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  • Nafiseh Shokri aus dem Iran: „Demokratie sollte mehr geschätzt werden“

    Nafiseh Shokri aus dem Iran: „Demokratie sollte mehr geschätzt werden“

     

     

    Nafiseh Shokri stammt aus dem Iran, ist Reiseleiterin von Beruf und hat im Dezember 2024 einen rumänisch-iranischen Verein, das Iranian Romanian Network, gegründet. Sie hat ihr Studium an der Jura-Fakultät in Teheran abgeschlossen und begeistert sich für Rumänien und die rumänische Kultur. Sie hat in mehreren Reisebüros als Reiseleiterin für iranische Touristen in Rumänien, aber auch in China und Dubai gearbeitet. In letzter Zeit organisiert sie Workshops, kulturelle Veranstaltungen und Vorträge, die der Öffentlichkeit in Rumänien iranische Traditionen sowie persische Literatur und Kunst nahe bringen.

     

    Zunächst erfahren wir, wie ihre rumänische Geschichte begann.

    Vielen Dank für die Einladung in Ihre Sendung! Ich bin vor fast vier Jahren nach Rumänien gezogen und es gefällt mir sehr gut hier. Ich liebe dieses Land! Wie Sie schon sagten bin ich Reiseleiterin, das war ich schon vorher im Iran gewesen. Ich hatte rumänische Touristen im Iran begleitet, und einer von ihnen hat mich 2019 hierher nach Rumänien eingeladen. Folglich kam ich zu Besuch, war 20 Tage in Rumänien, habe das ganze Land bereist, Freunde gefunden und eine Arbeitsmöglichkeit entdeckt. Also beschloss ich 2020, dauerhaft hierher zu kommen. Im Iran hatte ich Völkerrecht studiert, aber meine Leidenschaft galt dem Reisen und der Entdeckung von Menschen und dem kulturellen Austausch. So habe ich mehr als 14 Jahre lang in diesem Bereich gearbeitet. In Rumänien bin ich jetzt immer noch Reiseleiterin für Touristen, die aus anderen Ländern hierher kommen, und begleite sie auf ihrer Entdeckungstour in englischer Sprache.

    Nach einem Jahr in Rumänien lernte ich meinen Mann kennen. Er ist rumänischer Staatsbürger, und wir haben eine Familie gegründet. Am Anfang war es sehr schwierig für mich, ohne meine Familie hier allein zu sein. Diese Ehe hat mir sehr zur mentalen Stabilität verholfen und auch, mehr über Rumänien erfahren zu können.“

     

    Für Nafiseh Shokri war es sehr schwierig, ihre Familie im Iran zurücklassen zu müssen, vor allem in einer sehr schwierigen und turbulenten politischen Situation, die auch von Tragödien geprägt war. Wie ist ihre Situation jetzt, würde sie in den Iran zurückkehren?

    Selbstverständlich habe ich den Kontakt zu meiner Familie und meinen Freunden aufrecht erhalten. Es ist sehr traurig, dass mehrere Freunde aus dem Land gezogen sind. Ich habe eine Freundin in Australien, eine andere in Kanada, und wenn wir miteinander reden wollen, ist es sehr schwierig, uns zeitlich abzustimmen. Aber meine Familie ist immer noch im Iran, und wir sprechen so gut wie jeden Tag miteinander.

    Ich habe mich für Rumänien entschieden, weil es relativ nahe von Iran liegt und nicht so weit entfernt ist wie Kanada oder Australien. Doch nach den Ereignissen im Iran vor drei Jahren habe ich hier an einer Demo für Menschenrechte teilgenommen, und jetzt es scheint es mir etwas riskant zu sein, wieder in den Iran zu reisen, also ziehe ich es vor, hier zu bleiben.

    Ich habe inzwischen auch Rumänisch gelernt und hier Freunde gefunden. Ich habe mittlerweile mehr rumänische als iranische Freunde und ich fühle mich hier heimisch. Ich habe großes Glück: Die Menschen in Rumänien sind sehr offen und freundlich, und ich fühle mich hier wirklich wie zu Hause.“

     

    Zum Schluss unseres Interviews mit der Wahlrumänin Nafiseh Shokri aus dem Iran wollten wir von ihr wissen, was sie aus ihrer alten Heimat vermisst und was sie am meisten in Rumänien schätzt.

