Tag: Familienzusammenführung

  • Arbeitsmigration aus Drittländern: immer mehr asiatische Arbeitnehmer in Rumänien beschäftigt

    Arbeitsmigration aus Drittländern: immer mehr asiatische Arbeitnehmer in Rumänien beschäftigt

     

     

    Rumänien konfrontiert sich seit geraumer Zeit mit einer negativen Demographie, einer immer älter werdenden Bevölkerung und einer massiven Auswanderung. Das hat auch zu einem Mangel an Arbeitskräften auf dem rumänischen Markt geführt. Aus diesem Grund hat die rumänische Regierung in den letzten Jahren versucht, den Mangel an Humanressourcen in bestimmten Wirtschaftszweigen durch das Heranziehen von Arbeitskräften aus sogenannten Drittländern von außerhalb der EU auszugleichen.

     

    So wurde in den letzten drei Jahren (beginnend mit 2022) – mit grünem Licht aus Brüssel – jährlich jeweils ein Kontingent von 100 000 Arbeitsvisa für Arbeitnehmer aus nicht-europäischen Ländern genehmigt. Nach Angaben der Generalinspektion für Einwanderung wurden z.B. im Jahr 2023 mehr als 101 000 Arbeitsgenehmigungen an Nicht-EU-Bürger erteilt, wobei die meisten aus Nepal (über 23 000), Sri Lanka (22 000), Bangladesch (18 000) und Pakistan (über 8 000) kamen. Die Daten von der Einwanderungsbehörde zeigen auch ein erhebliches geschlechtsspezifisches Gefälle – fast 90 Prozent der Neuankömmlinge im Jahr 2023 waren Männer. Die wichtigsten Wirtschaftszweige, die diese Arbeitnehmer beschäftigten, sind das Hotel- und Gastronomiegewerbe, Fabriken und Industrieanlagen, Bauwesen und Reinigung. Denselben Angaben zufolge fallen insbesondere Arbeitnehmer aus Sri Lanka schwer ins Gewicht: 2022 entfielen mehr als 50 % der EU-weit erteilten Arbeitsgenehmigungen an Bürger Sri Lankas auf Rumänien.

     

    Beim Thema ausländische Arbeitnehmer muss man jedoch auch über ihre Rechte auf faire und sichere Arbeitsbedingungen sprechen, die sie vor möglichem Missbrauch durch Arbeitgeber schützen. Nicht wenige der in letzter Zeit veröffentlichten Presseartikel und Recherchen berichten über eine prekäre Situation, in der sich diese Menschen befinden. Sie leben und arbeiten in einem Land, dessen Sprache sie nicht beherrschen und dessen Gesetze sie nicht kennen, und sind somit dem Risiko ausgesetzt, ausgebeutet, getäuscht oder auf dem illegalen Arbeitsmarkt beschäftigt zu werden – oftmals sind es Umstände, für die sie nicht verantwortlich sind. Arbeitswillige ausländische Staatsangehörige zahlen häufig exorbitante Summen an Arbeitsvermittler, so dass sie Kredite von 4 000 bis 10 000 Euro aufnehmen, die sie in Raten von ihrem in Rumänien verdienten Gehalt zurückzahlen müssen. Außerdem geben viele an, sie hätten Familienschmuck verpfändet, Grundstücke verkauft, sich an Banken gewandt oder die Eigentumsurkunden ihrer Familienhäuser und Grundstücke in der Heimat als Bürgschaft hinterlegt, um einen Arbeitsplatz in Rumänien vermittelt zu bekommen.

     

    Diese Umstände bringen sie in ein Abhängigkeitsverhältnis zu rumänischen Arbeitgebern, die somit ein leichtes Spiel haben, die Grundrechte dieser Arbeitnehmer zu verletzen. Anatolie Coșciug, Wissenschaftler und stellvertretender Leiter des Zentrums für vergleichende Migrationsstudien, spricht im folgenden über Fälle von Missbrauch, die durch Recherchen aufgedeckt wurden:

     

    Wir haben versucht herauszufinden, ob die Fälle von Missbrauch, von denen wir gehört oder gelesen hatten, eine Ausnahme sind, ob es sich um Einzelfälle handelt oder ob es sich um eine systematische Sache handelt; und falls es sich um eine systematische Ausbeutung handelt, wollten wir wissen, warum das passiert. Und hier gibt es migrationspolitische Faktoren, sozialpolitische Faktoren im Allgemeinen, es geht also nicht nur um die Migration an sich, sondern auch um allgemeine gesellschaftliche Zustände. Dadurch sind Einwanderer und Arbeitsmigranten besonders exponiert. Und wir schlagen einen menschenrechtszentrierten Ansatz vor. Denn es ist unglaublich, dass fast niemand über sie als Menschen spricht, die Rechte haben, die verletzlich sind, die in gewissem Maße geschützt werden müssen. Das kam mir absolut ungewöhnlich vor – in Gesprächen mit ihnen, mit NGO und mit anderen Akteuren hatte niemand diese Menschenrechtsperspektive.“

     

    Doch wie sehen typische Fälle von Missbrauch aus, mit denen sich außereuropäische Arbeitsmigranten in Rumänien konfrontieren? Anatolie Coșciug vom Zentrum für vergleichende Migrationsstudien führt weiter aus:

     

    „Wir haben versucht, die wichtigsten Menschenrechte ein wenig zu betrachten, um zu sehen, wie ihre Auslegung hierzulande in unterschiedlichen konkreten Situationen realisiert wird. Wir haben zum Beispiel das Recht auf einen Arbeitsplatz unter menschenwürdigen Bedingungen, das Recht auf eine angemessene Wohnung, die Familienrechte und das Recht auf Ausbildung unter die Lupe genommen. Überraschenderweise haben wir in jeder Kategorie mehrere Fälle gefunden, in denen diese Rechte verletzt wurden. Einige davon sind schwerwiegender, wie z.B. die angemessene Unterbringung – das scheint mir eine ziemlich ernste Situation zu sein. Die meisten befragten Arbeitsmigranten erzählten, dass sie in überfüllten Unterkünften wohnen; in Härtefällen haben die Menschen keinen Zugang zu Wasser, das vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Essen ist unzureichend im Verhältnis zur schweren Arbeit, die sie leisten müssen. Es gibt auch weniger gravierende Fälle, in denen aber dennoch elementare Menschenrechte in weniger sichtbarer Form verletzt wurden. Beispielsweise sind das Recht auf Familienzusammenführung oder auf Familiennachzug zwar theoretisch verankert, doch in der Praxis ist es ein langwieriger und komplizierter Prozess. Der Familiennachzug wird oft vom Arbeitgeber, von der Regierung des Herkunftslandes wie von der Regierung in Rumänien behindert oder abgelehnt.“

     

    Eine Änderung dieser Zustände sei überfällig, meinte noch der Migrationsforscher Anatolie Coșciug – alle Beteiligten – von den staatlichen Institutionen über den privaten Sektor bis hin zur rumänischen Bevölkerung im Allgemeinenmüssten noch lernen, wie man Neuankömmlinge und Migranten fair behandelt und angemessen integriert.

  • Migranten und Flüchtlinge in Rumänien: Integrationskapazitäten im mittleren Bereich

    Migranten und Flüchtlinge in Rumänien: Integrationskapazitäten im mittleren Bereich

    Gleichheit auf dem Papier“ — so lautet das Fazit eines Berichts zur Integrationspolitik von Migranten in Rumänien für das Jahr 2019. Der sogenannte MIPEX-Report wurde von der Migration Policy Group, einer Brüsseler Denkfabrik, erstellt und erforscht die Umsetzung sozialer und wirtschaftlicher Integrationsma‎ßnahmen in 52 Ländern. In den letzten 15 Jahren ist diese Studie zu einem der wichtigsten Instrumente für die international vergleichende Analyse im Bereich der Migration geworden. Es wird auch von der Europäischen Kommission als wichtigem Geber genutzt. Rumänien nimmt seit 2009 an der MIPEX-Studie teil. Im diesjährigen Bericht, der Daten aus dem Jahr 2019 berücksichtigt, erreichte Rumänien insgesamt 49 von 100 möglichen Punkten.



    Wie sich Rumänien im Laufe der Jahre entwickelt hat, wei‎ß der Soziologe Ovidiu Voicu, Vertreter des Zentrums für öffentliche Innovation, das als Verein Partner der Migration Policy Group ist.



    Es ist sehr interessant, zu sehen, dass es in der Tat keine signifikante Veränderung zwischen den Noten gibt, die Rumänien im Laufe der Zeit erhalten hat. Wir haben keine Fortschritte gemacht oder, wenn man es optimistisch sehen will, auch keine Rückschritte. Ich denke jedoch, wir sollten eher pessimistisch sein und zu dem Schluss kommen, dass es im Bereich der Integration von Migranten noch viel Raum für Verbesserungen gibt.“




    Rumänien hat einen gesetzlichen Rahmen, der die Rechte von Einwanderern und insbesondere von Personen, die internationalen Schutz genie‎ßen, regelt, aber es fehlt eine kohärente Politik, um diese Rechte umzusetzen. Deshalb erhielt das Land zwar 76 von 100 Punkten für den Rechtsrahmen, aber nur 31 Punkte für die tatsächlichen Chancen für Migranten, erklärt Ovidiu Voicu:



    Wir haben zwei Arten von Problemen — zum einen das, was wir »Sekundärstandards« nennen, also die Anwendungsvorschriften. Zum anderen die konkrete Umsetzung der Primär- und Sekundärstandards. Ein gutes Beispiel dafür ist das Programm zur Integration von Personen, die internationalen Schutz genie‎ßen, d.h. international anerkannte Flüchtlinge oder Asylsuchende aus Konfliktgebieten. Sobald sie in Rumänien aufgenommen sind, sollten sie bei ihrer Integration unterstützt werden, und zwar für einen Zeitraum von einem oder zwei Jahren durch ein Programm, das es ihnen ermöglicht, die Sprache und die örtlichen Gepflogenheiten zu erlernen sowie Arbeit und Unterkunft zu finden. In Rumänien liegt jedoch sowohl der Schutz der Grenzen vor illegaler Einwanderung als auch die Integration legaler Migranten in der Verantwortung der Polizeibehörden, speziell der Generalinspektion für Einwanderung. Doch hier liegt der Schwerpunkt auf dem Kampf gegen illegale Einwanderung. Die Generalinspektion für Einwanderung ist nicht sehr erfolgreich bei der Umsetzung des Einwanderungsprogramms, wenn es um Personen mit dem Recht auf legalen Aufenthalt in Rumänien geht.“




    Laut Experten stimmen sich die einzelnen Stellen für die Anpassung der Zuwanderer an die rumänische Gesellschaft und Wirtschaft untereinander schlecht ab. Das liest auch an den Punktzahlen im Bericht ab. So gab es beispielsweise 41 von 100 Punkten zu Bildungsfragen — die Integration von Schülern mit Migrationshintergrund ist also nur halbherzig. Darüber hinaus haben Asylbewerber und Personen, die internationalen Schutz genie‎ßen, Zugang zum Gesundheitssystem, aber fehlende Unterlagen können in der Praxis zu Problemen führen. Aus diesem Grund schneidet Rumänien mit 46/100 auch hier relativ schlecht ab. Die niedrigste Punktzahl bekam die politische Partizipation — nur 5 von 100. Dies beweist, dass es gro‎ße Hindernisse für die Integration von Zuwanderern in Bezug auf die Teilnahme am politischen Leben gibt. Die beste Punktzahl wurde für die Familienzusammenführung erreicht, 67/100, da die Gesetzgebung sehr klar ist. Flüchtlinge und Asylbewerber, die ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Rumänien erlangt haben, haben das Recht auf Familienzusammenführung — und das wird auch konsequent angewendet.



    In Sachen Arbeitsmarkt sieht es völlig anders aus, bemängelt der Experte Ovidiu Voicu:



    Wenn wir über den Zugang zum Arbeitsmarkt sprechen, liegt die Punktzahl bei 46 von 100 und es gibt zwei Kategorien zu berücksichtigen. Personen mit internationalem Schutzstatus, haben theoretisch die gleichen Rechte wie rumänische Staatsbürger. Das Problem ist, dass nicht alle von ihnen Papiere haben und wir noch keinen Rahmen für die Anerkennung der Fähigkeiten der Arbeitskräfte haben, der es uns erlauben würde, das Beste aus ihren Fähigkeiten zu machen. Da sie ohne Diplom oder Ausbildungsnachweis ankommen, können sie nur als ungelernte Arbeiter eingestellt werden.“




    Die zweite Kategorie ist die der Gastarbeiter — in ihrem Fall ist zwar rechtlich gesehen alles in Ordnung, aber es gibt keine staatliche Stelle, die die Einhaltung ihrer Rechte durch die Arbeitgeber überwacht. Dadurch besteht manchmal die Gefahr, dass sie ausgenutzt werden. Die Presse hat die Situation einiger vietnamesischer Arbeiter enthüllt, die unter sehr schlechten Bedingungen lebten, oder einiger anderer ausländischer Arbeiter, die zu Beginn der Pandemie praktisch im Stich gelassen wurden. Die Arbeitsministerin musste sich persönlich einschalten, um eine Lösung für sie zu finden, erläutert Ovidiu Voicu.



    Rumänien müsste also die Sekundärgesetzgebung verbessern — aber auch die Mentalität in Bezug auf die Zusammenarbeit der Behörden sollte sich ändern.