Tag: industrie

  • Handelskrieg zwischen den USA und der EU

    Handelskrieg zwischen den USA und der EU

    Galati ist nicht ohne andere wirtschaftliche Vorteile – der größte rumänische Flusshafen, ganz in der Nähe der Grenzen zur Republik Moldau und zur Ukraine gelegen, eine Universitätsstadt – und seit Jahrzehnten vom Stahlwerk abhängig. Dieses wiederum ist das größte des Landes. Das 1966 eingeweihte Werk hatte sechs Jahre später über 50 Tausend Beschäftigte. Eine Studie aus dem Jahr 2011 ergab, dass zwei Drittel der Bevölkerung von Galati im Werk oder in den dazugehörigen Fabriken arbeiteten oder immer noch arbeiten. Die Flaggenfußballmannschaft der Stadt und des Landkreises, die vor 14 Jahren rumänischer Meister wurde, heißt Oţelul (der Stahl).

     

    Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Diktatur wurde das Werk privatisiert. Heute ist es im Besitz der Liberty House Group, die von dem Briten indischer Herkunft Sanjeev Gupta gegründet wurde. Und es bekommt die allgemeine Krise der europäischen Energie verbrauchenden Industrie voll zu spüren. Am Mittwoch protestierten Dutzende von Beschäftigten des Liberty-Werks in Galati, weil sie mit den Verzögerungen bei der Auszahlung von Gehältern und anderen Rechten unzufrieden waren. Das Werk ist seit neun Monaten außer Betrieb, und die Unternehmensleitung hat vor Gericht die Genehmigung für ein präventives Vergleichsverfahren erwirkt, das einen viermonatigen Aufschub der Zwangsvollstreckung durch die Gläubiger ermöglicht. Die Stahlarbeiter von Galati sind vorerst nicht entschlossen, einen Generalstreik auszulösen, und sagen, dass sie noch auf eine Klärung seitens der Werksleitung warten.

     

    Der PSD-Europaabgeordnete Dan Nica, der seit 40 Jahren in Galaţi lebt, warnt vor der Gefahr einer Schließung des Werks, die Tausende von Familien ohne Einkommen zurücklassen würde : “Die europäische Industrie befindet sich in einer Situation, die so schlimm ist wie nie zuvor. Das Werk Galaţi ist in großer Gefahr, seine Tätigkeit einzustellen und Zehntausende von Menschen ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Das Gleiche gilt für die Aluminiumindustrie, die Zementindustrie und die chemische Düngemittelindustrie, weil wir es versäumt haben, diese Maßnahmen zu ergreifen: hohe Energiepreise, Importe aus Ländern außerhalb der Europäischen Union, die mit hohen Kohlendioxidemissionen hergestellt werden und in den Markt der Europäischen Union eingedrungen sind, das Fehlen von Finanzmitteln aus jeglicher Quelle, europäische Programme, die Europäische Investitionsbank, die sich weigert, all diese Programme zu finanzieren.”

     

    Darüber hinaus wird die Erhöhung der amerikanischen Zölle auf Stahlimporte die Stahlindustrie in der Europäischen Union und damit auch in Rumänien stark beeinträchtigen, so die Experten. Der Abgeordnete des Ungarnverbands Iuliu Winkler dazu: “Wenn wir glauben, dass wir die Kosten um 25 % erhöhen, dann vertiefen wir damit die Krise, in der sich die Stahlindustrie in der Europäischen Union und in Rumänien befindet, denn diese Krise ist vor allem auf die Energiepreise zurückzuführen. Energie ist in Europa etwa dreimal so teuer wie in den Vereinigten Staaten, und damit ist die ganze Idee der europäischen Wettbewerbsfähigkeit dahin.”

     

    Rumänien ist mengenmäßig der drittgrößte europäische Exporteur von Stahl in die Vereinigten Staaten und zusammen mit Deutschland der wichtigste Exporteur von Aluminium.

  • Reindustrialisierung: ambitionierter Investitionsplan für Wiederankurbelung der Industrie

    Reindustrialisierung: ambitionierter Investitionsplan für Wiederankurbelung der Industrie

     

     

    Der stellvertretende Ministerpräsident Marian Neacșu ist für die Koordinierung dieses ehrgeizigen Plans zuständig und spricht im Folgenden über den Hintergrund und den Umfang dieses Vorhabens:

     

    „Dies ist ein erster Schritt in Richtung Wiederbelebung der rumänischen Industrie. Bekanntlich erlitt die rumänische Industrie während und nach der Pandemie einen schweren Rückschlag, ebenso wie die europäische und die weltweite Industrie. Auf die Pandemie folgte die Energiekrise, unmittelbar danach der Krieg in der Ukraine und zu guter Letzt die Krise in der Beschaffung wichtiger und wertvoller Rohstoffe. Seit der Pandemie und bis heute ist der Anteil der rumänischen Industrie am BIP kontinuierlich gesunken, und das hat sich negativ auf das Wirtschaftswachstum ausgewirkt. Dies war ein erstes Alarmsignal. Der zweite Aspekt, der die Regierung zu einem solchen Ansatz bewogen hat, war das Handelsbilanzdefizit in bestimmten Industriezweigen, die nicht nur einen deutlichen Rückgang, sondern auch ein extrem großes Ungleichgewicht aufweisen.

    Lassen Sie mich nur einige Beispiele nennen: Nach dem Bericht des Nationalen Instituts für Statistik für die erste Hälfte dieses Jahres verzeichnete der Zweig der chemischen Produkte und Derivate ein Exportvolumen von 3 Milliarden und ein Importvolumen von 10,6 Milliarden Eurodaraus ergibt sich ein Defizit von etwa 7,6 Milliarden Euro. Bei Maschinen und Ausrüstungen hatten wir Exporte in Wert von 25,26 Milliarden und Importe von 27 Milliarden Euro; und bei Fertigwaren und handgefertigten Produkten Exporte von 8,6 Milliarden und Importe von 12,6 Milliarden Euro. Die wichtigsten Ziele, die wir mit dem Investitionsplan verfolgen, sind natürlich die Wiederbelebung der rumänischen Industrie, um sie auf eine effiziente und wachstumsorientierte Grundlage zu stellen, und die Verringerung des Handelsbilanzdefizits.“

     

    Der Investitionsplan wird sich laut Regierungsangaben auf drei Hauptpfeiler stützen: die Betätigung strategischer Investitionen in der verarbeitenden Industrie, staatliche Beihilfen für Großunternehmen, die Investitionen zur Verringerung der direkten Treibhausgasemissionen und des Energieverbrauchs tätigen, und die Förderung für Unternehmen, die Rohstoffe produzieren. Der stellvertretende Ministerpräsident Marian Neacșu mit weiteren Einzelheiten:

     

    Es ist sicherlich ein ehrgeiziges Maßnahmenpaket. Es wird in eine Gesamtstrategie für Reindustrialisierung eingebettet sein, an der derzeit gearbeitet wird. Das ist der erste Schritt, und wir zielen besonders auf lange Zeithorizonte und generell auf große Investitionsziele ab. Die ersten Wirkungen könnten wir im Zeitraum 2025–2026 spüren, und wir streben dieses Maßnahmenpaket mindestens bis 2031 an.“

     

    Mircea Coșea, Wirtschaftsexperte für Makroökonomie, heißt die Reindustrialisierung prinzipiell zwar gut, doch seiner Meinung nach müsste die Regierung auch den weltweiten Kontext und die heimischen Produktionsstandorte besser berücksichtigen:

     

    „Der Fokus liegt auf auf Stahl, Metallurgie, Chemie – das sind zwar wichtige Industriezweige, doch die Geschichte der industriellen Revolution hat gezeigt, dass diese Phasen der Industrieentwicklung in Europa überholt sind. Diese Industriezweige sind energieintensiv und umweltschädlich, auch wenn sie in letzter Zeit Fortschritte gemacht haben. Die Erzeugnisse dieser Branchen werden heute vornehmlich in anderen Ländern hergestellt, vor allem in den BRICS-Staaten, und Rumänien könnte sie zu sehr guten Preisen importieren. Das Geld hierfür würde aus dem höheren Mehrwert stammen, den Rumänien aus dritten oder vierten Phase der industriellen Revolution erzielen müsste. Sehen Sie, Ungarn hat auch ein Reindustrialisierungsprogramm und investiert in alles, was mit moderner Technologie zu tun hat – das größte Zentrum für wissenschaftliche und industrielle IT-Forschung des chinesischen Riesen Huawei befindet sich in Budapest, dort werden modernste Elektrobatterien, Elektroautos und so weiter hergestellt. Es sollte viel Wert auf die vierte Phase der industriellen Revolution gelegt werden. Das bedeutet, dass wir zusätzlich zu diesem Reindustrialisierungsplan ein Programm entwickeln müssen, um auch die Forschung und Entwicklung anzuspornen. Denn Industrialisierung muss mit Forschung und Entwicklung verknüpft werden und darf sich nicht nur auf den Kauf von Lizenzen stützen.“