Tag: Flüchtlingsströme

  • Nachrichten 15.12.2016

    Nachrichten 15.12.2016

    Das Zentrale Wahlbüro in Bukarest hat am Donnerstag die amtlichen Endergebnisse der Parlamentswahl vom Sonntag, dem 11. Dezember, bekanntgegeben. Die neue rumänische Exekutive setzt sich aus 6 politischen Parteien zusammen. Mit 154 Abgeordneten und 67 Senatoren hat die Sozialdemokratische Partei (PSD) die meisten Parlamentssitze, aber kann allein nicht die Mehrheit bilden. An zweiter Stelle platzierte sich die Nationalliberale Partei (PNL), mit 69 Abgeordneten und 30 Senatoren, und dritte wurde die Union Rettet Rumänien (USR) mit 30 Abgeordneten und 13 Senatoren. Es folgen der Demokratische Verband der Ungarn in Rumänien (UDMR), mit 21 Abgeordneten und 9 Senatoren, die Allianz der Liberalen und Demokraten (ALDE), mit 20 Abgeordneten und 9 Senatoren, und die Partei Volksbewegung (PMP) mit 18 Abgeordneten und 8 Senatoren. Die Gruppe der Volksminderheiten, andere als die ungarische, erhielt 17 Abgeordnetensitze.



    Rumäniens Präsident Klaus Iohannis hat am Mittwoch die erste Beratungsrunde mit den politischen Parlamentsparteien über die Bildung einer neuen Regierung abgeschlossen. Die Mehrheitskoalition, bestehend aus der Sozialdemokratischen Partei (PSD) und der Allianz der Demokraten und Liberalen (ALDE) lehnten die Einladung des Staatschefs ab. Es gebe keine rechtliche Grundlage für die Beratungen, lautete ihre Begründung. Staatspräsident Iohannis bezeichnete die Geste als unhöflich”. An den Beratungen beteiligten sich dennoch Vertreter der Nationalliberalen Partei (PNL), der Union Rettet Rumänien (USR), des Ungarnverbandes (UDMR), der Partei Volksbewegung (PMP) und der Gruppe der Nationalen Minderheiten andere als die ungarische.



    Präsident Iohannis ist am Donnerstag zur Teilnahme am Europäischen Rat nach Brüssel gereist. Dort soll es vor allem um die Migration, die interne und externe Sicherheit der EU, wirtschaftliche Aspekte und die Au‎ßenbeziehungen gehen, hie‎ß es in einer Mitteilung aus dem Präsidialamt. In Brüssel wird der Staatschef demnach die Intensivierung des Dialogs in der Migrationsfrage fordern. Auch wird er dafür plädieren, die Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern der Migranten zu stärken, beziehungsweise ihre wirtschaftliche Entwicklung zu fördern, was die Verringerung der Flüchtlingsströme nach Europa zur Folge haben würde. Iohannis will auch auf der Notwendigkeit der Umsetzung des Abkommens mit der Türkei beharren. Der Staatschef wird ferner seinen EU-Kollegen versichern, dass Rumänien die Ma‎ßnahmen zur Stärkung der internen Sicherheit der Staatengemeinschaft und zur Absicherung der Au‎ßengrenze aktiv mitbegleiten werde, ist der Mitteilung weiter zu entnehmen. Am Rande des Europäischen Rates soll auch ein Arbeitstreffen der 27 Mitgliedsstaaten zur Vorbereitung des Ausstiegs Gro‎ßbritanniens aus der Europäischen Union stattfinden.



    Noch drei Kampfflugzeuge vom Typ F-16 Fighting Falcon sind am Donnerstag in Rumänien angekommen, meldeten die rumänischen Luftstreitkräfte. Die Flugzeuge kommen aus Portugal und schlie‎ßen sich der 6 Kampfflugzeuge an, die am 28. September vom portugiesischen Luftstützpunkt Monte Real nach Rumänien geflogen wurden. Weitere drei Kampfjets desselben Typs werden im Frühjahr 2017 nach Rumänien gebracht. 2013 hatte Rumänien beschlossen, für 628 Millionen Euro 12 gebrauchte Mehrzweckkampfjets vom Typ F-16 Fighting Falcon von Portugal zu kaufen. Stationiert werden die Kampfflugzeuge an den rumänischen Luftstützpunkten Feteşti (im Südosten) und Câmpia Turzii (in der Landesmitte), die zu diesem Zweck modernisiert wurden. Laut Fachleuten braucht Rumänien insgesamt 48 Mehrzweckkampfflugzeuge — das sind 4 Fliegerstaffel.



