. Frühere Ausgaben standen ganz im Zeichen von Vielfalt und Multikulturalität, und – soweit ich von den Initiatoren und Organisatoren erfahren durfte – entstand das Festival aus einem Bedürfnis heraus. Aus der Notwendigkeit heraus, im gleichen Raum und Kontext extrem diverse Leistungen zusammenzubringen. Und wenn ich sage divers, dann meine ich das Thema, den ästhetischen Modus und Diskurs. Und die Idee war, wie ich schon sagte, dass diese Performances am selben Ort präsentiert werden sollten, damit das Publikum Verbindungen herstellen und die Phänomene beobachten kann, denen die Künstler nachgehen, um mehrere Perspektiven auf dieselbe Sache zu haben.



    Ich bin Choreographin. 2019 produzierte das Caleido Festival eine Aufführung, die ich mit dem Schauspieler István Téglás gemacht habe. Und weil den Leuten, die das Festival vor zwei Jahren organisiert haben, diese Aufführung gefallen hat, schlugen sie vor, dass ich dieses Jahr die Veranstaltung im Bereich Tanz und Performance weiterentwickle. Ich habe zugesagt, weil mir die Idee sehr gut gefiel, vor allem, weil ich nicht der Meinung bin, dass die Aufführungen spezialisiert sein sollten, dass sie ausschließlich Tanz- oder Theateraufführungen sein sollten. Ich glaube, dass eine Aufführung eine Mischung aus verschiedenen Künsten sein kann, und unter diesem Gesichtspunkt war Caleido genau die Plattform, die ich brauchte, eine Plattform, die mir half, meine Möglichkeiten zu entwickeln.



    Andreea Novac, die künstlerische Leiterin des Festivals, stellte uns auch die vier Produktionen des Caleido-Festivals vor, eine Veranstaltung, die auf die unsichere und instabile Situation des unabhängigen Theaters und der darstellenden Künste im Allgemeinen aufmerksam machen will.



    Wir haben auch mit den Vorschlägen der Organisatoren gearbeitet und wir haben zwei Ausschreibungen eingeplant. Eine für Aufführungen, die wir zum Festival einladen und eine andere Ausschreibung für Aufführungen, die wir während des Festivals produzieren, ein sehr wichtiger Aspekt von Caleido. Caleido hat im Jahr 2020 vier Aufführungen produziert, was für ein Festival und für ein so schwieriges Jahr wie 2020 sehr viel ist, und in diesem Jahr kamen diese Premieren heraus. In Bezug auf die Ausschreibung, war es mir ein großes Anliegen, Aufführungen von außerhalb Bukarests in das Festival einzubeziehen. Es gibt eine Menge unabhängiger Künstler landesweit, mit sehr starken Vorschlägen und ich wollte ihre Absichten kennenlernen und, soweit es mir möglich war, sie zum Festival einladen und diese vier Aufführungen zu produzieren.


    Um die Geschichte knapp zu erzählen: Ich habe Paul Duncă/Paula Dunker, einer queeren Aktivistin, die volle Freiheit gewährt, ein Team zu gründen, mit dem sie eine Aufführung mit dem Titel Anbetung der radikalen Performance auf die Beine gestellt hat. Es ist eine Aufführung über die Voguing-Bewegung (eine Tanzart, die sich in den 80er Jahren in Harlem entwickelte). Soweit ich weiß, ist es eine der wenigen Produktionen in unserem Land, die sich mit diesem Phänomen befasst und es auf eine tiefe Art und Weise behandelt, die mehreren Ebenen folgt. Es gibt eine persönliche Ebene, aber es gibt auch viele Informationen in der Aufführung über die Voguing-Kultur, die in unserem Land nicht sehr bekannt ist. Umso mehr lohnt es sich, das Stück wegen dieser sehr starken pädagogischen Dimension zu sehen. Es ist eine Aufführung, die einen mit Energie erfüllt, visuell sehr schön und vom Publikum leicht zu empfangen.


    In diesem Jahr präsentierte Caleido auch Bildungswoman unter der Regie von Elena Morar, eine Aufführung, die dem Projektaufruf entspricht. Bildungswoman ist eine Produktion, die visuell viel zu bieten hat, aber auch eine Aufführung mit Inhalt ist. Es ist eine Aufführung über Frauen und über das Erwachsenwerden. Ich zögere, es ein feministisches Manifest zu nennen, aber das Stück hat eindeutig eine sehr starke feministische Dimension. Eine weitere Caleido-Produktion war Fräulein Iulia, eine Produktion unter der Regie von Andreea und Andrei Grosu. Fräulein Iulia ist ein Ende des 19. Jahrhunderts geschriebener, aber sehr aktueller Text. Und die letzte Caleido-Produktion war Libretto Impostura, in der Regie von Matei Lucaci-Grünberg, der zweite Teil einer Trilogie. Eine Aufführung, die mit Humor und Ironie und auf eine sehr gesunde Weise über Hochstapelei spricht.


    Audiobeitrag hören:


  • Rumänisch-italienische Choreographin zählt auf emotionale Tiefe nach der Pandemie

    Rumänisch-italienische Choreographin zählt auf emotionale Tiefe nach der Pandemie

    Valentina de Piante-Niculae ist Choreographin und lebt in Rumänien seit mehr als 20 Jahren. In ihrer Heimatstadt Udine hat unsere Gesprächspartnerin klassische Philologie sowie klassischen und zeitgenössischen Tanz studiert. 1998 hat sie sich für Rumänien entschieden. In Bukarest hat sie die Nationale Hochschule für Kino und Theater (UNATC) I.L. Caragiale“ absolviert, wo sie derzeit unterrichtet. Valentina de Piante Niculae ist Künstlerin und Forscherin, sie unterstützt unabhängige Tanzprojekte und ist die erste Expertin in Rumänien, die die körperorientierte Feldenkrais-Methode in ihrer Pädagogik anwendet. Einige ihrer Projekte hat die Choreographin den Kindern mit kognitiver und Sehbehinderung gewidmet. Die dreifache Mutter erzählt wie sie in Isolation die Arbeit mit der Mutterrolle verbindet.



