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  • Tanzarchiv: Das Museum des Modernen und Zeitgenössischen Tanzes

    Tanzarchiv: Das Museum des Modernen und Zeitgenössischen Tanzes

    Das Nationale Tanzzentrum Bukarest (CND) plant ein Archiv des rumänischen Tanzes; als Vorgeschmack dieses gro‎ßangelegten Archivs wurde am 5. Juni in Bukarest die Ausstellung Museum des Modernen und Gegenwartstanzes“ eröffnet. Die Bezeichnung Museum“ sorgte schon vor der Vernissage für Reaktionen und Kommentare. Dazu der Kurator Igor Mocanu:



    Diese Bezeichnung scheint ihren Zweck erfüllt zu haben, nämlich zu provozieren, auf Gedanken zu bringen, Fragen aufzuwerfen, positive und negative Reaktionen hervorzurufen. Die Idee eines sog. ‚Museums‘ stammt nicht von uns, sie hat bereits Tradition in Rumänien. Bei uns gab es oft temporäre Ausstellungen, die als ‚Museen‘ bezeichnet wurden. Wir hatten schon ein Comic-Museum, ein Projekt des Graphikers Alexandru Ciubotariu, wir hörten auch, dass die Graphikerin Lia Perjovschi ein Museum der Kenntnis vorbereitet. In der rumänischen Kultur existiert bereits die Idee einer Künstlerinstitution oder Konzeptinstitution, die Idee von Museum als Aussage, nicht als Einrichtung oder Gebäude. Die Experimentalausstellung vom Nationalen Tanzzentrum Bukarest nannten wir ‚Museum‘, um das Tanz-Publikum darauf aufmerksam zu machen, dass wir in Rumänien noch kein Museum des Tanzes haben und dass wir eine solche Einrichtung brauchen. Die Geschichte des rumänischen Tanzes ist noch nicht geschrieben worden. Sie kann aus einigen Büchern, aus den historischen Archiven des Nationalen Tanzzentrums Bukarest und aus einigen Projekten und Forschungsprogrammen zusammengestellt werden.“




    Das Projekt Museum des Modernen und Gegenwartstanzes“ hat nicht den Anspruch, die Meilensteine der Tanzgeschichte in Rumänien zu erfassen, sondern es präsentiert eine neue Serie von weniger bekannten Dokumenten über die Aktivität mehrerer rumänischer Choreographen. Über den Bekanntheitsgrad und den Wert dieser Choreographen werden dann die Fachleute urteilen. Igor Mocanu dazu:



    In unserer Ausstellung haben wir auch Fragmente aus Spielfilmen übernommen, in denen rumänische Tänzer auftreten. Lisette Verea, zum Beispiel, war eine Varieté-Schauspielerin der 1930er Jahre. Im Spielfilm »Der Geisterzug«, einem Thriller, der 1933 von Jean Mihail gedreht wurde, tanzt sie einen sonderlichen Foxtrott. Das ist ein zweiminütiges Filmfragment, aber es ist ein wichtiges Dokument für die Geschichte des Tanzes in Rumänien. Dabei geht es nicht unbedingt um die Ästhetik des Tanzmoments oder um den Schwierigkeitsgrad der Choreographie, sondern um den historischen Wert des Dokuments.“




