Tag: Freikauf

  • Rumäniendeutsche nach 1945: Verschleppt, entwurzelt, verkauft

    Rumäniendeutsche nach 1945: Verschleppt, entwurzelt, verkauft

    Der Zweite Weltkrieg hinterlie‎ß eine neue ethnische Zusammensetzung, eine Folge des Völkermords, der Kriegsverbrechen und Vertreibungen, wie sie zuvor in der Weltgeschichte undenkbar gewesen waren. Alle Länder, Sieger und Besiegte, versuchten nach den sechs Jahren die Folgen des Krieges zu überwinden, vor allem im Hinblick auf die demographische und wirtschaftliche Katastrophe. Am schlimmsten litten zweifelsohne die Juden, von denen Millionen auf deutschen Befehl ermordet wurden.



    Das darf wiederum nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Deutsche unter dem Krieg gelitten haben, den sie selbst entfesselt hatten. Wenn das Leid auch nicht aufgerechnet werden kann, so sollten sie doch haftbar gemacht werden für das verwüstete Europa, für die Millionen von Toten und den Holocaust.



    Die meisten Deutschen in Rumänien sind bereitwillig Hitlers Ruf nach Deutschland gefolgt und viele starben in dem Krieg, den Nazi-Deutschland über Europa gebracht hatte. Stalin lie‎ß diejenigen deportieren, die man als unzuverlässige Nationalitäten“ ausgemacht hatte, und auf dieser Liste standen die Deutschen ganz oben. Nach der Rückkehr aus der Deportation und aus den Kriegsgefangenenlagern wählten die meisten Westdeutschland als ihre neue Heimat und die Abwanderung aus Rumänien setzte sich fort: Bis 1989 führte der systematische Exodus der Deutschen fast zu ihrem Verschwinden aus Rumänien. Die beiden Gründe für diese massenhafte Abwanderung sind in der Politik der BRD gegenüber den Deutschen in Mittel- und Osteuropa zu sehen, aber auch in dem Wunsch des rumänischen Staates, aus dieser Politik Geld zu machen.



    Der Soziologe Remus Anghel untersucht das Phänomen der Migration am Institut für nationale Fragen in Cluj (Klausenburg) und ist Co-Autor eines Buchs über die Geschichte der Deutschen in Rumänien nach 1930:



    Die Verbände der Deutschen in Rumänien versuchten, die Bundesregierung zu überzeugen, den ethnischen Deutschen zu helfen, indem sie Hilfsprogramme auflegen und dem rumänische Staat Kompensationen zahlen sollte. In der Tat gab es auch eine Vorgeschichte in der jüdischen Migration, es hatten auch hier Gespräche zwischen der rumänischen und der israelischen Regierung stattgefunden, um die Auswanderung der rumänischen Juden zu erleichtern. In Rumänien neigt man dazu, die Dinge, die mit dem rumänischen Kontext zusammenhängen, auch aus der Perspektive des rumänischen Kontextes zu verstehen. Dies ist ein Fehler — die Geschichte der Deutschen in Rumänien im 20. Jahrhundert ist hauptsächlich mit den historischen Ereignissen und den beiden wesentlichen Machtpersonen verbunden: Hitler und Stalin. Wie alle Deutschen in Ost- und Mitteleuropa gerieten sie in die Expansion Nazi-Deutschlands, in den Krieg, und mussten dessen Folgen hinnehmen.“




    Nach dem Zweiten Krieg flohen etwa 12 Millionen Deutsche aus Mittel- und Osteuropa nach Deutschland, fast eine Million von ihnen überlebte nicht. Dies war ein kollektives Drama in Westdeutschland, das eine Politik der Verantwortung anstrebte. Remus Anghel sagt, dass die Umsiedlung der Deutschen in Rumänien nach dem Krieg vorhersehbar gewesen sei.



    Während des Krieges und danach gab es eine Bewegung zur Unterstützung der Ausreise der Rumäniendeutschen. Wir lebten im Kommunismus und waren uns dieser Absichten nicht bewusst — wir wussten nur, dass es deutsche Gemeinschaften gab. Aber fast 40% der Banater schwäbischen Bevölkerung sind im Krieg oder danach gestorben. Praktisch alle jungen Leute schlossen sich der deutschen Wehrmacht oder der SS an und starben oder gingen später nach Deutschland. Die deutsche Bevölkerung der Dobrudscha, der Bukowina, von Bessarabien und der Walachei wurde in den 1940er Jahren zunächst nach Polen und dann nach Deutschland umgesiedelt. Es gab vor dem Krieg eine Bevölkerung von 750.000 Deutschen in Rumänien — nach 1945 waren es nur noch 300.000–310.000.“




    Nach 1989 sprachen rumänische Historiker von der Auswanderung der Deutschen als von ihrem Verkauf“. Nach Angaben der Abreisenden betrug der deutsche Beitrag zu ihrer Ausreise zwischen 1.500 und 15.000 Mark. Dramatisch waren die versuche jener, die kein Geld hatten und die Grenze illegal überqueren wollten, viele von ihnen starben. Remus Anghel sprach über die Ausreise der Deutschen in Rumänien als Raub, dem die Menschen unterworfen waren.



    Das Verkaufsphänomen muss aus zwei Perspektiven gesehen werden. Erstens wurden die Deutschen in der Verantwortung gesehen. Es ging nicht darum, die Deutschen aus dem Osten als Arbeitskräfte zu bekommen, weil überall billige Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Deutsche in Rumänien litten mehr als Rumänen, Ungarn und andere Nationalitäten während des Kommunismus, denn in fast allen Familien war gleich nach dem Krieg mindestens ein Familienmitglied in die Sowjetunion verschleppt worden, vor allem Männer und Frauen im Alter von 18–45 Jahren. Dieses soziale Drama hat die gro‎ße Mehrheit nicht wahrgenommen. Das hat die Menschen getroffen und entwurzelt, und auch deswegen ging das Vertrauen und ihr Zugehörigkeitsgefühl zu diesem Land verloren. Für Deutschland war der Freikauf von Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben ein Reparationsprozess — für Rumänien gab es da ein falsches Verständnis. Nach 1977 gab es viele Ausreiseanträge, die Quote lag bei 10-15.000 und man hatte kaum Quoten festgelegt. Wenn sich jemand zur Ausreise entschied, begann der Weggang für einen mit einem schmerzhaften Verwaltungsprozess: Man verlor seine Arbeit und die Häuser mussten zu einem sehr niedrigen Preis verkauft werden. In der Tat war es eine Art Erpressung der Deutschen und des deutschen Staates für die Auswanderung. Aus meiner Sicht war nicht Geld das Problem, sondern die Art, wie die Menschen behandelt wurden.“




    Mit dem Abzug der Deutschen verlor Rumänien auch einen Teil seiner ethnischen Vielfalt. Aber diejenigen, die gingen, wohin sie wollten, waren besser dran und das war vielleicht auch das Beste für sie.

  • Hörerpostsendung 5.6.2016

    Hörerpostsendung 5.6.2016

    Herzlich willkommen zur Hörerpostsendung von RRI. Letzte Woche hat mich eine schlimme Erkältung dahingerafft, und auch jetzt bin ich nicht ganz schnupfenfrei, was an meiner Stimme vermutlich noch zu hören ist. Bei den Wetter-Kapriolen mit heftigen Temperaturschwankungen ist es auch kein Wunder, dass man sich leichter erkältet. Und in den vergangenen Tagen gab es im Nordosten Rumäniens Überschwemmungen mit Toten und Sachschaden. Wie ich den deutschen Medien entnehmen konnte, wurde auch Deutschland von extremen Regenfällen und Hochwasser heimgesucht. Ich hoffe, dass niemand von unseren Hörern oder ihren Angehörigen davon betroffen ist.



    Von Lutz Winkler (aus Schmitten im Taunus) erhielten wir Mitte Mai einen ausführlichen Empfangsbericht und einen Brief, in dem er sich über das Erstarken der europafeindlichen politischen Kräfte besorgt zeigte:



    Mittlerweile nehmen ja die europakritischen Stimmen immer mehr zu. Parteien gründen sich mit dem Ziel, die EU abzuschaffen. Bei genauerer Analyse der Parteiprogramme soll Europa nur dazu dienen, die wirtschaftlichen Interessen der Konzerne zu befriedigen. Verpflichtungen in einer Gemeinschaft werden nicht akzeptiert — Rechte aber gern angenommen. Was gern vergessen wird: Wir leben auf einem Kontinent, in dem es über 70 Jahre keinen Krieg gegeben hat. Auch das ist eine Leistung von Europa und der EU. Und so machen mir die Kräfte eher Angst, die scheinbar einfache Lösungen postulieren, aber keine Diskussion darüber zulassen. Die Welt ist scheinbar komplexer geworden — und es gibt keine einfachen Lösungen. Mit einfachen Lösungsversprechen ist Deutschland zweimal in der Geschichte katastrophal gescheitert. Gibt es in Rumänien eigentlich Parteien und Kräfte, die gänzlich aus der EU aussteigen wollen?




    Vielen Dank für Ihre Zeilen, lieber Herr Winkler. Ich bin da ganz Ihrer Meinung, was all diese illiberalen Tendenzen und Gruppierungen oder Parteien anbelangt — Lösungen haben sie nicht parat, stattdessen schüren sie nur die begründeten oder weniger nachvollziehbaren Ängste der Menschen, um sich zu profilieren. Und Europa läuft tatsächlich Gefahr, an dieser Welle von Rechtspopulismus und Illiberalität zu zerbrechen, wenn wir nur an den möglichen Brexit denken. In Rumänien gibt es derzeit keine Partei, die sich den EU-Austritt ausdrücklich auf die Fahne geschrieben hätte. Das hei‎ßt aber nicht, dass es keine antidemokratischen Kräfte in der rumänischen Gesellschaft gibt, nur sind diese vorerst eher diffus und überwiegend im Internet tätig. Es sind Gruppierungen, die sich Neue Rechte, Nationalisten, orthodoxe Jugend und dergleichen mehr benennen und im Internet Sturm laufen gegen den vermeintlich unmoralischen Westen, der die traditionellen Werte und Sitten der Rumänen vernichten und das Land in die Verderbnis treiben wolle. Noch sind diese Gruppierungen wie gesagt eine Randerscheinung, die beispielsweise bei Schwulenparaden mit Gegenaufmärschen und Handgreiflichkeiten Schlagzeilen machen, obwohl man auch sagen muss, dass die Polizei es in den letzten Jahren geschafft hat, offene Konfrontationen auf der Stra‎ße zu verhindern. Aber eine illiberale Grundhaltung ist auch hierzulande verbreitet und es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis eine rechtspopulistische Bewegung oder Gruppierung zum Sammelbecken für antidemokratische Tendenzen wird.



    Davon zeugt eine unlängst veranstaltete Unterschriften-Aktion: Ein sich als Koalition für die Familie“ bezeichnendes Bündnis von mehreren Vereinen hat drei Millionen Unterschriften für die Änderung eines Paragraphen des Grundgesetzes gesammelt, in dem die Ehe und die Familiengründung definiert ist. Dabei stie‎ßen sich die Unterschriftensammler an der Ausformulierung des Begriffs Ehe, weil in der Verfassung nicht ausdrücklich steht, dass eine Ehe nur zwischen einem Mann und einer Frau bestehen könne. Kurzum — damit werde ein Hintertürchen für schwule Ehen offen gelassen; um dem entgegenzutreten, solle die Verfassung entsprechend abgeändert werden, fordern die Unterschriftensammler, als normale Familien“ seien nämlich nur jene zu postulieren, die aus Mann und Frau bestehen. Mal abgesehen davon, dass die Verfassung nicht so ohne weiteres oder infolge von Unterschriftenaktionen verändert werden kann, ist es grober Unfug, was diese da Leute behaupten. Schwule Ehen sind in Rumänien nämlich ohnehin nicht zulässig und das ist im Zivilgesetzbuch fest verankert. Also war die Unterschriftensammlung an sich umsonst, doch wurde sie medienwirksam inszeniert — mit LKWs brachten die Organisatoren die Listen mit den drei Millionen Unterschriften zum rumänischen Parlament. Stellen Sie sich vor: Drei Millionen Menschen in Rumänien, das sind mehr als 15% der Bevölkerung, halten also alleinerziehende Elternteile, Patchwork-Familien, schwule Partnerschaften oder sonst wie aus dem Rahmen des Herkömmlichen fallende Lebensbeziehungen für abnormal und wollen das auch in der Verfassung so formuliert sehen. Dass rumänische Familien nicht an der Homo-Ehe zerbrechen, die ohnehin nicht möglich ist in Rumänien, sondern an Armut, Arbeitsmigration der Eltern, Alkoholismus und Gewalt, wollen 15% meiner Landsleute aber nicht wahrhaben.



    Und ebenfalls vor kurzem gab es einen weiteren hirnrissigen Vorsto‎ß: Da hatte ein Parlamentsabgeordneter eine Gesetzesinitiative, mit der Sexualkunde in den Schulen verboten und bei Zuwiderhandlung mit Gefängnis bestraft werden soll. Als Begründung vertrat er die von manchen Eltern geteilte Auffassung, dass unter dem Vorwand der Sexualkunde die Kinder der Pornographie und einer LGBT-freundlichen Ideologie ausgesetzt würden. Man darf sicherlich darüber streiten, ab welchem Alter Kinder Sexualkunde unterrichtet bekommen sollen. Und über die Inhalte muss man natürlich auch diskutieren dürfen. Dass Sexualkunde aber auf jeden Fall notwendig ist, zeigen Statistiken — Rumänien belegt seit Jahren den ersten Platz in der EU in puncto Zahl der Abtreibungen, der minderjährigen Mütter und der ausgesetzten Kinder.




    Ralf Urbanczyk ist in Eisleben in Sachsen-Anhalt zu Hause und hört immer wieder unsere Medienrubrik Vernetzte Welt“ gerne. Folgende schrieb er uns unlängst per E-Mail:



    Endlich sind in der Innenstadt von Bukarest die vielen Kabel und Leitungen in der Erde, wie ich dem heutigen Bericht in der Rubrik “Vernetzte Welt” entnehmen konnte. Es war aber auch schlimm. Als ich im Jahr 2010 kurz die Gelegenheit hatte, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten zu besuchen, blieben mir neben der sehenswerten Vorkriegsarchitektur auch die vielen dicken und dünnen schwarzen Elektroleitungen in Erinnerung, welche den Blick auf die Gebäude in den alten Stadtteilen erheblich störten. Neben den Einwohnern wird es auch die Besucher der Stadt freuen, welchen jetzt ein Spaziergang durch die Stadt noch mehr Freude bereiten dürfte.




    Vielen Dank für Ihre Zeilen, lieber Herr Urbanczyk. Bukarest hatte tatsächlich lange Zeit einen 1990er-Jahre-Look mit dem Kabelsalat und den von riesigen Werbeplakaten bedeckten Fassaden. Letzteres ist z.T. immer noch anzutreffen und es bleibt zu hoffen, dass die Menschen und die Stadtverwaltung irgendwann begreifen, dass Gebäude dadurch einfach nur hässlich gemacht werden.




    Fritz Andorf (aus Meckenheim, NRW) meldete sich ebenfalls per E-Mail mit Eindrücken zum Programm:



    Im heutigen Funkbriefkasten fand ich die Erinnerungen des deutschen Unterhändlers an den Freikauf von Rumäniendeutschen unter Securitate-Regie besonders interessant. Bei diesem Geschacher ohne Quittungen haben sich bestimmt die Nackenhaare der deutschen Verantwortlichen, besonders des Bundesrechnungshofes, gesträubt. Und die Securitate konnte wertvolle Devisen einnehmen, die sicher in irgendwelchen Taschen klammheimlich versickert sind. Interessant wäre es, einmal von dem Freikauf Betroffene zu interviewen.