    In erster Linie vermisse ich meine Familie. Außerdem das Brot – im Iran ist es sehr unterschiedlich: Es gibt viele verschiedene Brotsorten mit unterschiedlichem Geschmack, und jede Bäckerei, die eine bestimmte Brotsorte herstellt, hat einen anderen Duft. Ich vermisse den Duft dieser Bäckereien sehr.

    In Rumänien schätze ich, dass die Menschen sehr herzlich und neugierig sind, mehr über die persische Kultur und Geschichte zu erfahren. Diese Neugierde hat mich dazu inspiriert, den Verein Iranisch-Rumänisches Netzwerk zu gründen, der eine Art Brücke zwischen diesen zwei Kulturen darstellt. Denn wir haben vieles gemeinsam mit den Rumänen. Beispielsweise das Liebesfest, das am 24. Februar stattfindet. In der rumänischen Kultur wird es als Dragobete-Fest begangen, und genau an diesem Tag, dem 24. Februar, wird in unserer Kultur der Tag der Liebe gefeiert. Dieses Fest ist sehr alt, wird seit mehreren tausend Jahre begangen, und ich finde diesen Zufall besonders interessant und würde gerne eine rumänisch-iranische Veranstaltung an diesem Tag durchführen.

    Letztendlich habe ich den Eindruck, dass wir Menschen, wenn wir etwas für gegeben halten, es nicht zu schätzen wissen. Ich mache mir ein wenig Sorgen, dass die Rumänen die Demokratie, die sie jetzt haben, nicht sehr hoch halten. Sie ist sehr wichtig! Wenn wir das, was jetzt im Iran passiert, mit dem vergleichen wollten, was wir hier in Rumänien haben, müssten wir die Gegebenheiten in Rumänien sehr viel mehr schätzen.“

  • Antonio Madrid aus Lissabon: „Im Ausland zu leben ist aufregender“

    Antonio Madrid aus Lissabon: „Im Ausland zu leben ist aufregender“

     

     

    Im Jahr 2008 zog Antonio Madrid nach Rumänien, arbeitete mehrere Jahre in der Baubranche und lebte in Deva (Diemrich), Sibiu (Hermannstadt) und Bukarest. Nach einem Praktikum in Moskau als Wirtschaftsreferent in der spanischen Botschaft ließ er sich in Rumänien nieder, lebt nun in Bukarest und änderte seine berufliche Laufbahn: Er beschloss, am hiesigen Cervantes-Institut Rechtsspanisch für Ausländer zu unterrichten. Außerdem ist er beeidigter Übersetzer für Rumänisch, Spanisch und Portugiesisch. Und – last, but not least – ist er unser Kollege bei Radio Rumänien International in der spanischen Redaktion.

     

    Wir haben ihn zunächst gefragt, wie er nach Rumänien kam und warum er sich entschied zu bleiben.

    Nach dem Uni-Abschluss zog ich für ein Masterstudium nach Polen und lernte dort meine zukünftige Frau kennen, die aus Rumänien stammt. Ich weiß noch, wie mein Vater sagte, als ich nach Polen ging: ‚Ich mache mir Sorgen, dass du in Polen bleibst!‘ Und ich sagte: ‚Schau, ich bin nicht in Polen geblieben, sondern nach Rumänien gezogen. Ich bin weiter nach Süden gezogen, in ein lateinisches Land, hier ist es besser.‘ Doch generell haben sich meine Eltern nicht allzu viel aufgeregt, weil ich – genau wie sie – schon mit 18 von zu Hause ausgezogen bin. Ich fahre zu Weihnachten und in den Sommerferien zurück, weil es in Lissabon am Ozean sehr schön ist, aber sonst nicht. Ich lebe gerne im Ausland, ich finde es aufregender.“

     

    Doch warum gerade Rumänien? Er hätte schließlich mit seiner rumänischen Ehefrau auch in Portugal oder Spanien leben können.

    Bevor wir uns hier niederließen, verbrachten wir einige Zeit in Russland. Ich hatte ein Praktikum in Moskau absolviert, und als die Zeit dort vorbei war, mussten wir gehen. Wir hielten es für besser oder geeigneter, nach Rumänien zu ziehen. Meine Frau spricht zwar Spanisch, aber kaum Portugiesisch, also war es nicht geplant, in mein Elternhaus nach Lissabon zurückzukehren. Und in Spanien habe ich zwar auch Verwandtschaft, doch ist es keine enge Beziehung, folglich war es einfacher, nach Rumänien zu kommen, zu ihrer Familie in Bukarest.“

     

    Doch wie hat es mit dem Einleben in Rumänien geklappt, vor allem am Anfang, als Antonio Madrid Rumänisch nicht beherrschte?

    Diese Frage bekomme ich oft gestellt und ich antworte immer dasselbe. Viele Rumänen fragen mich: ‚Aber wieso bist du nach Rumänien gekommen? Du kommst ja ursprünglich aus Spanien, in Spanien ist es doch so gut! Viele Rumänen wandern nach Spanien aus, und du machst es umgekehrt.‘ Und ich sage darauf immer: Nein, ich komme nicht aus Spanien, ich komme aus Portugal über einen Umweg durch Russland, doch hier ist alles viel einfacher. Hier gefällt mir alles, ich fühle mich wie zu Hause; auch wenn ich am Anfang die Sprache nicht beherrschte, hatte ich schon das Gefühl, dass ich mit den Menschen hier mehr im Einklang stehe als dort oben im Norden.“

     

    Weiter wollten wir von Antonio Madrid noch erfahren, wie er bei Radio Rumänien International in der spanischen Redaktion landete und wie er sein Leben als Übersetzer und Redakteur findet.

    Ich habe Politikwissenschaft studiert, und ich erinnere mich an mehrere Professoren, die uns sagten: Sie sollten wissen, dass mehr Journalisten aus der Politikwissenschaft kommen als vom Journalistik-Studium. Ich hatte schon immer Kontakte zu den Medien, daher war es für mich kein großer Sprung. Außerdem bin ich seit zehn Jahren Blogger, kenne mich also in dem Bereich ein bisschen aus. Man lernt ständig dazu, ich liebe es, es ist ein aktives Umfeld. Ich arbeite nun seit anderthalb Jahren im Rundfunk, ich kenne immer noch nicht alle Kniffe des Metiers, aber ich denke, es ist ein sehr schöner Beruf. Ich kenne mehrere Leute, die hier in der spanischen Redaktion von RRI gearbeitet haben. Ich habe zunächst als außenstehender Mitarbeiter angefangen, und dann gab es eine Stellenausschreibung. So bin ich hier gelandet.“

     

    Antonio Madrid hat in mehreren Ländern und in mehreren Städten Rumäniens gelebt. Wie findet er das Leben in Bukarest?

    Was mir von Anfang an in Rumänien sehr gut gefallen hat, ist, dass ich immer das Gefühl hatte, dass man hier viele Dinge tun kann, die in Spanien oder Portugal nicht so einfach möglich wären. Ich erinnere mich zum Beispiel daran, dass ich in den ersten Tagen nach meiner Ankunft einen Freund von mir traf, der mir erzählte, dass er eine Apothekenkette eröffnen wollte, und ich schaute ihn erstaunt an. In Spanien käme niemand auf die Idee, auch nur eine einzige Apotheke zu eröffnen, weil das ein so kompliziertes Geschäft ist, das von Generation zu Generation vererbt wird und Millionen von Euro an Vorleistungen kostet. In Rumänien hingegen kam er mit dieser Idee auf und wollte sie sofort umsetzen. Es erschien mir wie das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Wenn man zu lange hier bleibt, bemerkt man die Veränderungen vielleicht nicht. Aber es reicht, wenn man für zwei bis drei Wochen oder einen Monat weggeht. Wenn man zurückkommt, merkt man sofort: Ja, die Dinge haben sich zum Besseren verändert.“

     

    Doch wie für viele Ausländer, die in Bukarest leben, gibt es auch einen Wermutstropfen für Antonio Madrid: der Verkehr in der rumänischen Hauptstadt.

    Die Leute fragen mich: Könntest du dir vorstellen, hier in Bukarest zu leben, wenn du in Rente gehst? Und meine klare Antwort lautet: Nein! Der Verkehr ist einfach unmöglich! Ich bin an dem Punkt angelangt, an dem ich mein Auto unter der Woche gar nicht mehr benutze. Dafür gibt es eine U-Bahn, die sehr gut funktioniert, vor allem, wenn man nicht unbedingt um 7.30 bis 8.00 Uhr irgendwohin fahren muss. Es gibt zwar öffentliche Verkehrsmittel, aber die Stadt ist am Kollabieren. Hier scheint man sehr viel auf Autos zu geben, jeder Haushalt hat zwei, drei Autos, Privatwagen und Firmenwagen. Doch diese Stadt wurde in einer Zeit ausgebaut, als es noch nicht so viele Autos gab. Auch in Spanien gibt es Städte, die voller Autos sind, aber jedes Gebäude hat eine Tiefgarage. In Rumänien, insbesondere in Bukarest, ist das nicht so, und die Straßen sind fast zugeparkt.“

  • Mustafa Öz aus der Türkei: „Ich fühlte mich von Anfang an nicht fremd in Rumänien“

    Mustafa Öz aus der Türkei: „Ich fühlte mich von Anfang an nicht fremd in Rumänien“

     

     

    Zunächst wollten wir erfahren, was den türkischen Lehrer und Wissenschaftler nach Rumänien verschlagen hat.

    Mein Abenteuer in Rumänien begann im Jahr 2000. Wie jeder Hochschulabsolvent war ich auf der Suche nach einer Stelle als Chemielehrer und bekam ein Angebot vom privaten Bildungsnetzwerk »Lumina« in Bukarest. Und so kam ich nach Rumänien. Meine Laufbahn als Lehrer begann allerdings am Internationalen Informatik-Gymnasium in Constanța, dann setzte ich sie in Bukarest an verschiedenen Einrichtungen fort, wo ich in einigen vom Netzwerk betreuten Schulen Führungsaufgaben übernahm.“

     

    Doch wieso hat sich Mustafa Öz gerade für Rumänien entschieden und wie hat er sich in den 20 Jahren hier eingelebt?

    Als ich zum ersten Mal nach Rumänien kam, war das für mich vielleicht wie ein Auslandsabenteuer. Ursprünglich war mein Plan, nur drei Jahre hier zu bleiben. Aus diesen drei Jahren sind inzwischen 23 Jahre geworden, und wir werden vielleicht noch weitere 23 Jahre oder sogar länger bleiben. Meine Frau und ich wussten nicht viel über Rumänien, als wir hierherkamen. Wir hatten nur von den Karpaten gelesen, wir kannten den Fußball-Star Hagi, der als Maradona des Karpatenlandes bezeichnet wurde, und wir hatten von der Turnerin Nadia Comăneci gehört, aber sonst wussten nicht viel übers Land.

    Als ich im Jahr 2000 nach Rumänien zog, arbeitete ich ein Jahr lang als Chemielehrer am Internationalen Informatik-Gymnasium in Constanța. Die Menschen waren sehr warmherzig, sehr gastfreundlich, ich fühlte mich wie zu Hause, vor allem in Constanța, in der Region Dobrudscha, wo es aufgrund der ethnischen Vielfalt auch türkische und tatarische Traditionen gibt. Folglich fühlte ich mich nicht als Fremder hier in Rumänien. Dann lernte ich schneller Rumänisch als meine Kommilitonen, die mit mir gekommen waren, und nach einem Jahr sprach ich bei den Elterntreffen Rumänisch. Das war ein großer Erfolg für mich, bei den rumänischen Eltern kam das sehr gut an.

    Generell mochte ich die Menschen hier, ich fand Gefallen am Land und ich liebe besonders die Natur, also ist Rumänien zu meiner zweiten Heimat geworden. Und heute kann ich sogar sagen, dass es mein Zuhause ist, denn meine Kinder sind hier geboren, ich habe drei Töchter. Wenn wir im Sommer in die Türkei fahren, freuen wir uns, meine Frau und ich – meine Frau stammt nämlich ebenfalls aus der Türkei –, unsere Verwandtschaft zu treffen: meine Eltern, meine Großeltern, unsere Tanten usw. Doch nach einer Woche oder zwei Wochen in der Türkei fangen die Kinder an zu fragen: ‚Papa, wann fahren wir nach Hause?‘ Für sie ist Rumänien die Heimat, und mittlerweile ist das Land auch für uns zur Heimat im eigentlichen Sinne geworden.“