Tag: Faschisten

  • Rumänien gedenkt der Opfer des Holocausts

    Rumänien gedenkt der Opfer des Holocausts

    Vor einem dreiviertel Jahrhundert, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, wurden die letzten Häftlinge des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau in besetzten Südpolen befreit. Dieses Lager, das als die finsterste Fabrik des Todes gilt, war 1940 speziell dafür konzipiert worden, reale oder imaginäre Feinde der Nazis auszuschalten. Es war zum Aushängeschild der sogenannten Endlösung“ geworden, mit der Hitlers Regime die Juden Europas zu vernichten suchte. Laut Statistik wurden in weniger als fünf Jahren in Auschwitz-Birkenau mehr als eine Million Menschen, meist Juden, getötet. Sechs Millionen Juden kamen im Zweiten Weltkrieg um, als Opfer Deutschlands und seiner Satelliten-Staaten. Mehrere Hunderttausend stammten aus Rumänien. Einige wurden vom deutschlandfreundlichen Regime des Marschalls Ion Antonescu nach Transnistrien deportiert. Andere wurden von ungarischen Faschisten, die einen Teil Siebenbürgens besetzten, direkt in die nationalsozialistischen Vernichtungslager geschickt. Religiöse und säkulare Zeremonien, Symposien, Filmvorführungen und Ausstellungen ehrten in diesem Jahr die Opfer des rumänischen Holocaust in Bukarest und in anderen Städten des Landes.



    Der rumänische Ministerpräsident Ludovic Orban betonte am Montag bei der Teilnahme an den Auschwitz-Zeremonien, die unter der Schirmherrschaft des polnischen Präsidenten Andrzej Duda stattfanden, dass diese Zeremonien eine notwendige Übung des Gedenkens, des Mitgefühls und zur Aufrechterhaltung eines lebendigen Gewissens“ seien. Der rumänische Regierungschef ist der Ansicht, dass heute, 75 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, die Welt im Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz vereint sein kann“. Er fügte hinzu, dass Rumänien allein, aber auch als Mitglied der Europäischen Union eine Politik der Toleranz, der Nichtdiskriminierung und des Friedens verfolgt und sich weiterhin aktiv für die Bewahrung der Erinnerung an den Holocaust einsetzt“. Aus aller Welt angereist, schlossen sich mehr als 200 Holocaust-Überlebende den politischen Vertretern vor Ort an.



    Letzte Woche nahm der rumänische Präsident Klaus Iohannis, als einer von mehr als 50 Staats- und Regierungschefs, an dem internationalen Forum in Israel teil, das dem Gedenken an die Opfer des Holocaust gewidmet war. Präsident Iohannis hatte auch ein bilaterales Treffen mit seinem israelischen Amtskollegen Reuven Rivlin, den er versicherte, dass Rumänien sich weiterhin für die Bewahrung der Erinnerung an den Holocaust, den Kampf gegen Antisemitismus, die Bekämpfung der Diskriminierung und alle Formen von Gewalt einsetzen werde. Die Teilnahme des Präsidenten an dieser Veranstaltung ist Teil einer Reihe von Schritten, die der rumänische Staat unternommen hat, um europäische Werte, Toleranz und die Achtung der Grundrechte und -freiheiten zu fördern, sagte die Präsidialverwaltung in Bukarest.


  • Sozialdemokratie in der Zwischenkriegszeit: Parteiendebakel und Verfolgung durch die Faschisten

    Sozialdemokratie in der Zwischenkriegszeit: Parteiendebakel und Verfolgung durch die Faschisten

    Die sozialistischen Ideen erreichten das Land bereits in den 1870er Jahren. 1910 wurde die Rumänische Sozialdemokratische Partei gegründet, auf den Resten der ehemaligen Partei aus dem Jahre 1893. 1918 änderte die Partei ihren Namen in Sozialistische Partei. Gleichzeitig spalteten sich mehrere Dissidenten von ihr ab. 1927 gründeten einige sozialistische Gruppen die Sozialdemokratische Partei, die bis 1945–1948 bestand, als sie von den Kommunisten übernommen wurde.



    Die Sozialdemokraten im Rumänien der Zwischenkriegszeit waren sehr unterschiedlich politisch motiviert. Mira Moscovici, eine der Töchter des sozialdemokratischen Vorsitzenden Ilie Moscovici, sprach über diejenigen, die sich der sozialdemokratischen Bewegung angeschlossen haben. (Die Audioaufnahme entstand 1994 und wurde für das Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des Rumänischen Hörfunks aufgezeichnet.)



