Tag: Eugen Lovinescu

  • Geschichte der modernen rumänischen Zivilisation: 100 Jahre seit Herausgabe von Lovinescus Werk

    Geschichte der modernen rumänischen Zivilisation: 100 Jahre seit Herausgabe von Lovinescus Werk

    Eugen Lovinescu ist 1881 in Fălticeni, im Norden Rumäniens, geboren und 1943 in Bukarest gestorben. Er ist unter anderem für sein umfangreiches dreibändiges Werk „Geschichte der modernen rumänischen Zivilisation bekannt“. Das Buch wurde 1924-1925, vor genau 100 Jahren, herausgegeben. Darin wird Lovinescus Vision von kleinen Gesellschaften präsentiert, die dazu neigen, sich mit großen Gesellschaften zu synchronisieren. Der Autor, ein überzeugter Anhänger westlicher Werte, legt das Gesetz der Nachahmung dar und zeigt, wie rückständige Gesellschaften von fortgeschrittenen Gesellschaften beeinflusst werden

    Seit seinem Erscheinen hat Lovinescus Werk zunehmend an Bedeutung für die rumänische Gesellschaft gewonnen. In den vergangenen 100 Jahren wurde Lovinescus These vom Synchronismus sowohl angegriffen als auch verteidigt.

    Nach Ansicht von Ion Bogdan Lefter, Professor für rumänische Literatur an der Universität Bukarest, geht das Buch über eine Literaturgeschichte hinaus. Deshalb würde es jetzt die Anerkennung bekommen, die es verdient habe.

    Die Frage, die ich mir sicherlich gestellt habe, lautet: Warum dieses Buch? Und natürlich gibt es dazu eine Reihe von Antworten, die vielschichtig sind. Die erste Antwort ist die außerordentliche Bedeutung des Autors. Für mich ist Lovinescu der wichtigste rumänische Literaturkritiker überhaupt, ja sogar eine Schlüsselfigur der rumänischen Kultur seit 1900. Die zweite Ebene der Antwort ist vielleicht überzeugender, da sie keine Bewertung und möglicherweise auch keine Subjektivität impliziert. Sie hat mit dem Profil dieses Buches in Bezug auf sein Thema und auf die heutige rumänische Welt zu tun. Lovinescu war ein Literaturkritiker, seine multidisziplinäre Relevanz ist unbestreitbar.

    Ion Lefter ist der Meinung, dass der Text von Lovinescu eine Aktualisierung verdient. Es ist bekannt, dass jeder Text ein Produkt seiner Zeit ist und mit jedem vergangenen Jahr „altert“. Lefter argumentiert, dass Lovinescu mit den Augen des 21. Jahrhunderts gelesen werden kann.

     Der Synchronismus ist, war und bleibt eine Form der Globalisierung. Globalisierung ist eine Form der Synchronisierung. Das Überbrücken von Lücken, das Eintreten in den Wettbewerb, die Angleichung sind auch Mikroprozesse. Wenn wir über eine einzelne Nation sprechen, befinden wir uns aus planetarischer Sicht immer noch auf einer Mikroebene. Oder, wenn wir die große planetarische Skala betrachten, sind die Phänomene eigentlich gleichartig, mit vielen Feinabstimmungen, die wir natürlich hinzufügen müssen. Lovinescus kulturelle Überlegungen zur Geschichte der modernen rumänischen Zivilisation haben von daher vielleicht auch eine zeitgenössische und sogar natürliche Dimension. Ich sage das nicht, um Lovinescus Bild als Prophet der Globalisierung aufzupolieren.

     Wer sich für Moden und Trends interessiert schaut auch auf die Richtung, in die sich die menschliche Zivilisation bewegt. Da Kultur und Zivilisation nicht voneinander zu trennen sind, hören wir heute Meinungen darüber, die aus der Vergangenheit stammen und nach den Vorstellungen der Gegenwart neu bewertet werden. Ion Bogdan Lefter sagt, ausgehend von den Thesen Lovinescus, dass die Entwicklung der Menschheit eher als Ergebnis allmählicher Anhäufungen und kaum als Folge extremer und spontaner Impulse zu sehen ist.

     Ich bin fest von der Idee der evolutionären Abstufungen überzeugt, die in erster Linie Kontinuitäten voraussetzt. Die Kontinuitäten können langsamer oder schneller sein, die Rhythmen können Kontinuität und Bruch näher bringen. Sind sie so radikal unterschiedlich, wie wir sie oft formulieren? Oder sind sie Teil umfangreicher Prozesse der Entwicklung und Kontinuität, die auch Rückschläge und Brüche beinhalten? Auf jeden Fall würde ich viel vorsichtiger und seltener radikale Bewertungen verwenden.

    Autoren wie Eugen Lovinescu, die über die Grenzen ihrer Disziplin hinausgehen, sind eher selten. Ion Bogdan Lefter ist der Ansicht, dass die historischen Zeiten, durch die Gesellschaften gehen, über die Persönlichkeiten verfügen, die sie verstehen können.

    Lovinescu kommt sehr schnell zu der Erkenntnis, dass Literatur ohne einen historischen Charakter nicht verstanden werden kann und nicht existiert. Es gibt keine Geschichte der Literatur ohne den Hintergrund der Sozialgeschichte, der großen Geschichte. Das ist eigentlich eine Entwicklungsstufe derjenigen, die in der jeweiligen Epoche alle soziokulturellen Bereiche verstanden haben. Die öffentliche Debatte setzt eben zuallererst den Diskurs voraus. Das Verfassen von Texten, das expressive Schreiben sind frei verfügbar und können von Fachleuten in allen Bereichen genutzt werden. Aber natürlich trainieren Schriftsteller auch für den Diskurs, sie sind Profis der öffentlichen Vorträge.

     Vor hundert Jahren hat Eugen Lovinescu der rumänischen Kultur ein großes Werk vermacht. Es war sowohl ein Buch über die Identität der rumänischen Gesellschaft als auch ein Buch über ihren Werdegang.

  • Ausstellung zum 100. Geburtstag der Dissidentin Monica Lovinescu

    Ausstellung zum 100. Geburtstag der Dissidentin Monica Lovinescu

    Am 19. November jährte sich der Geburtstag von Monica Lovinescu, Journalistin, Essayistin und Literaturkritikerin, zum 100. Mal. Die Tochter des Literaturkritikers E. Lovinescu und der Französischlehrerin Ecaterina Bălăcioiu war ihrerseits eine wichtige Figur der rumänischen kulturellen Moderne der Zwischenkriegszeit, eine wichtige Persönlichkeit der rumänischen Diaspora. Jahrzehntelang hat die Journalistin gemeinsam mit ihrem Ehemann Virgil Ierunca am Mikrofon des Radiosenders Europa Liberă, der in Rumänien heimlich gehört wurde, die Propaganda demontiert und die Wahrheit über die vom Kommunismus geschaffene Gesellschaft und Kultur im Lande gesagt.



    Ihre Stimme wurde unter den Rumänen sehr bekannt, die dank ihrem Einsatz besser verstanden, was um sie herum geschah. Zu Ehren der beiden – Virgil Ierunca starb 2006 und Monica Lovinescu 2008 — hat der Kulturverband La Mița Biciclista in Bukarest Ende November eine Ausstellung eröffnet, die bis Ende des Jahres zu sehen ist. Kurator Edmond Niculușcă erklärt, mit welchen Absichten die Veranstaltung organisiert wurde. “Monica Lovinescu hat im Namen von Millionen von Menschen gesprochen. Und, wie Gabriel Liiceanu sagt, hat sie gesagt, was unser Verstand dachte, aber nicht aussprechen konnte, was der Verstand unserer Eltern dachte, aber nicht aussprechen konnte. Die Ausstellung folgt dem Leben von Monica Lovinescu von 1923 bis 2008, von der Geburt bis zum Tod, und führt den Besucher gleichzeitig durch die gro‎ße Zeit der Geschichte: von der Verabschiedung der Verfassung von 1923, der Machtübernahme durch Kommunisten, der Zeit des Ceaușescu-Regimes, dem Fall des kommunistischen Regimes und dem Beginn der 1990er Jahre. In dieser Ausstellung sind auch zwei bewegende Nachstellungen zu sehen.



    Zum einen das Zimmer der Mutter, wie es Ecaterina Bălăcioiu, die Mutter von Monica Lovinescu, in einem Brief mit einigen Fotos an ihre Tochter in Paris beschreibt. Es handelt sich um das Zimmer, in dem Ecaterina Bălăcioiu nach der Machtübernahme durch das kommunistische Regim in Bukarest lebte und in dem sie im Alter von 71 Jahren verhaftet wurde. Von hier aus begann der au‎ßergewöhnliche Briefwechsel mit Monica in den letzten zehn Jahren des Lebens von Ecaterina Bălăcioiu. Zudem gibt es auch eine kommunistische Küche in Bukarest im November 1989, wo Ceaușescu während des letzten PCR-Kongresses im Fernsehen spricht, als er als Staatschef wiedergewählt wird. Es gibt auch einen Radiosender, in dem eine Sendung vom November 1989 zu hören ist, in der Monica Lovinescu über den Sturz des Kommunismus, den Fall der Berliner Mauer und die Absurdität der Situation in Bukarest spricht. “



    Die Ausstellung mit dem Titel “Monica Lovinescu, die Stimme, die uns gegeben wurde” ist vor allem den Jüngsten gewidmet, die nach 1990 geboren wurden und nicht genau wissen, wer sie war. Sie richtet sich auch an Erwachsene und ältere Menschen, die ihren Beitrag zum Kampf gegen die kommunistische Diktatur vielleicht vergessen haben. Wir haben diese Ausstellung eröffnet, um die Erinnerung an Monica Lovinescu wach zu halten”, schlie‎ßt Edmond Niculușcă. “Nur wenige Menschen wissen noch, wer Monica Lovinescu ist. Die Ausstellung in La Mița Biciclista ist für uns, die wir heute leben, damit wir Monica Lovinescu nicht vergessen, denn Monica Lovinescu zu vergessen, bedeutet, die Werte zu vergessen, für die Monica Lovinescu gekämpft hat, die Werte, für die Monica Lovinescu sogar Opfer eines Attentats wurde, die Werte, für die Monica Lovinescu ihr ganzes Leben gegeben hat”.