Tag: Daker

  • Sklaverei in der Antike: Griechische Stadt-Staaten am Pontus Euxinus

    Sklaverei in der Antike: Griechische Stadt-Staaten am Pontus Euxinus





    Sklaverei ist in der heutigen Welt nicht mehr hinnehmbar. Sie gilt als eine der schlimmsten Formen der Verletzung der Menschenwürde und ist ein Verbrechen, das sowohl völkerrechtlich als auch nach nationalem Recht strafbar ist. In der Vergangenheit war die Sklaverei jedoch nicht immer mit einem unwürdigen Status verbunden, weil das Menschenbild damals ein anderes war als heute. Sicherlich kann ein Mensch ohne Freiheit nicht als glücklich bezeichnet werden, doch der Sklave wurde in der Vergangenheit nicht immer als unglücklicher, ausgebeuteter Mensch wahrgenommen, der nach dem Gutdünken seines Besitzers lebte.



    Sklaverei ist in allen historischen Epochen und in allen von Menschen bewohnten Erdteilen bezeugt, und im heutigen rumänischen Raum gibt es Anhaltspunkte für ihre Präsenz. Die Ufer des Pontus Euxinus, wie man das Schwarze Meer in der Antike bezeichnete, wurden erstmals von den Griechen im 8. bis 6. Jahrhundert v. Chr. besiedelt. Dabei kamen sie mit anderen Völkern in Kontakt, die sie als Barbaren“ bezeichneten und mit denen sie wirtschaftliche Beziehungen eingingen und mal friedlich zusammenlebten, mal in kriegerische Auseinandersetzungen gerieten. Eine dieser Bevölkerungsgruppen waren die Geten, möglicherweise ein Stamm der Daker, die als Vorfahren der Rumänen gelten und am Westufer des Schwarzen Meeres lebten. Zum Wirtschaftsgeflecht zwischen den Griechen und den Eingeborenen gehörte auch die Sklaverei, d. h. die Arbeit in der Landwirtschaft, im Bergbau, im Handwerk, im Bauwesen und bei öffentlichen Arbeiten in den Städten.



    Archäologen haben sowohl nach materiellen als auch nach schriftlichen Beweisen gesucht, um ihre Hypothesen über die Existenz von Sklaverei am Pontnus Euxinus zu untermauern. Einer von ihnen ist Dragoș Hălmagi, Forscher am Vasile-Pârvan-Institut für Archäologie der Rumänischen Akademie, der sich auf beide Arten von Quellen konzentriert hat. Hălmagi ist der Ansicht, dass der Begriff abhängige Bevölkerung“ besser geeignet als Sklaverei“ ist, um die sozialökonomischen Beziehungen der Griechen zur einheimischen Bevölkerung zu beschreiben.



    In ihren Stadt-Staaten am Schwarzen Meer arbeiteten die Griechen nicht mit Sklaven, obwohl der Sklavenhandel am Pontus Euxinus, in Thrakien und sogar Skythien sowohl aus literarischen als auch epigraphischen Quellen (also antiken Inschriften) bekannt ist. Da es keine direkten Quellen gibt, die Sklavenarbeit am Pontus Euxinus belegen, wurde die Arbeit hier von abhängigen Bevölkerungsgruppen geleistet. Die Frage der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, einem sehr wichtigen Wirtschaftszweig der Antike, wird in einigen Quellen erörtert, weniger jedoch die der Haussklaven oder der Sklaven mit anderen Berufen. Ein Gedanke, der von griechischen Autoren wie Platon und Aristoteles geäu‎ßert wird, besagt, dass es im Allgemeinen vorteilhaft war, Sklaven mit verschiedenen Muttersprachen einzusetzen, um die Gefahr einer Rebellion zu vermeiden. Da die Griechen von den Geten im Westen umgeben waren, konnten sie keine Sklaven aus deren Reihen nehmen. Die Gefahr eines Aufstandes oder einer kriegerischen Auseinandersetzung wäre zu gro‎ß gewesen, weshalb sie es vorzogen, auf diese Weise mit ihnen zu arbeiten. Viele Inschriften berichten von Griechen, die mit Barbaren zusammenlebten.“




    Archäologische Ausgrabungen an antiken Stätten würden nahelegen, dass die Sklaverei nicht unbedingt eine Tragödie im Leben der damaligen Menschen war, führt der Archäologe Dragoș Hălmagi weiter aus.