    Die Vereinigten Staaten werden die Aufstockung des Truppenkontingents in Rumänien beschleunigen, kündigte der General Ben Hodges an, der Oberbefehlshaber der amerikanischen Landkräfte in Europa an. Die US-Soldaten sollen am 6. Januar 2017 in Bremerhaven in Deutschland ankommen. Von dort würden sie sofort nach Rumänien, Polen und in die baltischen Staaten entsendet, hie‎ß es. Die NATO hatte im Sommer den Plan zur Stärkung der Militärpräsenz in Osteuropa gebilligt. Dafür werden vier Kampfeinheiten mit insgesamt 4.000 Militärs geschaffen. Sie bekommen zusätzliche Unterstützung von der 40.000 Mann starken schnellen Eingreiftruppe. Unterdessen hat das Militärbündnis die Kontrolle über den Raketenschutzschild in Europa übernommen. Das System beinhaltet die US-Schiffe mit Raketenabwehranlagen in spanischen Gewässern, eine Radaranlage in der Türkei und die Abfangsysteme in Rumänien. Russland hatte wiederholt erklärt, dass es die Installierung von NATO-Raketenabwehranlagen in Rumänien und Polen mit grö‎ßter Sorge“ verfolge. Moskau drohte ferner mit Ma‎ßnahmen zur Selbstverteidigung.



    Bei der Europameisterschaft in Schweden haben Rumäniens Handball-Damen den Einzug ins Halbfinale verpasst. Im letzten Spiel der Hauptgruppenphase unterlag das Team unter der Leitung des Spaniers Ambros Martin der dänischen Auswahl mit 17:21. Damit landete Rumänien auf den dritten Gruppenplatz, was den Einzug ins Playoff um Platz fünf bedeutet. Dort trifft die Mannschaft am Freitag auf Deutschland.

  • Genozid: Armenische Flüchtlinge in Rumänien

    Genozid: Armenische Flüchtlinge in Rumänien

    Das 20. Jahrhundert hat eine schockierende Eigenschaft: Es war das Jahrhundert der Genozide. Der erste Genozid von vielen noch grö‎ßeren war der vom Osmanischen Reich an den Armeniern verübte Völkermord, in dessen Verlauf 1,5 Millionen Armenier getötet wurden — also etwa die Hälfte dieser Bevölkerungsgruppe. Offizieller Beweggrund der Osmanischen Herrscher war es, dass die Armiener sich mit den russischen Streitkräften verbrüdert hätten. In Wahrheit handelte es sich jedoch um politische Motive, Nationalismus und eine Ideologie eines Wirtschafts-Panturkismus: Armenier und Griechen besa‎ßen Handelsunternehmen und Banken im Osmanischen Reich. Dazu kamen religiöse Gründe, denn die muslimischen religiösen Führer hatten den Ungläubigen den Heiligen Krieg erklärt.



    Alles begann mit einem Aufstand armenischer Männer, die zum Bau von Eisenbahnlinien gezwungen worden waren, bei dem sie verhungerten oder zu Tode geprügelt wurden. Am 24. April 1915 gab der Groswesir und Kommunikationsminister Talaat Pascha die Order aus, alle armenischstämmigen Familien zu deportieren. Den Glücklichen unter den Unglücklichen gelang es, sich zu retten. Manche von ihnen flüchteten auch nach Rumänien, wie der Historiker Eduard Antonian berichtet. Ihm zufolge begannen die armenischen Flüchtlingsströme nach Rumänien Ende des 19. Jahrhunderts, nach dem Genozid von 1895-96.



    Unter der Herrschaft von Sultan Abdul Hamid dem Zweiten, auch Roter Sultan genannt, wurden um die 350.000 Armenier ermordet. Damals floh ein wichtiger Teil der armenischen Bevölkerung aus dem Osmanischen Reich nach Rumänien. Heute sind etwa 10 Prozent der armenischen Gemeindemitglieder in Rumänien Nachfahren derer, die nach dem ersten Genozid hierher gekommen sind. Die ersten Flüchtlinge waren noch in einer relativ guten finanziellen Situation und konnten mit etwas Geld aus dem Osmanischen Reich fliehen. Sie haben Läden eröffnet und ihre Verbindungen mit der alten Gemeinde in Rumänien aufrecht erhalten. Sie haben ihr Leben weitergeführt und sich perfekt in die rumänische Gesellschaft integriert.“




    Doch wie gelang denjenigen, die es nach Rumänien geschafft haben, die Flucht? Eduard Antonian:



    Sie bekamen Hilfe. Ein Teil von ihnen sogar von der türkischen und arabischen Zivilbevölkerung. Andere hatten einfach Glück. Vielen gelang es, osmanische Herrscher zu bestechen, viele hatten Glück mit ausländischen Missionaren, weil die Amerikaner sich sehr eingebracht haben. Die USA waren damals ein neutrales Land. Sie hatten eine gut aufgestellte Botschaft, der Botschafter Henry Morgenthau brachte sich aktiv in die Hilfsaktionen für Armenier ein. Später hat er die Verbrechen gegen die Armenier in seinen Memoiren öffentlich verurteilt. Darüber hinaus gab es dänische oder deutsch-protestantische Missionare, die denjenigen halfen, die fliehen mussten.“




    Nach Schätzungen von Historikern haben etwa 20.000 Armenier einen Unterschlupf in Rumänien gefunden und Rückhalt in der armenischen Gemeinde hier erfahren — etwa ein Viertel davon Waisen. Sie kamen in mehreren Wellen, die meisten zu Beginn des Krieges. Eduard Antonian hat die Fluchtwege derjenigen nachgezeichnet, die in einer Welt aus Zerstörung und Tod einen sicheren Ort suchten.



    In Istanbul sind sie an Bord eines französischen Schiffs gegangen und sind so nach Constanţa gelangt. So haben es auch mein Urgro‎ßvater und seine Kinder gemacht. Auf diesem Dampfer befanden sich tausende Kinder, die im Zuge des Völkermords zu Waisen geworden waren. In Rumänien gab es eine armenische Gemeinde, die gut strukturiert und finanziell gut aufgestellt war. Es gab damals Berühmtheiten wie Krikor Zambaccian, Grigore Trancu-Iaşi, die Brüder Mansarian, die wichtigsten Getreidegro‎ßhändler Südosteuropas. Man muss sagen, dass die Armenische Union 1919 nur gegründet wurde, um den Flüchtlingen zu helfen. Der erste Präsident war Grigore Trancu-Iaşi. Die Ankunft der Flüchtlinge am Hafen von Constanţa hat alle entsetzt. Die Zeitung »Adevărul« hatte 1919 einen Korrespondenten in Istanbul und konnte über den Genozid berichten. Daher wusste die rumänische Öffentlichkeit, was mit den Armeniern im Osmanischen Reich geschah. Armenad Manisarian, der zweite Präsident der Armenischen Union, hat sich einmal mit Brătianu, dem rumänischen Premierminister, getroffen und hat ihn gefragt, was man mit all den armenischen Flüchtlingen tun könne. Brătianu fragte zurück, ob Manisarian in jedweder Hinsicht für die Flüchtlige garantieren könne. Er sagte ja. Und so gab der Premier grünes Licht dafür, dass sich alle Armenier hier niederlassen durften. Die Staatsbürgerschaft erhielten sie später. Die Flüchtlinge waren mit einem Nansen-Pass für Staatenlose hierher gekommen, der nur für eine Reise gültig war. Nach der Ankunft der Waisen hat sich die armenische Gemeinde zusammengetan und mehrere Hektar Land in Strunga, bei Iaşi gekauft. Dort haben sie ein Waisenhaus mit Lehrern gebaut, in dem die Waisen aufwachsen konnten. Sie lernten dort einen Beruf und konnten ihrem Leben einen Sinn geben, viele von ihnen wurden von anderen armenischen Familien in Rumänien adoptiert. Viele haben Läden eröffnet, so auch mein Gro‎ßvater, der eine Schusterwerkstatt in Bukarest aufgemacht hat.“




    Im Laufe der Zeit sind die Kriegstraumata verblasst, obwohl nichts vergessen ist. Eduard Antonian berichtet, dass die armenischen Flüchtlinge weiterhin zwischen schockierenden Erinnerungen und Hoffnungen leben.



    Die Armenier, die aus dem Osmanischen Reich geflohen sind, haben sich immer als osmanische Bürger verstanden. Sie waren gute Staatsbürger, zahlten Steuern, traten in die Armee ein, sprachen türkisch. Die Gemeindemitglieder haben mir erzählt, dass ihre Eltern, die vor dem Genozid geflohen sind, miteinander türkisch sprachen, wenn sie Geheimnisse vor ihren Kindern hatten. Leider haben sich einige von ihnen von der sowjetischen Propaganda hereinlegen lassen und sind wieder nach Armenien zurückgegangen. Sie sagten sich, dass sie jetzt ihr eigenes Land hätten. 1991, als Armenien sich unabhängig erklärt hat, sind einige der Kinder derjenigen, die ins sowjetische Armenien ausgewandert waren, wieder nach Rumänien zurückgekommen.“




    Die armenischen Flüchtlinge, die in Rumänien eine neue Heimat fanden, sind aus dem Osmanischen Reich geflohen, um die unbekannten Geschichten derjenigen zu erzählen, die 1915 in der anatolischen Wüste gestorben sind. Aber auch, um das Unmenschliche in etwas Menschliches zu verwandeln.