    Ich bin sehr froh, dass ich meine Gedanken mit Ihnen teilen darf. Ich nutze vor allem die Bewegung als wichtiges Wahrnehmungsmittel, weil ich an der Hochschule für Theater und Film in Bukarest Komposition und Tanztechnik unterrichte, und der Tanz erlaubt mir, meine Stimmung und meine Gedanken durch Bewegung zum Ausdruck zu bringen. Die Zukunft kann man weder kontrollieren noch vorhersagen, was wir aber tun können, ist, kreative Lösungen für jede Situation zu finden. Was die Familie angeht, glaube ich, dass man sich ohne Disziplin nicht organisieren kann. Meistens machen wir uns abends den Plan für den nächsten Tag und ich glaube, dass sich auch unser Zeitmanagement unter den aktuellen Umständen geändert hat. Jetzt müssen wir nicht mehr ständig aktiv sein, den ganzen Tag hin und her laufen, um in verschiedenen Kontexten präsent zu sein. Meine Mutterrolle musste ich natürlich auch vorher erfüllen, ich mache also nichts Neues, es handelt sich bei mir eher um eine Umorganisierung der Aufgaben, die ich als Umorganisierung der Gedanken betrachten möchte. Ich mache alles, einschlie‎ßlich der Hausarbeit, sehr gerne.“




    Nach Italien zu reisen, war in dieser Zeit unmöglich, und Valentina de Piante konnte einen Teil ihrer Familie, die in Italien lebt, auch nicht zu Ostern besuchen:



    Die Familienfeier zu Ostern war leider unmöglich. Dieses Fest trägt für meine Familie eine besondere Bedeutung. Für mich stellt es vor allem die Wiedergeburt des Menschen dar, aber dieses Jahr mussten wir eine Umorganisierung des Alltags erleben. Mal sehen, was in den kommenden Monaten passiert. Meine Familie in Italien ist sehr gro‎ß, und dort habe ich auch viele Freunde. Der Tod gehörte leider zum Alltag in meinem Heimatland. Ich bete für mein Land und für mein Volk, dass es diese gro‎ße Herausforderung bewältigen kann. Das italienische Gesundheitssystem ist hoffnungslos überfordert. Diese Pandemie wird ohne Zweifel die Gesellschaft verändern.“




    Die Kreativität spielt in Zeiten der Krise eine grö‎ßere Rolle als zuvor und Künstler gehen auch mit schmerzhaften Themen wie Krankheit und Tod um. Für welche Themen wird sich die Choreographin Valentina de Piante-Niculae nach dieser Erfahrung entscheiden?



    Dass wir unser Leben und das Leben der anderen schätzen müssen, dass die Familie sehr wertvoll ist. Es gibt so viele Themen, die einen neuen Suchmotor darstellen können, so zum Beispiel die soziale Interaktion, ohne zu viel zu sagen, denn unser Körper sagt mehr als tausend Worte. Ich freue mich darauf, meine Gedanken und Gefühle in der Isolation durch Tanz zum Ausdruck zu bringen. Ein weiteres Thema wären die negativen Emotionen, die wir meistens ignorieren, selbst wenn sie auch ein starkes Gefühl darstellen. Ich bin mir der vielfältigen Nuancen und der emotionalen Tiefe des Menschen bewusst und ich wei‎ß, dass wir, je mehr wir unsere Emotionen wahrnehmen, desto besser verstehen, was die anderen fühlen, weil wir die jeweiligen Stimmungen bei uns erkennen. Der Mensch sollte meiner Meinung nach in jeder Situation im vollen Bewusstsein da sein und fühlen, dass er selber über sein Leben entscheiden kann. Wir können uns entscheiden, auch unter den aktuellen Umständen glücklich zu sein und dieses Gefühl mit den anderen zu teilen.“

  • Regionale Choreographie-Biennale: Produktionen aus Osteuropa im Dialog

    Regionale Choreographie-Biennale: Produktionen aus Osteuropa im Dialog

    In der ersten Novemberwoche fand in Bukarest die Pilotveranstaltung der Regionalen Choreographie-Biennale statt. Daran arbeiteten das Nationale Tanzzentrum Bukarest und die polnische East European Performing Arts Platform zusammen. Die Regionale Biennale, die unter der Bezeichnung Re//Dance gefördert wurde, soll das erste Branchenereignis des zeitgenössischen Tanzes in Mittel- und Osteuropa werden.



    Als sie im Herbst 2013 ihre Amtszeit als Intendantin des Nationalen Tanzzentrums antrat, wäre die Idee von der Veranstaltung bereits ansatzweise aufgekommen, erzählt die Choreographin Vava Ştefănescu. Man habe bereits damals den Bedarf einer Internationalisierung verspürt, einer Vernetzung mit der Au‎ßenwelt.



    Die Biennale sei nicht auf den Tanz im traditionellen Sinne ausgerichtet, erklärt die Kunstkritikerin Iulia Popovici. Deshalb sei in der Bezeichnung das Wort Choreographie enthalten, und nicht der zeitgenössische Tanz.



    Wir leben in einer Welt, in der die Choreographie überall ist. Wir haben die soziale Choreographie… jeder bewegt sich. Die Choreographie ist also in unserem Alltag präsent. Es gibt diese realitätsfremde Idee, dass der Tanz nur zwischen drei schwarzen Wänden und einer vierten Wand passiert, die das Publikum darstellt, und dass er des gesamten professionellen Künstlerensembles bedarf. Nein, zwischen diesem Konzept und der zeitgenössischen Choreographie liegen heute Welten. Es gibt eine Vielfalt von Ausdrucksformen, die dem gewöhnlichen Menschen immer näher stehen, eben weil der zeitgenössische Tanz schon immer eine Nischenkunst war und er keine Chance hat, anders zu werden.“




    Auf dem Programm der Regionalen Choreographie-Biennale standen Aufführungen aus Bulgarien, Tschechien, Kroatien, Polen, Ungarn und Rumänien. Die mexikanische Künstlerin Cristina Maldonado lebt zurzeit in Prag. Ihre perfomative Installation The Stranger Gets a Gift Service — Interruptor“ ist für die Biennale ausgewählt worden. Damit dürfen die Besucher jeweils nur einzeln, der Reihe nach, experimentieren. Cristina nennt sie absichtlich nicht Zuschauer, weil jeder der Besucher eingeladen wird, mit der Installation zu experimentieren, in einem Raum, in dem man sich allein wiederfindet.



    Über viele Jahre hinweg wollte ich Erfahrungen schaffen, die dem Zuschauer die Möglichkeit bieten, sich in unterschiedlicher Art und Weise mit den Dingen auseinanderzusetzen. Sie sollten nicht einfach sitzen bleiben und die Aufführung verfolgen. Andererseits sollte nicht die Situation entstehen, in der man irgendwohin geht und einer einem sagt, man soll vor allen Leuten aufstehen und teilnehmen. So etwas missfällt mir wirklich sehr. Es soll eher wie eine Einladung zum Abendessen sein, wenn man jemanden einlädt, Gerichte zu kosten, die einem selbst schmecken. Oder wenn man ein Umfeld schafft, in der die Person von einfachen Dingen aus dem eigenen Alltag überrascht wird, die aber auf einmal interessant oder magisch wirken. Es sind Dinge, die von jener Person neu entdeckt werden. Es ist wie eine Zeit für sich selbst. Man stellt die Verbindung zu den eigenen Gefühlen oder Gedanken her.“




    Ein weiterer Höhepunkt der Biennale war Mothers of Steel“, eine rumänisch-polnische Co-Produktion. Die Performance wurde von Mădălina Dan und Agata Siniarska ausgearbeitet und umgesetzt. Ihre Zusammenarbeit sei rein zufällig entstanden, im Rahmen eines europäischen Programms, eröffnet Siniarska.



    Wir wussten nicht, was wir tun sollen. Die Tatsache, dass wir beide aus ex-kommunistischen Ländern stammen, war die offensichtliche Schnittmenge. Wir haben begonnen, uns über unsere Mütter zu unterhalten und darüber, wie Mütter in der kommunistischen Zeit waren, in Rumänien und Polen. Das war der Ausgangspunkt dieser Forschungsarbeit. Wir haben festgestellt, wieviele Klischees es über Polen in Rumänien gibt und umgekehrt, über Rumänen in Polen. Wir dachten, der Kommunismus sei ein einziger gewesen, dabei kam er auf so unterschiedliche Art und Weise in den beiden Ländern zum Ausdruck. Es gibt aber auch bestimmte Verbindungen. Dieser kulturelle, aber auch historische Austausch war äu‎ßerst interessant.“




    Das Projekt Mothers of Steel“ untersuche das Weinen als Praxis, also den Umgang mit den Affekten und insbesondere das Tränenvergie‎ßen, sagt die rumänische Choreographin Mădălina Dan:



    Wir waren nicht unbedingt an den persönlichen Bereichen interessiert, sondern eher an der politischen Verbindung oder an der Ebene der nationalen Identität und an deren Bedeutung — warum müssen wir uns emotional identifizieren und warum gibt es die Möglichkeit, unter den Dingen zu leiden, die uns nahe stehen. All das auf Ebene der Nostalgie, der persönlichen Geschichte, der Orte in denen wir gewohnt haben, der Sprache… Wir beide waren an diesem Bereich interessiert. Sie interessierte sich mehr für die Pathos-Ebene, die sich auf den Monumentalismus oder den Propaganda-Bereich auswirkt, bzw. wie es ist, wenn man wahre Gefühle für die eigene Heimat hat, was man unter dem kommunistischen Regime ja auch anstrebte. Ich war eher an der affektiven Ebene interessiert — welche Hebel gibt es, warum fühlen wir uns am Ende so, warum identifizieren wir uns mit der emotionalen Dimension des Nationalen.“




    Die Regionale Choreographie-Biennale ermöglicht dem zeitgenössischen Tanz aus Rumänien, sich mit dem zeitgenössischen Tanz der Region zu vernetzen. Allerdings habe auch das Publikum diese Chance bekommen, glaubt die Intendantin des Tanzzentrums in Bukarest, Vava Ştefănescu:



    Jede Reise lehrt dich etwas über dich selbst, es bringt dir bei, dich neu zu orientieren, dich selbst weiter zu entwickeln, dich neu zu konstruieren. Und das geschieht auch mit den Gastaufführungen, mit den Ideen der durch die Region reisenden Künstlern. Wenn man sich nur auf einen sehr beschränkten und geschlossenen Raum bezieht, hat man wenig Chancen, sich weiter zu entwickeln und das eigene Denken zu erweitern. Dass man in letzter Zeit viel Wert auf Mobilität legt, in allen möglichen Programmen, ist nicht nur eine Modeerscheinung. Ich finde, dass die Entwicklung in Osteuropa sehr wertvoll ist, aber nicht nur aus der Perspektive der Abgrenzung vom Westen, sondern vor allem als sehr authentischer Gedankenraum, der sehr unterschiedlich auf die Konfrontation mit Marktsystemen reagiert. Wir haben festgestellt, dass die Situation des zeitgenössischen Tanzes in diesen Ländern ähnlich ist und dass unsere Bedürfnisse die gleichen sind, vor allem dieser Bedarf einer stärkeren Verbindung mit dem Publikum.“

  • Nationales Theaterfestival 2016: Mehr Tanz als Theater

    Nationales Theaterfestival 2016: Mehr Tanz als Theater

    Vom 21.-30. Oktober 2016 fand in Bukarest das Nationale Theaterfestival statt. Im Mittelpunkt jedes Theatertreffens stehen der Dialog und die Idee, dass Künstler zusammenkommen und Erfahrungen austauschen, das ist auch, was wir beim 26. Nationalen Theaterfestival unseren Gästen anbieten werden“, erklärte die Theaterkritikerin Marina Constantinescu, Intendantin der Festspiele, auf der ersten Pressekonferenz des Festivals.



    Die 26. Auflage des Nationalen Theaterfestivals wurde der Choreographin Miriam Răducanu gewidmet, einer herausragenden Persönlichkeit des rumänischen Gegenwartstanzes. Bei der offiziellen Eröffnung des Festivals stand der Choreograph Gigi Căciuleanu, ein ehemaliger Schüler und Bühnenpartner von Miriam Răducanu, im Mittelpunkt. Eröffnet wurde das Nationale Theaterfestival 2016 mit der Foto-, Video- und Graphikausstellung Căciuleanu“ und einer Coupé-Tanzaufführung mit mehreren kurzen Tanzstücken. Ehrengäste waren die amerikanische Choreographin Carolyn Carlson und der französische Choreograph Angelin Preljocaj. Ferner wurden im Rahmen des Festivals Tanzaufführungen des ungarischen Choreographen Pál Frenák und der der rumänischen Choreographen Răzvan Mazilu und Andreea Gavriliu präsentiert.



