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  • Theaterfestival Eurothalia 2017: Unkonventionelle Aufführungen gegen Grenzen des Konventionellen

    Theaterfestival Eurothalia 2017: Unkonventionelle Aufführungen gegen Grenzen des Konventionellen

    Das Theaterfestival in der westrumänischen Stadt gilt als eines der experimentierfreudigsten in Rumänien. Andreea Andrei, Theaterwissenschaftlerin, brachte unter dem Stichwort Grenzen Aufführungen und bedeutende Namen des europäischen Theaters zusammen. Im Folgenden erläutert sie das Konzept, das die Organisatoren 2017 gelten lie‎ßen:



    Das Festival »Eurothalia« schlägt ebenfalls Aufführungen vor, die keine klassischen Theateraufführungen sind. Es sind Veranstaltungen mit einer unterschiedlichen Ästhetik. Ich glaube, es ist sehr bedeutend, dass wir uns alle die Frage stellen, ob es Grenzen gebe, ob wir diese Grenzen überschreiten können, ob wir sie akzeptieren oder ausweiten können. Andererseits leben wir in einer Welt, in der immer mehrere Mauern, Schranken und Zäune um uns errichtet werden. Wir leben in einer konservativen Welt, in der wir die Unterschiede nicht akzeptieren. Es ist sehr bedeutend, dass wir durch die Aufführungen unsere geistigen Grenzen testen. Dieses Thema wurde in diesem Jahr in unterschiedlicher Art und Weise ausgedrückt. In der ganzen Woche haben wir über die physischen Grenzen gesprochen, über die Grenzen des Körpers, über die Grenzen der verbalen Kommunikation, über die Mauer zwischen Zuschauern und Schauspielern sowie über die Grenzen der Ethik und Moral im Theater.“




    Das Deutsche Staatstheater in Temeswar hat in diesem Jahr als Gastgeber des Festivals Eurothalia mehrere Must see“-Inszenierungen auf die Bühne geholt. Der belgische Künstler Wim Vandekeybus hat zusammen mit seiner Theatergruppe Ultima Vez am Ende des Festivals die Aufführung In Spite of Wishing and Wanting“ präsentiert. Die Aufführung wurde 1999 zum ersten Mal gespielt und stellt ein bedeutendes Moment in dem Werk von Vandekeybus dar. 2016 wurde es neuinszeniert, diesmal nur mit männlichen Darstellern. Die Show sorgte für Sensation in der ganzen Welt. Die bekannten Symbole der Träume, der Wünsche werden ihrer psychoanalytischen Klischees entblö‎ßt und in die poetische Tanzsprache der Gruppe Ultima Vez umgestaltet. Die Grenzen sind interessant und können negativ oder positiv betrachtet werden, meint Vandekeybus, den wir über die Grenzen seiner Show in der Beziehung zum Publikum gefragt haben:



    Wir haben versucht, die Idee auszudrücken, dass die Menschen Tiere sind, die gro‎ße Wünsche haben und alles erklären wollen. Dafür haben wir das Theater. Deshalb stehlen wir. Das Theater stiehlt vom Leben. Hier auf der Bühne bestehlen wir uns gegenseitig. Einer sagt etwas und der andere eignet sich das gleich an. Danach behauptet jeder, dass es sein Wunsch sei, dass es seine Worte seien. Nichts ist originell. Es ist ein bisschen showartig. Es ist ein Teil aus einer Geschichte von Julio Cortázar über einen Verkäufer, der die letzten Worte, die der Mensch vor dem Tod sagt, verkauft. Er verkauft sie, damit du wei‎ßt, was du am Ende des Lebens sagen musst. Er verkauft ganz persönliche Sachen. Ich glaube, dass wir heute alles kaufen können. Man kann Liebe kaufen, man kann sogar Leben kaufen.“




    Das Programm des europäischen Theaterfestivals Eurothalia hat ebenfalls die Sektion Eurothalia Xtension eingeschlossen, die zusammen mit dem Verband Temeswar — europäische Kulturhauptstadt 2021“ organisiert wurde. Chris Torch, künstlerischer Leiter, sagte uns:



    Wir haben am Anfang der Vorbereitungsaktionen für das Projekt Temeswar 2021 einen Teil unseres Programms, den wir »Xtension« nennen, identifiziert. Wir haben uns an Institutionen und Organisationen in Temeswar gewandt und sie gefragt, ob wir im Vorfeld etwas hinzufügen könnten, was der Stadt fehlt und dennoch bedeutend ist. Da lag es auf der Hand, mit Eurothalia zusammenzuarbeiten. Es geht um ein wunderbares Festival. Wir haben das dänische Ensemble Odin Teatret nach Temeswar gebracht, weil wir uns für seine Erfahrung hinsichtlich des Lernprozesses und der Arbeit in Holstebro mit dem Projekt Holstebro Fest Week interessieren. Die Künstler bringen für eine Woche die ganze Gemeinschaft zusammen, um gemeinsam zu schöpfen. Sie arbeiten zusammen mit der Polizei, mit den Soldaten, mit den Einwanderern. Odin Teatret koordiniert all diese künstlerischen Tätigkeiten.“




    Odin Teatret, die Theatergruppe, die in der zweiten Häfte des 20. Jh. unter der Leitung des Regisseurs Eugenio Barba das Theater revolutionierte, hat ihren Sitz in der dänischen Provinz Holstebro, wo sie das Festival gründetet hat, das ein Vorbild wurde für die gemeinschaftliche Einbeziehung der Künstler.



    Das Festival Eurothalia hat ein aufgeschlossenes Publikum, das sich überraschende und herausfordernde Aufführungen wünscht. Die Theaterwissenschaftlerin Andreea Andrei dazu:



    Wir erfreuten uns kräftigen Beifalls bei allen Aufführungen. Die Zuschauer hatten die Geduld und die Neugier, offen für aktuelle soziale Themen zu sein. Wir waren recht überrascht, dass das Publikum derartige Aufführungen liebt. Das widerspricht der Meinung zahlreicher Theater- oder Festivalmanager in Rumänien, die behaupten, unser Publikum sei sehr konservativ.“

  • Theaterfestspiele in Hermannstadt (FITS)

    Theaterfestspiele in Hermannstadt (FITS)

    Der letzte Vorhang ist beim 20. Internationalen Theaterfestival im siebenbürgischen Sibiu (z. dt. Hermannstadt) gefallen. Die Hermannstädter Festspiele stellen die bedeutendste internationale Fachveranstaltung dar, die Rumänien organisiert. Nach dem Internationalen Theaterfestival im britischen Edinburgh und jenem im französischen Avignon gilt das Internationale Festival im siebenbürgischen Hermannstadt als das drittgrö‎ßte Theaterfestival europaweit. Im Laufe der Zeit hat die Veranstaltung immer mehr an Beliebtheit gewonnen und gilt derzeit auch als eine der wichtigsten weltweit.



    Berühmte Theaterensembles, rumänische und ausländische Regisseure, Theaterkritiker und das begeisterte Hermannstädter Publikum sind dieses Jahr in der Europäischen Kulturhauptstadt 2007 unter dem Zeichen des Dialogs zusamengekommen, um die 20. Jubiläumsauflage zu feiern. Am Sonntag, den letzten Tag der Festspiele, haben rund 20.000 Menschen auf dem zentralen Platz der siebenbürgen Stadt der Aufführung Pedalând spre cer/Radfahrend gen Himmel“ beigewohnt. Die Inszenierung verknüpft mit Eleganz und Stil Kinobilder, Lieder und Tanzaufführungen. Mehrere belgische Schauspieler haben in einer beeindruckenden Aufführung auf Dreirädern mit Hilfe eines Krans 10 Meter über der Erde geschwebt und brachten somit das begeisterte Publikum zur höchsten Stimmung.



    Zehn Tage lang wurde das mittelrumänische Hermannstadt zu einer riesengro‎ßen Bühne, auf der rund 350 Aufführungen inszeniert wurden, die Hälfte davon feierten somit ihre Weltpremiere. Über 2.500 Künster und spezielle Gäste aus siebzig Ländern haben dieses Jahr mit ihren Autritten beim Internationalen Theaterfestival in Hermannstadt bewiesen, dass man mit Kultur die heutige wirtschaftliche und soziale Krise überwinden kann. Dutzende alternative Räume wie der zentrale Platz der Stadt (Gro‎ßer Ring), Kirchen, historische Einrichtungen, Bars waren neben den traditionellen Theatersälen auch dieses Jahr Gastgeber zahlreicher Tanz-, Theater-, Musik- oder Zirkusaufführungen. Auf dem Programm der diesjährigen Festpiele standen zudem zahlreiche Buchpremieren.



    Festival-Intendant Constantin Chiriac sagte dazu: Das diesjährige Theaterfestival hat bewiesen, dass Hermannstadt unter dem Zeichen des Dialogs steht. Hermannstadt ist eine Stadt, die dieses Jahr ihre Schönheit, ihren Stolz und ihre Fähigkeit, solche Veranstaltungen zu organisieren, erneut vor der ganzen Welt unter Beweis gestellt hat. Hermannstadt ist zeitgleich eine Stadt, die solche gro‎ßartige Projekte voranbringen kann. Danke an alle Zuschauer, die im Laufe der Zeit über sich selbst hinaugewachsen sind. Ich danke allen, die dieses Festival unterstützt und verstanden haben, dass die Investition in Kultur eine wichtige Antriebskraft unserer heutigen Gesellschaft darstellt. Die Kultur hat zudem die Fähigkeit, neben Geistigkeit auch einen wirtschaftlichen Gewinn zu bringen. Ich kann unserem Publikum versprechen, dass jedes Theaterfestival, das wir weiterhin organisieren werden, besser als das vorherige sein wird.“



    Gro‎ße Namen der internationalen Theaterszene waren bei den Hermanstädter Festpielen zu Gast. Sechs von ihnen haben die Veranstalter dieses Jahr auch einen Stern auf der jüngst eingeweihten Stars-Allee der Stadt verliehen: den Theaterregisseuren Eugenio Barba, Ariane Mnouchkine, Declan Donnellan und Silviu Purcărete, dem Theaterkritiker George Banu. Die Auszeichnung wurde au‎ßerdem der Legende des japanischen Theaters, dem Kabuki-Schauspieler Nakamura Kanzaburo XVII., post mortem verliehen.