Tag: G7

  • Ukraine im dritten Kriegsjahr: Kann das Land diesen Krieg noch gewinnen?

    Ukraine im dritten Kriegsjahr: Kann das Land diesen Krieg noch gewinnen?

     

    Am 24. Februar ging der Aggressionskrieg Russlands gegen die Ukraine ins dritte Jahr. Die menschlichen Opfer, aber auch die materiellen Schäden sind immens. Präsident Selenskyj eröffnete vor wenigen Tagen die Zahl der getöteten ukrainischen Soldaten – auf 31 000 bezifferte er die Verluste der ukrainischen Streitkräfte, Militärexperten schätzen die Zahl allerdings als weit untertrieben. Auch die geostrategischen Verschiebungen sind gravierend.

    Kiew räumt ein, dass die Lage für seine Streitkräfte äußerst schwierig ist – die Verluste steigen angesichts des Mangels an Munition, Waffen und Truppen, und die vom US-Präsidenten Joe Biden geforderte, aber von den Republikanern blockierte US-Finanzhilfe verzögert sich und könnte möglicherweise ganz ausbleiben. Dies gilt umso mehr, als die Aussicht auf eine Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus mit jedem Sieg im internen republikanischen Wettstreit um die Präsidentschaftsnominierung immer wahrscheinlicher wird.

    Doch wie sieht die Lage an der ukrainischen Front tatsächlich aus? Eine Antwort darauf versucht Universitätsprofessor Ștefan Popescu, promovierter Völkerrechtsexperte an der Sorbonne, im Gespräch mit Radio Rumänien.

    Der Krieg in der Ukraine ist zu einem Zermürbungskrieg geworden, einem Stellungskrieg, der Menschen, Material und Munition verschlingt. Die Zahl der zivilen und militärischen Opfer auf beiden Seiten geht in die Hunderttausende, die Zahl der zerstörten Panzerfahrzeuge in die Tausende, die Zahl der abgefeuerten Granaten in die Millionen – es ist ein Krieg, wie ihn Europa seit dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt hat. Die Ukraine wird von einer mehr als 1 000 km langen Frontlinie durchzogen, und zusammen mit der Krim besetzt die russische Armee fast 20 % des ukrainischen Territoriums. Doch was braucht die Ukraine, um einen Zermürbungskrieg zu gewinnen? Sie braucht mehr Kämpfer, Hunderttausende von Kämpfern, Ausrüstung, Munition.

    Und gerade hier hat Russland einen strategischen Vorteil: Es hat vier- bis fünfmal so viele Einwohner wie die Ukraine, Waffenfabriken, die weit von der Frontlinie entfernt sind, und leider profitiert Russland auch von der militärischen Unterstützung seiner Verbündeten – China, Iran und Nordkorea. In diesem Jahr kämpft die Ukraine meiner Meinung nach größtenteils um ihre Existenz, oder, um es weniger drastisch zu formulieren – die Ukraine befindet sich auf jeden Fall in einer entscheidenden Phase dieses Kriegs, in der die Europäer zwar bereit sind zu helfen, aber noch nicht über die Kapazitäten der Amerikaner verfügen. Und die USA befinden sich momentan im Kreuzfeuer zwischen den Demokraten und der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus.“

     

    Nach zwei Jahren der militärischen Konfrontation und in der derzeit schwierigen Lage leistet die Ukraine immer noch Widerstand. „Die Ukraine wird siegen“, sagt Wolodymyr Selenskyj der Staatschef in Kiew, mit derselben Inbrunst wie 2022. Er zählt auf die entschlossene Unterstützung der EU und der NATO sowie auf die Entschlossenheit der Ukrainer, sich in dieser unfairen Konfrontation nicht unterkriegen zu lassen. „Wir unterstützen die Ukraine mehr denn je – finanziell, wirtschaftlich, militärisch und moralisch. Bis das Land endlich frei sein wird“, sagte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, in Kiew, wo sie die „außergewöhnliche Widerstandsfähigkeit des ukrainischen Volkes“ lobte. Zum Abschluss eines G7-Gipfels, der am 24. Februar per Videokonferenz stattfand, verpflichteten sich die Staats- und Regierungschefs der sieben stärksten Industrienationen, die Ukraine so lange wie nötig zu unterstützen. Außerdem wolle man nach Möglichkeiten suchen, Russland für die durch die Invasion verursachten Schäden zur Rechenschaft zu ziehen, hieß es in der Abschlusserklärung nach der Konferenz.

    Doch wie lange wird die Bevölkerung Russlands diesen von Wladimir Putin angezettelten Krieg noch hinnehmen? Denn auch ohne an der Front zu stehen, bekommt die russische Bevölkerung bereits die Folgen der EU-Sanktionen zu spüren – unlängst wurde das 13. Sanktionspaket geschnürt. Darüber hinaus hat der Konflikt auch in den Reihen der russischen Streitkräfte viele Opfer gefordert. Hören wir erneut die Meinung von Professor Ștefan Popescu, Experte für Völkerrecht:

    Die Russen sind ein Volk, das es gewohnt ist, im Laufe der Geschichte sehr große Erschütterungen zu verkraften. Das haben wir im Ersten Weltkrieg und in all den darauf folgenden Unruhen gesehen, dem Bürgerkrieg, der den gesamten Raum des russischen Kaiserreichs durchzog, und ebenso im Zweiten Weltkrieg. Zweitens sind die Russen ein Volk, das sehr auf Vaterfiguren angewiesen und diesen hörig ist, wenn ich das so sagen darf. Gleichzeitig ist zu erwähnen, dass Wladimir Putin sein Kanonenfutter nicht in den städtischen Gebieten, ich würde sagen, in den Schaufenstern der Russischen Föderation, insbesondere in Moskau oder St. Petersburg, rekrutiert hat, sondern in den Randgebieten, im tiefen Russland, wo auch eine reale Kriegswirtschaft entstanden ist, die zu einem Anstieg des Lebensstandards geführt hat. Putin hat den Familien der Soldaten viel Geld gegeben – für die ländlichen Gebiete, aus denen die Rekruten stammen, ist es eine großzügige Bezahlung.

    So gesehen kann Russland diesen Krieg mindestens in diesem Jahr ungehindert fortführen. Die Frage, wie lange dieser Krieg noch dauern wird, können wir vor den US-Präsidentschaftswahlen und einem möglichen Wechsel im Weißen Haus nicht beantworten. Auch die russische Rüstungsindustrie wird meiner Meinung nach von vielen Analysten unterschätzt. Russland produziert weiterhin Waffen und schafft es, die westlichen Sanktionen etwa über China oder über die Türkei zu umgehen. Und Russland hat auch von der zweideutigen Haltung einiger Länder wie Indien, der Türkei, den Ländern des Kaukasus und Zentralasiens profitiert. Diese Länder haben die Verbreitung russischer Produkte und den Handel mit dem Westen indirekt ermöglicht.“

    Was kann Europa aus diesem Konflikt lernen? Dass es mehr für seine Verteidigung tun müsse, meint der Völkerrechtler Ștefan Popescu: Europa sollte seine Verteidigungsindustrien auf Vordermann bringen und seine militärischen Einrichtungen besser finanzieren, damit es in der Lage sei, seine Interessen zu verteidigen, falls der Verbündete aus Übersee leiser tritt. Der Krieg in der Ukraine sei noch lange nicht beigelegt, und es stünde viel auf dem Spiel – nämlich die Glaubwürdigkeit der westlichen Welt, so Professor Ștefan Popescu.

  • Nach G7-Videokonferenz: Weitere Hilfe für Ukraine zugesagt

    Nach G7-Videokonferenz: Weitere Hilfe für Ukraine zugesagt

    Angesichts steigender Verluste, der Munitions- und Truppenknappheit sowie der ausbleibenden US-Finanzhilfe und der Aussicht auf die Präsidentschaft Donald Trumps haben die Ukrainer den zweijährigen Jahrestag des Krieges mit Angst vor der Zukunft begangen. Kiew räumt ein, dass die Situation für seine Streitkräfte äußerst schwierig sei, bleibt aber ebenso entschlossen, den Krieg zu gewinnen. „Die Ukraine wird siegen“, verkündete Präsident Wolodymyr Selenskyj am 24. Februar mit der gleichen Inbrunst wie in den ersten Tagen der russischen Invasion vor zwei Jahren, als der Flughafen Hostomel Schauplatz heftiger Kämpfe war.

    Die EU bleibt in ihrer Unterstützung für Kiew ebenso entschlossen: „Mehr denn je unterstützen wir die Ukraine nachdrücklich – finanziell, wirtschaftlich, militärisch und moralisch. Bis das Land endlich frei ist“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und lobte die „außergewöhnliche Widerstandsfähigkeit des ukrainischen Volkes“. Die EU-Politikerin, die gemeinsam mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, dem belgischen Ministerpräsidenten Alexander De Croo und dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau in Kiew weilte, kündigte im März die Überweisung der ersten Tranche einer Makrofinanzhilfe in Höhe von 50 Mrd. EUR aus dem EU-Haushalt an die Ukraine an.

    Zum Abschluss des per Videokonferenz durchgeführten G7-Gipfels verpflichteten sich die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden westlichen Industrieländer am Samstag, die Ukraine so lange wie nötig zu unterstützen, und fügten hinzu, dass sie nach Möglichkeiten suchen würden, Russland für die durch die Invasion verursachten Schäden aufkommen zu lassen. Die G7 bekundeten außerdem ihren Willen, „gegen dritte Akteure vorzugehen, die Russlands Krieg materiell unterstützen, auch durch die Verhängung neuer Maßnahmen gegen Einrichtungen (…) in Drittstaaten“. „Wir fordern nachdrücklich die Bewilligung zusätzlicher Hilfe, um den verbleibenden Haushaltsbedarf der Ukraine im Jahr 2024 zu decken“, heißt es noch in der G7-Erklärung in Anspielung auf die Blockade des vom amerikanischen Präsidenten Joe Biden geforderten zusätzlichen Finanzhilfepakets in Höhe von 61,4 Milliarden Dollar durch die Republikaner im US-Kongress.

    Am Samstag unterzeichnete Präsident Selenskyj in Kiew bilaterale Sicherheitsabkommen mit dem italienischen und dem kanadischen Premierminister. Italien und Kanada schlossen gemeinsam mit Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Dänemark ein zehnjähriges Sicherheitsabkommen mit Kiew ab, das die Sicherheit der Ukraine bis zu ihrem NATO-Beitritt stärken soll. Ebenfalls am Samstag, einen Tag nach der Verabschiedung des 13. EU-Sanktionspakets gegen Russland, kündigte Großbritannien ein Finanzpaket in Höhe von 245 Millionen Pfund an, um die Ukraine beim Wiederaufbau ihrer Munitionsbestände zu unterstützen.