    Bei der Musikecke fällt mir auf, dass sie sich immer auf Jazzmusik beschränkt. Gern würde ich auch einmal Ausschnitte anderer Musikgenres hören wie Volksmusik, Klassik, Chormusik der Orthodoxen oder die derzeitigen Schlagerfavoriten.



    In der Sonntagsstra‎ße wurde unter anderem die Zunahme von Online-Käufen im Buchhandel thematisiert, wobei offenbar nur bestimmte Bukarester Buchhändler betroffen sind. Gibt es in Rumänien nicht auch einen Allround-Versender wie Amazon, bei dem man mittlerweile nicht nur Bücher, sondern Waren aller Art online ordern kann?




    Vielen Dank für Ihre Zeilen, lieber Herr Andorf. Ich fang mal von hinten an. Einen Allround-Versender wie Amazon gibt es nach meinem Wissen hierzulande nicht, daher bieten nur bestimmte Buchhandlungen Online-Käufe an. Ihren Musikwunsch richte ich der Musikredaktion aus. Und den zweiten Teil der Erinnerungen von Heinz-Günther Hüsch werden Sie gleich hören. Zuvor möchte ich aber erneut auf den einfühlsamen Dokumentarfilm Ein Pass für Deutschland — Trading Germans“ des deutsch-rumänischen Regisseurs Răzvan Georgescu verweisen, der das Thema Freikauf der Rumäniendeutschen im Gespräch mit Betroffenen erläutert. Der Film hatte 2014 seine rumänische Premiere. Seit vergangenem Jahr war er vereinzelt auch in Deutschland zu sehen, dieses Jahr zuletzt Ende März beim Lichter-Filmfest in Frankfurt und Anfang April in Wiesbaden. Sollte ich von weiteren Vorführungen im deutschsprachigen Raum erfahren, werde ich entsprechende Hinweise geben. Der Film kann auch als DVD mit deutschen, englischen und rumänischen Untertiteln in einer rumänischen Buchhandlung online bestellt werden.



    Bevor es zur angekündigten Aufzeichnung geht, verlese ich noch die Posteingangsliste. Postbriefe lie‎ß ich mir erst vergangenen Freitag aushändigen und lese sie bis nächstes Mal. E-Mails erhielten wir in den letzten zwei Wochen bis einschlie‎ßlich Freitagnachmittag von Dmitrij Kutusow (Russland), Ernst Witibschlager (Österreich) sowie von Reinhold Meyer, Erik Öffinger, Petra Kugler, Bernd und Andrea Seiser, Fritz Andorf, Herbert Jörger, Michael Lindner, Marco Hommel, Dieter Feltes, Hans Kaas und Heinz-Günther Hessenbruch (alle aus Deutschland). Das Internetformular nutze Paul Gager, unser Stammhörer aus Österreich.



    Im Mai 2014 fand in Bukarest eine Konferenz zum Thema Freikauf der Rumäniendeutschen durch die deutsche Bundesregierung statt. Zugegen war auch Dr. Heinz Günter Hüsch, der Chefunterhändler Deutschlands in der Geheimsache Kanal“, wie die Akte in den Securitate-Unterlagen genannt wurde. Im ersten Teil der Ausführungen, den wir vor zwei Wochen sendeten, erinnerte sich Hüsch an die Umstände, die 1968 zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Rumänien führten, und an die ersten mündlichen Vereinbarungen zum Freikauf der Rumäniendeutschen durch die Bundesrepublik. Im zweiten Teil seiner Ausführungen beschreibt Heinz-Günther Hüsch die ab 1969 schriftlich festgelegten Vereinbarungen und den weiteren Verlauf des wohl umfangreichsten Menschenhandels zu Zeiten des Kalten Kriegs. Bleiben Sie also dran, Sorin Georgescu sagt an dieser Stelle danke fürs Zuhören und bis nächsten Sonntag!




    Audiobeitrag hören:




  • Hörerpostsendung 22.5.2016

    Hörerpostsendung 22.5.2016

    Aus Berlin erreichte uns ein Postbrief von Simon Wendl, der uns auch die Auflösung des aktuellen Hörerquiz zuschickte. Nach meinem Wissen schreibt uns Herr Wendl zum ersten Mal, hören tut er uns allerdings schon seit vergangenem Jahr:



    Seit meinem Rumänien-Urlaub 2015 verfolge ich regelmä‎ßig Ihre Sendung und die Internetseite. Damals besuchte ich Bukarest und Iaşi auf einer InterRail-Zugreise. Es hat mir sehr gut gefallen! Es freut mich, durch Ihr Programm aktuelle Informationen und mehr über Land und Leute zu erfahren. Gerne würde ich Rumänien wieder besuchen. Vielleicht habe ich ja Glück bei Ihrem Preisausschreiben.



    Vielen Dank für Ihre Zeilen, lieber Herr Wendl, und viel Glück bei der Auslosung der Gewinner, denn die Beantwortung der Quiz-Fragen war ja nicht schwer, zumal die Infos dazu auf unserer Webseite zu finden sind und sogar im Quiz selbst mitenthalten sind.



    Aus Berlin geht es nun nach Mühlheim in Hessen, wo unser Hörer Johann Ruff zu Hause ist. Er schickte uns mehrere Empfangsberichte per Post sowie eine Anmerkungen zum Programm:



    Interessant war der Hinweis auf einen neuen Doku-Film Ein Pass für Deutschland“ über den Freikauf der Rumäniendeutschen durch die Bundesregierung. In Rumänien erst seit 2013 als Geheimsache Kanal“ bekannt, in der die Bundesrepublik in einer geheimen Operation ca. 3 Milliarden DM für den Freikauf der Rumäniendeutschen zwischen 1968 und 1988 bezahlte. Vielleicht einmal ein Thema für Pro Memoria?



    Ein bisschen erstaunt war ich über den Beitrag am 17.4. im Funkbriefkasten: Berlin-Besuch mit Singvogel-Störung. Ich freue mich immer noch, wenn beim Frühlingsanfang ein paar Vögelchen pfeifen und kein stummer Frühling herrscht. Es werden ja immer weniger Vögel, ich habe seit ca. 25 Jahren hier keine Schwalben mehr gesehen, die Spatzen werden bald schon unter bedrohte Tierarten geführt. Was mich morgens meistens stört, sind Tauben, die um 5 Uhr anfangen, zu gurren.




    Vielen Dank für das Feedback, lieber Herr Ruff. Über das Geschäft mit den Rumäniendeutschen, auf das sich das kommunistische Regime in Rumänien und die deutsche Bundesregierung einlie‎ßen, haben wir sehr wohl in Pro Memoria berichtet — und zwar ausführlich. Im Mai 2014 veranstaltete das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Bukarest eine Fachkonferenz mit dem Titel Die geheimen Abkommen — Geschichte der unterstützten Emigration der Rumäniendeutschen“. Bei der sehr gut besuchten Konferenz konnten sich die Teilnehmer ein lebhaftes Bild über einen sehr interessanten und kritisch diskutierten Teil der deutsch-rumänischen Geschichte machen. Die Geschichte des Freikaufs Deutscher aus Rumänien während des kommunistischen Regimes durch die Bundesregierung wurde unter anderen von dem leitenden Unterhändler, Heinz Günther Hüsch, und von der Leiterin der Abteilung Investigationen im Nationalrat für die Aufarbeitung des Securitate-Archivs, der Historikerin Germina Nagâţ, dargestellt und diskutiert. In Pro Memoria brachten wir Anfang Juni 2014 unter dem Titel Das Geschäft der kommunistischen Securitate mit der Familienzusammenführung einen ausführlichen Bericht in zwei Folgen über die Konferenz, an der ich übrigens als Dolmetscher in der Kabine mitwirken durfte. Der Bericht mit langen O-Tönen von der Konferenz wurde auch noch im Juli 2014 wiederholt. (In der Online-Fassung des Funkbriefkastens werde ich zum Beitrag verlinken — er ist auf unserer Internetseite immer noch nachzulesen oder nachzuhören.) Und zum Schluss dieser Sendung bringe ich auch einen O-Ton von der damaligen Konferenz, in der sich Heinz Günther Hüsch, der Unterhändler seitens Deutschlands, an die Umstände erinnert, unter denen der Freikauf der Rumäniendeutschen abgewickelt wurde.



    Der einfühlsame Film Ein Pass für Deutschland — Trading Germans“ des deutsch-rumänischen Regisseurs Răzvan Georgescu, der dieses dunkle und weitgehend unbekannte Kapitel des Kalten Kriegs beeindruckend dokumentiert, hatte ebenfalls 2014 seine rumänische Premiere. Seit vergangenem Jahr war er vereinzelt auch in Deutschland zu sehen, dieses Jahr war er zuletzt Ende März beim Lichter-Filmfest in Frankfurt und Anfang April in Wiesbaden zu sehen. Über den Film berichtete unlängst auch der Hessische Rundfunk, der Beitrag kann auch als Video in der ARD-Mediathek bis 1. April 2017 noch abgerufen werden. Den Film kann ich Ihnen nur empfehlen, falls er demnächst wieder mal vorgeführt wird. Im Internet konnte ich leider nur Hinweise auf bereits gewesene Vorführungen in Deutschland finden.



    Zum Thema Singvogel im Funkbriefkasten bzw. meinen Ausführungen über die Amsel, die mich in Berlin frühmorgens um den Schlaf brachte: Es war natürlich ein Scherz — selbstverständlich ist es etwas anderes, bei Vogelgezwitscher aufzuwachen, als von Verkehrslärm aus dem Schlaf gerissen zu werden. Nur war es eben um 4 Uhr morgens und ich musste das Fenster zuklappen, um wieder einschlafen zu können, denn mein Hotelzimmer war zum Innenhof gerichtet und der Widerhall lie‎ß das Gezwitscher einfach zu laut erklingen.



    Andreas Pawelczyk ist in Mannheim zu Hause, hört unsere Sendung und liest die interessantesten Beiträge auch auf der Internetseite nach und gibt uns fast wöchentlich Feedback. Folgendes schrieb er uns per E-Mail:



    Ihr Business Club auf Sendung hat auch immer wieder interessante wissenswerte Neuigkeiten zu bieten. Der letzte Schrei soll wohl in den letzten acht Jahren das

    Züchten von Fleischkühen sein, die nicht so vielen Vorschriften wie die Milchkühe unterliegen. Diese sogenannten Angus-Fleischkühe halten sehr hohe Temperaturschwankungen aus. Während es 2008 erst 200 Angus-Rinder gab, gibt es schon mittlerweile 15.000 davon im Lande. Ein Kilo Rindsfilet dieser Angus-Rinder soll schon am Markt bis zu 50 Euro kosten. Das sind ja stolze Preise. Na dann guten Appetit beim Filet-Essen!



    Vielen Dank für Ihre Zeilen lieber Herr Pawelczyk. Das sind tatsächlich stolze Preise, die sich nicht jeder leisten kann. Das Fleisch ist vermutlich eher in noblen Restaurants als im gewöhnlichen Handel zu finden.



    Bevor es zur angekündigten Audiodatei aus unserem Archiv geht, verlese ich noch schnell die Postliste:



    Postbriefe erhielten wir von Simon Wendl, Christian Laubach, Christoph Paustian, Johann Ruff und Michael Willruth (alle aus Deutschland).



    E-Mails erhielten wir bis Freitagnachmittag von Lutz Winkler, Willi Seiser, Ralf Urbanczyk, Beate Hansen, Heinrich Eusterbrock, Horst Kuhn und Andreas Pawelczyk (alle aus Deutschland) sowie von Paul Gager (aus Österreich).



    Im Mai 2014 fand in Bukarest — wie schon gesagt — eine Konferenz zum Thema Freikauf der Rumäniendeutschen durch die deutsche Bundesregierung statt. Zugegen war auch Dr. Heinz Günter Hüsch, der Chefunterhändler Deutschlands in der Geheimsache Kanal“. Aus der längeren Aufzeichnung seiner Ausführungen bringe ich die ersten achteinhalb Minuten, in denen er sich erinnerte, wie die ersten Verhandlungen zustande kamen. Zuvor sagt Ihnen Sorin Georgescu danke fürs Zuhören und bis nächsten Sonntag!



    Audiobeitrag hören:



  • Das Geschäft der kommunistischen Securitate mit der Familienzusammenführung

    Das Geschäft der kommunistischen Securitate mit der Familienzusammenführung

    In den 1950er Jahren lag die rumänische Wirtschaft fast am Boden; durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges, die Zahlung von Entschädigungen an die Sowjetuunion und die systematische Plünderung war der rumänische Staat fast nicht mehr fähig, den Mindestlebensstandard für die Bürger zu garantieren. Unter diesen Umständen überlegte sich die Securitate, der bewaffnete Arm der politischen Polizei, die auch wirtschaftliche Funktionen übernommen hatte, eine produktive Lösung — den Verkauf von Ausreisewilligen gegen harten Devisen. Über Jahrzehnte lie‎ß das kommunistische Regime Familien der Siebenbürger Sachsen und der Banater Schwaben gegen gro‎ßzügige Bezahlung durch die Bundesrepublik Deutschland ausreisen. Auch mit Israel machte der Warschauer-Pakt-Staat dieses Geschäft, wenn es um die Ausreise rumänischer Juden ging. In den 1970er und 1980er Jahren wurde der Freikauf“ zur wichtigen Bedingung der endgültigen Ausreise aus Rumänien — auch die rumänischstämmigen Emigranten konnten von ihren im Ausland lebenden Verwandten freigekauft werden.



    Anfang Mai veranstaltete das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Bukarest eine Fachkonferenz mit dem Titel Die geheimen Abkommen — Geschichte der unterstützten Emigration der Rumäniendeutschen“. Bei der sehr gut besuchten Konferenz konnten sich die Teilnehmer ein lebhaftes Bild über einen sehr interessanten und kritisch diskutierten Teil der deutsch-rumänischen Geschichte machen. Die Geschichte des Freikaufs Deutscher aus Rumänien während des kommunistischen Regimes durch die Bundesregierung wurde unter anderen von dem leitenden Unterhändler, Dr. Heinz Günther Hüsch, und von der Leiterin der Abteilung Investigationen im Nationalrat für die Aufarbeitung des Securitate-Archivs, Dr. Germina Nagâţ, dargestellt und diskutiert.



    Wenn es damals für die Bundesrepublik die einzige Möglichkeit war, die Rumäniendeutschen aus den Fängen des kommunistischen Regimes zu befreien (so Dr. Hüsch), war es für die rumänische Diktatur nur eine Beschaffungsma‎ßnahme für ausländische Devisen und Güter, ohne jegliche ethnische Konnotation (so Dr. Nagâţ). Die Securitate hatte von Anfang an das Geschäft mit der Familienzusammenführung“ an sich gezogen. Vorbild der deutschen Familienzusammenführung“ mit ihren Kategorien war der vor ganz anderem historischen Hintergrund, aber unter ähnlichen Umständen sich vollziehende Ausreisehandel mit jüdischen Bürgern Rumäniens. Dr. Germina Nagâţ ist Leiterin der Abteilung Investigationen im Nationalrat für die Aufarbeitung des Securitate-Archivs (CNSAS) in Bukarest. Sie erzählte, wie die kommunistischen Behörden angefangen hatten, rumänische Staatsbürger jüdischer Abstammung an ihre im Ausland lebenden Familienangehörigen regelrecht zu verkaufen:



    Eine Securitate-Akte, nämlich die Akte Nr. 2871 vom Auslandsnachrichtendienst vermerkt eine Episode, die wir als Startpunkt nehmen können, um zu verstehen, wie der Handel der Securitate mit rumänischen Staatsangehörigen angefangen hatte. Im Mai 1958 kam eine Nachricht vom rumänischen Securitate-Büro in London, man habe einen Vertrag über das Mieten eines Flugzeugs abgeschlossen. Mit besagtem Flugzeug sollten 11 gro‎ße Zuchtschweine der Rasse Landrace nach Rumänien geflogen werden, die durch einen britischen Vermittler namens Henry Jakober, Deckname Kraus“ gekauft worden waren. Dieser Henry Jakober Kraus“ war der Leiter der sog. operativen Kombination“, wodurch die Securitate hunderttausenden rumänischen Staatsangehörigen, meistens jüdischer Abstammung, die endgültige Ausreise aus Rumänien gegen Bezahlung erlaubte. Jakober, der das Rumänien der Zwischenkriegszeit sehr gut kannte und seit den 1930er Jahren nach Gro‎ßbritannien emigriert war, war damals Direktor der Firma Oil Cakes & Doyle Seeds“ mit Sitz in London. Er sprach Rumänisch und hatte ausgezeichnete Beziehungen zum Landwirtschaftsministerium, dem Handelsministerium und zahlreichen Unternehmen der damaligen Rumänischen Volksrepublik. Bei Gesprächen mit seinen Partnern aus Bukarest, die meisten von ihnen verdeckte Securitate-Offiziere, behauptete er wiederholt, er sei ein gro‎ßer Bewunderer der politischen Entwicklungen im kommunistischen Rumänien. Für den Anfang sagte Herr Jakober, er könne nicht nur lebendige Tiere verschaffen, sondern auch genetisches Material aus Dänemark. Im Mai 1958 wurden also die ersten 11 Landrace-Schweine verdeckt nach Rumänien geflogen.“




    Von den geheimen Viehtransporten zu den geheimen Menschentransporten war nur ein kleiner Schritt — der westliche Geschäftsmann und die kommunistische Securitate verstanden sich ausgezeichnet und waren äu‎ßerst einfallsreich. Dr. Germina Nagâţ dazu:



    Ein Jahr nach dieser ersten gelungenen Transaktion, im Mai 1959, wird in einem Bericht des Securitate-Dienstes Nr. 1 vermerkt, der britische Parlamentsabgeordnete John Platz habe bei den rumänischen Behörden interveniert, um die Ausreise einer jüdischen Familie aus Rumänien zu ermöglichen. Dabei hätte der Handelspartner Jakober behauptet, er spräche im Namen des britischen Parlamentariers; von der rumänischen Seite hätte man geantwortet, für eine solche Angelegenheit sei das Handelsministerium nicht zuständig, aber man werde den Gesuch an die Zuständigen weiter leiten. Im September 1959 reichte der rumänische Staatsbürger jüdischer Abstammung Beri Bernard Marcu ein Gesuch beim Innenministerium ein; dabei bat er um die Freilassung seines Vaters aus dem Gefängnis — 1954 war der Vater wegen Handelns mit Devisen zu einer Freiheitsstrafe mit Zwangsarbeit verurteilt worden. In seinem Gesuch bot Herr Bernard Beri Marcu dem rumänischen Staat eine Entschädigung von 10.000 US-Dollar, und präzisierte, das Geld käme von den im Ausland lebenden Verwandten des Gefangenen, die nicht nur seine Freilassung, sondern auch das Ausstellen eines Visums für das Aussiedeln nach Israel wünschen. Der Vorschlag Bernard Beri Marcus wurde angenommen, eine Bank wurde genannt, der Empfänger sollte den Betrag in rumänischen Lei erhalten. Dies scheint das erste Ausreisevisum zu sein, das von den rumänischen Behörden mit Genehmigung von höchster Stelle gegen Bezahlung ausgestellt wurde. Besonders wichtig ist dabei, dass es nicht nur um einen Reisepass, sondern auch um eine Freilassung aus dem Gefängnis handelte.“




    Der Freikauf von Menschen war ein Geschäft mit gro‎ßem Potential, und die Regierung in Bukarest konnte sich eine solche Gelegenheit nicht entgehen lassen. Dr. Germina Nagâţ erläutert weiter:



    Nach weiteren gelungenen Transaktionen und Importen von Tieren (Schweine, Rinder, Geflügel) oder anderen Waren notierte die Securitate 1960, man habe bei Gesprächen mit Herrn Jakober in London Folgendes festgelegt: Nach der Ankunft des ersten Rinder- oder Schaftransports in Rumänien werde das Ausreisevisum für Mentzer Marcu, Vater von Beri Bernard Marcu, ausgestellt, weil Jakober das Geld erst nach der Ausreise von Mentzer Marcu erhalten werde. Nach Lieferung der Corrierdale-Schafe werde auch der Familie von Bernard Beri Marcu die Ausreise genehmigt, und Bernard Beri Marcu selbst werde erst nach Lieferung der Zebu-Rinder ausreisen dürfen. Die Dokumente zeigen harte Geschäftsleute am Werk, es wird Tierkopf gegen Menschenkopf verhandelt. Die Verhandlungen um Rinder, Schafe und Schweine liefen gleichzeitig mit den Verhandlungen um den Freikauf von Menschen und wurden in denselben Dokumenten eingetragen. Ab 1958 wurde die Ausreise von jüdischen Familien nach Eintreffen im Land von Kühen, Schafen und Schweinen, später auch von Hunden der Rasse Collie, Futter, Melkmaschinen oder Apparatur zum Herstellen von Medikamenten genehmigt. Ab 1961 jedoch wurden die Kombinationen gegen Barzahlungen“ vorgezogen. Die rumänischen Behörden waren an speziellen Waren und an Bargeld interessiert und stellten ohne zu zögern die gewünschten Ausreisevisa aus, (ich zitiere) zum Aufrechterhalten der normalen Beziehungen zu Jakober und zum Aufnehmen von eventuellen neuen Kombinationen.“




    Für Geldsummen wurden Leute aus dem Gefängnis entlassen, 1961 auch Rumäniendeutsche, zu denen Personen gehörten, die wegen sog. Vaterlandsverrats“ verurteilt worden waren. Dr. Germina Nagâţ zitierte aus einem im November 1962 an die Securitate gesandten langen Bericht über die Bemühungen der damaligen Landsmannschaftschefs, den Freikauf von Sachsen und Schwaben via Jakober bei den deutschen Behörden zu bewirken. Diese winkten jedoch ab — und fanden eine andere Lösung.



    In den fünfziger Jahren begann auch im Falle der deutschen Minderheiten die Ausstellung von Ausreisevisa gegen entsprechende Bezahlung. Eine Stuttgarter Rechtsschutzstelle der evangelischen Kirche holte inhaftierte Priester und politische Gefangene in Osteuropa aus dem Gefängnis und organisierte ihre Ausreise in den Westen. Die Kosten trugen meist die Angehörigen — teilweise Summen im fünfstelligen Bereich.



    Nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Rumänien und der Bundesrepublik Deutschland 1967 erhielt dann ein Rechtsanwalt, Dr. Heinz Günther Hüsch, durch das damalige Ministerium für Vertriebene und Flüchtlinge den Auftrag, zu längerfristigen Vereinbarungen mit höheren Ausreisezahlen zu gelangen. Nach Eingliederung dieses Ministeriums in das Innenressort bildeten dessen Minister und dessen Bürokratie das verschwiegene Gerüst, dessen Rückhalt Dr. Hüschs ungewöhnliche Arbeit ermöglichte. Im Zeitraum von 1968 bis 1989 war Hüsch Deutschlands Verhandlungsführer in der Geheimsache Kanal über den Freikauf von 226.654 Rumäniendeutschen. Im Zuge dessen hatte er unter dem ihm von der Securitate gegebenen Decknamen Eduard mehr als 200 offizielle und zwischen 600 und 1000 inoffizielle Treffen mit Vertretern der rumänischen Regierung. Seine Mission endete erst mit dem Sturz des Ceaușescu-Regimes während der Rumänischen Revolution 1989.







    In der folgenden, knapp 15-minütigen Originalton-Aufnahme zum Nachhören erinnert sich Dr. Heinz Günther Hüsch an die Verhandlungen: src=/files/Panoramice/Pro

    Foto: www.kas.de/rumaenien


    (Zum Vergrö‎ßern anklicken.)




    Dr. Hüschs Auftrag blieb als Konsens der politischen Parteien und der Regierungen bis im Herbst 1989 bestehen. Bundeskanzler Helmut Schmidt konnte bei seinem Besuch in Bukarest im Januar 1978 für den Zeitraum von fünf Jahren die Ausreise von jährlich 11.000 Deutschen aus Rumänien erreichen. Mitte der 1980er Jahre stieg die Aussiedlerzahl auf 16.500, die höchste Aussiedlerzahl vor der Wende wurde 1989 mit 23.387 Aussiedlern erreicht. Mit dem Anstieg der Aussiedlerzahl wuchsen auch die Prokopfpreise, die sich im Durchschnitt zwischen 6.000 und 8.000 DM bewegten. Ein Abbruch der Verhandlungen sei von deutscher Seite mehrfach erwogen worden, weil man wiederholt über das Verhalten der rumänischen Seite, die bis zu Erpressungsversuchen ging, empört war, sagte Dr. Hüsch.



    Durchgesetzt hat sich jedoch letztlich bei allen Parteien die Auffassung, man solle das Mögliche tun, um den Rumäniendeutschen die Ausreise aus dem diktatorischen Staat, aus Unfreiheit und wirtschaftlicher Not zu ermöglichen. Es sei eine humanitäre Aktion gewesen, gekauft wurde Freiheit, das entspreche der Fürsorgepflicht, die Deutsche für Deutsche haben, so der langjährige Verhandlungsführer. Er habe die grö‎ßte Aktion dieser Art in der europäischen Nachkriegsgeschichte aus Überzeugung vermittelt, versicherte Dr. Hüsch. Die Gesamtzahl der deutschstämmigen Aussiedler, die während des Kommunismus Rumänien gegen Bezahlung verlassen haben, konnte nicht genau ermittelt werden — es dürften zwischen 250.000 und 400.000 Personen gewesen sein.



    Deutsch von Daniela Cîrjan




    Gesamten Audiobeitrag hören: