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  • Das Veronica-Krankenhaus: Wenn der Staat versagt, springt die Zivilgesellschaft ein

    Das Veronica-Krankenhaus: Wenn der Staat versagt, springt die Zivilgesellschaft ein

     

     

    Am 26. Februar 2021 starb eine der vielen alleinerziehenden Mütter Rumäniens, die ihren Alltag finanziell unterbemittelt bestreiten müssen. Bei Veronica Popa wurde Krebs im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert, aber sie hatte weder Ausweispapiere noch eine Krankenversicherung, so dass sie keine Behandlung erhalten konnte. Bis sie ihre Papiere in Ordnung bringen konnte, war Veronica bereits gestorben. Sie hinterließ fünf Kinder – und war Namensgeberin eines nach ihrem Tod entstandenen Fürsorgeprojekts, das seinesgleichen sucht.

    Die Geschichte von Veronica beeindruckte Pfarrer Dan Damaschin, Seelsorger in der Entbindungs- und Gynäkologie-Klinik „Cuza Vodă“ in Iași (Jassy), der vor dem Tod der Frau sein Bestes tat, um ihr zu helfen. Er will nun möglichst vielen Menschen helfen, die ärztliche Hilfe brauchen:

    Ich habe eigentlich eine medizinische Berufsausbildung gemacht und habe dann als Krankenpfleger gearbeitet, während ich gleichzeitig Theologie studierte. Dann habe ich in ländlichen Gemeinden, wo es keine medizinische Mindestversorgung gab, parallel als Pfleger gearbeitet und auch als Apotheker ausgeholfen, denn die Leute kamen ins Pfarrhaus, wo ich sogar eine Apotheke eingerichtet hatte. In Iași konnte ich in der Entbindungsklinik diese sozialmedizinische Erfahrung voll nutzen. Ich wollte, dass alle Mütter und ihre Kinder, die unter Armut und Schmerzen leiden, nicht nur zu essen bekommen und ein Dach über dem Kopf haben, sondern auch in der Lage sind, sich um ihre Krankheiten zu kümmern, denn von ihrem Wohlergehen hängt das Wohlergehen ihrer Kinder und – durch sie – der ganzen Gemeinschaft ab.

    Obwohl wir alle Krankenhäuser, Privatkliniken und medizinische Untersuchungseinrichtungen regelrecht angebettelt haben, mussten wir im Laufe der Jahre leider auch viele Niederlagen einstecken. Mütter mussten sterben, weil wir nicht genug Mittel hatten, weil wir nicht genug Zeit hatten, weil wir zu spät gekommen waren oder weil wir keine Leute hatten, die uns und den Müttern hätte helfen können, die Herausforderungen gemeinsam zu stemmen.“

     

    Pfarrer Dan Damaschin kam auf die Idee, einen Ort zu schaffen, an dem Mütter in Not nicht nur medizinisch betreut und unterstützt, sondern auch würdevoll behandelt werden. Nur ein kleiner Schritt war es dann von der Umwidmung eines verlassenen Hotels zur ersten sozialen Klinik in Rumänien, die ausschließlich für arme Menschen bestimmt ist.

    Veronica steht als Symbol für alle Mütter. Sie hat uns sozusagen aufgetragen, von der Idee zum Handeln überzugehen und auch den Standort zu bestimmen, an dem wir das Krankenhaus einrichten können. Und, ja, Ressourcen zu finden, um das Projekt durchstarten zu lassen. Wir überlegten uns, wie das Projekt heißen sollte, denn man will ja, dass der Name haften bleibt und eine Menge Energie bündelt.

    Sehr gute Freunde haben mir viele Namen aus dem Umfeld der klassischen Sprachen der Antike und auch aus dem englischen Sprachraum vorgeschlagen, die bei jungen Leuten sehr beliebt sind. Aber ich musste an Veronicas Kinder denken und daran, was sie für die Familie, für die Gemeinde, für die Kirche getan hat und schließlich dämmerte es mir: Auf keinen Fall geht ein anderer Name, Veronica muss in unserer Erinnerung bleiben, wir müssen uns von ihrem Namen inspirieren lassen. Und dann haben wir an Veronicas Namen festgehalten – ich betone erneut: Der Name steht als Symbol für jede Mutter, die für ihre Kinder ihre Karriere aufgibt, ihr Privatleben sehr oft hintanstellt und Entbehrungen in Kauf nimmt, um die Kinder glücklich zu machen und sie so aufzuziehen, dass sie großartige Menschen werden.“

     

    Die Arbeiten am Veronica-Krankenhaus – so Pater Damaschin weiter – begannen im Jahr 2021:

    Während der Pandemie sind mehrere Krankenhäuser regelrecht abgebrannt und die Menschen, die mit einer Lungenentzündung eingeliefert wurden, starben an Verbrennungen. Dies führte zu einer Änderung zahlreicher Vorschriften im Bereich der Brandschutz- und Katastrophenschutzgenehmigung, und wir sahen uns mit einem Projekt konfrontiert, das von Grund auf nach den neuen Gesetzen genehmigt werden musste, während unter uns gesagt in Bukarest von 20 Krankenhäusern nur eines über eine Genehmigung vom Katastrophenschutz verfügt.

    Wir mussten den Etat für dieses Projekt verdreifachen, so dass das Klinikgebäude ein Gebäude mit den höchsten Sicherheitsstandards ist, in dem wir alles Nötige eingebaut haben – angefangen am Dach, an der Isolierung, an den Fenstern – überall haben wir Brandsensoren und alle Arten von Hydranten im Wert von vielen, vielen Hunderttausend Euro eingebaut. Und wir haben eine Außentreppe, einen Aufzug und hocheffiziente Anlagen. Ob es sich gelohnt hat oder nicht, weiß nur Gott, aber wir wollten eben das Beste für unsere Mütter und haben es getan.“

     

    Die Veronica-Klinik wurde am 8. März dieses Jahres eröffnet und verfügt über fünf Stockwerke mit jeweils 250 m² Fläche. Im Erdgeschoss befindet sich eine Apotheke, in der arme Patienten kostenlos Medikamente erhalten, sowie die Abteilung für bildgebende Verfahren mit der bestmöglichen Ausstattung für Magnetresonanz und Computertomographie. Im ersten Stock befinden sich die Stationen für Kardiologie und Gynäkologie, die ebenfalls mit Hochleistungsgeräten ausgestattet sind, und im zweiten Stock die Abteilung für Familienmedizin und Spezialgebiete wie Innere Medizin, Diabetologie, Lungenheilkunde und Nierenbehandlung, führt Pfarrer Damaschin weiter aus.

    Im dritten Stock ist der Bereich der chirurgischen Spezialitäten und wir sind froh, dass wir auch eine zahnärztliche Abteilung haben, leider nur mit zwei Stühlen, aber mit einem zahnärztlichen Röntgenkabinett. Wir haben auch eine mikrochirurgische, eine HNO- und eine augenärztliche Abteilung. Und im vierten Stock haben wir die pädiatrische Station eingerichtet, wo wir auch Sprechzimmer für Neuropsychiatrie haben sowie die Kapelle Hl. Veronica, in der die Patienten geistlichen Beistand finden werden. Nicht zuletzt bekommen alle unsere Patienten eine warme Mahlzeit, denn die meisten dieser Menschen kommen zur Klinik, haben aber nicht einmal Geld für ein Brötchen; und so wollen wir ihren Aufenthalt nicht nur angenehm gestalten, sondern ihnen auch zeigen, dass sie ihr Vertrauen, ihre Gesundheit und ihre Würde zurückgewinnen können, wenn sie getröstet, verpflegt und behandelt werden.“

     

    Die künftigen festangestellten Mitarbeiter im Veronica-Krankenhaus werden von Spendengeldern bezahlt. Doch medizinische Fachkräfte sind bereit, ihr Fachwissen und ihre Erfahrung den Armen ehrenamtlich zur Verfügung zu stellen. Das Geld für den Umbau des verlassenen Hotels in ein Krankenhaus und dessen Ausstattung stammt ausschließlich aus Spenden und Patenschaften aus Iași, aus ganz Rumänien und aus dem Ausland. Von den auf 4,5 Millionen Euro geschätzten Gesamtkosten wurden bereits mehr als 3 Millionen Euro ausgegeben.

  • Ausstellung im Europäischen Parlament: „Die Goldvorräte der Rumänischen Nationalbank“

    Ausstellung im Europäischen Parlament: „Die Goldvorräte der Rumänischen Nationalbank“

     

     

    Im Verhältnis zwischen Rumänien und Russland gibt es ein Vermächtnis, das die bilateralen Beziehungen seit über hundert Jahren belastet: der unrechtmäßig in Moskau zurückgehaltene Staatsschatz Rumäniens, der aus der Goldreserve der Rumänischen Nationalbank sowie kostbaren Gemälden und wertvollen Dokumenten aus dem Staatsarchiv besteht.

    Zu diesem Thema wurde Anfang März am Sitz des Europäischen Parlaments in Brüssel eine Ausstellung organisiert. Unter den Stichworten „Die Goldreserve der Rumänischen Nationalbank“ präsentiert das Bukarester Geldinstitut seine eigene Geschichte und stellt das Schicksal seiner Goldreserve dar, um die internationale Gemeinschaft für das Thema zu sensibilisieren.

    Für unser Feature „Rumänien einmal anders“ haben wir uns mit Brândușa Costache, der Leiterin des Sekretariats für Archiv, Bibliothek und Öffentlichkeitsarbeit der Rumänischen Nationalbank (BNR), über die Ausstellung unterhalten. Das telefonische Interview führte Ana-Maria Cononovici, im Studio begrüßt Sie Sorin Georgescu mit der deutschen Fassung des Gesprächs.

     

    Es gehöre zur Tradition der Rumänischen Nationalbank, ihre Geschichte einem breiteren Publikum bekannt zu machen, eröffnete uns zu Beginn des Gesprächs Archivleiterin Brândușa Costache:

    Die Ausstellung ist im Grunde eine Fortführung der Bemühungen Rumäniens aus der Zwischenkriegszeit, die belastende Geschichte im Verhältnis zu Russland bekannt zu machen. Die Geschichte fängt im Jahr 1916 an, als in den Wirren des Ersten Weltkriegs die staatlichen Institutionen Rumäniens, einschließlich der Nationalbank, sich angesichts der anrückenden Truppen der Zentralmächte gezwungen sah, sich nach Jassy zurückzuziehen. Die Goldreserve der Rumänischen Nationalbank – das waren 91,5 Tonnen Gold – und auch die Kronjuwelen der Königin Maria sowie die Reserven kommerzieller Banken und unzählige Güter des nationalen Kulturerbes wurden zur Verwahrung nach Russland verfrachtet, weil man der Auffassung war, dass sie auf dem Staatsgebiet einer damals verbündeten Großmacht sicher sein würden. Ein fataler Fehler, wie sich später herausstellen sollte. Denn das zaristische Reich stand auf wackeligen Füßen. Im Herbst 1917 rissen die Bolschewiki die Macht in Russland an sich. Kurze Zeit darauf, nämlich schon im Januar 1918, brach Moskau die diplomatischen Beziehungen zu Bukarest ab und beschlagnahmte die rumänischen Wertgegenstände, die im Kreml verwahrt wurden. Zwar wurden auf diplomatischen Kanälen gleich nach Kriegsende Verhandlungen über die Rückgabe aufgenommen, doch blieben sie für Rumänien erfolglos. Entlang der Zeit wurden zweimal einige Gegenstände aus dem Kulturerbe zurückgegeben, doch aus der in Moskau verwahrten Goldreserve der Nationalbank trat keine einzige Unze ihren Heimweg nach Bukarest an.“

     

    Schon in der Zwischenkriegszeit hat die Rumänische Nationalbank begonnen, das von Rumänien erfahrene Unrecht der internationalen Öffentlichkeit bekannt zu machen, erzählt weiter die Archivleiterin Brândușa Costache:

    Die Nationalbank bemühte sich um die Bekanntmachung dieses Problems, so dass sie bereits 1934 die Veröffentlichung eines einschlägigen Bands unterstützte. Das Buch trug den Titel »Der rumänische Staatsschatz in Moskau« und war von Mihail Grigore Romaşcanu verfasst worden, einem Diplomökonomen und Schriftsteller, der zugleich ein höherer Beamte der Nationalbank war. Nach 1990 wurden diese Bemühungen wiederbelebt; dazu gehörten Veranstaltungen wie das alljährliche Historiker-Symposium unter der Schirmherrschaft der Zeitschrift »Magazin istoric« zum Thema »Geschichte der Geldkultur und des Bankwesens« in Rumänien. Es folgten Bücher von Cristian Păunescu, dem Berater des Notenbankchefs, sowie die Beteiligung der Nationalbank an der Gründung eines rumänisch-russischen Arbeitsausschusses im Jahr 2003, das sich mit dem offenen Problem zwischen den beiden Staaten befassen sollte. Die Ausstellung über den konfiszierten Staatsschatz Rumäniens im Europäischen Parlament war ein weiterer Schritt auf diesem Weg.“

     

    Als nächstes erläutert unsere Gesprächspartnerin Brândușa Costache, Archivbeauftragte der Rumänischen Nationalbank, warum es gerade jetzt zur Ausstellung im Europäischen Parlament kam:

    Der heutige weltweite Kontext war günstig für die Internationalisierung des Problems. Denn Rumänien braucht die internationale Anerkennung seiner Ansprüche gegenüber Russland – Moskau muss Rumänien 91,5 Tonnen Feingold zurückerstatten. Die Dokumente im Archiv der Rumänischen Nationalbank belegen ohne weiteres, dass Russland Rumänien diese Schuld erbringen muss, und ihre Echtheit oder Rechtmäßigkeit kann nicht angezweifelt werden. Daher haben wir die Initiative des rumänischen Europaabgeordneten Eugen Tomac voll unterstützt, eine Entschließung des Europäischen Parlaments zu diesem Thema auf den Weg zu bringen. Und diese Initiative war erfolgreich – die Resolution war Gegenstand einer Debatte und wurde anschließend vom Europäischen Parlament verabschiedet. Darin wird Russland aufgefordert, die beschlagnahmte Goldreserve Rumäniens zurückzugeben, was die internationale Unterstützung in der Causa bezeugt.“

     

    Die Ausstellung im Europäischen Parlament zeigt historische Fotos, Landkarten und Abbildungen von wertvollen Dokumenten des rumänischen Kulturerbes, die unrechtmäßig von Moskau zurückgehalten werden. Zum Schluss unseres Interviews gibt Brândușa Costache, die Archivbeauftragte der Rumänischen Nationalbank, weitere Details über die Ausstellung:

    Die Ausstellung war eine gute Gelegenheit, einem breiten Publikum Kopien der Originaldokumente unter die Augen zu bringen. Es handelt sich um die in Jassy und Moskau unterzeichneten Protokolle zwischen Bukarest und Moskau, die den Transport nach und die Aufbewahrung der rumänischen Goldreserve und der anderen Wertgegenstände sowie der Kulturgüter in Moskau belegen. Auch die Anfang 1917 in Moskau erstellten Dokumente über den Empfang der Transporte aus Rumänien und deren Inventur waren unter den ausgestellten Abschriften vertreten. Die Dokumente waren vorher in den Büchern von Cristian Păunescu veröffentlicht worden, doch waren sie einer breiteren Öffentlichkeit vor dieser Ausstellung kaum bekannt. Das Schicksal des rumänischen Nationalschatzes nach 1918 wird ferner in der Ausstellung durch Schriftstücke dokumentiert, die der Historiker Ilie Schipor in russischen Archiven entdeckt, abgelichtet und in einem Buch veröffentlicht hat.“

     

    In seiner Entschließung fordert das Europäische Parlament Russland entschieden auf, die rechtswidrig beschlagnahmte Goldreserve der Rumänischen Nationalbank sowie die anderen Wertgegenstände und Kulturgüter umgehend Rumänien zurückzuerstatten. Die derzeitige russische Führungsriege reagierte unwirsch darauf: Rumänien habe weitaus höhere Kriegsreparationen im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg an die ehemalige Sowjetunion zu entrichten, hieß es aus Moskau. Eine Lösung der Angelegenheit ist derzeit nicht in Sicht.