Tag: Föderalismus

  • 1. Dezember 1918: politisches Gedankengut im rumänischen Raum der Epoche

    1. Dezember 1918: politisches Gedankengut im rumänischen Raum der Epoche

    Der 1. Weltkrieg, der von der Entente gewonnen wurde, führte zu einer tiefgreifenden Veränderung der geopolitischen Karte Europas. Neue Staaten entstanden auf den Trümmern ehemaliger Reiche, andere haben ihre Landesfläche vergrö‎ßert. Rumänien war auf der Gewinnerseite. Am 1. Dezember 1918 entstand durch die Vereinigung des bis dahin aus der Walachei und der Moldau bestehenden Königreichs Rumänien mit den Provinzen Bessarabien, Bukowina und Siebenbürgen der Staat Gro‎ßrumänien.



    Die wichtigsten Ideen, die zu dieser Vereinigung geführt haben, wurden von den Rumänen aus Österreich-Ungarn eingebracht, insbesondere in den ersten Kriegsjahren. Die Geschichtsschreibung nach 1918 brachte die Bedeutung des Ereignisses und das Opfer des rumänischen Volkes in den Vordergrund, mit dem Ziel, die Gründung eines Staates aller Rumänen rund um den Monarchen zu untermauern. Später hat das kommunistische Regime eine stark verzerrte Wahrnehmung des Ereignisses vom 1. Dezember 1918 propagiert — die Rede war dann vom jahrtausendealten Kampf des Volkes für die Realisierung des national-einheitlichen Nationalstaates“.



    Die Ideen, die den Kampf für die Rechte der Rumänen in Österreich-Ungarn begleitet haben, hatten in Wirklichkeit einen viel komplizierteren Weg, als es auf den ersten Blick erscheint, um an die Öffentlichkeit zu gelangen und Einstimmigkeit zu erzielen. Die Rumänen hatten unterschiedliche Meinungen über die Politik und die Rechte der Rumänen in Österreich-Ungarn, es herrschte keine Einigkeit. Ein solches Beispiel ist die Polemik zwischen der Zeitung Tribuna“ und der National-Rumänischen Partei betreffend die Wahltaktik der Rumänen in Ungarn, eine Polemik, die als regelrechter Bruderkrieg wahrgenommen wurde. Der Tribuna-Fall ist ma‎ßgeblich für das soziale und politische Klima der 1890er Jahre, als sich der Radikalismus der neuen Generation von jungen Intellektuellen unter der Leitung von Octavian Goga und Octavian Tăslăuanu entwickelte. Es war die Periode, in der Idee entstand, dass die Parteien ein Volk spalten, während die Kultur ein Volk vereint.



    Eine intensiv diskutierte Idee war der Föderalismus. Dieser entstand in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und wurde von den Intellektuellen gefördert, die sich die Modernisierung auf die Fahnen geschrieben hatten. In Österreich-Ungarn hatte die Idee noch mehr Erfolg, weil die dualistische Struktur des Staates eine Reform in diesem Sinne ermöglichte. Der Historiker Răzvan Pârâianu von der Universität Petru Maior in Târgu Mureş erläutert, dass der rumänische Föderalist Aurel C. Popovici einer der wichtigsten rumänischen Nationalisten der Epoche war.



    Aurel C. Popovici war einer der wichtigsten Nationalisten am Ende des 19. Jahrhunderts und hatte eine Theorie betreffend die Föderalisierung Österreichs-Ungarns entwickelt. Es handelte sich dabei um eine nationale Föderalisierung. Seine Theorie besagte, dass all diese Völker in Mittel -und Osteuropa alleine nicht überleben könnten. Früher oder später würden sie im Zusammenprall zwischen dem deutschen und dem slawischen Raum aufgerieben werden, meinte Popovici. Als Beispiel nannte er die Rumänen und die Ungarn, die in diesem Spannungsfeld, leben würden. Popovici starb im Exil im Jahr 1917, noch vor dem Ende des 1. Weltkriegs. Kurz vor seinem Tode hatte er allerdings eingesehen, dass seine Idee von den Vereinigten Staaten Gro‎ßösterreichs keine Lösung für die Rumänen darstellte, dass die Doppelmonarchie eine verlorene Causa war, insbesondere aufgrund der völlig uninspirierten Politik der ungarischen Regierung unter István Tisza.“




    Das nahende Kriegsende brachte radikale Lösungen mit sich, die von vielen Bürgern befürwortet wurden. Historiker Răzvan Pârâianu dazu:



    Man muss sagen, dass am Anfang des Krieges die Tisza-Regierung in Ungarn eine relativ positive Einstellung gegenüber den Rumänen hatte. Diese hatten ihn durch ihren Enthusiasmus, sich für den Krieg zu mobilisieren, überrascht. Er neigte dazu, sogar manche nationale Forderungen in Betracht zu ziehen. Die Lage änderte sich dramatisch, als Rumänien gegen Österreich-Ungarn in den Krieg eintrat. In dem Moment haben viele rumänische Persönlichkeiten in der Gegend um Braşov die rumänische Armee mit offenen Armen empfangen. Nachdem die rumänische Armee gezwungen wurde, sich zurückzuziehen, traf die ungarische Regierung Vergeltungsma‎ßnahmen nicht nur gegen jene Menschen, die ihren Enthusiasmus gezeigt hatten, sondern gegen alle Rumänen im Allgemeinen. Die Autonomie der Konfessionsschulen wurde zum Beispiel suspendiert und diese wurden in staatliche Schulen umgewandelt. Die Madjarisierungspolitik wurde verstärkt. Viele rumänische Priester und Lehrer wurden in Lagern eingesperrt. Gegen Ende des Krieges war die Unzufriedenheit gro‎ß. Nicht nur die rumänische Bevölkerung war unzufrieden, sondern es herrschte eine allgemeine Unzufriedenheit. In Budapest, Wien und in Deutschland brachen bolschewistische Revolutionen aus. Vor diesem Hintergrund kamen die Rumänen aus Siebenbürgen zur Schlussfolgerung, dass das Altreich Rumänien die Lösung für dieses Chaos darstellte, denn eine ganze Gesellschaft und der österreichisch-ungarische Staat brachen zusammen.“




    Gro‎ßrumänien entstand am 1. Dezember 1918 durch den Willen und die Abstimmung der Nationalversammlung in Alba Iulia. An dieser nahmen rumänische Persönlichkeiten aus Siebenbürgen wie Iuliu Maniu, Alexandru Vaida-Voevod, Vasile Goldiş wie auch hochrangige Vertreter der orthodoxen und griechisch-katholischen Kirche teil. Alle diese Staatsmänner sahen in der politischen Konstruktion des neuen rumänischen Staates ein Ende der Ungewissheit und die Hoffnung auf eine neue Gesellschaft.

  • Schottland: Was kommt nach dem Referendum?

    Schottland: Was kommt nach dem Referendum?

    Ein Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich (engl. Scottish Independence Referendum) fand am 18. September 2014 statt. Das Endergebnis betrug 55,3% Nein-Stimmen und 44,7% Ja-Stimmen bei einer Beteiligung von 84,59%, wodurch die Unabhängigkeit Schottlands von der Mehrheit der Wähler abgelehnt wurde.



    Das Ergebnis des Referendums über die Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich bestätigte die Meinungsumfragen, laut denen die Unionisten um eine Nasenlänge gewinnen sollten. Die Schotten haben beschlossen, Gro‎ßbritannien nicht zu zerteilen. Nach dem schottischen Nein“ atmete Brüssel erleichtert auf. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy erklärte, er respektiere die willkommene Wahl der Schotten. Gro‎ßbritannien sei ein wichtiges EU-Mitglied, so profitieren alle Bürger und Mitgliedstaaten, sagte Van Rompuy. Der scheidende EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso begrü‎ßte das Nein“ Schottlands zur Loslösung von Gro‎ßbritannien. Das Ergebnis ist gut für ein einiges, offenes und stärkeres Europa, für das die EU-Kommission steht.“ Die Kommission begrü‎ße zugleich die Tatsache, dass Schottlands Regierung und Bevölkerung wiederholt ihr Engagement für Europa bekräftigt habe, so Barroso.



    Auch der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, war mit dem Ergebnis zufrieden, da die EU nicht einmal einen Plan A“ hatte, wie sie mit einem unabhängigen Schottland umgehen sollte. Ferner äu‎ßerte Martin Schulz die Bereitschaft der Europäischen Union zu einem konstruktiven Dialog mit der schottischen Regierung in wichtigen Bereichen wie das Schaffen von neuen Arbeitsplätzen, Wirtschaftswachstum, Politik, Energie und Klimawechsel. Diese heiklen Themen waren auch von den Unionisten angesprochen worden, deren Kampagne auf die wirtschaftlichen Folgen einer Separation pochte und die Schotten über den Verlust von Arbeitsplätzen und eine schlechtere Position in Europa und in der Welt warnte. Andererseits sagten die schottischen Separatisten, Gro‎ßbritannien werde von Westminster aus von einer englischen Elite regiert, die es in der Regel ablehnt, die Interessen Schottlands zu berücksichtigen. In der Nordsee werde schottisches Rohöl gefördert, aber nur ein kleiner Teil des Gewinns bleibe in Schottland, so die Separatisten. Und auch die Tatsache, dass die Schotten in puncto Atomwaffen in ihrem Land nicht mitreden könnten, führte in den letzten Jahren zu starken Ressentiments. Der Polit-Kommentator Cristian Mititelu demontiert aber teilweise diese Argumente:



    Es gibt keinen bestimmten Grund dafür, dass die schottische Bevölkerung heute wirtschaftlich schlechter dran sein sollte, denn die gro‎ße Deindustrialisierung hat schon vor 20 Jahren, während der Thatcher-Regierung stattgefunden. Dann wurde die schottische Wirtschaft umstrukturiert und zurzeit erlebt sie eine steigende Tendenz, wie auch die Wirtschaft Gro‎ßbritanniens. Wenn man genau hinschaut, ist das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner in Schottland höher als in England. Die wirtschaftlichen Begründungen sind meistens perzeptionsbedingt: ‚Ich habe den Eindruck, dass es mir schlechter geht als den anderen‘, sagt man. Das entspricht aber nicht immer der Wahrheit.“




    Was wäre gewesen, wenn Schottland sich von Gro‎ßbritannien getrennt hätte? Wie wären die EU oder die NATO mit einem neuen Land, mit einem neuen unabhängigen Staat umgegangen, der auf seine EU-Mitgliedschaft bestanden hätte? Die EU-Staatschefs hatten schon vor dem Referendum gewarnt: Sollte Schottland unabhängig werden und wollte es der Europäischen Union angehören, so müsste es das gesamte EU-Beitrittsverfahren von vorne anfangen und durchziehen. Der Fall Schottland wird umso interessanter, da er keine isolierte Erscheinung in Europa ist. Der Journalist und Mitglied des Internationalen Presseverbands Thomas Friedrich, der sich auf EU-Angelegenheiten spezialisiert hat, äu‎ßerte sich darüber in einem Interview mit dem RRI-Korrespondenten in Brüssel:



    Der Fall Schottland ist nicht der einzige seiner Art, generell in Europa und speziell in der Europäischen Union. Wir haben den Fall Katalonien, das seine Autonomie fordert, wir haben eine ähnliche Bewegung in Norditalien, und sogar hier, in Belgien, erleben wir die Neigung, dieses kleine Land zu spalten. Wenn wir die Perspektive erweitern, können wir diese Bewegungen auch im Fall der Ukraine feststellen. Ich glaube, dass jedes Land in Europa, und zwar auf dem gesamten europäischen Kontinent, nicht nur in der Europäischen Union, die schon in mehreren Teilen gespalten ist, dadurch viel schwächer und viel anfälliger gegenüber Risiken und Gefahren aller Art wird. Ich würde eher ein föderales System wie in Deutschland empfehlen. Ein solches Modell wäre eine mögliche Lösung für die Ukraine — man würde den einzelnen Regionen mehr Verwaltungsbefugnisse und mehr Autonomie gewähren, aber die gesamte Nation könnte doch eine Einheit bleiben.“




    Der rumänische Au‎ßenminister Titus Corlăţean begrü‎ßte das Ergebnis des Referendums in Schottland und sagte, Gro‎ßbritannien sei mit Schottland als Teil des Vereinigten Königreichs ein strategischer Partner Rumäniens, sowohl in puncto bilaterale Beziehungen als auch im Rahmen der Europäischen Union und der NATO.




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