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  • 150. Geburtstag: Ausstellung zu Ehren von Nicolae Iorga in Piatra Neamt

    150. Geburtstag: Ausstellung zu Ehren von Nicolae Iorga in Piatra Neamt

    Historiker, Literaturkritiker, Dokumentarist, Dichter, Enzyklopädist, Memoirenschreiber, Minister, Parlamentarier, Premierminister, Universitätsprofessor und Akademiker – eine lange Liste von Titeln, Berufen und beruflichen Qualitäten, die uns nur einen Teil der bemerkenswerten Persönlichkeit von Nicolae Iorga zeigt. Über Iorga, die Ausstellung und was man darin entdecken kann, sprachen wir mit der wissenschaftlichen Forscherin und Kuratorin der Ausstellung, Cristina Paiușan-Nuică.



    Ich muss sagen, dass sich die Ausstellung auf die Sammlung Iorga-Pippidi stützt. Und ich muss Professor Andrei Pippidi danken, dem Enkel von Nicolae Iorga. Seine Mutter, Frau Liliana Iorga-Pippidi, war die Tochter von Nicolae Iorga, die dem Nationalmuseum für rumänische Geschichte eine absolut wertvolle Sammlung schenkte, ein Akt der Großzügigkeit, der in gewisser Weise die Großzügigkeit des Großvaters und dann die der Mutter von Professor Pippidi fortführt. Stellen Sie sich vor, wir haben die Originalgeburtsurkunde von Nicolae Iorga, wir haben seine Schulzeugnisse, wo wir seine Noten in der Grundschule, dann im Gymnasium, sein Universitätsdiplom, seinen Doktortitel aus Leipzig sehen.



    Wir haben Familienfotos, wir haben Fotos von Nicolae Iorga und seinen 11 Kindern, 4 aus seiner ersten Ehe mit Maria Tasu und 7 aus seiner Ehe mit Catinca Iorga. Wir haben ein schönes Porträt von Catinca Iorga, das von Schweitzer-Cumpăna angefertigt und hier im Museum restauriert wurde. Es wurde zum ersten Mal in der Bukarester Ausstellung gezeigt und befindet sich jetzt im Piatra-Neamt. Wir haben, wie ich es nenne, eine Art Mini-Geschichte Europas aus den Doctor Honoris Causa-Diplomen und Orden erstellt, die Nicolae Iorga im Laufe der Jahre erhalten hat. Denn es gibt nur wenige Länder, zu denen er Beziehungen unterhielt und von denen er keine Anerkennung erhielt. So erhielt er beispielsweise eine korrespondierende Mitgliedschaft in der chilenischen Akademie. Nicolae Iorga reiste auch über den Ozean nach Amerika, und ich denke, dies ist ein sehr interessantes Thema, das weiter erforscht werden sollte.



    Welche anderen wichtigen Objekte sind in der Ausstellung zu sehen? Und was enthält die der Stadt Piatra-Neamt gewidmete Vitrine in der Ausstellung, laut Kuratorin Cristina Paiușan?



    In der Ausstellung in Piatra-Neamt kann man all diese Dinge sehen. Sie können einige der persönlichen Gegenstände von Nicolae Iorga sehen, die dem Nicolae IorgaInstitut für Geschichte geschenkt wurden und die wir in diese Ausstellung aufgenommen haben. Zum Beispiel die Feder, mit der er schrieb, seine Brille, ein Vergrößerungsglas, ein silberner Federkasten, in dem er seine Federhalter aufbewahrte, persönliche Briefe, Briefe, die er von großen Persönlichkeiten erhielt. Darüber hinaus hatte Nicolae Iorga eine gute Beziehung zu Piatra-Neamț, er besuchte die ganze Gegend mehrmals, er besuchte Klöster, er besuchte die Stadt als solche, deswegen haben wir zusammen mit meiner Kollegin Mihaela Verzea, die auch stellvertretende Direktorin des Museums in Piatra-Neamț ist, eine kleine Vitrine über Iorga und Piatra-Neamț erstellt.



    Die Vitrine enthält zwei äußerst wichtige Ausstellungsstücke: zwei Briefe, von denen einer von Elena Cuza im Jahr 1909, ihrem Todesjahr. In ihren letzten Lebensjahren zog sie sich nach Piatra-Neamț zurück, wo sie von dem Arzt Flor gepflegt wurde, der den zweiten Brief schickte, der praktisch den Brief von Elena Cuza begleitet. Elena Cuza dankt Nicolae Iorga im Jahr 1909 für alles, was er für die rumänische Nation getan hat, und dankt ihm auch dafür, dass er die Erinnerung an ihren Mann, den Fürsten Alexandru Ioan Cuza, aufrecht erhalten hat. Es ist ein sehr interessanter Brief. Daneben befindet sich eine Visitenkarte des Pfarrers Constantin Matasă. Er ist derjenige, der die Denkmäler in Neamt geschützt hat, und derjenige, der eine enge Beziehung zu Nicolae Iorga pflegte, der der Präsident der Denkmalschutzkommission war.



    Am Ende des Interviews machte Cristina Paiușan ein letztes herzliches Bekenntnis zur Ausstellung.



    Ich hoffe, dass jeder Besucher etwas Neues über Nicolae Iorga, über den Menschen Nicolae Iorga und seine Beziehung zu seinen Kindern, die er sehr liebte, erfahren wird. Etwas über die Beziehung und die große Liebe, die er für seine Frau empfand. Und einer der schönsten erhaltenen Liebesbriefe gehört zu denen, die Professor Pippidi in den <Briefen an Catinca> veröffentlicht hat, in denen der Mann Iorga, also der verliebte Nicu, an eine eher seriöse junge Dame schreibt, die sich nicht sicher war, ob sie ihr Leben an den damals berühmten Nicolae Iorga binden würde.



    Die Ausstellung war in Bukarest, jetzt ist sie in Piatra Neamt, und wir hoffen, dass wir durch das Land reisen und an jedem Ort etwas über Nicolae Iorga und den Ort erzählen können. Wir hoffen, einen großen Gelehrten und einen großen Mann wieder ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Die rumänische Geschichtsschreibung und all das, was Nicolae Iorga für die rumänische Geschichtsschreibung und das rumänische Volk bedeutet hat, wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, denn Nicolae Iorga gehörte zu den Begründern des vereinten Rumänien, und ich glaube, seine Rolle ist auch heute noch wichtig. Und wenn man ein Thema oder eine Bibliographie recherchiert, setzt man sich mit den Werken Iorgas auseinander und fragt sich: <Mal sehen, was er vor vielen Jahren geschrieben hat> und dann sucht man, was seit Iorga bis heute zu dem Thema geschrieben wurde.

  • Michał Wasiucionek aus Polen: „Bukarest hat einen südländischen Charme“

    Michał Wasiucionek aus Polen: „Bukarest hat einen südländischen Charme“

    Michał Wasiucionek ist Historiker und lebt in Rumänien seit einigen Jahren. Er wurde in Warschau geboren und dort hat er auch seine Studien abgeschlossen. 2006 hat er Rumänien mit einigen Freunden zum ersten Mal besucht, damals hat er das ganze Land bereist und sich in Rumänien verliebt. Später hat er sich um ein Erasmus-Stipendium an der Universität Bukarest beworben und ein Doktorat in Florenz über die Geschichte der Walachei und die Beziehung dieser historischen Provinz des heutigen Rumäniens zum Osmanischen Reich abgeschlossen. 2015 ist er für seine Recherche zurück nach Rumänien gekommen. Rumänisch hat er schnell gelernt, die rumänische Sprache bezeichnet unser Gesprächspartner als eine seiner Leidenschaften.



    Michał war unser Gast in der Rubrik Neue Heimat, neues Leben“ auch im Jahr 2018, jetzt erfahren wir von ihm was er in den letzten zwei Jahren gemacht hat und wie er die Isolation in seiner Wahlheimat verbrachte:



    Die letzten zwei Jahre waren für mich eher eine Zeit der Kontinuität, es war die Zeit, in der ich mich in Bukarest eingewurzelt habe, ich arbeite sowohl beim Institut für Fortgeschrittene Studien »New Europe College« als auch beim Geschichtsinstitut »Nicolae Iorga« in Bukarest. Ich habe mich hier wirklich eingelebt. Ich setze meine Recherche zum Thema Beziehungen der Walachei zum Osmanischen Reich und ihre Auswirkungen auf die Geschichte Rumäniens fort. Wie ich ‚das Ende der Welt‘ verbracht habe? Das war eine äu‎ßerst interessante Erfahrung. Ich musste für meine Recherche viel unterwegs sein und beim Ausbruch der Pandemie war ich in der Türkei. Es war eine komplizierte Zeit, was die Bewertung verschiedener Alternativen angeht, und ich beschlo‎ß, so schnell wie möglich nach Rumänien zurückzukehren, damit ich nicht gezwungen werde, im Ausland zu bleiben. Ehrlich gesagt, hätte ich mehr lesen sollen, ich hätte Bücher lesen sollen, die ich schon lange lesen wollte, hatte aber keine Zeit dafür. Den Nachrichtenkonsum habe ich zudem deutlich reduziert. Ich habe Nachrichten nur in einem klar begrenzten Zeitraum verfolgt, denn ich fand alles überwältigend und wollte nicht in Panik geraten.“




    Im letzten Jahr des Doktoratsstudiums musste Michał zwischen Bukarest und Florenz wählen, er hat sich für die rumänische Hauptstadt entschieden. Er hat sich in Bukarest schnell eingelebt und sich ein neues Leben aufgebaut. Dieses Jahr hat er wegen der Coronavirus-Pandemie seine Familie in Polen noch nicht besucht. Michał ist glücklich in Rumänien und möchte hier langrifistig bleiben, sagt er:



    Ich habe mir hier ein neues Leben aufgebaut und habe derzeit keinen Plan, Rumänien zu verlassen. Meine Eltern hatten am Anfang meiner Entscheidung nicht zugestimmt, aber nach ihrem ersten Besuch hier sagten sie, sie verstehen warum ich mich für Rumänien entschieden habe. Sie hätten erwartet, dass ich nach meinem Doktoratsstudium in Rom oder Florenz bleibe. Was ich hier besonders mag, ist in erster Linie, dass die Menschen warmherzig und nett sind, dass ich hier eine lockere Atmosphäre und eine positive Energie gefunden habe. Rumänien und Bukarest haben mir immer gefallen, sie strahlen einen besonderen Charme aus, einen südländischen Charme, den man nicht vom ersten Augenblick an bemerkt. Trotz der Probleme, mit denen sich das Land konfrontiert, hat dieser Ort eine positive Energie.“

  • Nachrichten 26.01.2018

    Nachrichten 26.01.2018

    Die Vertreter der Regierungskoalition aus PSD und ALDE haben am Freitag die Zusammensetzung des neuen Kabinetts unter Ministerpräsidentin Viorica Dăncilă bekannt gegeben. Die Exekutive wird vier Vize-Ministerpräsidenten haben. Ihren Ministerposten behalten dürfen von der PSD Verteidigungsminister Mihai Fifor, Innenministerin Carmen Dan, Arbeitsministerin Olguţa Vasilescu und Landwirtschaftsminister Petre Daea. Neu in der Regierung sind indes der Finanzminister Eugen Teodorovici, die Gesundheitsministerin und Ärzin Sorina Pintea, der Kulturminister und Schauspieler George Ivaşcu, sowie der Bildungsminister Valentin Popa. Natalia Intotero wird das Ministerium für rumänische Auslandsgemeinschaften leiten, der von der ALDE unterstützte unabhängige Justizminister Tudorel Toader darf seinen Posten behalten. Von der ALDE bleiben in der Regierung die Umweltministerin und Vizeministerpräsidentin Graţiela Gavrilescu, der Außenminister Teodor Meleşcanu und der Minister für die Beziehung zum Parlament Viorel Ilie. Die einzige Neuerung fand im Energieministerium statt, wo der zurückgetretene Toma Petcu durch den Abgeordneten Anton Anton ersetzt wurde. Am Montag stimmen die Senatoren und Abgeordneten über die Amtseinführung der neuen Regierung sowie das Regierungsprogramm des Ministerteams um Viorica Dăncila ab. Die PNL führt derweil Gespräche mit den drei weiteren Oppositionsparteien über die Art und Weise, in der die Amtseinführung des dritten PSD-ALDE-Kabinetts innerhalb eines Jahres verhindert werden kann.



    Die meisten Klagen am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte waren im vergangenen Jahr gegen Rumänien gerichtet. Das geht aus dem am Donnerstag in Straßburg veröffentlichten Jahresbericht für 2017 hervor. Damit hat das Land die früheren Rekordhalter Russland, Türkei und Ukraine übertroffen. In den 9900 Verfahren wegen Verstöße gegen die Menschenrechte gegen den rumänischen Staat geht es vor allem um die Überfüllung und die Bedingungen in den rumänischen Gefängnissen. 2017 befand der Gerichtshof in 20 ähnlichen Verfahren Rumänien für schuldig angesichts unmenschlicher und abwertender Behandlungen und zwang den Staat zu Schadenersatz-Zahlungen. Ebenfalls im letzten Jahr wurde Rumänien aufgrund der Haftbedingungen verwarnt – sollten sich diese nicht ändern, würde das Land hohe Strafgelder riskieren, hieß es.



    Der rumänische Staatspräsident, Klaus Iohannis, wird am kommenden Mittwoch in Brüssel mit dem EU-Kommissionspräsident, Jean-Claude Juncker und mit dem EU-Ratspräsident, Donald Tusk, zusammenkommen. Dies gab am Freitag die Präsidialverwaltung in Bukarest bekannt. Auf der Gesprächsagenda stehen unter anderen die Lage in Rumänien und die Änderungen der Gesetze betreffend das Justizsystem und die Bekämpfung der Korruption, sowie Themen in Bezug auf die rumänische EU-Ratspräsidentschaft im ersten Semester 2019.



    Die Europäische Kommission verfolgt mit Aufmerksamkeit die Situation in Rumänien, wo die Bürger gegen die jüngsten Justizreformen und Korruption protestieren. Das sagte die EU-Kommissarin für Justiz, Vera Jourova, am Freitag vor einem informellen Treffen der Justiz- und Innenminister in der Europäischen Union in Sofia. Nach Angaben der EU-Kommissarin will die EU-Exekutive eine größere Unabhängigkeit, ein besseres Funktionieren und ein größeres Vertrauen der Öffentlichkeit in das Justizsystem erreichen. Die Entwicklungen in Rumänien könnten Anlass zur Sorge geben, dass die Dinge nicht in die richtige Richtung gehen, sagte Vera Jourova und fügte hinzu, dass die europäische Exekutive den Dialog empfiehlt.



    Der bekannte rumänische Historiker, Diplomat und Philologe Neagu Djuvara ist tot. Persönlichkeiten aus Kultur, dem akademischen Bereich und der Politik würdigten den am Donnerstag im Alter von 101 Jahren in Bukarest verstorbenen Djuvara. In einer Mitteilung des Außenministeriums wird er als Symbol der rumänischen Elite und Vorbild für zukünftige Generationen bezeichnet. Im Jahr 2016 war der 100-jährige Neagu Djuvara mit dem Nationalorden Stern von Rumänien im Kavaliersrang ausgezeichnet worden, der höchsten Auszeichnung des rumänischen Staates. Er studierte Geschichte an der Sorbonne im Jahr 1937, promovierte in Rechtswissenschaften (1940) und promovierte unter der Leitung des berühmten französischen Philosophen Raymond Aron (1972) in Paris. Neagu Djuvara war als Diplomat Zeitzeuge ausschlaggebender Momente in der Geschichte Rumäniens und Europas. Nach der antikommunistischen Revolution von 1989 kehrte er nach Bukarest zurück, wo er an der Universität unterrichtete und zahlreiche Geschichtsbücher und Memoiren veröffentlichte.



    SPORT/TENNIS: Weltranglistenerste Simona Halep, trifft am Samstag bei ihrem ersten Auftritt im Endspiel der Australian Open, dem ersten Grand Slam Turnier des Jahres, auf die Dänin Caroline Wozniacki, die Nummer zwei der Welt. Halep besiegte in der Vorschlussrunde die Deutsche Angelique Kerber (16 WTA, ehemalige Weltranglistenführerin) nach einem ihrer besten Karriere-Matches mit 9:7 im dritten Satz. Dabei musste sie zwei Matchbälle von Kerber abwehren. Für die Rumänin ist es das dritte Finale bei einem Grand Slam, nach den Niederlagen in den Endspielen 2014 und 2017 bei den French Open. Auch für Wozniacki ist es das dritte Grand Slam-Finale, bislang konnte die Dänin ebenfalls keinen Grand Slam Titel gewinnen.

  • Die öffentliche Wahrnehmung der rumänischen Revolution von 1989

    Die öffentliche Wahrnehmung der rumänischen Revolution von 1989

    Eine Obsession der rumänischen Revolution vom Dezember 1989 waren die sogen. Terroristen. Die mutma‎ßliche Verwicklung ausländischer Geheimdienste im Verlauf der Ereignisse hat zudem tief enttäuscht. Die Terroristen wurden zu einer wahrhaften Neurose, die die Wahrnehmung des wichtigsten Moments in der jüngeren Geschichte Rumäniens beeinflusst hat. Die Opfer vom Dezember, der nachfolgende langwierige Wandel und die enttäuschten Erwartungen brachten einige dazu, die rumänische Revolution mit Bedauern oder sogar mit Verachtung zu betrachten.



    Der Historiker Adrian Cioroianu von der Fakultät für Geschichte in Bukarest hat versucht zu erläutern, wer die sogenannten Terroristen waren, die damals aus dem Hinterhalt auf Menschen schossen:



    Es ist ein Begriff, an den viele damals geglaubt haben. Was wir heute als Terroristen bezeichnen, hätten Söldner-Truppen aus mehr oder weniger arabischen Ländern, es hätten die berüchtigten sowjetischen ‚Touristen‘ sein können. Was wir jetzt geschichtlich mit Gewissheit sagen können, ist, dass ein gro‎ßer Teil derjenigen, die bis zum 25. Dezember und sporadisch auch nach diesem Datum geschossen haben, Ceauşescu treu gebliebene Elemente der internen Sicherheitspolizei Securitate gewesen sein könnten. Wenn wir die Verschwörungstheorie befolgen, können wir natürlich Vermutungen anstellen, dass alles gro‎ßartig in Szene gesetzt wurde, um den Eindruck einer Revolution zu erwecken. Das ist eine Interpretation, vor der ich Angst habe, und ich wünsche mir, dass diese in Zukunft nicht bestätigt wird. Es würde zynisch sein, bei den Gefechten sind Menschen ums Leben gekommen.“



    Von Historikern erwartet man gewöhnlich eine klare Antwort betreffend die Terroristen. Aber ihre wohlüberlegten Erklärungen besitzen nicht die Überzeugungskraft der Verschwörungstheorien. Adrian Cioroianu über die Schwierigkeiten, auf die Historiker bei der Deutung geschichtlicher Ereignisse sto‎ßen:



    Solange wir keine glaubwürdigen Berichte von den Zeitzeugen bekommen, die damals die Situation kontrolliert haben, ist die Aufgabe des Historikers eine ziemlich undankbare. Wir können nur Zeugenaussagen von damals sammeln, ihre Glaubwürdigkeit ist aber streitbar. Damals, im Schock und Chaos, war es schwer, zwischen tatsächlich Erlebtem und Eingebildetem, zwischen wahren Eindrücken und falschen Wahrnehmungen zu unterscheiden. Der Historiker ist aber dazu verurteilt, nach der Wahrheit zu suchen. In einer chaotischen Periode ist es praktisch unmöglich, die Wahrheit zu finden, wenn diejenigen, die die Situation verwaltet haben, ihren Teil der Wahrheit nicht sagen. Veteranen der Geheimdienste, diejenigen, die im Dezember 1989 die Macht verloren haben, sprechen von einem Komplott, das vorbereitet gewesen wäre, manche sagen in der Sowjetunion. Wir können nur spekulieren, so lange wir keine minimale Dokumentations-Basis haben.“



    In der Geschichte der Revolutionen spricht man von konterrevolutionären Bewegungen, die sich der Revolution widersetzen. Manche Historiker meinen, die rumänische Revolution sei wegen der Anwesenheit der Terroristen atypisch gewesen. Adrian Cioroianu ist anderer Meinung:



    Ich glaube nicht, dass die rumänische Revolution atypisch war. Sie unterscheidet sich von den anderen in Osteuropa, wenn wir uns mit der Tschechoslowakei, mit Ungarn oder mit der DDR vergleichen. Wir müssen akzeptieren, dass die Existenz eines kommunistischen nationalen Regimes, so wie dieses in Ungarn, Polen oder der Tschechoslowakei nicht existierte, uns von Anfang an zu solchen Auseinandersetzungen verurteilte: Menschen, die gegen Ceauşescu ein Komplott schmiedeten, und Menschen, die Ceauşescu verteidigten. Wenn wir das heute mit klaren Augen betrachten, hätten wir diese Polarisierung und diese Trennung in zwei Konflikt-Parteien erwarten müssen. Und ich möchte dabei nur auf den Fall Jugoslawien verweisen: Dort gab es auch einen nationalen Kommunismus, und wir wissen, wie lange die Trennung von dem noch als kommunistisch angesehenen Regime von Milošević gedauert hat. Der National-Kommunismus hat immer solche Probleme verursacht und hat zu internen Konflikten geführt.“



    Gibt es eine Chance, dass die Rumänen den wahren Wert der Revolution vom Dezember 1989 erkennen werden? Adrian Cioroianu ist optimistisch:



    Ich bin mir sicher, dass immer mehr Rumänen zu der vernünftigen Schlussfolgerung kommen werden, dass diese Energiefreisetzung vom Dezember 1989 — zumindest aufgrund ihrer Folgen — eine Revolution war. Neutral sprechen wir ja von den ‚Dezember-Ereignissen‘, gerade weil wir vermeiden möchten, einen generischen Namen zu finden. Ich glaube, wir müssten es Revolution nennen, weil die Folgen denen einer Revolution entsprechen, ungeachtet dessen, was sich diejenigen vorgestellt haben, die möglicherweise einen Putsch gegen Ceauşescu vorbereitet hatten. Wenn solche Ereignisse in einem Land passieren, treten normalerweise die Geheimdienste der Nachbarländer in Alarmbereitschaft. Wir dürfen uns nicht vorstellen, dass die sowjetischen Geheimdienste, die Geheimdienste Jugoslawiens und Ungarns die Ereignisse in Rumänien nicht aufmerksam verfolgten. Das war ihre Pflicht. Natürlich muss man zwischen Aufmerksamkeit und Verwicklung unterscheiden. Für uns ist es aber noch nicht klar, inwieweit die Sowjetunion verwickelt war. Ich bin mir aber sicher, dass die Zeit alles heilt, auch in der Geschichte.“



    Die Revolution vom Dezember 1989 hat nach 45 Jahren Kommunismus die Freiheit und die Demokratie zurückgebracht. Die heutige Unzufriedenheit der Rumänen ist unbedeutend gegenüber dem Leben unter der kommunistischen Tyrannei.



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