    Wenn man ein Theaterfestival einer Persönlichkeit wie Miriam Răducanu widmet, bedeutet das nicht nur Tanz, sondern auch Kultur und Schönheit“, sagte Gigi Căciuleanu, der seine Karriere als Tänzer und Choreograph seiner Mentorin Miriam Răducanu zu verdanken hat. Die 1924 geborene Miriam Răducanu revolutionierte den Gegenwartstanz in Rumänien. Sie brachte Poesie und Musik zusammen, mit der Kraft und der Botschaft einer einmaligen Tanzsprache“, sagte die Tanzkritikerin Gina Şerbănescu bei der Eröffnung des Theaterfestivals.



    Der Tanzmacher“ (wie er sich selbst nennt) Gigi Căciuleanu eröffnete das Nationale Theaterfestival mit der Ausstellung Căciuleanu“ und schloss es mit einer Buchvorstellung ab. In dem Band Miroirs“ (Spiegel“) sammelte er zahlreiche Texte, die im Laufe der Jahre entstanden sind. Gigi Căciuleanu:



    Soweit ich mich erinnern kann, habe ich immer auf Papierstücken etwas gekritzelt. So schreibe ich meine Tänze auf. »Miroirs« ist ein Buch, das vor allem aus Tänzen besteht, genauso wie meine Tänze grö‎ßtenteils aus Gedichten und Zeichnungen bestehen. Das Buch lässt sich leicht lesen, es ist gar nicht langweilig. Es enthält viele Gedichte, die ich auf Französisch geschrieben, dann ins Rumänische übertragen habe. Und während ich meine auf Französisch geschriebenen Gedichte ins Rumänische übertrug, entdeckte ich unsere wunderbare Sprache wieder, und begann, wieder in meiner Muttersprache zu schreiben.“




    In den ersten zwei Tagen des Nationalen Theaterfestivals hatte das rumänische Publikum die Gelegenheit, einen der besten europäischen Choreographen kennenzulernen. Der französische Choreograph albanischer Abstammung Angelin Preljocaj kam nach Bukarest mit der Tanzaufführung La Fresque“ (Das Fresko“), die von einem chinesischen Märchen inspiriert wurde und vor einem Monat ihre Weltpremiere hatte. Angelin Preljocaj dazu:



    Ich wollte andere Märchen entdecken, ich wollte etwas Anderes, und nicht mehr die bekannten »Aschenputtel« oder »Schwanensee«, die traditionsgemä‎ß für romantische Ballettaufführungen verwendet werden. Ich wollte herausfinden, wie Geschichten oder Märchen in anderen Kulturen übermittelt werden, was sie vermitteln, welchen tieferen Sinn sie enthalten. Ich entdeckte dieses mittelalterliche chinesische Märchen, das ich wirklich wunderbar finde, ein Märchen, das die äu‎ßerst subtile Frage der Vorstellung behandelt. Im Grunde genommen ist die Geschichte der Malerei, die mit den Höhlenmalereien der prähistorischen Menschen angefangen hat, bis zum heutigen Tage mit der Konzeptkunst verbunden. Diese gesamte Geschichte der Malerei und der Vorstellung finde ich besonders interessant, und in der heutigen Zeit des Internets erleben wir die Vorstellung auf höchst seltsame Art. Abgesehen davon erzählt das Märchen eine wundervolle Liebesgeschichte — jemand träumt, dass er sich in eine Vorstellung verliebt.“




    Die in Kalifornien geborene und in Paris lebende Choreographin Carolyn Carlson hielt ein Workshop im Rahmen des Nationalen Theaterfestivals und präsentierte in Bukarest zwei Tanzaufführungen: Short Stories“ (Kurzgeschichten“) und Now“ (Jetzt“). Jetzt“ vermittelt Hauptgedanken wie Tanz lebt und stirbt jetzt“, oder wir haben die Möglichkeit, die Welt jetzt zu ändern“. Carolyn Carlson über diese Tanzaufführung:



    Einerseits habe ich eine Vorliebe für den französischen Philosophen Gaston Bachelard. Ich schuf bereits zwei Tanzaufführungen nach seinen Texten »Leau et les rêves« (»Das Wasser und die Träume«) und »Lair et les songes« (»Die Luft und die Traumbilder«). Die dritte Tanzaufführung, »Jetzt«, basiert auf »La poétique de lespace« (»Die Poetik des Raumes«). Es geht dabei um Wälder, Grenzenlosigkeit und Intimität. In Paris fuhr ich mit der Metro zu den Proben, und es fiel mir auf, dass niemand wirklich da war. Das hei‎ßt, dass alle Leute mit ihren Handys beschäftigt waren. Und ich fragte mich: Ist noch jemand wirklich da? Warum kann man sich nicht mehr seine Mitfahrer anschauen und einfach die Fahrt genie‎ßen? Wir nehmen das Leben nicht mehr wahr, wir sind zu beschäftigt, wir sind nicht mehr hier und jetzt. Und ich nannte meine Tanzaufführung »Jetzt«.“




    Die Tanzkunst war beim Nationalen Theaterfestival in mehreren Theateraufführungen präsent. Bei zwei Aufführungen, die am letzten Festivaltag präsentiert wurden, gestaltete Andreea Gavriliu die Choreographie. Es handelt sich um Tänzerin im Dunkeln“, in der Regie von Vlad Massaci, eine Bühnenadaption nach dem Spielfilm Dancer in the Dark“, von Lars von Trier, und um das Stück Zu Befehl, mein Führer“, eine Aufführung des Regisseurs Mihai Măniuţiu mit Maia Morgenstern in der Hauptrolle. Andreea Gavriliu spricht über ihre Choreographien:



    In »Dancer in the Dark« versuchten wir, eine besonders expressive Welt der Klänge zu schaffen. Wenn jemand fast blind ist, verfeinern sich die anderen Sinne, vor allem das Gehör. Wir versuchten, dies mit der Körpersprache darzustellen, wir wollten zeigen, dass die Rhythmen und die Klänge, die uns im Alltag umgeben, viel prägnanter werden und eine stärkere Wirkung auf unseren Körper haben. Deshalb haben wir eine besonders suggestive Musik ausgewählt — alle gewöhnlichen Geräusche und Klänge, die wir normalerweise kaum noch wahrnehmen, werden zu Musik. Das Stück »Zu Befehl, mein Führer« ist etwas ganz Anderes. Es geht um das Schicksal einer Frau, die während des Nationalsozialismus aufgewachsen ist, aber immer versucht hat, nur Gutes zu tun, auch wenn das Nazi-Regime eine Katastrophe für die Menschheit war. Mit meiner Choreographie wollte ich die Härte des Nazi-Regimes ausdrücken.“




    Über die Bedeutung der starken Präsenz des Tanzes auf dem Nationalen Theaterfestival 2016 sagte Andreea Gavriliu:



    Alles, was ein Schauspieler bei der Gestaltung seiner Rolle macht, hat eine bedeutende choreographische Komponente. Das sollte immer deutlicher werden, sowohl für die Theaterprofis, Darsteller, Regisseure usw. aber auch für die Zuschauer im Saal.“

  • Jubiläum: 10 Jahre seit Gründung des Nationalen Zentrums für Zeitgenössischen Tanz

    Jubiläum: 10 Jahre seit Gründung des Nationalen Zentrums für Zeitgenössischen Tanz

    Vor zehn Jahren, als das Nationale Zentrum für Zeitgenössischen Tanz gegründet wurde, war es die erste Institution in Rumänien, die den zeitgenössischen Tanz förderte. Heute erfreut sich das Zentrum der Anerkennung zahlreicher Tanzkünstler, denen es zum Durchbruch verhalf.



    Eine au‎ßerordentliche Branchensolidarität — Kundgebungen, Medienberichte und Unterstützungsbriefe aus dem Ausland — haben dazu geführt, dass im Jahr 2004 einen Regierungsbeschluss unterzeichnet wurde, der die Gründung des Nationalen Zentrums für Zeitgenössischen Tanz (CNDB) in Bukarest regelte. Zehn Jahre später bleibt es die einzige öffentliche und unmittelbar dem Kultusministerium untergeordnete Kulturinstitution, die zum Zweck ins Leben gerufen wurde, den zeitgenössischen Tanz in Rumänien zu unterstützen, zu entwickeln und zu fördern. Unter dem Slogan: Menschen, die die Welt bewegen“ begeistert das Bukarester Zentrum das Publikum und unterstützt die Tanzkünstler von heute.



    Was das 10. Jubiläum für die Führung der Institution bedeutet, erläutert im Folgenden die Choreographin Vava Ştefănescu, Managerin des Tanzzentrums:



    Wir dürfen nicht vergessen, dass es ein paar Tänzer, Choreographen und Kulturmanager gab, die sich dafür eingesetzt haben, den zeitgenössischen Tanz zu fördern. Den ersten, den ich erwähnen möchte, ist Mihai Mihalcea, der als erster die Institution leitete und ein bestimmtes Genre des zeitgenössischen Schaffens im öffentlichen Raum der rumänischen Kultur durchsetzte. Dieses neue Genre hat jetzt viele Chancen, sehr bekannt zu werden, weil die Grundlagen dafür bereits geschaffen wurden.“




    2006, als das Tanzzentrum seine Tätigkeit begann, schlug es im rumänischen Kulturleben eine Kunst und eine Institution vor, die nicht die üblichen Merkmale aufweist, die die Trägheit verweigert und hartnäckig experimentiert, erzieht und Risiken eingeht“. Das soll jede Institution anstreben, die sich zum Ziel setzt, einen lebendigen Kunstbereich zu schaffen. Vava Ştefănescu dazu:



    Wir fördern und unterstützen die zeitgenössische Kunst aus öffentlichen Finanzmitteln. Meiner Ansicht nach sind wir völlig berechtigt, diese Finanzmittel zur Verfügung zu haben, um den Weg der Entwicklung der zeitgenössischen Kunst ebnen zu können. Ich ma‎ße mir dieses Recht an, denn derzeit leite ich die einzige Institution, die dem Kultusministerium untergeordnet ist und sich mit dem zeitgenössischen Tanz beschäftigt. Diese Institution weist ein enormes Potential in der rumänischen Kultur auf, weil sie den Akzent auf die Zukunft setzt und das Publikum erzieht. Daher ist der zeitgenössische Tanz meiner Meinung nach völlig berechtigt, finanzielle Unterstützung zu bekommen.“




    Das Nationale Zentrum für Zeitgenössischen Tanz wurde für Künstler gegründet, die ihrerseits dem Publikum ein neues Produkt anbieten. Von der Existenz dieser Institution haben also beide Kategorien profitiert. Welche endgültige Form hat dieser gegenseitige Vorteil genommen? Auf diese Frage antwortet unsere Gesprächspartnerin Vava Ştefănescu:



    Seit zehn Jahren hat sich das Zentrum mit der Produktion von Tanz-Aufführungen, künstlerischer Ausbildung, Forschung, Recherche und Debatte beschäftigt. Es handelt sich um vier gro‎ße Kategorien, in die es investiert wurde und die Künstler haben wichtige Finanzmittel bekommen, um ihre Projekte umzusetzen. Das ist die einzige Institution, deren Künstler nicht fest angestellt sind. Es geht um eine sogenannte Gastgeber-Institution und gleichzeitig eine Produzenten-Institution. Sieben Jahre lang finanzierte das Zentrum für Zeitgenössischen Tanz Projekte au‎ßerhalb des choreographischen Bereichs. Dass diese Finanzierung funktioniert hat, führte dazu, dass die zeitgenössische choreographische Szene reif geworden ist, und viele Künstler haben angefangen, selbstständig zu arbeiten und ihre eigenen Ressourcen zu finden. Wir sind nicht mehr in demselben Zustand wie im Jahr 2004. Die Künstler haben nicht nur ihre Projekte zur Schau stellen, sondern sie auch umsetzen können.“




    Beim 10. Jahrestag hat die Institution erstmals sechs Preise nicht-hierarchisch verliehen, die die Tätigkeit im Bereich der zeitgenössischen Kunst ehren. Die Preisverleihung zielte sowohl darauf ab, Kunstprojekte zu fördern, die finanziell schwierige Zeiten durchmachen, als auch diejenige zu ehren, die eine besondere künstlerische Haltung, Professionalismus aufweisen oder es einfach bewiesen haben, dass sie unter schwierigen Bedingungen hartnäckig dafür kämpfen, aus dem zeitgenössischen Tanz eine der äu‎ßerst sichtbaren und avantgardistischen Kunstsparten zu machen. Die Trophäe“ des Nationalen Zentrums ist ein Ziegelstein, der symbolisch für die Grundlage des Aufbaus des zeitgenössischen Tanzes in Rumänien steht. Die Preise des Bukarester Zentrums für Zeitgenössischen Tanz gingen an: Ioan Tugearu, Mihaela Dancs, Cosmin Manolescu, Silvia Ghiaţă, Alexandra Pirici und Manuel Pelmuş, Mihai Mihalcea. Vava Ştefănescu dazu:



    Ich möchte, dass sich alle daran erinnern, dass Ioan Tugearu eine wesentliche Rolle bei der Gründung des Zentrums spielte. Silvia Ghiaţă hat jahrelang die Sendung »Die Welt des Tanzes« nicht nur mit rumänischen Tänzern, sondern auch mit ausländischen Künstlern auf der rumänischen Szene gestaltet. Die Sendung lief jede Woche und hat ein reiches Erbe hinterlassen, hat einen deutlichen Beitrag zur Zukunft der Kunst geleistet. Solche Leute sind und bleiben sehr wichtig, deshalb haben wir diese Auszeichnung ins Leben gerufen.“




    Wie sieht die Zukunft für den zeitgenössischen Tanz in Rumänien aus? Die Intendantin des Zentrums, Vava Ştefănescu, ist der Meinung, dass die Entwicklung dieser Kunst auf Investitionen basiert. Je grö‎ßer die Investition, desto wichtiger die Ergebnisse. Darauf ist auch der Name ihrer Management-Strategie, Marshall-Plan für den zeitgenössischen Tanz“, zurückzuführen. Fünf gro‎ße Projekte nehmen an dieser Strategie teil, alle sehen Investitionen von mehreren unterschiedlichen Seiten vor. Das erste Projekt stellt die Produktion von Aufführungen aus Ressourcen des Zentrums, anderer Theater und Kulturinstitutionen in den Vordergrund, das zweite sieht vor, Aufführungen auf die Bühne zu bringen. Das Nationale Zentrum für Zeitgenössischen Tanz hat vor, die Institutionen mit bis zu 50% der Kosten zu unterstützen, die Aufführungen produzieren und auf die Bühne bringen wollen. Im Rahmen des dritten Projektes wollen die Künstler diese Kunstform in Schulen bringen und das vierte Programm fördert die Forschung und die Recherche im Bereich. 2016 soll sich das letztere in Form eines Portals des rumänischen zeitgenössischen Tanzes konkretisieren. Ergänzt werden die Projekte mit der Pop-up-Kategorie, die die Umsetzung spontaner Ideen fördert.

  • „dans//pl“ – Die Tage des polnischen Tanzes in Bukarest

    „dans//pl“ – Die Tage des polnischen Tanzes in Bukarest

    Das Bukarester Nationalzentrum für Zeitgenössischen Tanz (CNDC) war zwei Wochen lang Gastgeber der Tanzaufführungen Tanz//pl — Gestern. Morgen. Heute“, die dem rumänischen Publikum einen Querschnitt durch die polnische zeitgenössische Tanzszene präsentierte.



    Die Tage des polnischen Tanzes wurden vom Theater Dada von Bzdülöw“ aus Danzig eröffnet. Das Theater wurde 1992 von Leszek Bzdyl und Katarzyna Chmielewska gegründet. Auf der Bukarester Bühne präsentierten sie die Aufführung Nicht existierende Duette“, deren Thema die Begegnung zwischen Mann und Frau unter allen möglichen Formen darstellt. Literatur als Inspiration für den Tanz schlagen die polnischen Tanzkünstler Leszek Bzdyl und Katarzyna Chmielewska vor. Dasselbe gilt auch für Die unsichtbaren Duette“. Der Choreograph Leszek Bzdyl:



    Diese Tanzaufführung beruht auf dem Buch von Italo Calvino, »Die unsichtbaren Städte«. Ich habe das Buch gelesen und dachte, das ist eine äu‎ßerst interessante Geschichte. Marco Polo versucht Khan Kublai die Geschichten einiger Städte zu erzählen, diese Städte existieren aber nicht. Jede Stadt vibriert vor Gerüchten, Farben, Ideen… Wir haben die Idee der unsichtbaren Städte übernommen und dachten, es wäre interessant, die Geschichte einer Frau und eines Mannes durch Tanz zu schildern, so wie die Gestalten Marco Polo und Khan Kublai in Calvinos Buch über diese Städte sprechen.“




    Während die zwei Tänzer Geschichten mit ihren Körpern erzählen, laufen im Hintergrund Texte, die ebenfalls Geschichten erzählen. Der Choreograph Leszek Bzdyl mit Einzelheiten:



    Um uns herum laufen viele Wörter. Handelt es sich um eine Lebenssituation, versuchen wir, sie zuerst sprachlich zu beschreiben. Es handelt sich eigentlich um Kopien der Wörter, die wir in anderen Situationen benutzen. Daher haben wir uns entschieden, diese Geschichte zwischen einer Frau und einem Mann lebensnah zu schildern, ohne von Wörtern Gebrauch zu machen. Wir stehen einfach auf der Bühne und die Wörter, das Gedicht, der Text laufen alle um uns herum. Ausschlaggebend ist in diesem Fall unsere Verständnisebene, was wir sehen wollen. Der Text, den wir auf Leinwand projizieren, ist das Gedicht eines Freundes, aber nicht über uns. Es handelt sich um die Geschichte zwischen einer Frau und einem Mann. Ein anderes Gedicht eines polnischen Autors versucht etwas über eine Frau und einen Mann zu erzählen, bis zuletzt erzählt der Autor über sich selbst. Das stellt eine wahre Herausforderung für das Publikum dar: Was wollt ihr sehen? Wollt ihr eure eigenen Geschichten sehen oder hier mit uns sein? Wollt ihr die Wörter oder die Gesten, die Empfindlichkeit der Darsteller auf der Bühne fühlen?“




    Auf Einladung des Tanzensembles komuna//warszawa brachte der Tänzer und Choreograph Mikołaj Mikołajczyk im Rahmen des Projektes RE//MIX eine der Legenden des polnischen Theaters, den Choreographen, der ihn am Anfang der Karriere unterstützte, Henryk Tomaszewski, in die Aufmerksamkeit des rumänischen Publikums. Die Tanzaufführung RE//MIX Henryk Tomaszewski“ wurde auch in Bukarest während der Tagen des polnischen Tanzes präsentiert. Sein Maestro stellte die Ästhetik, die Tanztechnik in den Mittelpunkt, er hingegen lege auf den Kontakt zum Publikum und den emotionalen Aspekt der Aufführung gro‎ßes Gewicht, erläutert Mikołaj Mikołajczyk:



    In dieser Tanzaufführung bin ich zum grö‎ßten Teil ich selbst, ohne Tomaszewski hätte diese Aufführung nicht existiert. Mein künstlerisches Leben begann, als mich Tomaszewski in die Welt des Tanzes einführte. In dieser Aufführung versuche ich diese Erfahrung zum Ausdruck zu bringen, das darzustellen, was er für mich und meine Karriere bedeutet hat. Meinen Namen als Künstler verdanke ich ihm. Diese Aufführung stellt gleicherma‎ßen auch einen Versuch dar, mich von ihm, meinem künstlerischen Vater, abzunabeln. Vor zwanzig Jahren lud mich Tomaszewski zu seinem Theater ein. Er nahm meine Hand und lie‎ß mich dann los. Dasselbe mache ich auch mit den Zuschauern. Ich möchte meinen Zuschauern dieselbe Emotion vermitteln, die ich vor zwanzig Jahren gefühlt hatte, als mich Tomaszewski in diese Welt eingeführt hat.“




    Vaslav Nijinsky wird als Vorgänger des zeitgenössischen Theaters angesehen. Der Künstler besetzt einen einzigartigen und unbestreitbaren Platz in der Tanzgeschichte. Nijinsky schrieb in seinem Tagebuch: Ich bin Gott in meinem Inneren. Alle haben dieses Gefühl, niemand macht aber davon Gebrauch. Die Aufführung Nijinsky. Das Fest der Träume“ beruht auf dem Tagebuch des Künstlers. Der Tänzer Tomasz Wygoda erzählt, wie die Initiative entstand:



    Die Aufführung beruht auf der Methode der prozessorientierten Psychologie nach Arnold Mindell. Die Methode ist sehr interessant, weil sie mehr mit der Psyche arbeitet. Nachdem er mit dem Tanzen aufgehört hatte, wurde Nijinsky mit psychologischen Problemen konfrontiert, die als Schizophrenie diagnostiziert wurden. Wir haben insbesondere mit der Vorstellungskraft, mit den starken Impulsen, mit seinen Gedanken gearbeitet. Er steht auf der Bühne, um den Zuschauern frische Lebensenergie zu verleihen. Solange er gesund war, hat er getanzt. Als er damit aufhörte, hat er diese Energie nicht mehr umgesetzt, nicht mehr in etwas Neues umgewandelt und so hat er sich vom Leben verfremdet. Die Geschichte und unser Versuch, sie durch Gestik zu erzählen, waren sehr interessant. Insbesondere die Methode, die wir anwenden, um die Choreographie zu schaffen, die Methode der prozessorientierten Psychologie spielt ebenfalls eine wichtige Rolle dabei. Es handelt sich nicht lediglich um Choreographie, sondern vielmehr um den psychologischen Prozess von Nijinsky.“




    Die Tage des polnischen Tanzes in Bukarest kamen mit zwei Soloaufführungen der jungen und begabten Tänzerinnen und Choreographinnen Agata Maszkiewicz und Agata Siniarska zu Ende. Die zwei Aufführungen waren repräsentativ für die derzeitige Situation des zeitgenössischen Tanzes in Polen: Wegen unzulänglicher Finanzierung sehen sich die Choreographen zum grö‎ßten Teil gezwungen, mit den Soloprogrammen, die sie selbst schaffen, auf der Bühne aufzutreten. Tanz//pl — Gestern. Morgen. Heute“ wird vom Bukarester Zentrum für Zeitgenössischen Tanz (CNDC) in Partnerschaft mit dem polnischen Kulturinstitut organisiert. Das Projekt entstand aus der Initiative, die Beziehung des rumänischen Tanzes zu den Tanzkulturen im nahen geographischen Raum Rumäniens in den Vordergrund zu bringen.



    Audiobeitrag hören:



  • „Mozart Steps“ – eine fulminante Aufführung in Hermannstadt

    „Mozart Steps“ – eine fulminante Aufführung in Hermannstadt

    Ich bin extrem glücklich! Gigi Căciuleanu strahlt so viel Freude am Leben aus, er hat eine solche Fähigkeit, zu schenken, wie ich noch nie in meinem Leben gesehen habe! Und die Vorführung ist absolut phantastisch! Dieses »Mozart Steps« ist sehr reichhaltig, beinhaltet mehrere Lektüre-Ebenen. Die Schöpfungen von Căciuleanu haben eine sehr raffinierte Eigenschaft. Ich wei‎ß nicht, wie er das macht, aber er schafft es, dich tiefgründig zu berühren. Auch für diejenigen, die mit solchen Aufführungen nicht vertraut sind, ist es unmöglich, keinen emotionellen, visuellen, ästhetischen oder jedwelchen anderen Schock zu erleben. Wenn ein Schöpfer sich gezwungen fühlt, sich zu erklären, ist die Kontruktion irgendwie nicht vollendet. Ich war immer dieser Ansicht. Von Gigi Căciuleanu brauche ich bei dieser Aufführung keine Erklärung. Alles ist schön erhoben und gestaltet, mit so viel Tiefsinn und so vielen Nuancen.“.



    Mit diesen Worten hat Simona Şomăcescu, die ehemalige Primaballerina der Nationalen Oper in Bukarest, ihre Gefühle gleich nach der Aufführung beschrieben. Es handelt sich dabei um die Premiere der Tanztheater-Aufführung Mozart Steps“, einer Produktion des National-Theaters Radu Stanca“ in Sibiu/Hermannstadt. Diese Aufführung eröffnete die neue Saison und markierte auch den 225. Jahrestag der Gründung des ersten Theaters in Sibiu.



    Mozart Steps“ wurde vom Choreographen Gigi Căciuleanu kreiert. Ausgangspunkt war die Musik der ersten beiden Bände des Albums Mozart in Egypt/Mozart in Ägypten“ des Musikers Hughes de Courson und des ägyptischen Professors Ahmed al Maghreby. Die beiden haben eine Fusion zwischen dem Werk von Mozart und den Klängen, Rhythmen und der zeitgenössischen ägyptischen Musik spezifischen Instrumenten geschaffen. Ihre Schöpfung ist ein wahres Musik-Phänomen.



    Gigi Căciuleanu beschreibt die Musik:



    Es ist Mozart gesehen von den Augen, oder besser gesagt gehört mit den Ohren der orientalischen Musik. Und, das wird sie wundern, manchmal ist diese aus Ägypten stammende Musik unserer Musik aus der Maramuresch, aus Siebenbürgen sehr ähnlich — die Karpatenhorn-Musik, die Flöte-Musik. Daran dachte ich, als ich dieses Album hörte. Es ist ein speziellerer Mozart. Mozart ist für mich ein Musik-Genie und einer der ersten Europäer. Er hat auf deutsch und auf italieniesch geschrieben. Er ist eine Art Shakespeare der Musik, der uns von einem Land zum anderen geführt hat. Die Musik ist in meinem Gedächnis und in meinem Körper und ich habe lange Zeit gewartet, nachdem diese Musik auf den Markt gekommen war. Ich habe das Album gekauft und dachte lange an die Musik. Und jetzt habe ich die Chance bekommen, in Sibiu dieses Mal mit Schauspielern zu arbeiten. Es gibt keinen Tänzer in dieser Aufführung.“



    Es stimmt. In Mozart Steps“ spielen Schauspieler von der rumänischen und der deutschen Abteilung des Radu-Stanca“-Theaters sowie Studenten der Schauspiel-Abteilung der Lucian-Blaga“-Universität in Sibiu. Gigi Căciuleanu spricht über sie:



    Sie sind alle geborene Tänzer. Ich habe entdeckt, dass sie viel Talent haben. Für sie ist es eine schwere Aufführung, weil es um Tanzen geht, man muss den Raum füllen, es gibt Energien, die maximal dosiert werden müssen. Glauben Sie aber nicht, dass es sich nur um eine Tanz-Show handelt. Es ist eine Aufführung, in der im wahrsten Sinne des Wortes vornehm getanzt wird, in der die Bewegung und die Gruppe die Hauptrolle haben. Deshalb hei‎ßt es auch Tanz-Theater, weil die Regie wie eine Choreohraphie organisiert wird. Ich wollte nicht, dass sie wie Tänzer und Ballerinen ausschauen. Im Gegenteil, ich wollte, dass sie ihre Körper als normale Menschen zeigen, also ein Mann und eine Frau, so wie diejenigen, die auf dem Stuhl sitzen und uns zuschauen. Das lag mir sehr am Herzen. Und es ist immer mein Anliegen. Auch mit Tänzern versuche ich das zu erreichen.“



    Auch das Publikum hat die bemerkenswerte Leistung der Tanz-Schauspieler gepriesen. Darunter die Choreographin Simona Şomăcescu, ehemalige Primaballerina der Nationalen Oper in Bukarest:



    Hätte mich jemand mit verbundenen Augen in den Saal geführt, hätte man mir nicht gesagt, wo ich bin und wer vor mir steht, hätte ich nie geglaubt, dass sie eigentlich Schauspieler sind. Vergessen wir nicht eines: Gewöhnlich sagen wir ja, er hat es geschaftt, die Schauspieler zu bewegen. Das stimmt nicht. Man braucht einen Sinn dafür, einen musikalischen Instinkt. Du bringst einen Schauspieler nicht allein dazu, seine Arme und Beine zu bewegen. Du brauchst eine Intuition der Bewegung, eine Intelligenz der Bewegung, eine musikalische Intuition — wie man mit Intelligenz die Bewegungen durch den eigenen Körper filtert und aneinanderreiht. Mit dieser Fähigkeit wird man geboren.“



    Eine Tanz-Schauspielerin, die das Publikum sehr beeindruckt hat, war Diana Fufezan. Sie arbeitete zum ersten Mal mit dem Choreographen Gigi Căciuleanu zusammen.



    Als ich erfahren habe, dass ich für das Projekt selektiert wurde, war ich so glücklich wie selten, weil ich schon beim Vorsprechen aus seiner Art und Weise, zu sprechen, gespürt habe, dass ich verstehe, was er möchte. Welche die grö‎ßte Herausforderung war? Alle waren Herausforderungen. Es ist wie der Seiltanz, wie uns Gigi Căciuleanu immer sagt. Ich muss zugleich meine Kraft und meine Zerbrechlichkeit bewahren. Es gab Momente, in denen ich gespürt habe, dass ich es physisch nicht mehr aushalte, aber ich habe meine Zähne zusammen gebissen und bin weiter gegangen. An einem Abend habe ich mit Florin bis eins Uhr nachts geübt — wir bleiben zusammen mit Gigi nach den Proben, nach 10 Uhr abends. Das hat uns damals zur Erschöpfung gebracht. Ich habe dann eine Befreiung gespürt und ab dem Moment wusste ich, dass ich alles tun kann.“



    Wer sich fragt, warum im Titel der Show das Wort steps“ erscheint, erhält von Gigi Căciuleanu eine Antwort:



    Weil der Schritt das Raum-Dynamik-Element ist, das wir alle gemeinsam haben. Das erste Kettenglied sowohl eines Tanzes als auch eines einfachen Spazierganges.“



    Die Tanztheater-Schow Mozart Steps“ soll auch ins offiziele Programm des Internationalen Theaterfestivals in Sibiu 2014 aufgenommen werden.



    Audiobeitrag hören: