Tag: gulag

  • Arlette Coposu, die leidgeprüfte Frau des „Senioren“

    Arlette Coposu, die leidgeprüfte Frau des „Senioren“

    Über Corneliu Coposu und seine Leidensgeschichte in kommunistischen Gefängnissen ist nach 1989 viel geschrieben worden. Er war ein Vorbild für die Wiederbelebung der rumänischen Demokratie nach 1990 und ein Wahrzeichen dafür, dass man die kommunistische Gefangenschaft mit Würde ertragen kann. In der Zwischenkriegszeit war er persönlicher Sekretär des gro‎ßen christlich-konservativen Politikers Iuliu Maniu (Nationale Bauernpartei – PNŢ). Zwischen 1947 und 1964 wurde er 17 Jahre lang von den kommunistischen Behörden inhaftiert und verbrachte 8 Jahre in Einzelhaft. Im Dezember 1989 baute er mit einigen anderen Überlebenden des kommunistischen Kerkers die Christlich-Demokratische Nationale Bauernpartei (PNŢCD) wieder auf.



    Seine Frau Arlette wurde jedoch weniger Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl diese bemerkenswerte Frau es überaus verdient hätte. Sie erlebte ein noch schlimmeres Schicksal als ihr berühmter Ehemann. Nachdem ihr Mann am 14. Juli 1947 verhaftet worden war, wurde sie aus ihrem Haus vertrieben und musste zur Familie ihres Mannes ziehen. Im Jahr 1950 wurde sie zusammen mit ihrer Schwester France verhaftet und unter dem Vorwurf der Spionage für Frankreich inhaftiert. Ihre Schwester starb im Gefängnis, und Arlette, obwohl sie das Gefängnis überlebte, starb 1966, zwei Jahre nach ihrer Entlassung und der Wiedervereinigung mit ihrem Mann, an Krebs. Corneliu Coposu heiratete nie wieder, und das Paar hatte nie Kinder.



    Sie wurde 1915 als Arlette Marcovici in Constanţa geboren. Ihr Vater war der General Ion Marcovici, und ihre Mutter, Jeanne Huser, war französisch-schweizerischer Abstammung. Aus der früheren Ehe ihres Vaters stammten die drei Schwestern France, Odette und Antoinette. Die Familie Marcovici hatte ein Hotel am Meer, das Französische Hotel“, in dem sie 1941 ihren zukünftigen Ehemann, Corneliu Coposu, kennenlernte. Sie heirateten am 24. Oktober 1942 und waren nur 5 Jahre lang zusammen.



    Corneliu Coposu hat eine wichtige Rolle in der jüngsten Geschichte Rumäniens gespielt. Manche Historiker sagen, dass die Demokratie in Rumänien ohne ihn und sein Überleben unter der kommunistischen Verfolgung und Inhaftierung viel schwieriger wiederaufzubauen gewesen wäre. Um ihn über seine Politik hinaus besser kennen zu lernen, muss man seine Familie und seine Empfindlichkeiten betrachten. Ionuţ Gherasim ist Vorsitzender der Stiftung Corneliu Coposu“. Er zitiert für uns ein Porträt von Arlette, das von Flavia Bălescu-Coposu, ihrer Schwägerin, skizziert wurde:



    Dass Arlette in unser Leben trat, war ebenso überraschend wie unerwartet. Es war im Frühjahr 1941, als wir Flüchtlinge waren, weit weg von zu Hause. Unser Vater kam von einem Treffen mit dem päpstlichen Nuntius, Erzbischof Andrea Casulo, zurück und traf Corneliu, der in Begleitung einer blonden, blauäugigen jungen Frau ankam. Sie sprach die schönste rumänische Sprache, die kultivierteste, ohne jede Spur eines regionalen Akzents. Sie war strahlend und blickte einem direkt in die Augen. Vater sagte uns, er habe das Gefühl, dass sie die Braut von Corneliu sein würde. Zeitlich betrachtet dauerte die Ehe 24 Jahre, aber sie verbrachten nur 6 Jahre miteinander. In unserer kurzen Begegnung, liebten und bewunderten wir sie, weil sie die Verkörperung ihres Namens war, denn Arlette bedeutet »Ehre«. Sie war kompetent, aktiv, freundlich, gro‎ßzügig, aufmerksam, ernsthaft, kreativ und temperamentvoll.“




    Die Historikerin Andreea Mâniceanu ist die Autorin einer Biografie über Arlette Coposu. Sie verbrachte viele Stunden mit Flavia und Rodica Coposu, ihren Schwägerinnen, die ihr anhand von Fotos und Dokumenten aus dem Familienarchiv von der Beziehung ihres Bruders zu ihr berichteten. Das Ergebnis war ein kleiner Abschnitt der Geschichte, auf den die Autorin sehr stolz ist. Besonders stolz ist sie darauf, dass sie eine Heldin der jüngeren rumänischen Geschichte in den Vordergrund gestellt hat, die beispiellosem Übel gegenüberstand und es überlebte, um in die Zukunft zu blicken:



    Dies ist eine Lebensgeschichte, die ich auf ewig zu erzählen habe. Es ist die Lebensgeschichte eines Vorbildes von Würde und Bescheidenheit. Sie war eine au‎ßergewöhnliche Frau mit ungebremstem Mut und starkem Glauben. Auf dem Foto, das am Tag ihrer Entlassung nach 14 Jahren in kommunistischen Gefängnissen aufgenommen wurde, fand sie die Kraft, zu lächeln. Es ist das Foto einer Frau, die nach über einem Jahrzehnt der Qualen die Kraft findet, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Ihre Geschichte sollte der Historie nicht verloren gehen, sei es auch nur deswegen.“




    Die Geschichte von Arlette Coposu ist den Rumänen heute nicht sehr bekannt, aber sie wäre es würdig, Denkmäler wie die ihres viel bekannteren Mannes in Bukarest und im ganzen Land zu haben.

  • 12 June, 2016

    12 June, 2016

    The
    Romanian foreign minister Lazar Comanescu is attending the 21st
    European Forum that got under way on Saturday in Wachau, Austria under the
    title Europe
    – united in sunny times, divided in times of crisis? Lazar Comanescu, who
    attended the opening, said Romania supported the idea of a stronger and more
    united Europe in keeping with European treaties and fundamental values, in the
    common interest of all European players. The Forum in Wachau brings together
    government officials, representative figures from the world of science and
    culture, as well as media professionals from EU member states, in particular
    from central and eastern Europe.




    As of Monday, the Romanian Naval Forces and the US Navy
    will be carrying out drills in the Black Sea to exercise standard procedures
    and enhance interoperability between the fleets of the two states. Romania
    participates with the Queen Marie Frigate, a corvette, two dredgers, two rocket
    vessels, a Puma Naval helicopter and divers from the Special Operations unit.
    Two MiG21 Lancer planes belonging to the Romanian Air Forces will also be used
    in combat simulations. The US participates with its USS Porter destroyer, which
    will be exercising standard communications procedures with the Romanian Navy.
    The vessel first arrived in the Constanta port in 2006, and this is its third
    trip to Romania.




    The Romanian Cultural Institute
    celebrates, in the Cernauti region in western Ukraine, near the common
    border, the 75th anniversary of the first deportations carried out
    by the occupying Soviets in the eastern Romanian territories annexed by Moscow
    in 1940, following an ultimatum. Bucharest’s National Theatre is staging a
    production called Twenty Years in Siberia based on a book written by
    Aniţa Nandriş-Cudla, a Romanian village woman from Bukovina. Her book is one of
    the most important records of the ordeal of tens of thousands of Romanians from
    northern Bukovina and Bessarabia sent to the Soviet Gulag in the aftermath of
    WWII. Following the annexation of Bessarabia, northern Bukovina and the Hertza
    region, the Romanian population in these areas was subject to a wide-scale
    campaign that included deportations, arrests and forced displacement. The
    campaign lasted until 1956 and made hundreds of thousands of victims. The first
    wave of deportations took place on the night of 12th June 1941 and
    targeted 32,000 people, including many public figures.

    Italy’s president Sergio Mattarella travels to Romania next week, followed by Germany’s president Joachim Gauck later this month. The latter’s talks with the Romanian officials will also tackle economic aspects, given that Germany is Romania’s biggest trade partner and the third biggest investor in the Romanian economy. Romania’s president Klaus Iohannis extended an invitation to the Italian president to visit Romania during his official trip to Italy in April last year. In February 2015, Iohannis also paid an official visit to Germany, followed by a working visit in February this year.




    Theatre performances and other
    cultural activities are scheduled for the third day of the International
    Theatre Festival in Sibiu, one of the largest events dedicated to the
    performing arts in the world. Sunday’s line-up features a choreographic
    performance by Gigi Caciuleanu, a staging of Silviu Purcarete’s Faust
    and performances by theatre companies from Lithuania and Japan. The festival,
    which opened on Friday, is now in its 23rd year and brings together
    2,500 participants from 70 different countries, as well as 450 performances.
    The director of the festival, Constantin Chiriac, said this year’s edition had
    a budget of 9 million euros.

    Today, in Group D, Turkey face Croatia, while in Group C,
    Germany face Ukraine and Poland take on Northern Ireland. On Saturday, Wales
    defeated Slovakia 2-1, while England drew 1-all against Russia. UEFA has
    started an investigation into the violence that broke out after the
    England-Russia game when a group of Russian fans stormed past stewards to
    confront English fans, who tried to escape by climbing over the barriers. In
    Group A, Switzerland defeated Albania 1-nil on Saturday, while on Friday,
    Romania lost to France 2-1. The following Group A matches are scheduled for
    Wednesday, when Romania meet Switzerland and France take on Albania. (Translated by: C. Mateescu)

  • Nachrichten 11.06.2016

    Nachrichten 11.06.2016

    Der französische Staatspräsident, François Hollande, wird in September Bukarest besuchen. Dies gab der rumänische Ministerpräsident, Dacian Cioloş, nach seinem offiziellen Besuch in Paris bekannt. Am Freitag abend beteiligten sich Dacian Cioloş und François Hollande an der Eröffnungszeremonie der Europameisterschaft in Paris und schauten sich auch die Eröffnungspartie zwischne Frankreich und Rumänien gemeinsam an. In Paris traf Ministerpräsident Cioloş auch mit seinem französischen Gegenüber, Manuel Valls zusammen; die beiden unterschrieben den aktualisierten Fahrplan der strategischen Partnerschaft zwischen Frankreich und Rumänien. Darin vereinbaren die beiden Länder eine engere Zusammenarbeit in Wirtschaft, Bildung und Kultur, jedoch auch in der Migrationspolitik und Korruptionsbekämpfung.



    Frankreich hat im Eröffnungsspiel der EM in Paris auf dem Stade de France vor mehr als 75000 Zuschauer Rumänien 2-1 besiegt. Die Franzosen schoss Olivier Giroud in der 57. Minute mit einem Kopfballtor in Führung; Bogdan Stancu gelang der Ausgleich durch einen Elfmeter in der 65. Minute; Dimitri Payet schaffte in der 89. Minute per Fernschuss das Siegestor.



    Der frischgewählte Bürgermeister der südwestrumänischen Stadt Deva, Mircia Muntean, ist zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Muntean wurde zu zwei Jahren Haft wegen Trunkenheit am Steuer verurteilt, und die Strafe wurde mit einer vorigen Verurteilung zu vier Jahren Haft mit Bewährung wegen Amtsmissbrauch kummuliert. In Oktober 2014 war Mircia Muntean in einem Verkehrsunfall in Deva involviert; damals beschädigte er drei PKWs, dann versuchte er vom Unfallort zu entfliehen und versteckte sich im Gebüsch am Stra‎ßenrand. Die Verkehrspolizisten stellten bei Mircia Muntean mehr als einen Gramm Promille Alkohol im Blut. Muntean war 16 Jahre lang, zwischen 1996 und 2012, Bürgermeister der Stadt Deva, dann wurde er Abgeordneter im rumänischen Parlament. Am vergangenen Sonntag wurde er wieder zum Bürgermeister gewählt. Während seiner politischen Karriere war Mircia Muntean Mitglied in 5 politischen Parteien.



    Das rumänische Kulturinstitut organisiert an diesem Wochenende in der Region Tschernowitz (im Westen der Ukraine, an der Grenze zu Rumänien) eine Veranstaltung zum Gedenken von 75 Jahren seit der ersten Deportationen aus den rumänischen Territorien, angeordnet von den Sowjets nach der Annektierung durch die Sowjetunion im Jahr 1940. Zu diesem Anla‎ß wird das Stück 20 Jahre in Siberien“ aufgeführt, eine Bühnenadaption des Bukarester Nationaltheaters nach dem Buch von Aniţa Nandriş-Cudla, einer rumänischen Bäuerin aus der Bukowina, die ihr Drama im sowjetischen Gulag erzählt. Nach der Annexion von Bessarabien, Bukowina und Herza wurde die rumänische Bevölkerung Opfer einer Deportierungskampagne der Sowjets, die bis 1956 dauerte. Die ersten Deportationen fanden in der Nacht vom 12. auf 13. Juni 1941 statt; mehr als 32.000 Menschen wurden damals deportiert, darunter bedeutende Persönlichkeiten aus der Politik, Kultur und Wirtschaft.



    Am Freitag abend hat die 23. Auflage des Internationalen Theaterfestivals Sibiu/Hermannstadt (FITS) begonnen. 10 Tage lang werden mehr als 2.800 Darsteller aus 70 Ländern in 450 Theateraufführungen und anderen Kulturveranstaltungen das Publikum in ihren Bann ziehen. Der Festivalleiter Constantin Chiriac gab bekannt, die diesjährige FITS-Auflage verfüge über ein Budget von 9 Millionen Euro.

  • Rumänischer Gulag: Der „Schlangenplatz“ im Jilava-Gefängnis

    Rumänischer Gulag: Der „Schlangenplatz“ im Jilava-Gefängnis

    Die Strafvollzugsanstalt Jilava wurde im Fort Nr.13 gebaut, das Teil eines Befestigungssystems ist. Dieses System wurde in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts vom ersten rumänischen König, Karl I., gebaut und diente zur Verteidigung Bukarests. Die kommunistische Regierung, die 1945 in Rumänien von den Sowjets durchgesetzt wurde, begann die demokratische politische Opposition zu vernichten. Alle Bürger, die sich dem Regime widersetzten, mussten mindestens mit einer Haftstrafe rechnen. Jilava wurde ein Transit-Gefängnis, eine Insel des rumänischen Gulags, wo Gefangene verhört und inhaftiert wurden, bis eine Entscheidung über den Ort, wo sie ihre Strafe abbü‎ßen mussten, getroffen wurde.



    Die Gefangenen von Jilava berichteten von grausamen Episoden. Schon bei der Ankunft wurden sie von den Wächtern mit Knüppeln und Peitschen geschlagen. Es folgte eine körperliche Durchsuchung. Die Zellen, in denen die Gefangenen untergebracht wurden, waren überfüllt, in manchen lebten sogar 200 Menschen. Neulinge wurden mit dem sogenannten Schlangenplatz“ nahezu ritualistisch in den Knastalltag eingeweiht. Es handelte sich dabei um den Platz zwischen dem Boden und dem unteren Bett. Dieser war nur 50 Zentimeter hoch. Hier mussten die neuen Gefangenen schlafen. Um da rein zu kommen, mussten diese wie Schlangen kriechen.



    Constantin Ion wurde 1949 verhaftet. Es war damals Schüler in Bukarest und Mitglied eines Schüler-Verbandes, der antikommunistische Manifeste druckte und verteilte. Sein Zeitzeugenbericht wurde im Jahr 2000 vom Zentrum für mündliche Geschichte des rumänischen Rundfunks aufgenommen.



    Die warmen Sommermonate Juni, Juli und August habe ich mit weiteren 160 Leuten in einem Zimmer in Jilava verbracht. Und ich erinnere mich an die Stockbetten, in denen wir schliefen. Wir schliefen dicht aneinander und konnten uns nur alle auf einmal von der einen Seite auf die andere drehen, weil wir keinen Platz hatten. Neulinge mussten den Schlangenplatz einnehmen, das war die Regel. Im Zimmer, in Anwesenheit so vieler Seelen, musste man auch seine Notdurft verrichten. Wir hatten eine improvisierte Toilette, einen Holzkübel, der voll wurde. Der Urin lief über. Viele von uns mussten auch im Urin schlafen. Wir litten zudem an Hautkrankheiten.“




    Alexandru Marinescu aus Nucşoara wurde 1949 wegen Waffenbesitzes verhaftet. Er war Schüler und gehörte der antikommunistischen Partisanen-Gruppe Arsenescu-Arnăuţoiu an. Er kam auch nach Jilava und wurde mit dem Schlangenplatz vertraut gemacht.



    Man schlief unter dem Bett. Im Winter 1950 oder 1951 blieben oft 15-20 Leute über, die überhaupt keinen Schlafplatz hatten. Es war alles komplett voll. Wenn die Wächter Schichtwechsel hatten, haben diese Gefangenen mit anderen 15-20 Gefangenen die Plätze getauscht, um zu schlafen. Es gab keine Matratzen, es gab keine Bettwäsche, keine Decken, überhaupt nichts, nur Holz-Bretter. Unsere Hüften sahen wie die Nacken der Ochsen am Karren aus. Sie waren dunkel und die Haut war hart. Derjenige, der neu im Zimmer war, auch wenn er 5 oder 10 Jahre Gefängnis hinter sich hatte, wurde als Neuling behandelt. Folglich bekam er den schlechtesten Schlafplatz. Als ich kam, gab es Platz neben der improvisierten Toilette. Man musste aber mit dem Rücken zu dieser schlafen, um nicht bespritzt zu werden.“




    Ion Preda wurde 1949 verhaftet, weil er der Partisanen-Gruppe Arnăuţoiu Lebensmittel geliefert hatte. Er berichtet auch über die Bedingungen in Jilava:



    Wir krochen zum Schlangenplatz und schliefen mit dem Kopf auf unseren Schuhen. Es gab kein Kissen, keine Bettwäsche, nichts. Wir schliefen auf dem Zement. Manche hatten Hautausschläge, andere aufgeschwollene Augen. Wir hatten nur ein sehr kleines Fenster. Und wenn es in der Zelle zu laut wurde, schloss der Wächter das Fenster, als Strafe. Und wir hatten keine Luft mehr. Er hielt das Fenster für eine halbe Stunde geschlossen, dann öffnete er es wieder. So war es in Jilava.“




    Der Schlangenplatz“ war nur eine Methode von vielen, das Individuum zu demütigen, tierische Instinkte zum Vorschein zu bringen. Ziel war es, das Selbstwertgefühl und den Respekt gegenüber Mitmenschen zu zerstören.

  • Kämpfer für die Freiheit: Corneliu Coposu (1914-1995)

    Kämpfer für die Freiheit: Corneliu Coposu (1914-1995)

    Corneliu Coposu war der Exponent der rumänischen Politik, der Mann, der die Verbindung zum demokratischen Rumänien aus der Zeit vor der Machtübernahme durch die Kommunisten aufrechterhielt. An der Seite von Ex-König Mihai I. leistete Coposu nach der Wende einen beträchtlichen Beitrag zur Wiedergeburt des demokratischen Geistes in Rumänien. Die rumänische Gesellschaft fühlt sich ihm zutiefst verpflichtet, weil er als Vorbild diente, für seine Überzeugung, dass man sich die Freiheit, Gerechtigkeit und Ehre erkämpfen muss, für die Rechtschaffenheit und Hingabe, mit der er seinen Kameraden im rumänischen Gulag folgte. Für all das bekam er den Beinamen Der Senior“.



    Corneliu Coposu wurde am 20.Mai 1914 als Sohn eines griechisch-katholischen Priesters im Nordwesten Rumäniens geboren. Er studierte Jura und promovierte in Rechtswissenschaften an der Universität Klausenburg. Coposu sollte später zum engen Vertrauten des Anführers der Christlich-Demokratischen und Nationalen Bauernpartei (PNŢCD), Iuliu Maniu, werden. Ihm diente er als persönlicher Sekretär. Am 14. Juli 1947 wurden Coposu und die gesamte Führung der Bauernpartei infolge einer Inszenierung der kommunistischen Regierung verhaftet. Er wurde zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verhaftet und nach einer 17-jährigen Haft 1964 freigelassen. Davon hatte Coposu 9 Jahre in vollständiger Isolationshaft im berühmt-berüchtigten Gefängnis von Râmnicu Sărat verbracht.



    Und dennoch überlebte der Politiker das Vernichtungsregime, dem die rumänische Demokratie nach 1945 ausgesetzt worden war. Die Journalistin Lucia Hossu-Longin fragte Coposu in einem Interview 1993, ob er einen anderen Weg wählen würde, wenn er die Zeit zurückdrehen könnte.



    Nein. Ich habe mich einer Gewissensprüfung unterzogen, habe alle Leiden, das ganze Elend Revue passieren lassen, das ich während meiner Haftzeit und während meiner Verfolgung nach der Freilassung erlebt habe, und ich glaube, ich hätte keine andere Wahl gehabt. Ich würde mich mit geschlossenen Augen für dasselbe Schicksal entscheiden. Wahrscheinlich ist unser Schicksal bereits vorher besiegelt. Ich bin kein Fatalist, aber ich glaube, dass, wenn mir Alternativen vor die Augen geführt werden sollten, ich genau dieselbe Vergangenheit wählen würde, die ich erlebt habe und die ich gelassen wiederholen würde.“




    Eine Begegnung mit derartigen Menschen ist ein Privileg. Die höchste existentielle Erfahrung war das Gefängnis, für Corneliu Coposu war es die Justizvollzugsanstalt in Râmnicu Sărat.



    Das Gefängnis in Râmnicu Sărat hatte 34 Zellen, davon jeweils 16 im Erdgeschoss und im ersten Stock, die durch ein Drahtnetz voneinander getrennt waren. Dann gab es noch zwei seitliche Zellen und weitere Strafzellen im Untergeschoss. Jede Zelle war 3 Meter lang und 2 Meter breit. Sie waren wie Zellen eines Wabengebildes, nebeneinander aufgestellt. In 3 Metern Höhe war ein kleines, unzugängliches Fenster, 45×30 Zentimeter gro‎ß, mit einem Rolladen davor, das kein Tageslicht zulie‎ß. Es gab eine 15 Watt-Birne, die ununterbrochen an war und die im Inneren ein gruftartiges Licht spendete. Eine Heizung gab es nicht, der Knast stammte vom Anfang des 20. Jahrhunderts, es hatte sehr dicke Mauern. Der Komplex war von zwei Reihen von Mauern umgeben, die 5-6 Meter hoch waren, dazwischen war ein Kontrollstreifen. Entlang der zweiten Mauer waren die Wachtürme, in denen bewaffnete Soldaten standen.“




    Das totalitäre Regime betrachtete die Menschen nicht als Wesen mit Vornamen und Familiennamen, sondern als Zahlen. Corneliu Coposu erinnerte sich 1993 an sein Leben und das Leben anderer im Gefängnis.



    Jedem Gefangenen wurde eine Nummer zugewiesen, das war auch die Zellen-Nummer. Keiner hatte einen Namen, unsere Namen waren unbekannt. Wir wurden nach unserer Zellen-Nummer identifiziert. Jeder Gefangene war allein in der Zelle und jedwedes Gespräch und jedwede Beziehung zu anderen Gefangenen aus anderen Zellen war ausgeschlossen. Lange Zeit wurde durch das Morsealphabet, durch Schläge gegen die Wand kommuniziert. Dieses System flog dann auf und die Haftinsassen wurden hart bestraft. Nachher wurde durch ein Morse-Husten kommuniziert. Das war erschöpfend, insbesondere weil wir, alle Gefangene, uns in einem schwachen Zustand befanden. Ich war in der Zelle Nr. 1, über mir, in der Zelle Nr. 32, war [der Vizepräsident der Bauernpartei] Ion Mihalache. Mit diesem konnte man am Anfang noch durch das Morsealphabet kommunizieren. Nach 4-5 Jahren lie‎ß sein Hörsinn nach, er reagierte nicht mehr auf die Wand-Schläge.“




    Nach der Wende von 1989 sagte Corneliu Coposu, Rumänien müsse eine Wiedergeburt erfahren. Seiner Meinung nach brauchte dafür das Land eine Persönlichkeit, um das Selbstvertrauen wiederherzustellen. Diese Persönlichkeit war für Coposu König Michael I.



    Meine prodynastische Einstellung beruht auf meiner festen Überzeugung, dass heute in Rumänien keine andere Person die Sympathie und das Vertrauen der Mehrheit der Bevölkerung besser als König Michael polarisieren kann. Es gibt keine andere Person. Und wenn es unter unseren Politikern keine solche Person gibt, der die Mehrheit der Bevölkerung vertraut und die intern die Stabilität und extern die Glaubwürdigkeit garantieren kann, dann kehren wir zum König zurück. Für ihn war 1944 das Land das Wichtigste, er hatte eine klare antikommunistische Einstellung. Er kann ein neutraler Schlichter in der rumänischen Politik sein. Die Motivation dieser promonarchischen Einstellung ist pragmatisch. Legen wir die Sentimentalität und jedwede Romantik zur Seite. Würde es eine Person geben, die das Vertrauen der Bevölkerung und die Sympathie der Mehrheit der Rumänen polarisieren könnte, bräuchten wir keine Rückkehr zum König. Wir können aber nicht über Nacht erstrangige Persönlichkeiten bilden. Wir bräuchten dazu weitere 30-40 Jahre.“




    In 2014 jährt sich zum 100. Mal der Ausbruch des 1. Weltkriegs. Corneliu Coposu wäre dieses Jahr auch 100 Jahre alt geworden.



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