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  • Kultureller Widerstand in der Moldawischen Sowjetrepublik: nationale Akzente gegen Russifizierung

    Kultureller Widerstand in der Moldawischen Sowjetrepublik: nationale Akzente gegen Russifizierung

    Ideologisch und national unterdrückt, entwickelten die Schriftsteller in Bessarabien verschiedene Taktiken, um der Ideologisierung und Entnationalisierung durch kulturelle Opposition zu widerstehen. Dies bedeutete einerseits die Unterwerfung unter offizielle kulturelle Richtlinien, aber auch die Entwicklung subversiver Praktiken, um Texte au‎ßerhalb des politischen und ideologischen Kanons zu verfassen. Die kulturelle Opposition in der Moldawischen Sozialistischen Sowjetrepublik wurde von Schriftstellern vorangetrieben. Sie ergriffen die Initiative, um den Geist der Rebellion gegen die ideologische Einspannung durch das Regime zu zeigen. Und der Ort, an dem sich kulturelles Aufbegehren manifestierte, war das institutionalisierte Umfeld des Schriftstellerverbandes, das Mitte der 1950er Jahre nach Stalins Tod zum Austragungssort ideologischer Divergenzen wurde.



    Andrei Cuşco ist Professor an der Fakultät für Geschichte der Staatlichen Universität Chişinău. Er erläutert, wie in der Zeit nach Stalins Tod Spannungen in der Welt der bessarabischen Schriftsteller entstanden sind:



    Dies ist die Zeit unmittelbar nach der von Chruschtschow eigeläuteten Tauwetter-Periode. In dieser Zeit können wir von der Schaffung von Räumen der relativen Autonomie sprechen, sowohl auf institutioneller als auch auf persönlicher Ebene, die im intellektuellen Umfeld in der Moldawischen Sozialistischen Sowjetrepublik vorangetrieben wurde. Diese Räume wurden in dem Ma‎ße geschaffen, in dem sich die Dynamik des Regimes veränderte und die bis dahin offene und eher harte Unterdrückung, die die stalinistische Periode charakterisierte, durch viel diffusere Formen der Gängelung ersetzt wurde. Es handelt sich um ein Kontinuum von Druckausübung und Kollaboration, das einher ging mit Widerstand und Opposition.“




    Der Schriftstellerverband war nach 1945 umgekrempelt worden, im Sinne einer Tilgung aller Merkmale, die die rumänische Kultur repräsentiert hatten. Die Spannungen nach Stalins Tod entstanden um zwei Pole der Macht herum, so Andrei Cuşco:



    In der zweiten Hälfte der 1940er Jahre hatten die Machtverhältnisse innerhalb der Schriftstellerunion der Moldawischen Sozialistischen Sowjetrepublik eine starke politische Bedeutung, die in erster Linie auf den Prinzipien der geografischen Zugehörigkeit beruhte. Mit anderen Worten gab es Reibereien zwischen der so genannten Transnistrien-Gruppe, den Schriftstellern der ehemaligen Moldawischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik am linken Ufer des Dnjestr, und den Schriftstellern aus dem historischen Bessarabien. Zu diesem geografischen Gegensatz kam eine politische Gegnerschaft zwischen den kommunistischen Schriftstellern, die auch Parteimitglieder waren, und den Schriftstellern, die nicht in die Partei eingetreten waren.“




    Die sich gegenüberstehenden Schriftstellerkreise waren von deutlich unterschiedlichen Bildungstraditionen geprägt und hatten ebenso divergierende politische Optionen. Andrei Cuşco erklärt, dass das Bündnis zwischen zwei Generationen von rumänienfreundlichen Schriftstellern zur Bildung einer kulturellen Opposition führte.



    Der Schriftstellerverband der Moldawischen Sozialistischen Sowjetrepublik wurde von zwei Generationen dominiert, die in jener Dekade und in den 1970er Jahren um Herrschaft und Vormachtstellung kämpften. Es gibt eine interessante Dynamik zwischen den Generationen. Es ist einerseits die Generation derjenigen, die sich nach der Entstalinisierung durchsetzten, die aus in den 1920 er Jahren geborenen Schriftstellern bestand, wobei viele von ihnen in rumänischen Bildungseinrichtungen studiert hatten und solide Kompetenzen im Bereich der rumänischen Kultur aufwiesen. Auf der anderen Seite ist es die Generation der 1960er Jahre, die sich aus einer Gruppe jüngerer, aufstrebender Schriftsteller zusammensetzte, die in den späten 1920er und der ersten Hälfte der 1930er Jahre geboren und in sowjetischen Institutionen ausgebildet worden waren. Sie waren auf den ersten Blick Anhänger des Regimes. Das war ein Unterschied, der später zählen sollte. Obwohl beide Gruppen im Zusammenhang mit dem literarischen Stil, der Definition des sozialistischen Realismus sich häufig auf Konfrontationskurs befanden, einigten sie sich gegen die Gruppe der transnistrischen Schriftsteller, die aufgrund ihrer Nähe zur politischen Macht und zur Partei zunächst eine dominante Position in der Union eingenommen hatten. In gewisser Weise wurde diese zweite Generation der 1960er Jahre von der vorherigen Generation erzogen, die vom symbolischen Kapital der rumänischen Kultur noch profitiert hatte. Diese Schriftsteller der 1960er Jahre assimilierten einigerma‎ßen und eher oberflächlich sowjetische Slogans, entwickelten aber gleichzeitig ein gewisses Ma‎ß an kritischem Denken.“




    Die kulturelle Opposition Bessarabiens bildete sich Mitte der 1960er Jahre nach einem entscheidenden Ereignis heraus. Andrei Cuşco dazu:



    Der entscheidende Punkt innerhalb der Institution ist der dritte Kongress der moldawischen Schriftsteller, der 1965 stattfand. Dieser Moment markierte eine deutliche Entwicklung und Veränderung der Machtdynamik im Schriftstellerverband. Dieser Kongress, der in der Anfangszeit der Breschnew-Ära stattfand, wird in der Regel als Höhepunkt in der Manifestation des Widerstands lokaler Intellektueller gegen das Regime angesehen. Er markierte in gewisser Weise den endgültigen Durchbruch der Schriftsteller der 1960er Generation. Sie waren die ersten, die ihre Werke auf Standard-Rumänisch schrieben. Beginnend mit 1957 war die sogenannte »moldawische« Sprache durch Standard-Rumänisch ersetzt geworden, allerdings in kyrillischer Schrift geschrieben, und das war auch die letzte Sprachreform in der Moldawischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Die Qualität der literarischen Produktion dieser Menschen war jener der meisten ihrer Vorgänger deutlich überlegen und synchronisiert mit den Liberalisierungstendenzen, die damals in der gesamten Sowjetunion zu beobachten waren. Hier möchte ich einige Vertreter dieser Generation nennen: Grigore Vieru, Ion Druţă, Aureliu Busuioc, Pavel Boţu und andere. Der dritte Kongress des Schriftstellerverbandes war die erste klare Manifestation einer nationalbewussten Agenda und die erste Veranstaltung von Bedeutung, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Moldawischen Sozialistischen Sowjetrepublik auf Rumänisch stattfand.“




    Die kulturelle Opposition in Bessarabien war ein stiller, aber hartnäckiger Kampf zur Verteidigung des nationalen Geistes. Sie hat schlie‎ßlich gewonnen, aber ihr Erbe braucht Zeit, um in den Gesamtkanon der rumänischen Kultur integriert zu werden.

  • Nationaltheater aus Chişinău auf Tournee in Rumänien

    Nationaltheater aus Chişinău auf Tournee in Rumänien

    Das Nationaltheater Mihai Eminescu“ aus Chişinău war vom 19.-27. Januar auf Rumänien-Tournee, im Rahmen des Projekts Rumänisches Theater in Bukarest, Iaşi und Chişinău“. Das Projekt wurde auf Initiative des Chişinău-Nationaltheaters gestartet — 2014 eröffnete das Chişinău-Nationaltheater mit seinen Aufführungen die Spielzeit des Bukarester Nationaltheaters. Eine Woche später präsentierte das rumänische Nationaltheater einige Aufführungen auf der Bühne des Nationaltheaters in Chişinău. Dieser Tournee-Austausch ist inzwischen Tradition geworden, sagte uns der Schauspieler und Regisseur Petru Hadârcă, Direktor des Nationaltheaterrs Mihai Eminescu“ aus Chişinău:



    Dieses Projekt war und ist weiterhin ein gro‎ßer Erfolg. In der Regel kommen wir nach Bukarest in der Woche um den 24. Januar, wenn in Bukarest und Iaşi die Vereinigung der Fürstentümer Walachei und Moldau von 1859 gefeiert wird. Und in der Woche um den 27. März, wenn die Vereinigung Bessarabiens mit Rumänien gefeiert wird, kommen die Nationaltheater aus Bukarest und Iaşi nach Chişinău. Theater kennt keine Grenzen — wir haben rumänisches Theater in Bukarest, Iaşi, Chişinău, denn auf all diesen Bühnen wird auf Rumänisch gespielt. Wie der Dichter Nichita Stănescu sagte: ‚Unsere Heimat ist die rumänische Sprache.‘“




    Das Nationaltheater Mihai Eminescu“ aus Chişinău präsentierte in Bukarest und Iaşi drei erfolgreiche Aufführungen aus seiner jüngsten Spielzeit. Die Aufführung În ochii tăi fermecători“ (In deinen zauberhaften Augen“), Regie Alexandru Vasilache, ist eine Bühnenadaption nach einigen Novellen des rumänischen Schriftstellers Gib Mihăescu, der in der Zwischenkriegszeit Mitglied im künstlerischen Komitee des Chişinăuer Nationaltheaters war. Die anderen zwei in Bukarest aufgeführten Premieren waren Aveţi ceva de declarat?“ (Etwas zu verzollen?“) von Georges Feydeau, Regie Petru Hadârcă und Casa Mare“ (Das gro‎ße Haus“) des moldauischen Autors Ion Druţă, Regie Alexandru Cozub.



    Die Schauspieler des Nationaltheaters Chişinău spielen nur auf Rumänisch, und ihr Repertoire enthält Stücke aus der internationalen Dramatik. Theaterintendant Petru Hadârcă dazu:



    Wir suchen uns vor allem Themen aus, die uns naheliegen, Themen, die eine direkte Verbindung zu Chişinău oder Bessarabien haben. Wir sind ein Nationaltheater und 80% unserer Aufführungen sind Inszenierungen moldauischer Dramatiker. Wir versuchen, auf den Geschmack aller Kategorien von Zuschauern zu kommen. Wir haben auch eine Aufführung mit jungen Schauspielern unseres Theaters zu einem harten, dramatischen Kapitel aus der Geschichte der Republik Moldau. Die Produktion »Copiii foametei« (»Kinder der Hungersnot«) ist eine Inszenierung nach Zeitzeugnissen, gesammelt von Alexei Vakulovski. Es geht um die Hungersnot von 1946–1947, während des Kommunismus in der ehemaligen Sowjetrepublik Moldau. Damals waren etwa 500.000 Bessarabier verhungert — es war eine für uns besonders schmerzhafte Zeit. Ich schaue mir das Publikum an — das sind ältere Leute, die diese Erfahrung als Kinder erlebt haben, und die Aufführung mit besonderem Interesse verfolgen, weil sie die Erinnerung wachhalten wollen. Unser Publikum in Chişinău kann ich nicht genug loben. Wir bewundern und lieben unser Publikum, genauso wie das Publikum uns Schauspieler liebt. Und da wir von Schauspielern reden: In unserer Gesellschaft gibt es zurzeit sehr viele sogenannte Schauspieler, die sich im Fernsehen oder im Parlament zur Schau stellen. Wir, die echten Theaterschauspieler, lachen diese falschen Komödianten aus — sie machen ein gro‎ßes Theater in unserer Gesellschaft, während wir uns die Mühe geben, auf der Theaterbühne natürlich zu bleiben.“




    Während der Bukarester Tournee hielt Petru Hadârcă auch die Konferenz Die Dokumente — eine unschlagbare Macht gegen historische Spekulationen. Das Nationaltheater in Chişinău — die Etablierung einer rumänischen Kultureinrichtung im Sinne der Gro‎ßen Vereinigung von 1918“. Im Rahmen der Konferenz wurden auch zwei Bände mit Dokumenten aus dem Bukarester Nationalarchiv und aus dem Archiv der Bibliothek der Rumänischen Akademie über die Geschichte des Nationaltheaters in Chişinău vorgestellt, und zwar Die Genese des Nationaltheaters in Chişinău: 1918–1960“ von Iurie Colesnic und Eine Chronik des Chişinăuer Nationaltheaters »Mihai Eminescu«: 1918–1930“, herausgegeben von Petru Hadârcă, Schauspieler, Regisseur und Direktor des Nationaltheaters Mihai Eminescu“. Mehr dazu von Petru Hadârcă:



    Jedes Mal, wenn ich an diese Dokumente denke, freue ich mich wie ein Kind: Im Archiv entdeckte ich die Urkunde über die Einrichtung des Chişinău-Nationaltheaters vom Oktober 1921, mit dem Briefkopf des Theaters und dem Stempel »Das Nationale Theater in Chişinău«. Das ist unglaublich! Zur Zeit des sowjetischen Regimes behaupteten die Historiker, das Theatergebäude sei zwischen 1953-1954 von zwei sowjetischen Architekten gebaut worden. Aber die Dokumente, die ich im Archiv fand, sind Zeugnisse einer ganz anderen Geschichte. 1930 war das Theatergebäude bereits errichtet, nach einem Projekt, das dem Bukarester Athenäum sehr ähnlich war. In den Dokumenten stehen Berichte über Erfolge des Nationaltheaters in Chişinău in der Zwischenkriegszeit, über Themen, die bis 1990 in der ex-sowjetischen Republik Moldau Tabu waren. Und sogar nach 1990. Jetzt, nach der Veröffentlichung dieser Bände, gab es mehrere Angriffe seitens einer gewissen moldauischen Presse. Diese sogenannten Journalisten, die uns angreifen, haben ihren eigenen Standpunkt, sie wollen die Wahrheit vertuschen, sie haben die Geschichtsprüfung nicht bestanden. Was ich in diesen Büchern gesammelt habe, macht mich stolz: Ich freue mich, sagen zu können, dass das Nationaltheater in Chişinău eine sehr schöne Geschichte hat. Bis jetzt wusste man nicht, wieviele Spielzeiten es in unserem Theater gab. Zum ersten Mal konnte ich stolz verkünden: Dieses Jahr führen wir unsere 95. Spielzeit.“




    Das Theater Mihai Eminescu“ aus Chişinău präsentierte seine Aufführungen in zwei Sälen des Bukarester Nationaltheaters: im Gro‎ßen Saal, mit 940 Plätzen, und im Studio-Saal, mit 500 Plätzen. Auch wenn es ein Nationaltheater ist, werden nur 80% der Ausgaben vom Staatshaushalt finanziert; die restlichen 20% kommen vom Kartenverkauf und von privaten Finanzierungen.