    Zu der alten sozialdemokratischen Bewegung kamen die Menschen aus Idealismus. Die Partei hatte nichts zu bieten, es konnte keine Karriere gemacht werden. Es wurde gesagt, dass die Sozialdemokratie eine Krankheit junger Studenten sei. Viele bekannte Intellektuelle standen in ihrer Jugend im Konflikt zu ihren Eltern, zur Gesellschaft, sie waren — bis sie eine Karriere machten — Idealisten, Romantiker, Sozialisten also. Mit der Zeit verging der Idealismus. Entweder traten sie anderen Parteien bei oder sie machten bemerkenswerte Karrieren in ihrem Fach. Viele Schriftsteller, Künstler und Kulturschaffende haben als Studenten der sozialistischen Bewegung angehört. Menschen, die Interessenlos der Bewegung beitraten und vielfach dauerhafte Beziehungen knüpften. Denn es war gefährlich, der Bewegung anzugehören, und so entstand eine Art Solidarität. Ich nenne es menschliche Wärme, die wir dringend nötigt haben.“




    Die wichtigsten Namen der rumänischen Sozialdemokratie aus der Zwischenkriegszeit waren Ion Flueraş, Iosif Jumanca, Constantin Titel Petrescu, Ilie Moscovici, Serban Voinea — es waren Intellektuelle und Sozialaktivisten, die sich für soziale Werte einsetzten und diese in die Praxis umsetzten. Mira Moscovici erinnerte sich an die Freundschaft ihrer Eltern mit Ion Flueraş, einem sozialdemokratischen Abgeordneten im rumänischen Parlament.



    Flueraş war einer der Vertreter der gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Bewegung in Siebenbürgen. Er war Abgeordneter und wollte nach Bukarest ziehen. Weil er eine Tochter im schulfähigen Alter hatte, wollte er sie zuerst einschreiben und dann die ganze Familie nach Bukarest bringen. Er konnte sie erst nach mehr als einem Jahr in der Schule einschreiben. Die Tochter von Flueraş wohnte natürlich bei uns, das war normal. Meine Mutter stellte einen Diwan in das Kinderzimmer und behandelte sie genauso wie uns, ohne Unterschiede. Als sie schlie‎ßlich umzogen, zogen sie in die Brutus-Stra‎ße, in der Nähe der Parteizentrale, nahe der Izvor-Brücke. Wir zogen dann auch in diese Wohngegend, wir waren fast Nachbarn und die ganze Zeit zusammen. Als wir ins Vatra-Luminoasă-Viertel zogen, bewohnten wir zwei aneinander gebaute Reihenhäuser. Zu Antonescus Zeiten nahm man uns das Telefon weg, weil wir Juden waren, aber wir konnten Flueraşs Telefon benutzten. Als sie uns illegal evakuierten, brachten wir unser Gepäck, unsere Möbel usw. in die Wohnung der Flueraşs. Die Beziehungen waren sehr herzlich und sehr gut.“




    Menschlichen Beziehungen entstehen auf natürliche Weise und überwinden unterschiedliche Meinungen oder Zugehörigkeiten. Mira Moscovici erinnerte sich an ihren Vater, der kein Hindernis sah, sich an diejenigen zu wenden, die theoretisch seine Gegner gewesen wären.



    Ich möchte noch einmal über die menschlichen Beziehungen sprechen. 1920, als mein Vater nach dem Generalstreik verhaftet wurde, war Hauptmann Vasile Chiru Generalstaatsanwalt der Militärstaatsanwaltschaft. Und sie haben sich angefreundet. Als er Vater aus der Zelle wegen Ermittlungen zu sich bestellte, teilte Chiru dies meiner Mutter mit, damit sie Papa sehen und mit ihm reden könne. Sie besuchte ihn meistens gemeinsam mit meiner Schwester. Chiru wurde zum Oberst befördert, musste aber später selber wegen des Verfahrens gegen den Generalstreik mit Repressalien rechnen, denn er wurde von den Kommunisten verhaftet. Nach den Ermittlungen gegen meinen Vater blieb er mit uns befreundet und arbeitete mit meinem Vater an einer Reihe von Ma‎ßnahmen zur Wiederherstellung des Wirtschaftslebens in Rumänien zusammen. Während Antonescus Zeit war er sogar Zeuge in einem Verfahren, in den es um die Beteiligung meines Vaters am Krieg und um seine militärische Situation ging.“




    Die sozialdemokratischen Juden wurden während des faschistischen Regimes besonders hart verfolgt. Aber selbst dann gab es menschliche Haltungen, die die Härte des Regimes linderten, wie Mira Moscovici sagt.



    Diese Beziehungen funktionierten während der Antonescu-Diktatur und der faschistischen Rebellion der Legionäre gleicherma‎ßen gut. Wir litten unter der Missgunst der Nachbarn, die versuchten, das Haus, in dem wir lebten, zu ergattern, und wir erhielten Unterstützung vom Priester Bedreag von der Iancu-Nou-Bălăneanu-Kirche im Vatra-Luminoasă-Viertel, der uns bei sich zu Hause aufnehmen wollte, damit uns nichts passiert, während da drau‎ßen die faschistischen Legionäre wüteten. Aber es war nicht nötig, denn es gab immer einige Freunde aus der alten Bewegung, die uns nicht alleine lie‎ßen. Ich lernte sogar Menschen kennen, die der Führung der Legionärsbewegung angehörten, wie Radu Mironovici, der sich, aller Härte und seiner Tätigkeit innerhalb der Legionärsbewegung zum Trotz, korrekt verhielt und uns half.“

  • Rumänien in der Zwischenkriegszeit: 1927 – das Wendejahr auf dem Weg zum Autoritarismus

    Rumänien in der Zwischenkriegszeit: 1927 – das Wendejahr auf dem Weg zum Autoritarismus

    Die Krisenzeiten der Geschichte lassen niemals die Folgen in ihrem wahren Ausma‎ß vorhersehen. In der ersten Hälfte des 20. Jh. wurde der Fall der Demokratie durch Krisensignale angekündigt. Allerdings behandelten die Menschen diese, auch in der Hoffnung, dass alles wieder normal wird, oft oberflächlich. Vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs lieferte die Demokratie einige Indizien bezüglich ihrer Feinde. In Rumänien trat die Demokratie im Februar 1938 in eine Krise, als König Karl II. die politischen Parteien auflöste, eine neue Verfassung erarbeitete und sein eigenes Diktaturregime einführte.



    Der Augenblick 1938 ist nicht wie aus dem Nichts entstanden. Die Krise der rumänischen Demokratie begann sich 1927, in einem entscheidenden Jahr für die Politikgeschichte Rumäniens, zu entwickeln. 1927 verstarben zwei gro‎ße Persönlichkeiten der rumänischen Politik: König Ferdinand I. und der visionäre liberale Politiker Ion I. C. Brătianu. Beiden hatte man viel für die Schaffung Gro‎ßrumäniens zu verdanken. Das Zwischenkriegsrumänien hat es niemals geschafft, den Schock dieser Verluste zu beheben. Für die Monarchie bedeutete der Tod Ferdinand I. einen beschleunigten Verlust ihres Ansehens als Institution und für die National-Liberale Partei (PNL), die Partei Brătianus, den Anfang einer Periode voller Unruhen und Spaltungen. Au‎ßerdem brachte das Jahr 1927 ein neues Problem der rumänischen Politik und Gesellschaft auf: die Sicherung der Thronnachfolge, denn Ferdinands Nachfolger war sein Enkelkind, der 5 Jahre alte Mihai.



    Florin Müller, Professor für zeitgenössische Geschichte der Rumänen an der Geschichtsfakultät der Bukarester Universität, stellt uns die Art und Weise vor, wie die Monarchie von dem Tod des Königs Ferdinand I. betroffen wurde.



    Der Tod König Ferdinands I. war in der rumänischen Geschichte lange Zeit von Bedeutung. Nach dem Tod des Königs entsteht das, was man in der Geschichte als die ›geschlossene Frage‹ bezeichnet hat. Es handelt sich um die Urkunde von 4. Januar 1926, wodurch Karl, Ferdinands Sohn, auf seine Erbrechte als Kronprinz verzichtet. Durch den Tod des Königs Ferdinand blieb die Frage des Erben ungelöst. Die Regentschaft war eine provisorische Struktur, eine simulierte Monarchie, die den Inhalt dieser Institution des rumänischen Staates nicht löste. König Ferdinand hatte keinen autoritären Stil wie Brătianu und umso weniger wie der seines Sohnes Karl II. Er hinterlie‎ß allerdings den Eindruck der Beständigkeit und Stabilität der Monarchie. Die Monarchie zu Zeiten Ferdinands verzeichnete keine Abweichungen in Richtung absolute Macht, die es während der Herrschaft Karl des II. gegeben hat. Man kann auch an die Neigungen der Königin Maria zur Autoritarismus erinnern, aber diese stellten nicht den wahren Inhalt der Monarchie Ferdinands dar. König Ferdinand war eine stärkendes Bild der Monarchie, die eine Vertretungsinstitution und keine echte Macht war.“




    Der Tod Brătianu konnte von der National-Liberalen Partei nicht verarbeitet werden, denn es gelang ihr nicht, einen gleichwertigen Ersatz für ihn zu finden. Diese Unfähigkeit kann man auf die Art zurückführen, wie er seine Macht innerhalb der Partei ausübte, glaubt Florin Müller.



    Ion I. C. Brătianu war der erzeugende und ordnende Faktor der liberalen Demokratie. Er gestattete eine beschränkte Demokratie innerhalb des von der PNL geschaffenen Rahmens, in dem Sinne, dass die Reformen auf einer höheren Ebene stattfinden mussten. Die exekutive Staatsgewalt hatte die Beschlusskraft über die Legislative. In den 20er Jahren ist die Hyperpersonalisierung der rumänischen Politik ihr Hauptmerkmal gewesen. Diese sollte auch in den kommenden Jahren noch Wirkung zeigen. Ion I. C. Brătianu konzentriert sehr viel Macht. Die PNL-Führer selbst üben eine gro‎ße Macht im Vergleich zu den Sitten des demokratischen Systems aus. Brătianu gestattete durch seinen persönlichen Stil die Gründung einer liberalen Politikelite im klassischen Sinne des Begriffs nicht. Wir können an I. G. Duca, seinen Nachfolger an der Parteiführung, oder an seinen Bruder Vintilă Brătianu verweisen. Diese kann man allerdings nicht mit ihm vergleichen. Duca näherte sich einigerma‎ßen dem, was Brătianu einst war, doch was andere liberale Politiker angeht, war das nicht der Fall.“




    Von der Krise der Liberalen profitierte die Nationale Bauernpartei (PNȚ), die 1926 als Opposition zum liberalen Regime gegründet wurde. Der Tod Brătianus und die Krise der Liberalen beförderte diese Partei 1928 auf einer Sympathiewelle an die Macht. Diese Partei konnte aber die autoritären Exzesse nicht eindämmen. Die sichtbarsten davon waren jene des künftigen Königs Karl II. Der Historiker Florin Müller erläutert:



    Die politisch-ideologische Ladung der Nationalen Bauernpartei war echt, in dem Sinne, dass deren Mitglieder die Aufmerksamkeit mit vielen Argumenten auf die oligarchische Macht der PNL gerichtet haben. Blo‎ß kam die PNŢ mit einer pseudorevolutionären Linksrhetorik, die den langfristigen Anforderungen der rumänischen Gesellschaft nicht entsprach. Angenommen, dass diesen pseudorevolutionären Neigungen durch die Charakterstärke eines Iuliu Manius ein Riegel vorgeschoben wurde, hatte die PNŢ aber auch ein weiteres Problem: Sie unterstützte die Restauration, die Rückkehr des Ex-Königs Karl ins Land und seine Proklamation zum König. Es entsteht eine parallele Macht zu jener der PNŢ, die im November 1928 die Regierung übernommen hatte, die die PNŢ eigentlich sabotiert. Interessant ist, dass die PNŢ und in erster Linie Maniu eine zweideutige Stellung gegenüber der Restauration haben. Maniu sprach sich, im Unterschied zu Duca und der PNL, für eine Überarbeitung der Urkunde vom 4. Januar 1926 aus. Doch der Führer der PNŢ strebte eine Überarbeitung an, die den demokratischen Sitten, mit der Einhaltung der Demokratie durch den künftigen König entsprechen sollte. Karl hingegen lie‎ß sich niemals auf Verpflichtungen in diesem Sinne ein. Darüber hinaus setzte er niemals den Wunsch Manius um: die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Grundsätze.“




    Eine weitere wichtige politische Macht, die sich in der rumänischen Politszene ab 1927 profiliert, ist die Faschistenbewegung Legion der Erzengels Michael“. Mit Umwandlungsbestreben wollten die Legionäre die Gesellschaft von den Übeln des Kapitalismus befreien. 1927 sollte der Augenblick des Übergangs von einer ruhigen zu einer aufgeregten Politik werden. Au‎ßerdem sollte Radikalismus zum kennzeichnenden Begriff für die politische Rhetorik werden.