Tag: Dokumentar

  • Gesichter der Pandemie: Fotograf stellt sein familiäres Umfeld vor

    Gesichter der Pandemie: Fotograf stellt sein familiäres Umfeld vor

    Er studierte Dokumentarfotografie in London. Nach seiner Rückkehr nach Rumänien wollte er die Welt, die er hinter sich gelassen hatte, mit der Kamera neu entdecken, sei es beim Fotografieren oder Filmen. Dies war der Auslöser für die Baustelle in Zeiten der Pandemie“, ein Projekt, das dank der vierzehntägigen Isolierung von Ionuţ Teoderaşcu in seiner Wohnung in einem Mehrfamilienhaus ins Rollen kam. Teoderaşcu verewigte die Bauarbeiten für den benachbarten Wohnblock. Dann folgte Pandemie auf dem Lande“, ein weiteres Projekt, das aus Momentaufnahmen des Dorflebens bestand, das bis auf die Maske, die die Bewohner tragen mussten, unverändert geblieben war. Aber was unsere Aufmerksamkeit auf Ionut Teoderaşcu lenkte, war ein Projekt, für das Ionuţ Teoderaşcu im Rahmen der Budapest International Photo Awards 2020 den goldenen Preis in der Kategorie Menschen/Familie“ erhielt. Das ausgezeichnete Foto trug den Titel Nobody’s home“ (Es ist niemand zu Hause“). Ionuţ Teoderaşcu stellte sich als Dokumentarfotograf vor. Er erzählte uns, wie das Projekt zustande kam:



    Die Kurzdokumentation mit dem Titel »Es ist niemand zu Hause« wurde im April 2019 veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt nahm meine Idee Gestalt an. Ich besuchte das Haus meiner Gro‎ßmutter. Es war in den letzten zehn Jahren unbewohnt. Für mich war es pure Neugierde, einen Blick hinein zu werfen. Als ich das Haus betrat, bemerkte ich, dass alle Sachen meiner Gro‎ßmutter da waren, die Dinge waren fast unberührt. Es war wie eine Zeitkapsel. Dann kehrte ich mit meinem Vater dorthin zurück. Ich wollte von ihm die Geschichte seiner Kindheit erfahren — wie seine Eltern gewesen waren, als sie noch lebten, da ich den Opa väterlicherseits nicht kennengelernt habe, er starb im Alter von 44 Jahren. Dann kam ich wieder zurück, diesmal mit meinen Tanten, ich bat sie, mir mehr zu erzählen, und so entdeckte ich einen Teil der Vergangenheit meiner Gro‎ßmutter. Und ich dachte, das Beste sei, die ganze Geschichte in einem dokumentarischen Kurzfilm zu erzählen, so dass ich das Bild mit den Geräuschen des Hauses mischen kann. Denn ich machte auch Aufnahmen, als ich das Haus meiner Gro‎ßmutter mit meinen Eltern oder meinen Tanten besuchte. Ich habe den Dokumentar-Kurzfilm Ende letzten Jahres gedreht.“




    Der Film kam besser an, als er erwartet hatte, sagt Ionuţ Teoderaşcu.



    Das erste Mal, als ich ihn in Rumänien vorstellte, war er Teil eines Takeovers, er wurde auf der Instagram-Seite des Magazins »Decât o revistă« gepostet. Dort habe ich die Geschichte zum ersten Mal überhaupt ausgelegt, aber der Film wurde schon vorher in Gro‎ßbritannien veröffentlicht, er wurde auf einer Plattform gepostet, die sich der Dokumentarfotografie widmet. Dort wurde die Doku veröffentlicht. Mit diesem Projekt habe ich auch an einem Wettbewerb teilgenommen, bevor das Jahr zu Ende ging; zu diesem Anlass wurde ein Fotoalbum mit Studenten gepostet, eines der ersten Alben, die Canon gemacht hat. Und so startete das Projekt. Danach habe ich an einem Wettbewerb in Budapest teilgenommen, wo ich mit diesem Projekt den Gold Vibe, den goldenen Preis, gewonnen habe. Danach wurde es auch auf anderen Kanälen veröffentlicht — hier in Rumänien.“




    Ionuţ Teoderaşcu führte uns durch die Entstehungsgeschichte des Films.



    Das Gefühl, das man hat, ist, dass man in eine andere Zeit eintritt. Sobald man das Haus betritt, spürt man diese Bilder, die einen emotional sehr berühren, man sieht bröckelnde Wände oder sehr gro‎ße Spinnweben. Es ist diese Art von Bildern, die man nicht sehen möchte, vor allem, wenn man eine persönliche Verbindung zu der Familie hat, die dort gelebt hat, und doch ist es ein Ort, an dem die Geschichte einer Familie sehr gut bewahrt wurde, denn der Ort, in dem wir leben, definiert uns ja. Und die ganze Zeit, in der die Oma dort lebte — sie lebte die letzten 20 Jahre nur dort –, sammelte sie alle möglichen Dinge, die sie brauchte. Sie ordnete sie, sie bereitete sich irgendwie auch auf ihren Tod vor. Sie hatte schon alles für diesen Augenblick vorbereitet. Ich habe verschiedene Pillen gefunden, die sie schluckte, ich habe Briefe gefunden, die Oma dort aufbewahrt hatte. Und all diese Dinge sprechen Bände über die Person, die dort gelebt hat.“




    Der Film führt uns in das Dorf Crăieşti, Kreis Galaţi, das Dorf der Kindheit des Filmemachers, wo wir ein besonderes Haus besuchen. Ionuţ Teoderaşcu beschreibt die dörfliche Gegend:



    Das Haus ist untypisch für diese Gegend, wo die Häuser eher kleiner sind, es gibt Zweizimmerhäuser. Aber das Haus der Oma hat eine eigene Geschichte. Es wurde zweckmä‎ßig gebaut, es sollte die Verwaltung, die Präfektur oder das Rathaus beherbergen und wurde danach an meinen Gro‎ßvater verkauft. Es hat hohe Türen, die Baustoffe sind von sehr guter Qualität, sie sind aus massivem Holz. Das Haus wurde auf einem Hügel gebaut, der Blick auf das Dorf ist sehr malerisch. Es ist sehr alt — hundert Jahre alt oder so ähnlich.“




    Zum Schluss unseres Gesprächs verweist der Fotograf Ionuţ Teoderaşcu auf die Kanäle, wo man seine Arbeit betrachten kann:



    Ich ermutige jeden, sich die Kurzdokumentation anzusehen. Sie können sie auf meiner Website teoderascu.com oder auf YouTube oder auf der Facebook-Seite aufrufen. Denn ich denke, dass diese Dokumentation irgendwie die Geschichte mehrerer Familien erzählt und uns anleitet, wie wir die Vergangenheit einer Familie betrachten sollten, damit jeder die Idee versteht, dass die Vergangenheit einer Familie hier und da ist und von denen, die noch leben, romantisiert wird. Denn wir wollen wissen, dass unsere Eltern ein gutes Leben hatten. Und vielleicht ist das genau der Grund, warum wir, nachdem sie gestorben sind, versuchen, die Vergangenheit zu rekonstruieren und sie romantischer zu machen. Und das ist es, worüber ich in meinem dokumentarischen Kurzfilm spreche, abgesehen von der ganzen Geschichte über meine Gro‎ßeltern, die ich dort erzähle.“




    Für Interessierte: In der siebenbürgischen Stadt Zalău (Zillenmarkt) sind die Fotografien von Ionuţ Teoderaşcu in der Ausstellung Die Gesichter der Pandemie“ versammelt.

  • Das Dokumentarfilm-Festival „One World Romania 2014“

    Das Dokumentarfilm-Festival „One World Romania 2014“

    Vom 17. bis 23. März läuft in Bukarest die 7. Auflage des Dokumentarfilmfestivals One World Romania“ zum Thema Menschenrechte. Insgesamt werden 50 Streifen vorgeführt; auf dem Programm stehen Sonderfilmvorführungen, Matineen für Gymnasialschüler, ein Dokumentarfilm-Workshop, Theateraufführungen, Rundtischgespräche, ein Meisterkurs des polnischen Filmregisseurs Marcel Łoziński und sogar eine spezielle Rundfahrt durch die Bukarester Stadtmitte. Die 5 Hauptsektionen dieses Jahres sind: 25 Jahre später“, …denn sie wissen, was sie tun“, Der Schiefstaat“, Liebe ist auch ein Menschenrecht“ und Die Massenmedienklinik“. Alina Brădeanu ist Doc-West-Forscherin an der Westminster-Universität in Gro‎ßbritannien und zusammen mit dem Festivaldirektor, Alexandru Solomon, war sie dieses Jahr für die Auswahl der Dokumentarfilme zuständig:



    Die Art und Weise, wie wir die Filme für dieses Festival auswählen, hängt stark von dem ab, was in der Gesellschaft und in der Politik geschieht, in Rumänien und in der ganzen Welt. Wir haben zum Beispiel beschlossen, eine Sektion zu haben, die auf die Medien fokussiert, mit dem Zweck, die Entwicklung der rumänischen Medien in den letzten Jahren zu verfolgen. Es geht dabei vor allem um den Versuch der Medienmogule, die geschriebene und die gesprochene Information, mit einem Wort die Kommunikation im heutigen Rumänien zu kontrollieren. Das starke Bedürfnis nach einer rumänischen Presse, die keinen privaten Interessen dient, hat uns dazu angespornt, ein Sonderprogramm für die Massenmedien ins Leben zu rufen.“



    In der Sektion 25 Jahre später“ laufen 6 neue Dokumentationen über die kommunistische Zeit, aber auch 5 rumänische Kurzdokumentationen, die in der Zeit 1963-1983 vom Sahia-Studio gedreht wurden. Die Sektion mit dem Titel …denn sie wissen, was sie tun“ bringt mehrere Beispiele von unkonventionellem Aktivismus aus dem ex-sowjetischen Raum vor die Augen der jüngst revoltierten Bukarester; ergänzt werden diese Beispiele mit zwei rumänischen Dokumentarfilmen in Erstaufführung, die das Bild des gegenwärtigen Aktivismus zeichnen: Der rumänische Herbst“, in der Regie von Matei Budeş, und Bukarest, wo bist du?“, von Vlad Petri.



    Vlad Petri dokumentierte die sozialen Bewegungen von 2012 und 2013 in Bukarest, indem er regelmä‎ßig Aufnahmen und Bilder von den jeweiligen Ereignissen im Internet veröffentlichte. Die Hauptanliegen von Vlad Petri sind einerseits die Investigation der unmittelbaren, personenbezogenen Realität und andererseits die Sondierung der sozialen Umwälzungen an denen er teilnimmt. Am meisten interessiert mich der Platz, die Piazza, als öffentlicher Raum für Debatten, Vorschläge, Proteste. Mich interessiert, wie sich der Platz verwandelt, was für einen sozialen Impakt er hat. Mich interessieren die Menschen auf der Piazza, ihre Formulierungen, die Art und Weise, wie sie ihre Botschaften artikulieren und weitergeben. Ich habe mir vorgenommen, so oft wie möglich auf die Piazza zu gehen und meine Dokumentationen ausschlie‎ßlich durch die Online-Medien an das Publikum zu bringen, in dem Versuch, mit der Dynamik der Ereignisse Schritt zu halten“, sagt der Regisseur Vlad Petri. Aus diesem Interesse für die Piazza als öffentlichen Raum für Debatten“ entstand auch die Dokumentation Bucureşti, unde eşti?“ (Bukarest, wo bist du?“), die auch für das Internationale Filmfestival von Rotterdam ausgewählt wurde. Vlad Petri dazu:



    Insgesamt hatte ich etwa 50-60 Stunden Filmaufnahmen; davon wählte ich das Wichtigste aus und der fertige Film wurde 80 Minuten lang. Es war sehr schwer, diese Auswahl zu treffen, man bereut immer, da‎ß man auf vieles verzichten mu‎ß, da‎ß man nur einen Teil der Aufnahmen zeigen kann. Aber in diesen 80 Minuten versuchten wir, eine strukturierte und umfassende Geschichte über die Ereignisse auf der Stra‎ße zu erzählen. Ferner versuchten wir, dem aufgenommenen Filmmaterial treu zu bleiben, so da‎ß die Aufnahmen selbst die Entwicklung der Geschichte aufdecken; wir wollten nicht intervenieren, wir wollten die Zuschauer nicht in eine bestimmte Richtung führen. Für uns war es eine Zeit der Recherche und der Entdeckung — als wir die Dokumentation zusammengeschnitten haben, zeigten sich uns die Ereignisse aus einer neuen Perspektive.“



    Der rumänische Herbst“, ein Dokumentarfilm von Matei Budeş, der in der Sektion …denn sie wissen, was sie tun“ präsentiert wurde, ist eine diskrete Hommage an die Rumänen, die im Herbst 2013 auf die Stra‎ße gegangen waren, um gegen das Bergbauprojekt Roşia Montană zu protestieren, eine Würdigung ihres Ziels und ihrer schwer erprobten Standhaftigkeit. Dazu der Regisseur Matei Budeş:



    Ich wollte keine komplette Studie, kein Röntgenbild der Proteste und der darauffolgenden Ereignisse vom vorigen Herbst präsentieren. Mein Film ist eher eine Mischung von mehreren Tendenzen und Momenten, die schon von Anfang an deutlich wurden — es ging um das Bedürfnis, Debatten zu führen, sich besser zu organisieren. Ich würde sagen, da‎ß mein Film aus einer Serie von Momenten in den Monaten September und Oktober 2013 zusammengefügt ist. Ich mu‎ß schon gestehen, da‎ß mir, wie auch vieler meiner Mitbürger, die Zivilcourage nicht angeboren ist. Aber ich habe mit verschiedenen Menschen Kontakt aufgenommen, die sich an den Protestdemonstrationen beteiligt und mich mit Zivilcourage so zu sagen ‚kontaminiert‘ haben. Egal wie ich erzogen wurde, wie ich mich bisher verhalten hatte, wurde ich durch die Begegnung mit diesen Menschen wie verwandelt, ich wurde viel aufmerksamer auf die Welt, die mich umgibt, ich spürte den Drang, mich mehr einzusetzen. Ja, ich kann schon sagen, da‎ß man sich mit Zivilcourage anstecken mu‎ß. Selbstverständlich wäre ich nicht so daran interessiert gewesen, einen Film zu drehen, wenn ich mit den protestierenden Menschen nicht gesprochen hätte. Darüber hinaus bin ich in Bârlad geboren, einer Ortschaft in der Nähe von Pungeşti, wo die stärksten Proteste gegen den Schiefergasabbau stattgefunden haben, und mu‎ßte die Ereignisse sehr aufmerksam verfolgen.“



    Die Retrospektive One World Romania 2014“ wurde dem polnischen Regisseur Marcel Łoziński gewidmet. Unter dem Titel Marcel Łoziński — Meister des Zufalls“ wurden 10 Dokumentationen des Meisters aus Polen vorgeführt: Happy End“, Der Besuch“, Frontalkollision“, Mikrofonprobe“, Praktische Übungen“, 89 mm von Europa entfernt“, So macht man das“, Vater und Sohn auf der Reise“, Es kann alles geschehen“ und Damit es nicht wehtut“.



    In seiner 40jährigen Karriere stellte sich Łoziński nicht nur als einer der innovativsten Regisseure seiner Zeit heraus, sondern auch als einer der wichtigsten Kritiker der kommunistischen Gesellschaft. Viele seiner Kurzfilme sprechen über die Diskrepanz zwischen der Wirklichkeit und den offiziellen Parolen, über den Einflu‎ß der Medien als Indoktrinationsinstrument, über Lüge und Kompromiss. Das blieb aber nicht ohne Folgen — von den 12 Filmen, die er zwischen 1972 und 1980 drehte, wurden seinerzeit nur 4 vorgeführt. Der jüngste Film des polnischen Regisseurs, Vater und Sohn auf der Reise“ ist ein road movie, in dem Marcel Łoziński und sein Sohn, selbst Filmregisseur, mit einem Wohnwagen durch Europa reisen.



    Audiobeitrag hören: