Tag: Jihlava

  • Kinojahr 2020: Filmbranche angeschlagen, neue Filme dennoch erfolgreich

    Kinojahr 2020: Filmbranche angeschlagen, neue Filme dennoch erfolgreich

    In einem Jahr, in dem die Filmindustrie sehr stark von der Pandemie betroffen war, feierte das rumänische Kino einen neuen Erfolg. Colectiv“ von Alexander Nanau, Acasă, My Home“ von Radu Ciorniciuc, Tipografic Majuscul“ des Regisseurs Radu Jude haben im vergangenen Jahr den rumänischen Dokumentarfilm in die Aufmerksamkeit internationaler Filmfestivals gebracht. Die Dokumentation Colectiv“ von Alexander Nanau, die von der Europäischen Filmakademie als bester Dokumentarfilm preisgekrönt wurde, ist auch Rumäniens Vorschlag für die Oscar-Nominierung in der Sektion Bester internationaler Spielfilm 2021“. Es ist das erste Mal, dass Rumäniens Vorschlag im Rennen um die Preise der Amerikanischen Filmakademie eine Dokumentarfilm ist.



    Der Film von Alexander Nanau feierte seine Premiere bei den Internationalen Filmfestspielen in Venedig und war der erste rumänische Dokumentarfilm, der bei dem renommierten italienischen Festival ausgewählt wurde. Colectiv“ war auch in der offiziellen Auswahl des Sundance Filmfestivals 2020. Darin beobachtet der Regisseur, wie Investigativreporter in Bukarest die Folgen des Brandes im Nachtclub Colectiv untersuchen, bei dem 65 Menschen ihr Leben verloren haben. Hintergrund war die verbreitete Korruption im Gesundheitssystem. Die Zeitschrift Rolling Stone“ hat die Dokumentation unter der Regie von Alexander Nanau zum besten Dokumentarfilm des Jahres 2020 gekürt.



    Die jungen Filmemacher Andrei Tarara und Alina Manolache standen ebenfalls im vergangenen Jahr mit ihren jüngsten Produktionen im Rampenlicht. Kinder, die am Strand verloren gehen“ (2020) wurde erstmals auf dem Filmfestival Astra in Sibiu (Hermannstadt) präsentiert und im Programm des renommierten Internationalen Dokumentarfilmfestivals in Amsterdam ausgewählt. Das Spielfilmdebüt der Regisseurin Alina Manolache zeichnet ein Porträt der Generation der 30-Jährigen, die unmittelbar nach der Revolution geboren wurde. Der Dokumentarfilm von Andrei Tarara Wir gegen uns“ wurde in der Wettbewerbssektion Between the Seas“ des Internationalen Dokumentarfilmfestivals Jihlava in Tschechien zum ersten Mal gezeigt.



    Ein weiterer sehenswerter Dokumentarfilm, der aber ein zu kurzes Leben in den Kinos hatte, ist Profu’“ von Alex Brendea. Der Film gewann den Preis für den besten Dokumentarfilm in Mittel- und Osteuropa in der Sektion Between the Seas“ des Internationalen Dokumentarfilmfestivals in Jihlava 2019 und den Preis für den besten Film beim Filmfestival Astra 2019.



    Wir können diese Retrospektive nicht abschlie‎ßen, ohne die Dokumentarfilme zu erwähnen, die auf dem Filmfestival Astra im mittelrumänischen Sibiu (Hermannstadt) ausgezeichnet wurden. Der Preis für den besten Film in der Sektion Wettbewerb ging an die schwedische Produktion aus dem Jahr 2019 Josefin & Florin“. In der gleichen Kategorie ging der Sonderpreis an die österreichische Produktion aus dem Jahr 2020 Bitte warten“ (in der Regie von Pavel Cuzuioc). Der Preis für die beste Regie ging an Adrian Pîrvu und Helena Maksyom für den Streifen Alles wird nicht gut sein“, eine rumänisch-ukrainische Koproduktion aus dem Jahr 2020, und Andrei Dăscălescu gewann den Preis des Publikums für den Film Vater unser“.

  • Dokumentarfilm „Profu’“ von Alex Brendea: vom Scheitern des Bildungssystems

    Dokumentarfilm „Profu’“ von Alex Brendea: vom Scheitern des Bildungssystems

    Lehren“ erzählt die Geschichte von Dorin Ioniță, einem Mathematiklehrer in Bistrița, der das staatliche Bildungssystem verlässt und in seiner eigenen Wohnung Privatstunden zu geben beginnt. Sein grö‎ßter Traum ist es, eine Schule zu haben, die nicht dem traditionellen Bildungssystem folgt, einen Ort frei von der Tyrannei konventioneller Lehrmethoden.



    Der Film gewann 2019 den Preis für den besten Dokumentarfilm in Mittel- und Osteuropa in dem Wettbewerbsabschnitt Zwischen den Meeren“ des Internationalen Dokumentarfilmfestivals in Jihlava, in der Tschechische Republik, und 2019 den Preis für den besten Film im Rumänien-Wettbewerbsabschnitt des Astra-Filmfestivals.



    Der Film sollte ursprünglich im Mai in die Kinos kommen, die Premiere wurde aber wegen der Pandemie verschoben. Kurz vor der rumänischen Premiere profitierte Lehren“ jedoch von Vorführungen mit Publikum im Tschechischen Kulturzentrum in New York, im Rahmen des Internationalen Dokumentarfilm-Festivals Jihlava“ und im Internationalen Filmfestival Transilvania (TIFF) in Cluj (Klausenburg), hier mit ausverkauften Eintrittskarten. Die Besucher der Filmvorführungen in den Kinos hatten die Gelegenheit, Dorin Ioniță, den charismatischen Protagonisten des Films Lehren“, in den Frage- und Antwortrunden zu treffen. Alex Brendea, der Regisseur des Films, erzählte uns von der Premiere in der nordrumänischen Stadt Bistrița (Bistritz), der Stadt, in der die Handlung des Films stattfindet.



    Fein war es, denn zumindest in Cluj und Bistrița hatten wie ein Heimspiel, um es so zu sagen. Ursprünglich waren in Bistrița zwei Vorführungen vorgesehen, diese wurden jedoch später hinzugefügt. So sollte es beispielsweise an einem Tag nur eine Filmvorführung geben, schlie‎ßlich waren es drei. Dann beschlossen die Kinobetreiber auf Wunsch des Publikums, weitere drei Vorführungstage anzusetzen. Das hat mich sehr angenehm überrascht, denn der Film wurde in beiden Kinos Bistrițas gezeigt, und viele Leute sahen sich ihn an. Eine andere Sache, über die ich mich sehr gefreut habe, war, dass viele Lehrer sich den Film zusammen mit ihren Schulklassen ansahen. Das war gut, weil wir über einen Dokumentarfilm sprechen, ein spezielleres Genre. Anscheinend war es die richtige Entscheidung, diesen Film als einen Dokumentar zu drehen, sowohl die Hauptfigur als auch das Thema haben das Publikum gefesselt. Heutzutage wird viel über Erziehung und die Art und Weise, wie das Erziehungssystem in Rumänien funktioniert, gesprochen. Viele Eltern sind unzufrieden. Nach den Filmvorführungen sprachen mich viele Eltern an. Es waren Eltern, die mit der Art und Weise, wie in Rumänien unterrichtet wird, unzufrieden sind, Menschen, die sich mehr Lehrer wie Dorin Ioniță wünschten. Die Reaktionen waren durchgehend gut, ich traf auch Lehrerinnen und Lehrer, die mir nach der Vorführung von ihren innovativen oder originellen Projekten erzählten und gleichzeitg klagten, dass sie diese aufgrund der Bürokratie oder mangelnden Interesses nicht umsetzen konnten. Eine dieser Lehrerinnen unterrichtete Geografie und wollte eine virtuelle Plattform schaffen, auf der sie den Schülerinnen und Schülern die Formen des Reliefs mithilfe von 3D-Grafiken erklären konnte, was ich für eine sehr gute Idee hielt. In Cluj traf ich auch einen Lehrer, der mir erzählte, dass es ihm durch diesen Dokumentarfilm gelungen sei, in gewisser Weise eine Alternative zum gegenwärtigen Unterrichtssystem anzubieten. Er genoss den Film, sagte mir, dass er ihn sehr mochte und sich von ihm inspirieren lie‎ß. Mit diesem Film wollte ich zuerst einmal auf das marode Unterrichtssystem hinweisen und versuchen, auch andere Lehrer zu motivieren, ihren Träumen oder Wünschen nachzugehen und etwas Gutes für die Kinder zu tun.“




    Alex Brendea hat viel Erfahrung als Bildregisseur und ist der Ansicht, dass ihm das Genre Dokumentarfilm mehr Freiheit bietet als der Spielfilm.



    In gewisser Weise muss der Dokumentarfilm diese Freiheit haben, weil hinter ihm kein Drehbuch steht und man deshalb nicht wei‎ß, welches Bild oder welches Licht er in der nächsten Sequenz einfangen wird. Und das fasziniert mich, weil ich in solchen Situationen schnell Lösungen und Antworten finden muss. In gewisser Weise erfordert der Dokumentarfilm während der Dreharbeiten etwas mehr Aufwand, aber im Vergleich zu einem Spielfilm braucht er nicht so viel Vorbereitung. Im Falle eines Fiktionfilms bereitet man sich vor dem Drehen darauf vor, den besten Rahmen und das beste Licht einzufangen — man geht gewisserma‎ßen mit erledigten Hausaufgaben an die Arbeit. Bei dem Dokumentarfilm muss man viel freier sein, um vor Ort Lösungen zu finden.“




    Eine der Auszeichnungen, die der Film Lehren“ erhielt, war der Preis für den besten Dokumentarfilm in Mittel- und Osteuropa im Wettbewerbsabschnitt Zwischen den Meeren“ des Internationalen Dokumentarfilmfestivals in Jihlava. Die Jury begründete ihre Entscheidung wie folgt: Es ist ein wichtiger Film, den die Leute sehen müssen. Ein Mathematiklehrer arbeitet am Rande eines gescheiterten Bildungssystems und wird zum Mentor einer Gruppe von Schülern. Durch sein Engagement für die Erziehung lernen diese jungen Menschen die wichtigste Lektion ihres Lebens: Sie müssen sich »auf tragische Weise in das verlieben, was Sie tun«. Um das Unkonventionelle zu feiern, die Unordnung, die Fantasie und die Leidenschaft für Erziehung, geht der Preis »Zwischen den Meeren« an »Lehren«.“

  • Dokumentarfilm „Timebox“ für Gopo-Preise nominiert

    Dokumentarfilm „Timebox“ für Gopo-Preise nominiert

    Nora Agapis Dokumentarfilm Timebox“ hat die Trophäe für den besten Dokumentarfilm aus Mittel- und Osteuropa in der Sektion Zwischen den Meeren“ auf dem Internationalen Dokumentarfilmfestival im tschechischen Jihlava gewonnen. Bei ihrer Auswahl war die Jury von der Tiefe, mit der die Regisseurin die Bedeutung der Erinnerung erforscht hat, sowie von der künstlerischen Vision und der erzählerischen Kraft des Films berührt. Trotz eines sehr persönlichen Erzählflusses wirft der Film Fragen auf, die über die Geschichte selbst hinausgehen. Timebox“ ist eine von fünf Nominierungen für die 14. Ausgabe der Gopo-Preise für den besten Dokumentarfilm.



    Der Film erzählt die Geschichte von Ioan Matei Agapi, einem charismatischen 80-jährigen Dokumentarfilmer. Er lebt in Iaşi (Jassy) und besitzt eine Sammlung von 16-mm-Filmen, die fast ein halbes Jahrhundert rumänischer Geschichte abdeckt. Ursprünglich wollte Nora Agapi einen Film über die reichen Archive ihres Vaters drehen. Aber sie änderte ihr Vorhaben und ihren Blickwinkel, als die örtlichen Behörden ihren Vater aufforderten, umzuziehen, da er sonst evakuiert werden würde. Regisseurin Nora Agapi über ihren Film Timebox“:



    Von Anfang an möchte ich klarstellen, dass es in diesem Film um meinen Vater geht. Er ist derjenige, der mich mein ganzes Leben lang beeinflusst hat. Er ist ein sehr starker Charakter, wie alle jungen Leute, die er auf seine Weise in die Geheimnisse der Fotografie und des Films einweihte, bestätigen. Warum sage ich auf seine Art und Weise? Weil mein Vater versuchte, über die Fotografie hinaus zu sehen und sich mit Philosophie und den lustigen Aspekten des Lebens zu beschäftigen — er hat nämlich viel Humor. Und er ist auch ein sehr mutiger Mensch, für den das Leben eine Art Spektakel war. Die ursprüngliche Idee war also, einen Film über meinen Vater zu machen. Aber es war nicht leicht. Ich stand dem Thema sehr nahe. Also habe ich mich auf den Raum konzentriert, in dem ich aufgewachsen bin, und darauf, wie mein Vater damit umging. In dem Film ist mein Vater sowohl Pädagoge als auch Regisseur. Er kann das Wort Filmemacher nicht ausstehen, also bin ich da auch misstrauisch. Mein Vater ist nach wie vor ein ausgezeichneter Dokumentarfilmer, der die Kompositions- und Aufnahmetechniken beherrscht, ohne sich für einen Künstler zu halten. Zuerst wollte ich in meinem Film nicht auftreten, weil der Film nicht von mir handeln sollte. Nur dass man, wenn man seinen Vater ansieht, unweigerlich auch über sich selbst spricht.“




    Nora begann ihr Projekt 2011, aber bald darauf, im Jahr 2012, erkannte sie, dass sie ihren Ansatz ändern musste, damit ihr Film nicht nur die Geschichte des Vaters, sondern auch die des Elternhauses erzählt. Dieser Raum, der alle Archive beherbergte und aus dem Ioan Matei Agapi unter dem Druck der Behörden ausziehen musste.




    Die Geschichte ist ziemlich komplex, aber um eine lange Geschichte kurz zu machen, kann ich Ihnen sagen, dass mein Vater zunächst einen Raum in einem gro‎ßen Gebäude mietete, um seine Archive aufzubewahren und seine pädagogischen Aktivitäten durchführen zu können. Schlie‎ßlich machte er diesen Raum zu seinem Zuhause. Aber nach 1990 durfte er es nicht mehr besitzen, weil der Ort, der als Schloss Braunstein bekannt war, ein denkmalgeschütztes Gebäude war. Infolgedessen zahlte er weiterhin Mietgebühren. Nur dass die Stadtverwaltung 2012 ohne Vorankündigung einen Brief an meinen Vater schickte, in dem sie ihn aufforderte, umzuziehen. Er reichte eine Beschwerde ein und erlitt vier Jahre lang die psychologische Folter des Kampfes gegen ein stumpfsinniges System, das einem 80-jährigen Senioren, der auf seine Weise zur Geschichte der Stadt beigetragen hatte, völlig gleichgültig gegenüberstand. Mein Film ist um diesen Kampf herum aufgebaut, ohne dass er die Form einer Sozialdokumentation annimmt. Dennoch denke ich, dass mein Vater durch seine Reise zum Symbol eines Kampfes wird, den viele von uns gegen all die Dinge führen müssen, die wir missbilligen, gegen die oft engstirnige Einstellung der Menschen um uns herum. Mein Traum war es, gerade all diese Werke meines Vaters ans Licht zu bringen, indem ich seine Filme, die er wie Kostbarkeiten aufbewahrte, aus ihren Kisten herausholte.“




    Neben der Trophäe des Festivals von Jihlava wurde Timebox“ auf mehreren internationalen Filmfestivals gewürdigt, darunter auf dem Internationalen Filmfestival Transilvania TIFF 2019, sowie mit dem Preis für den besten Dokumentarfilm in der Sektion Balkan Dox“ des Dokufest IDFF-Festivals im Kosovo ausgezeichnet.