Tag: Geriatrie

  • Anti-Aging-Medizin: Welche Faktoren beeinflussen das Altern?

    Anti-Aging-Medizin: Welche Faktoren beeinflussen das Altern?

     

     

    In den 1950er Jahren gründete Ana Aslan das Nationale Institut für Geriatrie und Gerontologie, das heute ihren Namen trägt. Es war das erste seiner Art in der Welt und entwickelte sich schnell zu einem Kompetenzzentrum. In den 1960er und 1970er Jahren kamen zahlreiche internationale Stars nach Rumänien und ließen sich Verjüngungskuren unterziehen, Staatsoberhäupter und anderen Prominente ließen sich die Präparate aus Bukarest zukommen. Der Schwerpunkt der Forschung von Ana Aslan lag auf Prävention, Anti-Aging-Behandlungen und gesunder Lebensweise – Konzepte, die auch heute noch gültig sind. Das Vermächtnis der rumänischen Medizinerin inspiriert weiterhin neue Generationen von Forschern und Klinikern, die nach Lösungen suchen, um die Gesundheit und Vitalität der Menschen im Alter zu erhalten.

     

    Die Ärztin und Universitätsdozentin Luiza Spiru ist Präsidentin der Ana Aslan International Foundation und Mitglied einer WHO-Sachverständigengruppe, die an einer Neudefinition des Konzepts des aktiven Alterns arbeitet. Nach internationalen Normen kann das Altern nach dem 65. Lebensjahr beginnen, aber die Realität sieht ganz anders aus, sagt Luiza Spiru – Menschen können schneller altern als ihr chronologisches Alter. Und heute stünden wir vor einer weltweiten Pandemie der vorzeitigen Hirnalterung aufgrund von chronischem Stress, Angst und Depression. Mangelnde zerebrale und intellektuelle Betätigung sowie negative Gefühle wie Hass oder Egoismus führen zu einem frühzeitigen Ausbruch neurodegenerativer Erkrankungen, erläutertdie Medizinerin Luiza Spiru und weist darauf hin, dass immer mehr junge Menschen vorzeitig altern:

     

    Wir haben das Konzept des gesunden, personenzentrierten Alterns neu definiert. Der einzelne Mensch lebt nicht selbstständig, sondern ist in einem Ökosystem eingebettet und von allerhand Stressfaktoren umgeben. Das Leben, das ein Mensch führt, bestimmt, wie er altert. Und so wird diese Form des individuellen, personalisierten, ganzheitlichen Ansatzes mit individuellen Lösungen im Grunde zu der neuen Philosophie und dem neuen Konzept, das von der Weltgesundheitsorganisation in Angriff genommen und weltweit umgesetzt wird. Und jetzt hat auch Rumänien die Möglichkeit, von der Prävention chronischer Krankheiten zu profitieren, denn hier sind wir immer noch schlecht dran. Rumänien hat noch vieles nachzuholen in diesem Bereich, und zwar nicht nur bei der Ausbildung der medizinischen Teams und der Umsetzung dieser Politik für aktives und gesundes Altern, sondern auch bei der Bildung der Empfänger von Gesundheitsleistungen. Ein Land, dessen Bevölkerung in dieser Hinsicht ungebildet ist, kann sich keiner guten Gesundheit erfreuen.“

     

    In einer Gesellschaft, die von Stressfaktoren überflutet wird, ist Bildung unerlässlich, betont die Forscherin Luiza Spiru. Heute gibt es Bluttests, die verschiedene Marker des biologischen Alterns messen und Aufschluss darüber geben, wie schnell eine Person altert oder ob sie ein höheres Risiko hat, eine chronische Krankheit zu entwickeln. Die Ärztin spricht im Folgenden über die Schlüsselfaktoren der Langlebigkeit:

     

    Menschen sind in erster Linie so, wie sie ihr alltägliches Leben führen. Auf individueller Ebene bedeutet es, sich um sich selbst zu kümmern, sich selbst zu lieben. Viele Menschen sagen, warum sollte ich mich selbst lieben, das ist doch purer Egoismus. Und ich sage: Doch, man kann im positivsten Sinne egoistisch sein. Es bedeutet, auf sich selbst zu achten, es bedeutet, nicht nur dann zum Arzt zu gehen, wenn man schwerkrank ist. Das hängt von jedem einzelnen von uns ab, und ich werde nie müde zu sagen, dass unsere Gesundheit von unserem Lebensstil bestimmt wird. Ich würde mir wünschen, dass Rumänien verstärkt auf der Weltkarte der sogenannte »blauen Zonen« erscheint. Das sind Regionen der Welt, in denen Menschen laut Forschern viel länger als der Durchschnitt leben. Im Jahr 2021 habe ich mit einem rumänischen TV-Sender für Dokus einen Film gedreht, in dem ich einige der blauen Zonen Rumäniens bereiste und Hundertjährige traf, Menschen, die über 99 Jahre alt sind und deren Lebensgeschichten für die heutige Jugend schwer nachzuvollziehen sind. Die jungen Generationen leben in einer Welt, die von der Informationstechnologie durchdrungen ist. Diese Hundertjährigen, die den Krieg erlebt haben, die alle möglichen materiellen Entbehrungen in Kauf nehmen mussten, sind im Angesicht des Lebens nie wankend geworden. Und sie knüpfen im hohen Alter immer noch soziale Kontakte, sie sind intellektuell aktiv und üben ihr Gehirn, auch wenn ihnen nicht bewusst ist, dass sie es tun. Sie ernähren sich gesund, genießen das Leben so, wie es ist, auch wenn sie auf ihrem Weg durch diese Welt geliebte Menschen verloren haben. Und sie haben immer noch Freude an allem, was sie tun. Sie freuen sich, wenn sie morgens aufwachen, freuen sich darüber, dass sie noch laufen können, dass sie sonntags in die Kirche gehen können und dass sie ihr ganzes Leben lang Verantwortung getragen und ohne mit der Wimper zu zucken Verantwortung übernommen und erfüllt haben. Verantwortung ist eine der großen Qualitäten der Menschen, die die Chance haben, aktiv und gesund zu altern.“

     

    Die gute Nachricht ist, dass die durchschnittliche Lebenserwartung auch in Rumänien kontinuierlich steigt. Es sei jedoch wichtig, das Altern nicht dem Zufall zu überlassen, sagte noch die Medizinerin Luiza Spiru. Ihr Motto lautet: „Wir wollen lange und gut leben, in jeder Hinsicht unabhängig sein und im Alter nicht in eine graue Existenz schlittern.“

  • Demenzkranke in Rumänien

    Demenzkranke in Rumänien

    Die Demenz muss in Rumänien als Problem der allgemeinen Gesundheit gelten“ — so die Botschaft der Nationalen Alzheimer-Konferenz 2014, die vor einigen Wochen stattfand. Dabei wurde die Umsetzung eines landesweit geltenden Demenz-Plans gefordert, unter dem Titel Nationale Ma‎ßnahmen-Strategie bis 2020“.



    Weltweit wird alle vier Sekunden ein Mensch mit der Alzheimer-Krankheit diagnostiziert. In Rumänien sind von den geschätzten 270.000 Alzheimer-Erkrankten lediglich 35.000 diagnostiziert, die meisten davon im Spätstadium. Obwohl Fachärzte vor allen Dingen an einer Diagnose in frühen Stadien interessiert sind, begünstigt die Struktur des Gesundheitswesens dies in keinster Weise, wie die Ärztin Cătălina Tudose, Vorsitzende der Rumänischen Alzheimer-Gesellschaft, berichtet:



    Der erste Schritt wäre die Gründung einer interministeriellen Abteilung mit Vertretern der 5-6 Ministerien, die an der Planung der finanziellen und menschlichen Ressourcen beteiligt sind, um ein Betreuungssystem auf die Beine zu stellen. Und dann sollte diese Abteilung über Arbeitsgruppen verfügen, die die derzeitige Lage bewerten. Wenn wir an die Anzahl der derzeit arbeitslosen Medizin-Absolventen allein denken — Neurologen, Psychiater, Geriatriker — vielleicht wäre das die Lösung für die Gründung einiger Diagnose-Zentren mit geringem Aufwand. Andererseits muss ein Nationales Demenz-Register erstellt werden. Ferner bedarf es einer Änderung der bestehenden Gesetzgebung bzw. Initiativen für den Schutz der Rechte von Demenzkranken. Das wird nicht in einem Monat oder einem Jahr geschehen. Wir nehmen uns vor, unseren Plan bis 2020 umzusetzen. Aber bis dahin können viele wichtige Dinge erreicht werden, man kann etwa die massenhafte Auswanderung rumänischer Ärzte stoppen. Und das scheint mir von wesentlicher Bedeutung im Hinblick auf den Plan über das System ärztlicher Betreuung.“




    Dr. Bogdan Popescu, Vertreter der Neurologie-Gesellschaft Rumäniens, erklärt uns den Krankheitsverlauf der Demenz-Patienten uns ihre Bedürfnisse.



    Man geht davon aus, dass bei einem Gro‎ßteil der Erkrankten die Diagnose fehlt. Um die Krankheit diagnostizieren zu können, müssen Ärzte verfügbar sein, allerdings sind nicht genügend Experten hier, die eine Demenz-Diagnose stellen können. Au‎ßerdem braucht man bestimmte technische Kapazitäten, denn jede Demenz-Diagnose setzt kostspielige Untersuchungen voraus. Danach beginnen die Probleme mit der Betreuung. In der ersten Phase der leichten Demenz umfasst die ärztliche Versorgung im Allgemeinen die Verabreichung bestimmter Medikamente, die zum Glück von dem Gesundheitsministerium bzw. der Staatlichen Krankenkasse bezahlt werden. Nach der ersten Phase ist die medikamentöse Behandlung nicht mehr ausreichend, die Patienten gehen in eine Etappe über, in der sie nicht mehr alleine für sich sorgen können — angesichts ihrer Verfassung ist die Einlieferung in ein Krankenhaus allerdings noch nicht notwendig. In vielen europäischen Staaten gibt es das Konzept des Betreuers. Schlie‎ßlich folgt die Endphase, in der die Demenzpatienten so hilflos sind, dass sie eingeliefert werden müssen. Es müssen also genügend Betten für die Patienten in der Terminalphase vorhanden sein — in diesem Zusammenhang braucht man Institutionen, die langfristig diese Patienten unterbringen können und über das qualifizierte Personal verfügen.“




    Experten für neurodegenerative Erkrankungen warnen vor der steigenden Häufigkeit der Demenz angesichts der alternden Bevölkerung. Und die Entwicklung wird 2050 nicht zu Ende sein. Aus den weltweit durchgeführten Studien geht hervor, dass 10% der Über-65-Jährigen an einer Form von Demenz leiden, während bei den Über-85-Jährigen die Häufigkeit 40% erreichen kann.



    Der Arzt Gabriel Preda, Vorsitzender der Rumänischen Geriatrie-Gesellschaft, bezog sich auf das zunehmende Ausma‎ß des Phänomens vor dem Hintergrund der alternden Weltbevölkerung:



    In Rumänien hatten im Jahr 1990 etwa 10% der Bevölkerung ein Alter von über 65 Jahren, 2008 schätzte man, dass dieser Anteil 15% betragen wird, also einer von sieben Bürgern, und 2011 hat man festgestellt, dass 16,1% der Bevölkerung älter als 65 Jahre waren. Es ist also ein recht beachtlicher Anstieg, ein fast steiler Anstieg der Anzahl der Personen, die irgendwie für diese Art von Erkrankung anfällig sind. In Rumänien, wie in den meisten Staaten überhaupt, steigt der Anteil der Personen im extremen Alter, über 80-85 Jahren. Deshalb ist ein kohärentes und progressives Betreuungs-System notwendig. Das hei‎ßt, ein System, das an die unterschiedlichen Etappen des Krankheitsverlaufs angepasst sind, beginnend mit den leichten Formen und bis hin zu den schwierigsten Formen.“




    Die Demenz ist auch auf der europäischen Agenda zu finden. Es gibt bestimmte Richtlinien, die die Mitgliedsstaaten dazu bewegen sollen, die Betreuung der Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen zu regeln. Annette Dumas vertritt den Verein Alzheimer Europe:



    Auf europäischer Ebene stellt die alternde Bevölkerung eine Herausforderung für alle Mitgliedsstaaten dar. Das, weil sie die Gründung von langfristigen Betreuungsformen voraussetzt sowie den Zugang zu Diagnose und Behandlungsmethoden für diese Personen. Die alternde Bevölkerung müsste in dieser Hinsicht als Chance angesehen werden und nicht als Last, aber wir müssen dafür auch unsere Mentalitäten ändern.“




    In Europa leiden etwa 13 Millionen Menschen an Alzheimer. Die Demenz ist an siebter Stelle in der Rangliste der häufigsten Todesursachen in den Ländern mit hohen Einkommen. Etwa die Hälfte der Patienten mit neuropsychischen Beschwerden stirbt an Alzheimer.



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