    Wenn wir uns die Ausgrabungen an Orten anschauen, von denen wir wissen, dass es Sklaven dort gab, dann ist ihre archäologische Präsenz sehr ähnlich wie die der freien Menschen. Sie hatten zwar etwas ärmere Gräber mit weniger Gaben wie Gefä‎ßen und Metallgegenständen. Doch es gibt nichts Typisches in diesem Gräbern, was uns dazu verleiten würde zu sagen, dass es Sklavengräber sind. Archäologisch gesehen gibt es nichts, was einen Sklaven von einem freien Mann unterscheiden würde. Oft übernahmen die Sklaven die Traditionen des Ortes, und das zeigt sich an den Haussklaven, deren Kleidung und Gräber ähnlich jener der Familien aussahen, denen sie gehörten.“




    Die abhängige Bevölkerung hatte allerdings den gleichen Status wie die Sklaven. Aus ihrer Mitte wurden Arbeitskräfte rekrutiert, deren sozialer Status unsicher war. Nur wenige schriftliche Quellen erwähnen den Einsatz von Sklaven in der Landwirtschaft, doch Ausgrabungen haben ergeben, dass der Einsatz von Sklaven im Handwerk und im Bauwesen sehr wahrscheinlich war, insbesondere dort, wo Festungen, Siedlungen oder befestigte Anwesen entdeckt wurden. Die griechischen Quellen beziehen sich jedoch nicht nur auf die Geten, sondern sprechen von einer Vielzahl von Völkern. Neben den Geten tauchen in hellenistischen Texten aus dem 4. bis 1. Jahrhundert v. Chr. auch Skythen, Sarmaten, Thraker und andere Völkerschaften auf. Sie bildeten ein wahres ethnisches Mosaik, in dem die politische Herrschaft abwechselnd durch die militärische Macht eines einzelnen Anführers ausgeübt wurde. Dem Archäologen Dragoș Hălmagi zufolge sei eine zuverlässige Quelle für die These des ethnischen Mosaiks der römische Dichter Ovid, der bekannterweise seinen letzten Lebensabschnitt im Exil am Pontus Euxinus verbrachte und die örtlichen Gepflogenheiten in seinen Schriften thematisierte.



    Der erste antike Autor, der sagt, dass hier mit Sicherheit Geten lebten, ist Ovid. Er sagt sogar mehr als das. Er erwähnt nicht nur die Geten, sondern auch ‚zahllose andere Bevölkerungen hier‘. Manchmal schreibt er das vielleicht, um seine Leser in der Ferne zu beeindrucken, an anderen Stellen spricht er möglicherweise über reale Dinge — das ist heute schwer zu sagen. Es gibt einige Passagen in Ovids Schriften, in denen er die Geten und die iranischstämmigen Sarmaten gemeinsam erwähnt. Ovid bezeichnet die Geten und die Sarmaten als Bogenschützen-Völker und behauptet auch, ihre Sprachen zu beherrschen. Auf jeden Fall schrieb er, dass die Geten und die Sarmaten am Schwarzen Meer stets gemeinsam auftreten. Schon bei der ersten Erwähnung der Geten tauchen sie in solchen Zusammenhängen auf.“

  • Ausstellung „Wege und Scherben“: Archäologen profitieren von Bauarbeiten an Westautobahn

    Ausstellung „Wege und Scherben“: Archäologen profitieren von Bauarbeiten an Westautobahn

    13 Armbänder, Teile einer vor allem in Siebenbürgen wohl bekannten Serie aus der Bronzezeit, nachgestellte alte Keramikgefä‎ße oder Schutzhelme und Werkzeuge, die auf einer archäologischen Grabungsstätte verwendet werden — das sind nur ein paar Exponate der Ausstellung Wege und Scherben“. Das Museum der dakischen und römischen Zivilisation in Deva (dt. Diemrich), einer Stadt im Westen Rumäniens, beherbergt die eben erwähnte Sammlung.



    Fünf Monate lang dauerten die Ausgrabungen am Fundort in der Region. Die Sammlung nimmt sich vor, die damit zusammenhängenden Erfahrungen darzulegen. Sie erzählt über die vor Ort gefunden Teile sowie über die Zusammenarbeit mit den Fach- und Bauarbeitern. Die Ausgrabungen auf der Route Abucea – Ilia brachten Siedlungen und Wohnungen ans Licht, die aus der Endphase der Neuzeit stammen und bis auf das frühe Mittelalter zurückgehen, teilten uns die Archäologen mit.



    Cătălin Rişcuţa, der Leiter der Archäologieabteilung im Museum der dakischen und römischen Zivilisation in Deva, erzählte uns über die Idee, die der Ausstellung zugrunde liegt:



    Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die archäologische Forschungsarbeit, die wir in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Institut für Archäologie »Vasile Pârvan« in Bukarest ausführten. Sie erzählt die Geschichte der Forschungsarbeiten entlang eines Abschnittes der Autobahn im Landkreis Hunedoara. Genauer gesagt fanden die Forschungsarbeiten in der Umgebung des 3. Abschnittes der genannten Autobahn, zwischen Lugoj und Deva, statt. Die Strecke liegt an der Grenze des Landkreises Hunedoara zum Kreis Timiş. Das Publikum soll mittels der Ausstellung einen Einblick in die Kulissen der archäologischen Forschungsarbeit bekommen. Die Menschen gehen meistens davon aus, dass ein Grundstück nur deshalb archäologisch erkundet wird, damit im Nachhinein irgendein Gebäude darauf gebaut werden darf. Doch nur wenige können sich konkret vorstellen, was auf einer archäologischen Stätte vor sich geht. Demnach möchten wir den Menschen zeigen, was konkret auf dem Grundstück passiert. Das Konzept der klassischen Ausstellung hätte dazu nicht gepasst. Wir wollten nicht nur die ausgegrabenen Teile vorstellen und dem Publikum die dazugehörenden technischen Informationen liefern. Unser Ziel war, die Stimmung vor Ort wieder herzustellen, den Besuchern genau zu zeigen, wie die Prospektion am Fundort verläuft. Hierfür haben wir mehrere reich illustrierte Plakate vorbereitet. Sie stellen sämtliche Schritte unserer Arbeit vor. Wir haben versucht, die auf der Grabungsstätte erlebte Wirklichkeit nachzustellen. Dazu haben wir mehrere Plattformen aus Erde gebaut und darauf archäologische Materialien sowie Werkzeuge, mit denen der Archäologe arbeitet, ausgestellt. Die Besucher können Schutzhelme sowie spezifische Arbeitsinstrumente im Rahmen der Ausstellung sehen.“




    Sie haben versucht, eine Ausstellung auf die Beine zu bringen, die die Stimmung vor Ort vermittelt. Eine Ausstellung, welche gelebte Erfahrungen live überträgt, so unser Gesprächspartner. Die Arbeit der Archäologen sei keineswegs einfach. Archäologen arbeiten oft unter schweren Bedingungen, bei bitterer Kälte oder bei brühender Hitze. Das erzählte uns Cătălin Rişcuţa, der Leiter der Archäologieabteilung im Museum der dakischen und römischen Zivilisation in Deva. Allerdings umfasse die Ausstellung auch herkömmliche Exponate:



    Wir haben selbstverständlich auch die während der Grabungsarbeiten gefundenen Objekte ausgestellt. Es sind zum Teil Keramikgegenstände, wunderschöne Tongefä‎ße, sehr schön verzierte Töpferware. Wir haben einzelne Bruchstücke zusammengelegt und die Keramik nachgestellt. Wir haben auch viele Metall- und Bronzeobjekte ausgegraben, die ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sind. Die fünf erkundeten und erfassten archäologischen Stätte sind auf das Ende der Bronzezeit zurückzuführen. Wir haben auch Werkzeug aus Bronze während der Grabungen gefunden. Die ganze Ausstellung ist mit wissenschaftlichen Erklärungen untermauert. Somit haben die Besucher die Gelegenheit, die archäologische Arbeit noch näher kennenzulernen. Die Theorie kann sowohl auf den von uns gebastelten Plakaten wie auch in den Erklärungen zu den einzeln in Glaskästen ausgestellten Objekten gelesen werden.“




    Wir wollten von Cătălin Rişcuţa erfahren, ob die Bauarbeiten an der Autobahn häufig Bruchstücke aus der Vergangenheit ans Tageslicht bringen:



    Die derzeit gebauten Autobahnen gehen das Tal des Flusses Mureş (dt. Mieresch od. Marosch) entlang. Das Marosch-Tal war schon in der Vergangenheit, vor tausenden Jahren, eine bekannte Handelsroute. Demnach gibt es in diesem Gebiet auch ehemalige Siedlungen, in denen die Bewohner der Gegend damals lebten. Die Bauarbeiten bieten den Archäologen eine gute Gelegenheit, sich einen Einblick in die Entwicklung der Gemeinschaften in diesem Gebiet zu verschaffen. Innerhalb von 22 Km gab es 5 Fundorte. Das sind wiederum auch nicht so viele Grabungsstätten. Zwei davon waren etwas grö‎ßer, es waren Siedlungen prähistorischer Gemeinschaften. Wir versuchen das zu retten, was es schon gibt. Wir verzögern nicht die Bauarbeiten an der Autobahn, unseren Teil haben wir schon seit einem Jahr beendet!“




    Alle erwähnten Objekte sind im Palast Magna Curia in Deva ausgestellt und erwarten interessierte Besucher.

  • Altertumsgeschichte „live“ erlebt – Reenactments in Rumänien

    Altertumsgeschichte „live“ erlebt – Reenactments in Rumänien

    Reenactment (das ist das englische Wort für Wiederaufführung“ oder Nachstellung“) nennt man die Neuinszenierung konkreter geschichtlicher Ereignisse in möglichst authentischer Weise. Über den Weg der historischen Wiedererlebbarkeit soll Geschichte verständlich und erlebbar gemacht werden. Das historische Reenactment ist der zentrale Teil der von dem britischen Philosophen und Historiker Robin George Collingwood aufgestellten Theorie der Historiographie. Die Nachstellung von historischen oder sagenhaften Ereignissen geht allerdings bis in die Antike zurück.



    Andrei Pogăciaş ist Vizepräsident des Verbands Terra Dacica Aeterna aus Cluj (Klausenburg) und organisiert sogenannte Reenactments oder Neuinszenierungen von historischen Schlachten an verschiedenen Orten in Rumänien:



    Die Reenactment-Idee ist sehr alt; die ersten, die Nachstellungen von historischen Ereignissen veranstaltet haben, waren die alten Römer. Während des Römischen Reiches wurden Schlachten aus der römischen Geschichte in Amphitheatern, z. B. im Kolosseum, wiederaufgeführt. Das professionelle Reenactment begann im 20. Jh. und entwickelte sich insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jh., als verschiedene Organisationen und Verbände anfingen, Kostüme aus gewissen Epochen und geographischen Zonen anzufertigen und historische Ereignisse nachzustellen. Ende des 20. Jh. fanden auch in Rumänien die ersten Reenactments statt, und die ersten rumänischen Reenactment-Verbände entstanden an der Schwelle zwischen dem 20. und dem 21. Jh. Alles begann wie ein Experiment einiger Geschichtsfans und Historiker, die sich vor allem für die Zeit der Eroberungskriege des Römischen Reiches in Dakien interessierten. 2007 wurde der Verband Terra Dacica Aeterna gegründet; anfangs war es eine Römer-Truppe, weil die Verbandsmitglieder Römer-Truppen bei anderen Veranstaltungen im Ausland gesehen hatten. Die Römer konnten aber nicht ewig allein in Rumänien bleiben, und daher bildeten wir auch eine Daker-Truppe. So entstand der Reenactment-Verband Terra Dacica Aeterna, zunächst mit Römern und Dakern. Später schlossen sich auch unsere Szekler-Freunde als Sarmaten an, und nun haben wir drei Reenactment-Armeen: Daker, Römer und Sarmaten.“




    Die drei Armeen trainieren in speziell dazu eingerichteten Werkstätten, in ihrer Heimatstadt Cluj oder bei verschiedenen Geschichtsfestivals. An den angekündigten Orten und Zeiten können die Interessenten historische Schlachten live“ beobachten, die sie sonst nur aus den Geschichtsbüchern kennen. In Rumänien gibt es mehrere Festivals, auf denen Reenactments veranstaltet werden; mehr dazu von Andrei Pogăciaş:



    Ein wichtiges Geschichtsfestival, vielleicht das grö‎ßte in Rumänien, ist das Festival der dakischen Burgen im Landkreis Alba. Ebenfalls im zentralrumänischen Kreis Alba, in der Stadt Alba Iulia, wird jeden Frühling das Römische Festival veranstaltet — es ist praktisch die Eröffnung der jährlichen ‚Schlachtzeit‘. Dann gibt es die Festivals in Zalău und in Porolissum, im Kreis Sălaj (im Nordwesten Rumäniens) das antike Festival Tomis in Constanţa (dem grö‎ßten rumänischen Schwarzmeerhafen im Osten des Landes) und das Festival Dacfest, das von uns, Terra Dacica Aeterna, im Kreis Hunedoara (Mitte-Westen) organisiert wird. Letztes Jahr wurde zum ersten Mal ein Festival in Simeria, in der Nähe der Ortschaft Gura Uroiului organisiert. Das war ein exzellenter Standort, der beste Standort für ein Geschichtsfestival zum Thema Altertum. Es ist eine Wiese unter einem riesigen Fels, der wie eine Daker-Mütze aussieht. Da bauen wir unsere Lager und unsere Werkstätte auf, wir haben auch genug Platz für die Schlacht und für die Zuschauer, die uns umgeben. Letztes Jahren waren erstaunlich viele Leute gekommen, und dieses Jahr versuchen wir, ein grö‎ßeres Festival zu organisieren, mit mehreren Aktivitäten und mehreren Truppen. Wir hoffen, dass noch mehr Besucher kommen, und dass wir eine Festivaltradition im Kreis Hunedoara bilden. Hunedoara war das Zentrum des dakischen Königreiches, und mit solchen Aktivitäten halten wir die Erinnerung an Dakien wach.“




    Ein Festival dauert in der Regel drei Tage. Am Freitag werden die verschiedenen Lager, die Werkstätte und die Feuerstätte aufgebaut. Wie es weiter geht, erzählt Andrei Pogăciaş:



    Am Freitag holen wir die gesamte Ausrüstung heraus und bauen unsere Lager auf. Am Samstag und Sonntag haben wir am Vormittag verschiedene Aktivitäten mit den Besuchern, vor allem in den Werkstätten, und am Mittag beginnt die richtige Action, die von allen erwartet wird: die Schlacht, die etwa drei Stunden dauert, je nachdem wie das Szenario aussieht. Die Rollen sind klar aufgeteilt, die einen sind Daker, die anderen Römer und die dritte Gruppe stellt Sarmaten dar. Innerhalb einer Armee wei‎ß jeder genau, was er zu tun hat: Einer ist Kommandant, ein anderer ist Adliger, ein anderer ist Handwerker oder Schütze, jeder kennt seine Stellung auf dem Kampffeld, und am wichtigsten ist, auf die Befehle seines Kommandanten zu hören. Auf den ersten Blick scheint das Ganze ein Spiel zu sein, an dem 30- bis 40-jährige Kinder ihren Spa‎ß haben, aber im Feuer des Gefechts ist es nicht leicht zu hören, was der Kommandant schreit. Unsere Kämpfe sind echt, wir haben Waffen aus Metall und Schilder aus Holz mit Metallumrahmung, überall kracht es, das Adrenalin steigt, man hört kaum noch etwas, man wird in den Kampf hineingezogen, der Feind attackiert von allen Seiten, es gibt Momente, wenn man die Gegenwart vergisst und wirklich zum Daker oder zum Römer wird.“




    Nach der Schlacht kommen die Besucher ins Lager, sie stellen Fragen, probieren Kostüme und Waffen aus und beteiligen sich an Aktivitäten in den Werkstätten. Die Ausrüstungen und die Waffen sind historischen Modellen genau nachgebildet und perfekt funktionsfähig. Um Unfälle vorzubeugen wird aber dem Publikum nicht erlaubt, an den Schlachten teilzunehmen. Für Kinder gibt es immerhin leichte Kampfübungen und kurze Schlachten mit Holzwaffen. Anfang Mai findet das erste Geschichtsfestival des Jahres 2015 in Hunedoara (Eisenmarkt) statt. Sie sind alle herzlich eingeladen, das Reenactment einer historischen Schlacht zwischen Daken, Römern und Sarmaten live zu erleben.

  • Die Bleitafeln von Câmpina: Eine „patriotische Fälschung“

    Die Bleitafeln von Câmpina: Eine „patriotische Fälschung“

    Die Existenz von 60 Bleitafeln mit einer Länge von 15 cm und einer Breite von 10 cm im Untergeschoss des Archäologie-Instituts Vasile Pârvan“ in Bukarest hat eine wahre Hysterie in den Reihen der Archäologie-und Geheimnis-Liebhaber verursacht. Auf den Bleitafeln sind Buchstaben, Symbole und Bilder zu sehen. Manche glauben, diese stammen von den Dakern, die in der Antike einen Teil des heutigen rumänischen Staates bewohnt haben. Um diese Tafeln entstanden phantasmagorische Geschichten. Spezialisten erklärten mehrmals, die Tafeln seien Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden, jedoch ohne Erfolg. Das Publikum war eher gegenüber den Phantasien offen. Manche erklärten, auf den Tafeln, die in Câmpina, etwa 100 Km nördlich von Bukarest, gefunden wurden, sei eine dakische Schrift zu lesen.




    Radu Băjenaru ist Archäologe beim Archäologie-Institut Vasile Pârvan“ in Bukarest. Er stellt uns die Argumente der Spezialisten vor.



    Es gibt zwei Meinungen betreffend diese Tafeln. Die erste ist die Meinung der Archäologie-Spezialisten, der Fachleute. Diese bestreiten ihre Authentizität und die These, dass diese vor 2000 Jahren zu Daker-Zeiten entstanden sind. Die zweite Meinung gehört den Enthusiasten, den Liebhabern von Alter Geschichte. Diese betrachten die Tafeln als authentisch und versuchen anhand dieser die dakische Gesellschaft vor 2000 Jahren nachzubilden. Es gibt natürlich Argumente und Gegenargumente auf beiden Seiten. Meiner Meinung nach sind die Argumente, dass diese im 19. Jahrhundert geschaffen wurden, viel stärker. Die Metall-Analysen, die nicht vor langem durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass sie aus einem Blei hergestellt wurden, das typisch für die Druckereien des 19. Jahrhunderts war. Zweitens stellen alle Inschriften und die ganze Ikonographie auf diesen Tafeln Sachen vor, die im 19. Jahrhundert bekannt waren. Wir erfahren nichts Neues über die Geschichte der Daker. Das alles war schon vor 150 Jahren bekannt. Wir erfahren nichts über das, was nachher entdeckt wurde. Drittens waren diese Tafeln den wichtigen rumänischen Historikern der Antike bekannt. Auch Pârvan, dessen wissenschaftliche Kompetenz niemand bestreiten kann. Pârvan hat diese in seinem Werk keine Bedeutung geschenkt, weil er deren Geschichte kannte.“




    Welche waren aber die kulturellen Umstände unter denen die Tafeln entstanden? Radu Băjenaru:



    Diejenigen, die Echtheit bestreiten, nennen sie inkorrekt Fälschungen. Eine Fälschung stellt aber eine Kopie von etwas Authentischem dar. Diese Tafeln sind aber reine Schöpfungen des 19. Jahrhunderts und stammen sehr wahrscheinlich von Bogdan Petriceicu Haşdeu. Dieser war ein Enzyklopädist und ein gro‎ßer Gelehrter. Er hatte die finanzielle und intellektuelle Möglichkeit, so etwas zu schaffen. Mir scheint es offensichtlich, dass diese seine Vision über die Geschichte der Daker darstellen. Deswegen kann man diese Tafeln nicht berücksichtigen, wenn wir über Geschichte reden. Auch wenn wir diese berücksichtigen würden, hätten wir nichts Zusätzliches zu lernen, sie helfen uns nicht. Das einzige, was uns helfen könnte, ist diese sogenannte dakische Schrift, ein Gemisch von griechischen, kyrillischen, lateinischen und orientalischen Buchstaben. Für einen Sprachwissenschaftler wie Haşdeu war es einfach, diese zu mischen. Man hat versucht, diese zu entziffern. Wie ich verstanden habe, hat man das auch geschafft. Das finde ich absurd. Diese Buchstaben können keine eigentliche Sprache bilden. Das wäre die einzige Neuigkeit betreffend die Tafeln: die Information zu entziffern. Würden wir — unter Anführungszeichen — diese Schrift entziffern, auch wenn wir verstehen würden, was Haşdeu übermitteln wollte, würde uns das nicht allzu viel weiter helfen, wenn wir den Stand der Kenntnisse Mitte des 19. Jahrhunderts in Betracht ziehen.“




    Warum aber hat Haşdeu diese Tafeln geschaffen und wie sollten wir diese heute betrachten? Radu Băjenaru:



    Haşdeu wollte keineswegs in die Irre führen. Er war ein Mensch seiner Zeit, er wollte nichts fälschen, nichts Böses tun, wahrscheinlich hatte er gute Absichten. Man muss ihn als einen aufgeklärten, allwissenden Geist betrachten, der so viel wie möglich lernen wollte und so viel wie möglich verbreiten wollte. Es war eine seiner Ausdrucksweisen. Es war die Mode seiner Zeit, so etwas zu tun. Ich sehe nichts Böses darin. Schlecht ist es, wenn wir versuchen, diese Schöpfungen 2000 Jahre früher zu datieren. Würden wir diese Tafeln als Schöpfung eines Gelehrten betrachten, würde es wunderbar sein. Gravierend wird es, wenn einige Menschen versuchen, anhand dieser einer Geschichte zu begründen, die wir gar nicht kennen. Die von den Tafeln erzählte Geschichte entspricht sowieso der Geschichte der antiken Quellen, weil die Tafeln auf antike Quellen beruhen. Da gibt es keine Unstimmigkeiten. Ich verstehe nicht, warum man auf die Authentizität dieser Tafeln beharrt. In der ganzen Antike gab es keine solchen Inschriften. Ich verstehe nicht warum gerade wir in Rumänien diese haben müssten.“




    Mitte des 19. Jahrhunderts, während der Periode der nationalen Fälschungen“ herrschte der Geist der Romantik. Haşdeu gilt au‎ßerdem auch als Schöpfer“ zweier anderer Dokumente dieser Art. Er soll das sogenannte Diplom von Bârlad von 1134“ und die Urkunde von Jurij Korjatowitsch von 1347“ fingiert haben. Heute wird Geschichte anders als vor 150 Jahren geschrieben.



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