    Die Installationsausstellung mit dem Titel Museum des Modernen und Gegenwartstanzes’ besteht aus drei Teilen: Projektionen von noch nicht gezeigten Dokumenten, Dance Cinema und Reenactments. Im Teil Reenactments“, wo alte Tanzaufführungen nachgestellt werden, wird die Tanzaufführung Ciocanul fără stăpân“ (Der herrenlose Hammer“) von Florin Flueraş und Brynjar Bandlien gezeigt. Die Tanzauffhrung nach dem gleichnamigen Stück von Stere Popescu hat 1965 in Paris gegensätzliche Reaktionen hervorgerufen: Ein Teil des Publikums applaudierte frenetisch, während ein anderer Teil vehement pfiff und buhte. Vom herrenlosen Hammer“ sind nur einige Minuten erhalten geblieben, die von den zwei Künstlern performativ neugedacht wurden. Ferner gibt es in diesem Teil der Ausstellung zwei Reenactments nach Fotografien mit der Künstlerin Lizica Codreanu, die von Constantin Brâncuşi in den 1920er Jahren in seinem Atelier in Paris aufgenommen wurden. Es handelt sich um Valeria Ştefănescus Reenactment vom Jahr 1994, aus einer Dokumentation über Brâncuşi, gedreht von Cornel Mihalache, und um eine Dokumentation vom März 2015, eine kollektive Arbeit der Schüler vom Choreographie-Gymnasium Bukarest, geleitet von den Lehrerinen Doina Georgescu und Simona Paraschivu. Mehr über die Ausstellung wei‎ß der Kurator Igor Mocanu:



    Im zweiten Teil der Ausstellung befinden sich vier Choreographinnen-Porträts, das sind Floria Capsali, Leria Nicky Cucu, Miriam Răducanu und Vera Proca Ciortea. Im dritten Raum des Tanzmuseums haben wir ein Mini-Kino, ein Dance-Kino, wie wir es nannten. Dort werden Dokumentationen über Elena Penescu Liciu, Esther Magyar, die Gruppe Contemp und die Gruppe Marginalii, beide von den 1990er Jahren. Über Leria Nicky-Cucu haben wir den unabhängigen Film »Divertissement mit Tänzen«, der 1933 im Hof vor ihrem Haus gedreht wurde. In dem Film sieht man die Choreographin Leria Nicky-Cucu zusammen mit ihren Studentinnen und Kolleginnen von einem Choreographie-Studio, das sie damals führte. Es werden fast alle damaligen choreographischen Praktiken gezeigt, darunter Improvisation, Charaktertanz, Gesellschaftstanz, klassisches Ballett mit einigen kleinen Ballerinen, und der Film endet mit einer Hora, einem rumänischen Kreistanz. Floria Capsali war Mitglied im Soziologenteam des Historikers und Soziologen Dimitrie Gusti und dokumentierte mit einem Film den choreographischen Teil der Volkskultur in Rumänien. Das Porträt der Tänzerin und Choreographin Miriam Răducanu besteht aus vier Video-Dokumentationen. Es handelt sich um zwei bekannte Filme von den 1970er Jahren, »Concerto grosso« und »În marea trecere« (»Im gro‎ßen Übergang«), und um zwei bis jetzt nicht gezeigte Dokumentationen, welche die interdisziplinäre Kunstform ‚Tanz in Kunstgalerien‘ bei einer Vernissage im Bukarester Kunstmuseum Zambaccian zeigen. Schlie‎ßlich ist Victoria Proca Ciortea eine bekannte Ethnochoreographin der 1970er Jahre, die den rumänischen rhythmischen Tanz im Ausland etabliert hat.“

  • Romanian Dance Showcase

    Romanian Dance Showcase

    Der Romanian Dance Showcase“ ist eine Veranstaltung des Nationalen Tanzzentrums Bukarest. Dabei kamen 55 Künstler im Rahmen eines beispiellosen einwöchigen Tanzmarathons zusammen. Die Veranstalter des Romanian Dance Showcase haben sich ursprünglich vorgenommen, den rumänischen zeitgenössischen Tanz in Mittel- und Osteuropa zu fördern. In diesem Jahr war die Strategie der Veranstalter, das Publikum mit unterschiedlichsten Tanzformen anzusprechen, wie die Kuratorin Iulia Popovici erklärt:



    Es ist mit Sicherheit das wichtigste Tanzevent des Nationalen Tanzzentrums Bukarest und aus meiner Sicht das wichtigste Tanzevent für die ganze Gemeinschaft. Denn die Hauptidee war es, möglichst viele Facetten des rumänischen zeitgenössischen Tanzes für ein ausländisches und rumänisches Publikum zu präsentieren. Die ausgewählten Darbietungen sollten ein möglichst vollständiges Bild des aktuellen zeitgenössischen Tanzes zeichnen, mit all seinen unterschiedlichen Ausrichtungen, und gleichzeitig zur Wiederbelebung des Gemeinschaftsgefühls beitragen, das das Tanzzentrum in seinen ehemaligen Räumlichkeiten am Nationaltheater in Bukarest vertrat.“




    Eines der Ziele des Romanian Dance Showcase war es, Experten aus dem Ausland mit der rumänischen Tanz- und Performance-Szene vertraut zu machen. Die Aufführungen der einwöchigen Veranstaltung hatten auch Gäste aus dem Ausland. Iulia Popovici sprach über die Auswahl der Darbietungen, mit Blick auf das Erreichen dieses Ziels.



    Wir haben uns nicht nach vermarktbaren Aufführungen umgeschaut, also keine Titel ausgewählt, die aktuellen Ansprüchen und gängiger Ästhetik im europäischen zeitgenössischen Tanz gerecht werden sollen. Wir haben eher eine Form von Vertrautheit gesucht, von ‚Verzauberung‘, ein Eintauchen der ausländischen Gäste in unsere Tanzkultur. Wir haben mit Absicht jene Kuratoren und Kritiker eingeladen, die uns nahestehen, die ihr Interesse am zeitgenössischen Tanz in Rumänien öffentlich kundgetan haben, mit Akzent auf Festivals und Publikationen aus Mittel- und Osteuropa. Eigentlich müsste alles hier beginnen, bei der Festigung der regionalen Identität des zeitgenössischen Tanzes, wobei es in dieser Region offensichtlich völlig anders als in Westeuropa funktioniert, zumindest aus dem einfachen Grund, dass die Dinge sich hier nicht kontinuierlich entwickelt haben und wir hier gewiss nicht von einem Mainstream sprechen können, also vom zeitgenössischen Tanz der 60er,70er, 80er Jahre — der Blütezeit des zeitgenössischen Tanzes in Westeuropa.“




    Beim Romanian Dance Showcase waren also Darbietungen von Künstlern mit unterschiedlichen Ansätzen im Programm, die gemeinsam ein möglichst vollständiges Bild des rumänischen Zeitgenössischen Tanzes zeichnen sollten. Eine davon hie‎ß Duett“, ein sogenanntes work in progress von Adriana Gheorghe und Andreea David. Adriana Gheorghe, Tanzkritikerin, und Andreea David, Architektin, — zwei Gedankengänge im Duett“ durch Raum und Zeit: Die Herausforderung besteht darin, dass jede der anderen den benötigten Raum zur Verfügung stellt, dass jede auf die Bedürfnisse der anderen eingeht. Adriana Gheorghe erklärt:



    Wir bieten uns gegenseitig vor allem Ausdrucksfreiheiten für nicht zeitgenössische Themen an — so wie ich sie gerne nenne. Wir versuchen, in diesen öffentlichen Performance-Raum, auf Ebene des gesprochenen Wortes, aber auch auf Ebene der szenischen Sprache, Dinge mitzunehmen, die uns beschäftigen, über die überhaupt nicht oder nicht gerne gesprochen wird, über die man lediglich im Gedanken spricht und bei denen man nur schwierig zu einer lautstarken Antwort stehen möchte, umso weniger zu einer öffentlichen Antwort und einer Antwort im Rahmen einer Aufführung. Zum Beispiel: Was ist die Zeit, was ist das Leben…“




    Paul Dunca hat die Bukarester Theater- und Filmuniversität, Studienrichtung Choreografie, sowie ein Masterstudium an derselben Fakultät absolviert. Er hatte seine eigene Sendung beim Sender MTV und war in der Gemeinschaftskunst involviert. Er vertrat Rumänien an der Kunstbiennale in Venedig, spielte in Filmen mit und kreiert natürlich zeitgenössische Tanzaufführungen. Bei Romanian Dance Showcase hat er das Schauspiel Institutul Schimbării“ (Institut des Wandels“) vorgestellt. Darüber erzählt er uns mehr:



    Es handelt sich um den Weltwandel. Wir alle, die arbeiten, sind in unsere 30er angelangt und machen einige Wandlungen durch. Z.B. nehme ich Gerüche ab 30 stärker wahr. Ich setze auf die Darstellung einiger ernster Themen. Meine Aufführungen sind letztendlich sehr theatralisch. Ich wollte Schauspieler werden, aber ich bin dazu gekommen, Choreografie zu studieren, denn ich liebe es, zu tanzen. Nun wende ich beide Fähigkeiten an. Meine Themen sind ein bisschen ernster, werden aber eher lustig und selbstironisch dargestellt. Ich glaube sehr stark an Kostüme, an die Schaffung einer Atmosphäre, die auch den physischen Teil sehr stark einbezieht. Meiner Meinung nach findet der erste Kontakt mit dem Aussehen eines Menschen statt. Das Publikum spielt bei dieser Aufführung eine besonders wichtige Rolle. Es stellt rund die Hälfte des Schauspiels dar. Ich stütze mich sehr stark auf das Publikum.“




    Simona Deaconescu hat Filmregie studiert, im Fernsehen und als Filmdrehbuchautorin gearbeitet und versucht ihre beiden Leidenschaften, den Film und den Tanz, in Aufführungen zu verflechten, die den Tänzern starke physische Anstrengung abverlangt. Bei Romanian Dance Showcase war Simona Deaconescu mit dem Projekt Pro Camera 0001. Fabrica de vise“ (Zimmer 0001. Die Traumfabrik“) zu Gast:



    »Camera 0001« ist das Pilotprojekt einer Serie, die ich produzieren möchte. Es ist eine Serie, deren Folgen ich virtuelle Räume nenne. Jede Folge nimmt einen Kontext unter die Lupe, in dem sich die Kunst in Beziehung zur Technik und zur Wissenschaft entwickelt. Die »Traumfabrik« ist die Pilotfolge. Ich habe nicht unbedingt an Träume gedacht, die wir während der Nacht haben, sondern daran, dass man sich die Welt von au‎ßen ansieht. Somit erscheint die Welt vor dem Hintergrund, dass sie sehr chaotisch ist, wie ein Traum. Weil es immer so auch im Wahrnehmungsprozess des Menschen ist: Kein Gedanke ist flie‎ßend, kein Gedanke ist exakt. Es ist die »Traumfabrik«, weil, wie ich das zurzeit betrachte, unser Leben wie ein Traum ist, den wir kontinuierlich zu verstehen versuchen. Wir müssten diesen Traum eigentlich leben, ohne zu viele Fragen darüber zu stellen, was passiert.“




    Duett“, Institutul Schimbării“ und Camera 0001. Fabrica de vise“ sind nur einige der Aufführungen, die die Identität des rumänischen Tanzes bei Romanian Dance Showcase vorstellen sollten. Die Kuratorin der Veranstaltung, Kritikerin Iulia Popovici, fasst zusammen:



    Wir haben schlie‎ßlich etwas verkauft, auch wenn wir uns das nicht vorgenommen hatten. Wir haben bereits Einladungen zum Gastieren im Ausland für verschiedene Aufführungen oder Künstler bekommen. Eine andere Schlussfolgerung ist, dass man ab und zu auch Risiken eingehen sollte. Es gab einige Schauspiele, die wir ohne jegliche Garantie ins Programm aufgenommen haben, obwohl diese für Verblüffung gesorgt haben oder — zumindest laut einigen Trägern der Gemeinschaft — nicht repräsentativ waren. Vielleicht waren sie nicht allzu spektakulär oder anerkannt genug, aber sie haben bei den Entscheidungsträgern für Enthusiasmus gesorgt.“



    Audiobeitrag hören: