Tag: Friedenskonferenz

  • Rumänien und die Pariser Friedenskonferenz 1919: schwierige Verhandlungen

    Rumänien und die Pariser Friedenskonferenz 1919: schwierige Verhandlungen

    Am Ende des Ersten Weltkriegs befand sich Rumänien im Siegerlager. Ende des Jahres 1918 waren die von Rumänen bewohnten Gebiete aus dem russischen und österreichisch-ungarischen Reich mit dem Königreich Rumänien vereinigt worden, und die Friedensverträge sollten die neuen Grenzen bestätigen. Doch die internationale Bestätigung des neuen rumänischen Staates verlief nicht so einfach, die Divergenzen und die Bestrebungen zur Harmonisierung verschiedener Interessen erschwerten den Friedensschluss.



    Rumänien musste sich dem Widerstand seiner Verbündeten stellen, die dem Land Vorwürfe machten; gleichzeitig antwortete Rumänien seinerseits den Verbündeten mit Rechtfertigungen und anderen Vorwürfen. So erreichte die Spannung den Punkt, an dem der liberale Premierminister Ion I. C. Brătianu, der den Eintritt Rumäniens in den Krieg angebahnt hatte, die Friedensverhandlungen verlie‎ß. Brătianu war darüber irritiert, dass die Bestimmungen des Übereinkommens von 1916, welches die Grundlage für den Kriegseintritt Rumäniens gewesen war, nicht vollständig erfüllt wurden.



    Der Historiker Ioan Scurtu fasst die Geschichte der Streitigkeiten zwischen Rumänien und seinen Verbündeten Frankreich, Gro‎ßbritannien, Italien und den USA im Jahr 1919 zusammen und hebt die Vorwürfe hervor, die von der Entente an Rumänien herangetragen wurden.



    Rumänien musste einen separaten Frieden mit den Mittelmächten abschlie‎ßen, da Russland aus dem Krieg ausgetreten war und Rumänien an der Ostfront allein gelassen wurde. Den Frieden schloss Rumänien, wie zumindest die Dokumente zeigen, mit Zustimmung der Triple Entente. Das Übereinkommen von 1916 enthielt wichtige Vorteile für Rumänien, Ion I. C. Brătianu hatte sehr gut verhandelt. Es war die Zeit, als Frankreich an der Westfront in gro‎ßen Schwierigkeiten steckte und die russische Armee den Sieg in Galizien nicht erzielen konnte. Und dann wurde erwogen, dass Rumänien eingreifen müsse, um so viele deutsche und österreichisch-ungarische Soldaten wie möglich auf sich heranzuziehen und so die beiden Fronten zu räumen. Unter diesen Bedingungen wurden gewisse Zugeständnisse gemacht, die aber vor allem Frankreich am Ende des Krieges zu bedauern begann.“




    Angesichts der schwierigen Situation in Frankreich 1916 wurde offensichtlich, dass Rumänien in den Krieg eintreten sollte. Der Historiker Ioan Scurtu glaubt, dass Rumänien zu jener Zeit wusste, wie es seine Karten spielen sollte, um wichtige Vorteile zu erlangen. Um welche Vorteile handelte es sich? Ioan Scurtu mit Details:



    Zunächst einmal ging es um die Frage der Nord- und Westgrenzen Rumäniens, eine Frage, die Premierminister Brătianu mit au‎ßerordentlicher Akribie angegangen war. Er legte die Grenzlinie ganz genau fest, er markierte einen bestimmten Hügel, einen bestimmten Fluss, ein bestimmtes Dorf usw., so dass die Grenzlinie bereits beschlossen war, als die Friedenskonferenz darüber beraten sollte. Die von Brătianu bestimmte Grenze Rumäniens verlief de facto der Thei‎ß entlang bis zur Donau. Serbien war aber damit unzufrieden, und behauptete, dass die rumänische Grenze zu nahe an Belgrad sei, kaum einen Kanonenschlag entfernt, und forderte einen Sicherheitsraum, obwohl Rumänien sich verpflichtet hatte, die Grenze nicht zu militarisieren.“




    Im Januar 1919 begann die Friedenskonferenz in Paris, und die Vertreter Rumäniens bestanden darauf, das Versprochene zu bekommen. Aber es gab andere Interessen, und diese mussten durch Kompromisse befriedigt werden. Ioan Scurtu dazu:



    Es war ein Konzeptunterschied zwischen den Vertretern der vier Gro‎ßmächten einerseits (das waren der Präsident der Vereinigten Staaten, der Premierminister des Vereinigten Königreichs, der Premierminister Frankreichs, und der Premierminister Italiens) und dem Premierminister Rumäniens, Ion I. C. Brătianu, andererseits. Ausgehend von den Bestimmungen des Übereinkommens vom 4. August 1916 war Brătianu der Ansicht, dass die Unterzeichnerstaaten auf der Friedenskonferenz in Paris 1919 gleichberechtigt behandelt werden sollten. Auf der Friedenskonferenz wurde jedoch ein Oberster Rat eingesetzt, der beschloss, dass die Entente-Staaten den Status von Staaten mit unbegrenzten Interessen haben sollten, während die anderen Staaten, darunter Rumänien, unter den Staaten mit begrenzten Interessen eingetragen werden müssen. Ausgehend von der Tatsache, dass der US-Präsident Wilson sich für Gleichheit zwischen Staaten, für Demokratie und für die demokratische Beilegung von Streitigkeiten einsetzte, bestand Brătianu darauf, dass Rumänien den anderen Staaten gleichgestellt wird. Doch die Antwort kam von Wilson selbst: Vor der Pariser Konferenz sagte US-Präsident Wilson dem rumänischen Premierminister Brătianu, dass jeder Staat so viel wie seine militärische Macht bedeute.“




    Der anfangs unnachgiebige Brătianu musste schlie‎ßlich aufgeben und verlie‎ß die Friedensverhandlungen. Sein Nachfolger, Alexandru Vaida-Voevod, unterzeichnete die Verträge, die den neuen Staat Gro‎ßrumänien anerkannten. Ioan Scurtu:



    Es war nicht möglich, dass ein kleines Land mit Gebietsansprüchen, ein Land, das die Gro‎ße Vereinigung durch Vertragsbestätigung erreichen musste, den Anspruch erhob, den USA, Frankreich, Gro‎ßbritannien und Italien gleichgestellt zu werden. Brătianu selbst hatte es erkannt und überlie‎ß Alexandru Vaida-Voevod die Leitung der rumänischen Delegation, nachdem er ihm geraten hatte, sich der Freimaurerei anzuschlie‎ßen. Brătianu hatte erfahren, dass viele Entscheidungen nachts getroffen wurden, als sich die Freimaurer trafen. Brătianu nahm daran nicht teil, da er keiner Freimaurereloge angehörte. Dem neuen Premierminister Alexandru Vaida-Voevod wurde klar, dass er einen Kompromiss eingehen musste. Alexandru Vaida-Voevod erklärte im Parlament, er sei sich der Tatsache bewusst, dass er in eine Grube geworfen worden sei und dass er auch Rumänien mit sich gezogen habe, aber er hätte das Gefühl, dass sich in dieser Grube auch die Delegationen der Vereinigten Staaten, Gro‎ßbritanniens, Frankreichs und Italiens befänden.“




    Rumänien erhielt schlie‎ßlich durch die Verträge mit Österreich und Ungarn die Anerkennung der Vereinigung der Bukowina, Siebenbürgens und zwei Dritteln des Banats mit Rumänien. Somit ging der Wunsch nach der Gründung Gro‎ßrumäniens in Erfüllung.

  • Erster Weltkrieg: Rumänien und die Vorbereitung der Friedenskonferenz 1919–1920

    Erster Weltkrieg: Rumänien und die Vorbereitung der Friedenskonferenz 1919–1920

    Theoretisch hatte der Krieg Gewinner und Verlierer, aber der Frieden musste ein Gleichgewicht schaffen, um die Möglichkeit eines weiteren Krieges in der Zukunft auszuschlie‎ßen. Es entstand eine Idee, nach der eine internationale Organisation lokale Konflikte bewältigen und verhindern könnte, dass sie zu globalen Krisen werden. Der Schutz von Minderheiten in den neuen Staaten musste berücksichtigt werden, viel ernster als bisher. Nach dem Ersten Weltkrieg folgten regionale Konflikte, die den Krieg vor Ort verlängerten. So dauerte der rumänisch-ungarische Krieg von 1919 etwa ein halbes Jahr, aber der griechisch-türkische Krieg von 1919 dauerte bis 1922. Der Frieden war sehr schwer zu erreichen, die angesammelte Feindseligkeit verringerte die Chancen auf einen dauerhaften Frieden.



    Rumänien musste dafür kämpfen, dass seine nationalen Bestrebungen von den alliierten Mächten anerkannt wurden, die untereinander oder mit den neu entstandenen Staaten ein eigenes Ausgleichsspiel spielten. Die rumänische Diplomatie versuchte, am Verhandlungstisch das zu bekommen, was sie auf dem Schlachtfeld mit gro‎ßen Opfern gewonnen hatte. Der Historiker Ioan Scurtu hat in seinen Forschungen erwiesen, dass der rumänische Premierminister und einer der wichtigsten Schmiede der französisch-britischen Allianz, der liberale Politiker I. C. Brătianu, die schwierige Aufgabe hatte, die Interessen seines Landes im Obersten Rat, der aus den USA, Frankreich, Gro‎ßbritannien und Italien bestand, zu verteidigen:



    Als I. C. Brătianu zur Pariser Friedenskonferenz ging, hatte er in seiner Tasche das politische Abkommen, das mit den Alliierten unterzeichnet wurde, auf dessen Grundlage Rumänien sich dem Krieg angeschlossen hatte, ein Akt, der sehr deutlich machte, welche die Grenzen Rumäniens nach dem Krieg sein sollten, basierend auf den österreichisch-ungarischen Gebieten, die mehrheitlich von Rumänen bewohnt wurden. Au‎ßerdem hatte er die in Chişinău, Czernowitz und Alba Iulia verabschiedeten Vereinigungsakte. Last but not least setzte er auf den Blutpreis des Rumänen, um den Alliierten zu ihrem Sieg zu verhelfen. Brătianu kämpfte verbittert, um die Gleichbehandlung durchzusetzen, und initiierte eine Zusammenarbeit zwischen den Delegationen aus Rumänien, der Tschechoslowakei, dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen sowie aus Griechenland, um ihren Forderungen gemeinsam zu stellen, damit die Alliierten diese berücksichtigen. Leider hat der griechische Führer Venizelos unter den Mitgliedern der Koalition erklärt, dass er sich nicht als Führer eines unabhängigen und souveränen Staates betrachtet, so dass auch der Rest von ihnen keinen geschlossenen Auftritt mehr wagten. Brătianu blieb im Kampf um eine angemessene Behandlung Rumäniens auf sich allein gestellt. Was denkwürdig war, war die Konfrontation mit den Mitgliedern des Obersten Rates, darunter der amerikanische Präsident Woodrow Wilson, und die Unterstützung, die er für die Rechte Rumäniens erlangte, auch in Bezug auf Minderheiten.“




    Wo die Strategie der rumänischen Politiker scheiterte, brachte der bezaubernde Auftritt einer Frau Erfolge: Königin Maria, die neben ihrem Mann, König Ferdinand, alles riskiert hatte, um den Krieg zu gewinnen. Die Königin von Rumänien war dort, wo sie gebraucht wurde, und sie trug zu einem der glorreichsten Momente in der Geschichte des 20. Jahrhunderts bei. Der Historiker Ioan Scurtu erläutert:



    Brătianu hatte es geschafft, alle Mitglieder des Obersten Rates zu verärgern, die den Widerspruch nicht ertragen konnten und keine Argumente gegen ihre Entscheidungen akzeptieren wollten. Dann schlug Brătianu König Ferdinand vor, Königin Maria nach Paris zu schicken, und sie begab sich sofort dorthin. Am Pariser Hauptbahnhof wurde sie von Journalisten gefragt, warum sie gekommen sei; daraufhin sagte sie, dass sie das schöne Gesicht Rumäniens zeigen wolle. Sie wurde im Palais Élysée mit einer Ehrengarde und Dekorationen empfangen. US-Präsident Wilson war der Star der Konferenz, und die Königin wandte sich an ihn, um ihm die Sache Rumäniens vorzutragen. Der amerikanische Präsidentin schickte ihr jedoch eine Mitteilung, dass sein Tagesablauf um 9 Uhr beginnen würde. Königin Maria erwiderte, dass sie ab 7 Uhr morgens auf ihn im Hotel Ritz warten würde, und so wartete sie um 7 Uhr morgens im Ritz auf ihn, um die gewünschte Diskussion zu führen. Und Wilson tauchte tatsächlich mit seiner Frau um 8:30 Uhr im Ritz auf. Es fand eine Diskussion statt, in der der amerikanische Präsident für den Frieden und für die Vereinten Nationen plädierte, um den Krieg zu beseitigen, für eine glückliche Welt, wie er sie sich vorstellte. Königin Maria wurde angesichts der Leidenschaft, mit der der Präsident sprach, fast von der Diskussion ausgeschlossen. Als die Zeit der Abreise näher rückte, wandte sich die Königin an ihn: »Herr Präsident, ich hoffe, Sie werden nicht so unhöflich sein, mich morgen nicht zum Frühstück einzuladen.« Daraufhin sah Wilson seine Frau an und lud die Königin ein. Diesmal drehte sich der Spie‎ß um: Königin Maria war diejenige, die leidenschaftlich sprach, und sie sprach vor allem über die Rechte von Minderheiten. Abschlie‎ßend sagte sie: »Präsident Wilson ist die am besten geeignete Person, um über die Rechte von Minderheiten zu sprechen, angesichts aller Rechte, die schwarze Menschen in den USA genie‎ßen.« Wilson war sprachlos.“




    So kann Geschichte auch gemacht werden: mit messianischen Persönlichkeiten aus kleinen Ländern, die gro‎ße Entscheidungen beeinflussen. In dieser Hinsicht hatte Rumänien Glück.

  • Der Krieg nach dem Krieg 1919: wie die rumänische Armee die Räterepublik Béla Kuns stürzte

    Der Krieg nach dem Krieg 1919: wie die rumänische Armee die Räterepublik Béla Kuns stürzte

    Der Erste Weltkrieg endete nach vier Jahren blutiger Konflikte und Tragödien nicht plötzlich. Er hinterlie‎ß bei jedem Individuum, jeder ethnischen Gemeinschaft, politischen Gruppierung und jeder Nation ein schweres Trauma. Die Sieger konfrontierten sich mit den Folgen des Krieges und versuchten Lösungen zu finden, um die soziale und wirtschaftliche Situation auszugleichen, während die Besiegten mit der demütigenden Situation, in die sie gebracht worden waren, zu leben hatten.



    Der Krieg setzte sich 1919 fort, aber diesmal nicht zwischen den gro‎ßen kriegerischen Blöcken, sondern in Form kleinerer Schlachten und Gefechten in Mittel- und Osteuropa. Die Auflösung des Österreichisch-Ungarischen Reiches erfolgte mit Gewalt, die erst im Sommer 1920 mit der Unterzeichnung des Vertrages von Trianon nachlie‎ß. Nachdem das bolschewistische Regime unter der Führung von Béla Kun 1919 in Ungarn nach dem Vorbild Lenins und der Sowjetunion an die Macht kam, wurde dieses Land zur Hauptquelle der Instabilität und zum Haupthindernis für den Frieden. Als Hauptgegner, die es zu bekämpfen galt, sahen die ungarischen Kommunisten die Rumänen und die Tschechoslowaken. Der Historiker Şerban Pavelescu skizziert die feindselige Nachbarschaft, mit der sich Rumänien 1919 konfrontierte:



    Man kann durchaus sagen, dass der Waffenstillstand vom 11. November 1918 einen wahren Krieg nach dem Krieg als Folge hatte. Im Grunde genommen sah sich der rumänische Staat genötigt, mit seinen Streitkräften die Rumänen in den historischen Provinzen zu verteidigen, die im März, November und Dezember 1918 ihren Wunsch nach einem Beitritt zu Rumänien erklärt hatten. Das Land war von feindlichen Kräften umgeben, die sich gegen die Vereinigung der Gebiete und die Existenz des rumänischen Staates wehrten. Im Osten hatte das sowjetische Russland seine Truppen in der Ukraine verlegt, im Norden und Nordosten konfrontierte sich das Land mit territorialen Ansprüchen seitens der Ukraine, die von allen Seiten des politischen Spektrums, von nationalistisch bis bolschewistisch, erhoben wurden. Im Westen befand sich Ungarn, zunächst vertreten durch das Regime nach der Auflösung des österreichisch-ungarischen Reiches, mit dem die Rumänen die Trennung Siebenbürgens von Ungarn durch ein Referendum ausgehandelt hatten. Im Südwesten stand Rumänien Serbien gegenüber, das seine eigenen territorialen Ansprüche hatte, basierend auf den Versprechungen der Alliierten während des Krieges. Im Süden stie‎ß Rumänien auf Widerstand aus Bulgarien, das sich zögerte, die Dobrudscha militärisch zu räumen und die Bestimmungen des Waffenstillstands einzuhalten.“




    Der von der ungarischen Roten Armee begonnene Krieg zwischen Rumänien und Ungarn hatte zwei Phasen. Die erste Phase war von April bis Mai 1919, als die Ungarn rumänische Truppen in Siebenbürgen angriffen, dann folgte die zweite um die Hälfte des Monats Mai 1919, als die Ungarn ein zweites Mal angriffen, nachdem sie zurückgeschoben worden waren. Şerban Pavelescu wies uns jedoch auf einen weiteren Krieg im diplomatischen Bereich hin:



    Wir sprechen praktisch von zwei Kriegen. Einer wurde auf der Friedenskonferenz ausgetragen, der andere entfaltete sich auf dem Schlachtfeld. Es war ein sehr seltsamer Krieg, bei dem zwischen zwei oder drei Verhandlungsrunden, zwischen den von den Gro‎ßmächten auferlegten Waffenruhen, militärische Operationen durchgeführt wurden. So wurden beispielsweise die militärischen Operationen am 1. Mai 1919 auf Wunsch der Gro‎ßmächte eingestellt. Dies ermöglichte es den Truppen von Béla Kun, sich zu reorganisieren und am 20. Mai 1919 einen verheerenden Angriff nicht gegen die Rumänen, sondern gegen die Tschechoslowaken zu starten. Der Angriff auf die Rumänen scheiterte, er wurde schnell abgewehrt. In weniger als zwei Wochen besetzten ungarische Truppen aber die gesamte Slowakei. Was die Front an der Thei‎ß betrifft, so gingen die Rumänen nach zwei- bis dreitägiger Verteidigung in die Gegenoffensive, und als sie über den Fluss kamen, wurden die ungarischen Truppen vertrieben und die Rumänen besetzten Budapest.“



    Die zweite Phase des rumänisch-ungarischen Krieges endete im August 1919. Die ungarische Hauptstadt wurde besetzt, und die Räterepublik nach sowjetischem Vorbild wurde abgeschafft.



    Die Besetzung von Budapest war ein Problem, denn obwohl Rumänien angegriffen worden war und die rumänischen Streitkräfte nun gegen einen Feind drängten, der seinerseits zwei zweimal angegriffen hatte, wurde Rumänien aufgefordert, den Angriff einzustellen. Es herrschte enormer Druck, und nur auf Initiative rumänischer Kommandeure mit Autorität auf diesem Gebiet wurde Budapest, der sensibelste politische und militärische Punkt Ungarns, besetzt und die Räterepublik aufgelöst. Die Budapester Bevölkerung empfing die rumänischen Truppen allerdings mit Dankbarkeit, auch wenn heute manche etwas anderes behaupten. Darüber hinaus hatte Rumänien zusätzliche Ziele. Auf der einen Seite mussten die rumänischen Streitkräfte den militärischen Gegner au‎ßer Gefecht setzen, um weitere Angriffe zu vereiteln. Andererseits gewann Rumänien dadurch eine bessere Position auf der Friedenskonferenz. Die rumänischen Truppen verlie‎ßen Ungarn erst nach dem Vertrag von Trianon vom Juni 1920. In Anbetracht der Schwierigkeiten, denen die rumänische Delegation auf der Friedenskonferenz ausgesetzt war, halte ich es für einen klugen Schritt.“




    Vor 100 Jahren ergriff Rumänien militärische Ma‎ßnahmen in Mitteleuropa, um seine staatliche Stabilität zu sichern, im Einklang mit dem Willen der Menschen, die für die Vereinigung gestimmt hatten. Die rumänische Militärintervention gegen das bolschewistische Regime in Ungarn brachte schlie‎ßlich den dringend benötigten Frieden mit sich.

  • Rumänien in den Kriegsjahren 1916–1918

    Rumänien in den Kriegsjahren 1916–1918

    Unter Besatzung der Armeen der Mittelmächte und mit einem schlechten Image in den Augen seiner Alliierten wegen des separat abgeschlossenen Friedens versuchte Rumänien im Herbst 1918 eine verzweifelte Lage zu überwinden. Die Änderung der Machtverhältnisse zwischen den Mittelmächten und der Entente im Herbst 1918 brachte Rumänien ins Siegerlager. Dieser Zustand machte dem alten Königreich Rumänien möglich, sich mit Bessarabien, der Bukowina und Siebenbürgen zu vereinigen. Das war aber keine leichte Unternehmung. Bis 1920 musste die politische Elite und die ganze Gesellschaft die Hürden der internationalen Anerkennung des neuen Staates überwinden. Der Historiker Ioan Scurtu erläutert die Entwicklungen in Rumänien während der Kriegsjahre 1916-1918:



    Theoretisch hätte Rumänien vorbereitet sein müssen, weil es 1916 in den Krieg eingetreten war, also 2 Jahre nach dem Beginn des Weltkriegs. Das war eine Zeitspanne, die normalerweise für die Aufrüstung und die Vorbereitung der Armee und der Reservisten genutzt werden musste. Leider war das nicht der Fall. Nach dem Enthusiasmus des Kriegseintrittes, als die Soldaten mit Gesang und Blumen in den Krieg einzogen und von der Menge applaudiert wurden, als ob sie zu einer Party gehen würden, kam nach etwa 10 Tagen das Desaster von Turtucaia. Die rumänische Regierung wurde dadurch wachgerüttelt. Im November folgte der Rückzug aus Siebenbürgen und Anfang Dezember die Besetzung der Hauptstadt Bukarest. Es folgte der Rückzug nach Iaşi. Hier gab es schon Probleme wegen der Überbelastung, hinzu kam die Cholera, die Tausende Menschen tötete. Als ob das nicht ausreichte, führte ein Bahnunfall zum Tod von über 1000 Menschen, als ein Zug in der Nähe von Iaşi entgleiste.“




    1917 folgten jedoch die glorreichen Momente. Die rumänische Armee stoppte in Mărăşeşti, Mărăşti und Oituz den Vormarsch der deutschen und österreich-ungarischen Truppen. Die russische Revolution führte aber zur Kapitulation Rumäniens und dessen Besatzung durch den Feind. Obwohl der Goldschatz Rumäniens in Russland verloren ging, ein separater Frieden mit den Gegnern abgeschlossen wurde und das Land mit den Folgen der bolschewistischen Revolutionen in Russland und Ungarn konfrontiert wurde, war Rumänien im Stande, alle Hürden zu überwinden. Alles sei einer visionären politischen Elite zu verdanken, glaubt der Historiker Ioan Scurtu.



    Alle diese Hürden wurden überwunden, weil Rumänien eine wertvolle politische Klasse hatte. Ich meine vor allem Ion I. C. Brătianu, den Vorsitzenden der Nationalliberalen Partei, der in die Ereignisse verwickelt war und eine wichtige Rolle bei der gro‎ßen Vereinigung spielte. Sowohl Bassarabier als auch Bukowiner und Siebenbürger schickten vor der Vereinigungserklärung Gesandte nach Iaşi. Sie diskutierten mit König Ferdinand und Ion I.C. Brătianu und anderen Politikern über die Bedingungen der Vereinigung. Ion I.C. Brătianu hat die rumänische Delegation auf der Friedenskonferenz in Paris geleitet. Hier sa‎ß er gro‎ßen Politikern seiner Zeit gegenüber, etwa dem amerikanischen Präsidenten Wilson und dem britischen Premier. Das war letzten Endes ein Sieg, denn durch die Friedensverträge von 1919-1920 wurden die Vereinigungsakten von Kischinew, Czernowitz und Alba Iulia ratifiziert.“




    Aber auch das königliche Paar Ferdinand und Maria hat aber die Energie der Nation mobilisiert. Ioan Scurtu:



    König Ferdinand war ein Deutscher, er war früher Offizier in der deutschen Armee gewesen. Als der Kronrat die Meinung für den Kriegseintritt Rumäniens gegen sein Land und seine Familie vertrat, hat er sich persönlich geopfert. Das war für Rumänien sehr wichtig. Gleich nach dem Kronrat gab es zwischen ihm und Petre P. Carp ein Wortgefecht. Carp warf ihm vor, er habe vergessen, dass er ein Deutscher sei. Der König antwortete, er wüsste sehr wohl, dass er ein Deutscher sei. ‚Wären die Interessen meines Landes im Einklang mit den Interessen Rumäniens gestanden, hätte ich gerne anders gehandelt‘, sagte der König. Er war aber König der Rumänen und handelte im Interesse des Landes, das er regierte.“




    Das Opfer des Volkes war somit auch das Opfer des königlichen Paares. Starken Persönlichkeiten würden ihre Charakterstärke in schweren Momenten unter Beweis stellen, meint der Historiker Ioan Scurtu:



    Königin Maria war von Anfang an eine Anhängerin des Kriegseintrittes Rumäniens auf der Seite der Entente. Sie war Engländerin und spielte eine gro‎ße Rolle, als es darum ging, König Ferdinand zu überzeugen, dieses persönliche Opfer im Interesse des rumänischen Volkes zu bringen. Der König und die Königin standen ständig an der Seite der Rumänen, der Armee, der wichtigsten politischen Anführer. Als die Frage des Rückzugs von Iaşi nach Odessa, auf russisches Territorium, gestellt wurde, sagte König Ferdinand, er werde dieses Land nicht verlassen. Es gab die Gefahr der Besetzung der ganzen Moldau durch die deutschen Truppen. Genauso ging auch Ion I.C. Brătianu vor. Es war eine Geste, die das öffentliche Bewusstsein mobilisiert hat, auch einige Politiker die es eilig hatten in der Ukraine, in Städten fern von der Front Unterkunft zu bekommen.“




    Das als Gro‎ßrumänien“ bezeichnete Ziel der Generation Anfang des 20. Jahrhunderts war, alle mehrheitlich von Rumänen bewohnten Gebiete in einem Staat zu vereinigen. Ein Ziel, das von allen, die daran geglaubt haben, erreicht wurde. Möglich wurde dies durch die Befolgung einiger Vorbilder und Prinzipien, durch die Überwindung der Emotionen und des Zögerns und durch einen starken Willen.