Tag: Kalter Krieg

  • Rumänische Außenpolitik in den 1960er–70er Jahren: Öffnung gegenüber dem Westen

    Rumänische Außenpolitik in den 1960er–70er Jahren: Öffnung gegenüber dem Westen

    In den 1960er Jahren war Rumänien auf der Suche nach einer eigenen Stimme auf der internationalen politischen Bühne. Nachdem es nach 1945 zusammen mit ganz Osteuropa in den Einflussbereich der Sowjetunion geriet, war es gezwungen, sein politisches und soziales Entwicklungsmodell zu ändern. Davon war auch die Au‎ßenpolitik betroffen, wobei der Abbruch der Beziehungen zur westlichen Welt die erste Direktive aus Moskau war. Von 1948, als das kommunistische Regime vollständig an die Macht kam, bis Anfang der 1960er Jahre dominierten Isolationismus und Feindseligkeit gegenüber dem Westen und der kapitalistischen Welt die Au‎ßenpolitik Rumäniens.



    Stalins Tod 1953, die Verurteilung seiner Politik durch den neuen Machthaber Chruschtschow und die Intervention der Sowjetunion gegen die ungarische Revolution von 1956 waren einige der wichtigsten Ereignisse, die zu einer Veränderung in den internationalen Beziehungen des sozialistischen Blocks führten. Die Sowjetunion begann, ihre Kontrolle über die Staaten, die sie nach 1945 besetzt hatte, abzubauen, während die kommunistischen Führer dieser Länder versuchten, die nach dem Krieg beeinträchtigten Beziehungen wieder aufzubauen. Rumänien versuchte selbst, seine internationale Identität wiederherzustellen. Das Au‎ßenministerium brauchte einen reformorientierten Leiter, und man glaubte, dass Corneliu Mănescu, Rumäniens Botschafter in Ungarn, für diese Aufgabe geeignet sei. 1961 wurde er nach Bukarest berufen und ihm wurde vom Staatsoberhaupt Gheorghe Gheorghiu-Dej höchstpersönlich mitgeteilt, dass er das Amt des rumänischen Au‎ßenministers übernehmen werde.



    Zu dieser Zeit hatte Rumänien diplomatische Beziehungen zu rund 30 Staaten. Mănescu hielt das für lächerlich und eröffnete als erstes den Kontakt zu den Vereinten Nationen, wo Rumänien tatsächlich Freunde fand. Ein solcher Freund war der burmesische Diplomat U Thant, der dritte Generalsekretär der Organisation. So wurde Rumänien 1955 als Mitglied der Vereinten Nationen aufgenommen. 1994 zeichnete das Zentrum für Mündliche Geschichte des Rumänischen Rundfunks ein Interview mit Corneliu Mănescu auf, der damals 78 Jahre alt war:



    U Thant war ein gro‎ßer Freund von Rumänien. Er half uns, ein ehrenwertes Mitglied der Organisation der Vereinten Nationen zu werden und das UN-Zentrum in Bukarest zu gründen sowie bei vielen anderen Dingen. Er tat alles, was er konnte, um uns zu helfen. Im Jahr 1968, als Rumänien von einer [russischen] Invasion bedroht war, war er die erste Person, mit der ich in New York Kontakt aufnahm, und er versprach, eine au‎ßerordentliche internationale Sitzung der Vereinten Nationen abzuhalten, um uns zu unterstützen. Wir schulden ihm also unseren Respekt und unsere Dankbarkeit.“



    Corneliu Mănescu versuchte auch, Rumäniens Beziehungen zum Westen wiederherzustellen, angefangen mit Frankreich:



    1961, als ich das Au‎ßenministerium übernahm, hatte Rumänien fast nur Beziehungen zu den Staaten des Warschauer Paktes. Mit den westlichen Staaten, an deren Seite wir gegen Hitlers Armeen gekämpft hatten, befanden wir uns seit 1945 in einem Beinahe-Kriegszustand. Die Beziehungen waren fast eingefroren. Ab 1961 begannen wir, unsere Beziehungen systematisch auszubauen. Vor allem haben wir die Beziehungen zu Ländern wie Frankreich wiederhergestellt. Im Jahr 1961 waren unsere Beziehungen zu Frankreich fast nicht existent. Ich traf den damaligen französischen Au‎ßenminister Couve de Murville 1961 im ersten Jahr meiner Amtszeit und er lud mich nach Frankreich ein. Ich habe sofort ja gesagt, was nicht üblich war. Es war nicht üblich, dass jemand eine solche Entscheidung alleine trifft. Natürlich habe ich später auch die Zustimmung von zu Hause erhalten.“



    Ein weiteres westliches Land, das Rumänien ins Visier nahm, war Italien:



    Rumänien hatte eine unverzeihliche Haltung gegenüber internationalen Organisationen, es lehnte sie ab, verweigerte Hilfe. Ich werde nie eine Diskussion vergessen, die ich mit dem italienischen Ministerpräsidenten Amintore Fanfani in Bukarest hatte, als ich ihm sagte, dass Rumänien die Hilfe von Industrieländern wie Italien braucht. Und er sagte: ‚Warum haben Sie so lange gebraucht? Wir haben darauf gewartet, dass Sie um unsere Hilfe bitten, aber Sie haben nie gefragt. Also haben wir den Ländern, die darum gebeten haben, unsere Hilfe angeboten, besonders Jugoslawien.‘. Das waren die Worte von Fanfani.“



    Rumänien würde 1967 den gro‎ßen Schritt machen, nämlich die Wiederherstellung der Beziehungen zu Westdeutschland. Der rumänische Au‎ßenminister aus der kommunistischen Ära, Corneliu Mănescu, erinnert sich:



    Ungefähr zu dieser Zeit gab ich einem Reporter von The Christian Science Monitor ein Interview, er hie‎ß Rossi und arbeitete in New York. Er fragte mich nach unserer Haltung gegenüber Westdeutschland, ob wir Beziehungen zu ihnen wollten, ob wir glauben, dass wir eine formalisierte, stabile Beziehung haben sollten. Und er fragte auch, ob ich Deutschland für faschistisch halte, worauf ich kategorisch antwortete: ‚Nein!‘ Dieses Interview löste bei den anderen Ländern des Warschauer Paktes, vor allem in Ostdeutschland, gro‎ße Unzufriedenheit aus, und sie protestierten vehement. Sie fragten mich, welches Recht ich hätte, eine solche Position zu vertreten. Aber das änderte nichts, die Dinge waren geklärt, es war etwas, das getan werden musste.“



    Corneliu Mănescu war ein erfolgreicher Au‎ßenminister und genoss Unterstützung von höchster Ebene. Am 19. September 1967 wurde er zum Präsidenten der 22. Sitzung der UN-Generalversammlung gewählt und war damit der erste Vertreter eines sozialistischen Landes, der diese Position innehatte. Zu dieser Zeit war das Image Rumäniens im Ausland hervorragend, was es in den 1980er Jahren ausnutzen sollte.



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  • Radio Novi Sad in Rumänisch: zur Geschichte des Minderheitensenders

    Radio Novi Sad in Rumänisch: zur Geschichte des Minderheitensenders

    Rumänischsprachige Radiosender au‎ßerhalb Rumäniens hatten unterschiedliche Betriebszeiten, kürzere oder längere. Einer der langlebigsten Sender ist Radio Novi Sad in der Vojvodina, der Teilrepublik im ehemaligen Jugoslawien. Er ist einer der wenigen rumänischsprachigen Rundfunksender au‎ßerhalb Rumäniens mit einer ununterbrochenen Sendedauer von über 70 Jahren.



    Gegründet 1949, hatte der rumänischsprachige Radiosender in der Hauptstadt des serbischen Banats von Anfang an auch eine politische Komponente. Ion Marcovicean war 27 Jahre alt, als er als Redakteur der rumänischen Programme von Radio Novi Sad zu arbeiten begann. In einem Interview, das er 1999 dem Zentrum für mündliche Geschichte des rumänischen Rundfunks gewährte, erläuterte Marcovicean die politische Verstrickung von Radio Novi Sad und den Auftrag des Senders, Jugoslawien gegen sowjetische Propaganda zu verteidigen.



    Im Jahr 1949, am 29. November, dem Tag der Republik, wurde der Radiosender Novi Sad eröffnet. Er wurde früher eröffnet, als er hätte eröffnet werden sollen, aus dem einfachen Grund, dass die internationale Situation angespannt war. Ich denke dabei an die Angriffe auf Jugoslawien durch das Informationsbüro und die Sowjetunion. Es gab ein jugoslawisches Radio in Belgrad, das auf die Angriffe der Sowjetunion reagierte, allerdings eher theoretisch. Man merkte, dass es nicht den gewünschten Effekt hatte, und deshalb wurde die Gründung des Radiosenders Novi Sad beschleunigt, mit der Absicht, die reale Situation in Jugoslawien, das Leben aller Nationalitäten, jeder sozialen Schicht darzustellen, um in der Lage zu sein, die Angriffe, die Propaganda, die vom Informationsbüro kam, zu konterkarieren.“




    Drei Journalisten und eine Schreibkraft legten den Grundstein für die Redaktion in rumänischer Sprache bei Radio Novi Sad. Die erste Sendung wurde über einen Halbkilowatt-Sender ausgestrahlt und war nur in der Nähe der Stadt zu hören. Aber die Ausstattung mit neueren und leistungsfähigeren Sendern lie‎ß die Stimmen der Moderatoren immer mehr Reichweite erlangen. Ion Marcovicean erinnert sich, dass die Nachrichtenübertragung von Tanjug, der jugoslawischen Nachrichtenagentur, kam. Die Journalisten begannen, Interviews und Berichte aufzuzeichnen, wobei sie sich Material und Informationen von anderen Nachrichtenredaktionen wie der ungarischen und slowakischen ausliehen. Die Sendungen beinhalteten laut Marcovicean aktuelle, kulturelle und politische Propaganda.



    Die Struktur der Sendungen war im Allgemeinen belehrend-erzieherisch, weil es die Zeit war, in der man das Bewusstsein der Menschen für die Gesellschaft, für den Sozialismus als solchen, für die Situation im Lande wecken wollte: wie man zur Bereicherung des kulturellen Lebens vorgehen sollte, wie man die landwirtschaftliche Produktion steigern konnte. Es gab Programme wie »Die Sendung für Dorfhörer«, eine der meistgehörten Sendungen, »Über das Leben unserer Schätze«, »Wissenschaft und Technik«, »Eltern und Kinder«, »Aufbau des Sozialismus«, »Kultur und Laienkunst«.“




    Die Sendungen des rumänischen Dienstes wurden 20–25 Minuten lang ausgestrahlt, beginnend mit 5.45, 8, 13, 18 und 22 Uhr. Am Morgen gab es mehr Nachrichten und die Wettervorhersage und die politischen Kolumnen waren am Abend dran. Radio Novi Sad erhielt Briefe von Hörern, die der Redaktion zu den Sendungen gratulierten — ein Anlass zu gro‎ßer Genugtuung für die Radiojournalisten. Sicherlich ging es bei vielen um Antworten auf Fragen der Redaktion zu Preisausschreiben. Ion Marcovicean räumte jedoch ein, dass auch Nachrichten und Informationen über die illegalen Grenzübertritte zwischen Rumänien und Jugoslawien gesendet wurden.



    Die Nachrichten wurden folgenderma‎ßen aufbereitet: Wer beim illegalen Grenzübertritt gefasst wurde, wer entkommen konnte, wer sogar erschossen wurde. Es gab Schüsse auf beiden Seiten, und die Grenzer schossen auf Flüchtlinge, die entweder hinüber oder herüber wollten. Auf der anderen Seite gab es auch Leute von unserer Seite, die dem Informationsbüro aus Moskau Glauben schenkten und nach Rumänien und weiter in die Sowjetunion ziehen wollten. Unter ihnen war ein jugoslawischer General, der an der Grenze von rumänischen Grenzern erschossen wurde. Aber ein paar Rumänen schafften es, nach Jugoslawien zu kommen, darunter ein gewisser Dimitriu, der zu uns kam und eine Zeit lang als Korrektor beim Radio arbeitete. In den 1950er Jahren kam eine serbischstämmige Dame aus Rumänien, sie arbeitete lange Zeit bei uns im Radio als Ansagerin.“




    Das gro‎ße Ereignis des Jahres 1956 war die antikommunistische Revolution in Ungarn, die mit dem Einmarsch der sowjetischen Truppem endete. Die Berichterstattung darüber war auch in den rumänischen Programmen von Radio Novi Sad präsent. Ion Marcovicean erinnert sich an die ideologischen Umstände.



    Man war der Meinung, dass die Geschehnisse ein Ausdruck des sowjetischen Imperialismus waren. Wir haben die Angelegenheit sehr ernsthaft kommentiert, und auch über alle nachfolgenden Prozesse, sowohl in Ungarn als auch in der Tschechoslowakei und in Polen, wurde ausführlich berichtet. Wir hatten zwar keine Korrespondenten in Ungarn, d.h. wir, die Nachrichtenredaktion als solche, keine Nachrichtenredaktion hatte spezielle Korrespondenten. Doch Tanjug und Radio Belgrad hatten Korrespondenten in bestimmten Hauptstädten, und wir erhielten von ihnen Material, das wir in die jeweilige Redaktionssprache übersetzten. Unser damalige jugoslawische Botschafter in Moskau, [Veljko] Mićunović, schrieb eine Art Tagebuch, das wir übersetzten. Er beschrieb das Vorgehen der Sowjets in Ungarn als befremdlich. Während des sowjetischen Eingriffs war auch ein Mitarbeiter der jugoslawischen Botschaft in Ungarn ums Leben gekommen.“




    In den 1980er Jahren war Radio Novi Sad für die Rumänen in der angrenzenden Region Banat ein Fenster zu einer Gesellschaft mit einer weniger strammen Ideologie und weniger Mangelwirtschaft. Auch heute, über drei Jahrzehnte nach dem Wendejahr 1989, existiert die rumänische Sprache immer noch auf den Radiowellen aus der Hauptstadt der Vojvodina.

  • Kybernetik, Computer, mathematische Linguistik – zur Geschichte der interdisziplinären Forschung

    Kybernetik, Computer, mathematische Linguistik – zur Geschichte der interdisziplinären Forschung

    Die heutigen Übersetzungsprogramme verwenden Informationstechnologie, eine Technologie, die wie jede andere Technologie um uns herum eine faszinierende Geschichte hat. Es ist eine Geschichte verschiedener Disziplinen, die miteinander verwoben sind und die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben. In der Entwicklung der künstlichen Intelligenz als ein neues Feld, das mehrere Wissenschaften zusammenbrachte, trug auch die rumänische Schule bei. Und einer ihrer Beiträge war es, die Linguistik mit der Mathematik zu verbinden.



    Computerlinguistik erschien in den Vereinigten Staaten, es ist ein interdisziplinäres Feld, das zwischen Linguistik und Informatik bzw. zwischen natürlicher Sprache und der Sprache der Computerprogrammierung als künstliche Intelligenz angesiedelt ist. In den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg war die Kybernetik die neue Wissenschaft, die die Kombination von Wissenschaften förderte, aus der sich später die Computerlinguistik entwickeln sollte. In den späten 1930er Jahren hatte Rumänien in Ştefan Odobleja einen der Pioniere auf dem neuen Gebiet. Aber nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Sowjetarmee das kommunistische Regime durchsetzte, änderte sich der gesamte wissenschaftliche Horizont.



    Einer der Pioniere der mathematischen Linguistik in Rumänien war der Mathematiker Solomon Marcus. In einem Interview mit dem Zentrum für Mündliche Geschichte des Rumänischen Rundfunks aus dem Jahr 1998 erklärte Marcus, wie die Ideologie der kommunistischen Einheitspartei die Wissenschaft politisierte:



    Die Kybernetik wurde als bürgerliche Schöpfung abgelehnt, aber dann ist etwas passiert. Zu dieser Zeit folgten wir der Moskauer Linie aufs Wort. Und was geschah, war, dass die wirklichen Wissenschaftler in Moskau eine sehr geniale Idee hatten: die Forschung, die im Bereich der Linguistik stattfand, wie die mathematische Linguistik, vom humanistischen Zweig der Kultur zu trennen. Und dann führten sie sie mit dem Zweig der Wissenschaft und Technologie zusammen. Nach der Periode der Verurteilung der Kybernetik gab es also einen Gesinnungswandel in Moskau, und die technisch-wissenschaftliche Revolution wurde begrü‎ßt. Und plötzlich wurde die technisch-wissenschaftliche Revolution zu einem der Ziele der kommunistischen Gesellschaft, um die technisch-wissenschaftliche Gesellschaft zu schaffen.“



    Wie jede andere Änderung in der politischen Einstellung des kommunistischen Regimes erwies sich auch in diesem Fall der Pragmatismus als stärker als die Ideologie. Diese Veränderung, die in Moskau stattfand, wurde von den Satellitenländern der Sowjetunion übernommen. Solomon Marcus dazu:



    Offensichtlich hatte Bukarest diesen Slogan verinnerlicht, und so gelang ein doppelter Coup: Den Wissenschaftlern gelang es, nicht nur die mathematische Linguistik — damals Computerlinguistik genannt — als Wissenschaft anerkannt zu sehen, sondern auch, diesen Schritt durch die Nähe zur Informatik als Ausdruck der technisch-wissenschaftlichen Revolution hochzustilisieren. Damals war das gro‎ße Thema die »maschinelle Übersetzung«, und wir sollten den Einzug der maschinellen Übersetzung vorbereiten. Das Ziel war, dass die Übersetzung aus einer Sprache in eine andere nicht mehr »manuell«, von Hand, also menschlich, sondern von einer Maschine ausgeübt wird. Das Problem war entscheidend, weil sowohl die Russen als auch die Amerikaner in der Lage sein wollten, leicht aus dem Englischen ins Russische und aus dem Russischen ins Englische zu übersetzen. Die Linguistik war aufgrund von Stalins Thesen über Marxismus und Linguistik ein gro‎ßes Minenfeld. Und siehe da — die mathematische Linguistik konnte sich diesem Spannungsfeld entziehen: Sie wechselte plötzlich in den Bereich der Naturwissenschaften und der Technologie.“



    Die beiden wissenschaftlichen Gemeinschaften, die sich aus Philologen und Mathematikern zusammensetzten, blickten mit Vorbehalten auf die Absicht, die neue Disziplin zu schaffen. Solomon Marcus erinnert sich weiter:



    Alexandru Rosetti war einer der wenigen Philologen, die dieses neue Anliegen begrü‎ßten und förderten. Doch seine Kollegen ignorierten das Thema einfach oder argumentierten dagegen. Sie sagten, dass dies keine Linguistik sei. Professor Emanuel Vasiliu wandte eine Art von Linguistik an, die der Logik und der Mathematik nahe stand. Auch für Mathematiker war die Zusammenarbeit mit einer humanistischen Disziplin wie der Linguistik völlig gegen die Tradition. Sie sagten, traditionsgemä‎ß würde die Mathematik eher mit der Mechanik, der Physik und der der Chemie einiges am Hut haben als mit anderen Disziplinen. Und deshalb waren viele sehr skeptisch. Sie glaubten nicht, dass dies etwas bewirken würde. Der einzige, der nicht skeptisch, sondern enthusiastisch war, war [der Mathematiker und Informatiker] Grigore Moisil. Wissen Sie, was für ein Glück wir hatten, dass wir dank seiner Unterstützung schon in den frühen 1960er Jahren die Möglichkeit hatten, mathematische Linguistik an der Universität Bukarest zu lehren?!“



    In seiner Absicht, das neue Gebiet zu erforschen, erhielt Solomon Marcus die Unterstützung von einflussreichen Mathematikern wie Grigore Moisil und Philologen wie Alexandru Rosetti. Und so machten er und Emanuel Vasiliu sich daran, den neuen Trend durch Universitätskurse und Publikationen umzusetzen:



    Ich hatte gro‎ßes Glück, denn Moisil und Rosetti, ein Mathematiker und ein Linguist, setzten sich gemeinsam für die Einführung der mathematischen Linguistik-Forschung in Rumänien ein. Sie kämpften auch für die Einrichtung von Universitätsstudien in mathematischer Linguistik, und wir waren eines der ersten Länder in der Welt, die dies taten. Ich, als Mathematiker, und Professor Emanuel Vasiliu vom Fachbereich Philologie, als Linguist, machten die ersten Schritte auf diesem Gebiet. Wir wurden auch durch gewisse Austausche im Ausland unterstützt, ich hatte ein Lehrbuch über mathematische Linguistik an der Universität Bukarest veröffentlicht, es kam 1963 im Didaktischen Verlag heraus, und wir durften diese Arbeiten ins Ausland an verschiedene Persönlichkeiten schicken, die an ähnlichen Themen forschten. Das Dieses Buch wurde sofort in London, New York, Moskau, Paris und Prag übersetzt.“



    Im Jahr 1966 wurde in Bukarest der Internationale Kongress für Linguistik organisiert, an dem viele ausländische Sprachwissenschaftler teilnahmen und der eine bedeutende rumänische Präsenz hatte. Das Ereignis setzte Rumänien auf die Landkarte der modernsten Wissenschaft, einer Wissenschaft, die in nur wenigen Jahrzehnten den Computer zum wichtigsten Objekt der heutigen Welt machen würde.

  • 9. Mai 1945: Europa fand wieder zum Frieden

    9. Mai 1945: Europa fand wieder zum Frieden

    Am 9. Mai 1945 fand Europa nach sechs Jahren Qualen wieder zum Frieden, als Nazideutschland bedingungslos kapitulierte. Während Westeuropa zur demokratischen Normalität zurückkehrte, wurde Mittel- und Osteuropa von der Sowjetunion besetzt und gezwungen, das kommunistische Experiment ein halbes Jahrhundert lang mitzumachen. Vladimir Tismăneanu, Professor für die Geschichte des Kommunismus an der Universität Maryland (USA), macht sich Gedanken über den Krieg und dessen Folgen:




    In der Betrachtung des Krieges in seinen Ursachen, seinem Verlauf und seinen Konsequenzen folge ich der Vision von Hannah Arendt, Arthur Koestler und George Orwell. Es war kein Kampf zwischen einem absoluten Guten und einem Bösen, denn an der Seite der Demokraten in der antifaschistischen Koalition kämpfte auch die stalinistische Sowjetunion — ein totalitäres Reich, das schuldhaft mit Nazideutschland angebandelt hatte“, findet der Politologe. Das Gute war also ein relatives — denn in der Geschichte gibt es kein absolut Gutes, glaubt Tismăneanu, der in einem seiner Bücher über den Teufel in der Geschichte“ schreibt, eine Anlehnung an das Konzept des polnischen Intellektuellen Leszek Kolakowski. Es war der Teufel, der zu dem Zeitpunkt weniger expansionistisch veranlagt schien; ein Teufel, den der Westen brauchte. Doch wer hat unter diesen Umständen den Krieg verloren?




    Im Zweiten Weltkrieg unterlagen faschistische Parteien, Regierungen und Bewegungen. Der Faschismus wurde besiegt und das ist ganz wesentlich. Das jetzt mancherorts das Narrativ des Kriegs umschrieben wird — auch in Rumänien — , dass verschiedene faschistische Bewegungen rehabilitiert werden, dass es neue kollektive Fundamentalismen gibt, tribalistische, rassistische oder uranfängliche Bewegungen — das alles zeigt, dass einige die politische, moralische, militärische Bedeutung des Kriegs verkennen“, gibt der US-Politologe rumänischer Abstammung zu bedenken.




    Ob der Westen sich 1947–48 dem sowjetischen Vorpreschen entgegenstellen konnte, ist heute fraglich. Und die sowjetische Militärpräsenz in Mittel- und Osteuropa war nicht eine Folge eines westlichen Verrats, sondern des Frontverlaufs im Krieg. Rumänien ist ein sonderbarer Fall — es kämpfte an beiden Fronten, landete aber auf der Verliererseite und wurde vom Kommunismus überrollt, sagt Vladimir Tismăneanu:




    Die Verwandlung Rumäniens zu einem radikal rechten totalitären System zwischen dem 6. September 1940 und dem 23. August 1944 hat teilweise mit der Krise der freiheitlichen Demokratie zu tun. Wir müssen immer betonen, dass Rumänien eine Vergangenheit hat, auf die man aufbauen kann — es hat hier eine funktionale konstitutionelle Demokratie gegeben“. Unglücklicherweise, unterstreicht der Politologe, haben linke und rechte Kräfte den Einheitsstaat und die konstitutionelle Demokratie fortlaufend angegriffen. Mehrere Premierminister wurden von Kommandos der Faschisten hingerichtet, Mord wurde zum Bestandteil des politischen Klimas. Die Politik war ihrerseits nicht wehrhaft. Dass Rumänien sich an die Seite der Achsenmächte stellte, war kein Schicksalsschlag, sondern das Ergebnis einer Verkettung von Fehlern.




    Kann man heute noch aus diesen Fehlern lernen? Gewisserma‎ßen schon, findet Tismăneanu. Jede Illusion über ideokratische Systeme, über ideologiebasierte Diktaturen ist kurz- und mittelfristig, aber besonders langfristig ein Fehler. Wir sehen das gerade heute. Ich glaube nicht, dass es in China einen Plan gab, das Covid-Virus in die Welt zu setzen. Aber die Geheimniskrämerei, das Verschweigen — sie sind Teil des Totalitarismus. Was jetzt passierte, war ein Pendant von Tschernobyl, ein globales Tschernobyl. Man kann vieles lernen aus dem Krieg, aber die wesentliche Lektion ist, dass wir keine Kompromisse eingehen dürfen, wenn Freiheit, Vertrauen, und die Wahrheit angegriffen und erniedrigt werden“, so Vladimir Tismăneanu.

  • Ceauşescus Afrika-Politik: Kooperation im Zeichen des Sozialismus

    Ceauşescus Afrika-Politik: Kooperation im Zeichen des Sozialismus

    Im Kalten Krieg lieferten sich die beiden Blöcke, mit den USA und der Sowjetunion als Supermächte an der Spitze, einen Kampf um den ideologischen Einfluss auf die neuen unabhängigen Länder. Sobald sich die neuen unabhängigen Staaten in Afrika etablierten, versuchte Rumänien schnell Beziehungen zu ihnen aufzubauen — und hatte dabei, wie auch viele andere kommunistische Länder, einen Vorteil, der nicht von der Hand zu weisen war: Es war kolonialgeschichtlich nicht vorbelastet. Die Afrikapolitik gehörte nach den 1970er Jahren zu den Leitlinien der rumänischen Au‎ßenpolitik unter Nicolae Ceauşescu. Als erstes schaute Rumänien nach Nordafrika — die Region lag geografisch näher und aufgrund der Affinität mit Frankreich erschienen die sprachlichen Hindernisse als relativ überbrückbar.



    Domnica Gorovei, Professorin an der Fakultät für Politikwissenschaften an der Universität Bukarest, erläutert, dass Ceauşescu die Region damals intensiv bereiste.



    Das erste Land, das er auf dem afrikanischen Kontinent besuchte, war Marokko, das war 1970. Dann unternahm er ab 1972 mehrere Besuchsreihen nach Marokko, Algerien, Ägypten und später durch Subsahara-Afrika, wo die Reise in den Sudan, die Zentrafrikanische Republik, nach Kongo, Zaire, Tansania und Sambia führte. Ein Jahr später, 1973, ging es nach Senegal und wieder nach Marokko und Algerien; 1974 nach Liberia und Guinea. 1977 war wiederum Westafrika dran: Mauretanien, Senegal, Ghana, die Elfenbeinküste, Nigeria. 1979, 1983, 1987 und 1988 war er auch dort und immer wieder besuchte er auf einen Schlag mindestens fünf afrikanische Länder. Ägypten besuchte er nicht weniger als acht Mal — das Land war ein privilegierter Partner in Afrika.“




    Die rumänische Afrika-Politik muss immer auch vor dem internationalen Hintergrund betrachtet werden — prägend war dafür die ideologische Auseinandersetzung zwischen Kapitalismus und Sozialismus, die auch in Afrika ausgetragen wurde, bemerkt Prof. Domnica Gorovei:



    Der Kontext, in dem Ceauşescu diese Beziehungen pflegt, ist vom Kalten Krieg vorgegeben. Beide Seiten suchten ideologische Anhänger in den neuen afrikanischen Staaten, um Überhand zu bekommen. Au‎ßer dieser Rivalität versuchten die ehemaligen Kolonialmächte, weiterhin an ihrem Einfluss festzuhalten. Afrikanische Spitzenpolitiker, die diese Situation maximal zu nutzen wussten, waren im Vorteil. Soft Power war angesagt — die Fähigkeit, durch die politischen Ideen attraktiv zu wirken.“




    Die Expertin Domnica Gorovei stellte bei Textanalysen fest, dass die afrikanischen Führungspolitiker sich in den 1980er Jahren sehr schnell die stark ideologisch eingefärbte Betonsprache Ceauşescus aneigneten und in sie verfielen — es ging um Bewegungen der nationalen Befreiung gegen den Imperialismus und gegen Kolonialismus, um Frieden und Zusammenarbeit unter den Völkern. Ceauşescus Rumänien bot aber mehr an als nur leere Konzepte; es engagierte sich bei Riesenprojekten wie dem Bau von Wasserkraftwerken und Staudämmen und verkaufte diesen Ländern häufig Technologie — so wurden zum Beispiel massiv Traktoren nach Ägypten exportiert. Doch auch die Wirtschaftshilfe stand unter dem ideologischen Stern des Sozialismus, bemerkt Prof. Domnica Gorovei.



    Man versuchte, eine rumänische Alternative für Afrika zu finden, die anders als das neokolonialistische Verhalten von Osten und Westen ausgerichtet sein sollte. Und so erscheint im Diskurs der Bezug zur Demokratisierung der internationalen Beziehungen — eine kommunistische Idee. Es erscheint eine starke Unterstützung für die nationale Befreiung der Länder, die damals noch portugiesische Kolonien waren. Und ein Engagement gegen die Apartheid in Südafrika. Dazu das Gewerkschaftsthema — die Causa der Arbeiter in den afrikanischen Ländern, nicht nur auf Industrieebene, sondern auch individuell.“




    Abgesehen von der Wirtschaftshilfe per se vermittelte das kommunistische Regime auch viele Studienplätze für Afrikaner — und durch die vielen Kontakte kam es auch zu Mischehen und anderen Formen des gesellschaftlichen Miteinanders. Nach der Wende von 1989 geriet die Afrika-Politik Rumäniens jedoch in relative Vergessenheit — das demokratische und kapitalistische Rumänien setzte einfach andere Schwerpunkte.

  • Rumänisch-amerikanische Beziehungen nach 1945: zwischen Kaltem Krieg und Entspannung

    Rumänisch-amerikanische Beziehungen nach 1945: zwischen Kaltem Krieg und Entspannung

    Wegen der kommunistischen Ideologie waren Rumänien und die USA sogar Gegner, obwohl die beiden Länder niemals in der Geschichte eine Auseinandersetzung gehabt hatten. Die Gründung der zwei entgegengesetzten Militärblocks — die Nato und der Warschauer Pakt — führte zu einer zusätzlichen Anspannung der bilateralen Beziehungen, insbesondere in den 1950er Jahren, als sich der Stalinismus in den mittel- und osteuropäischen Ländern ausgeweitet hatte. Nichtsdestotrotz waren die Regierungen in Bukarest und Washington nach 1953, als sich die Politik Moskaus infolge des Todes von Stalin änderte, der Ansicht, dass sie ihre Beziehungen verbessern sollen.



    Der Diplomat Anton Moisescu wurde im Jahr 1954 zum Botschafter Rumäniens in den USA ernannt. In einem Interview von 1995 mit dem Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des Rumänischen Rundfunks eröffnete Moisescu, wie die allgemeine Atmosphäre war, als Rumänien und den USA die ersten schüchternen Versuche unternahmen, sich wieder näher zu kommen:



    Ich möchte erwähnen, dass zum Zeitpunkt, als ich in den USA als bevollmächtigter Minister akkreditiert wurde, eine recht schwierige Lage in der internationalen Politik herrschte. Die Beziehungen zwischen den beiden gro‎ßen Machtzentren, der Nato einerseits, geführt von den USA, und dem Warschauer Pakt andererseits, geführt von der Sowjetunion, waren sehr angespannt. Deshalb habe ich in den USA eine besonders schwierige Lage für die diplomatischen Missionen des sozialistischen Lagers vorgefunden. In erster Linie wurden den Diplomaten dieser Missionen besonders dramatische Einschränkungen auferlegt. Sie durften die Hauptstadt nicht ohne Sondergenehmigung vom State Department verlassen. Wir z.B. hatten als einzige die Erlaubnis, nach New York zu fahren, da ich auch Beobachter am Sitz der Vereinten Nationen war, wo wir noch nicht als Vollmitglieder aufgenommen worden waren.“




    Die Aktivitäten der rumänischen Mission in den USA waren sehr eingeschränkt, verglichen mit dem, was vor dem Krieg gewesen war. Die Entspannung der Beziehungen war das erste Ziel, das sich die Parteien vornahmen. Und diese Bemühung kam besonders von der amerikanischen Seite. Anton Moisescu erzählte über die Offenheit, mit der er von Präsident Eisenhower bei der Vorführung seines Akkreditierungsbriefes empfangen wurde.



    Das diplomatische Personal bestand — au‎ßer mir und den Ehefrauen — aus 7–8 Personen. Das militärische Personal bestand aus drei Personen: einem Oberst, einem Major und einem Hauptmann, die sich dort auch in Begleitung ihrer Frauen befanden. Der Rest war das für die Botschaft notwendige Verwaltungspersonal. All diese Menschen wuchsen zu einer Familie zusammen. Wir haben einige gemeinsame Ausflüge veranstaltet, an den Sonntagen gingen wir Angeln, verbrachten die Wochenenden gemeinsam. Unter diesen Voraussetzungen war es an der Zeit, die Akkreditierungsbriefe vorzulegen. Als ich die Akkreditierungsbriefe vorlegte, hatte ich eine besonders angenehme Überraschung, verglichen mit der allgemeinen Atmosphäre. Es war der Empfang beim US-Präsidenten Dwight Eisenhower, dem ehemaligen Oberbefehlshaber der Landung in der Normandie während des Kriegs und der Offensive der Alliierten gegen Nazi-Deutschland. Er hatte eine besonders höfliche, freundliche Haltung in unseren Gesprächen. Beide äu‎ßerten wir unseren Wunsch, die Beziehungen zwischen den USA und Rumänien zu vertiefen und uns gegenseitig besser kennenzulernen. Schlie‎ßlich lud mich der Präsident ein, die USA zu jederzeit und überall, wo ich wollte, zu besuchen, um Amerika besser kennenzulernen. Das widersetzte sich irgendwie den Allgemeinregeln, die den Diplomaten unserer Länder vorgeschrieben wurden.“




    Ein weiteres Ziel der rumänischen Botschaft in den USA war die Bespitzelung der rumänischen Gemeinschaft. Die rumänische Diaspora in den USA war überwiegend antikommunistisch eingestellt und hatte sich kritisch gegen das Bukarester Regime geäu‎ßert. Aber die emotionale Strategie der Botschaft, die uns Moisescu schildert, schaffte es, einige zu überzeugen, sich der Politik Bukarests zu nähern.



    Wir haben versucht, Beziehungen zu möglichst vielen Amerika-Rumänen zu knüpfen, obwohl sie sich uns gegenüber auch abschirmten. Eine engere Beziehung hatten wir zu der Redaktion der Zeitung »Der Amerika-Rumäne«. Die Redaktion hatte ihren Sitz in Detroit, einer Region mit vielen Rumänen. Ein Gro‎ßteil von ihnen waren bereits vor dem Krieg dorthin emigriert und arbeiteten insbesondere bei den Ford-Werken. Der Chefredakteur der Zeitung »Der Amerikarumäne« und seine Frau luden mich ein, sie zum amerikanischen Frauentag in Detroit zu besuchen, wo auch meine Frau eingeladen war. Wir haben bei diesem Anlass mehrere Städte besucht, aber unser wichtigster Aufenthalt war in Detroit. In Detroit haben wir in einem Raum rund 250 Personen, zumeist Familien getroffen. Die meisten von ihnen waren ältere Menschen, die Rumänien schon seit langem verlassen hatten, aber auch jüngere Leute. Ich habe ihnen einen Film vorgeführt, der das Leben in Rumänien zeigte. Der Film hie‎ß »Rumänen in Farben« und stellte Folkloreaspekte, besonders aus Siebenbürgen, der Moldau, aber auch aus anderen Regionen dar. Während der Vorführung waren die Zuschauer so beeindruckt, dass ich, als das Licht wieder angemacht wurde, feststellte, wie fast alle Tränen der Rührung in den Augen hatten. Es war ein sehr beeindruckender Augenblick und so entstand eine sehr starke Bindung. Ich habe diese Leute dann auch bei ihnen zuhause besucht, im Werk. Sie haben mich mit der Werkverwaltung in Kontakt gesetzt. So hatte ich die Gelegenheit, den ganzen Produktionsvorgang zu besichtigen und machte mir einen Eindruck über diese Technologie des Automobilbaus. Diese Erfahrung nutze ich dann bei unserem Automobilunternehmen bei meiner Rückkehr in die Heimat.“




    Die rumänisch-amerikanischen Beziehungen normalisierten sich erst nach 1989. Bis zu dem Zeitpunkt verzeichneten sie eine schwierige Entwicklung, die von einer beschränkten Zusammenarbeit Anfang der 1950er bis zu erneuten Auseinandersetzungen gegen Ende der 1980er Jahre reichte.

  • Regisseurin Anca Miruna Lăzărescu: „Als Filmemacherin will ich nicht objektiv sein“

    Regisseurin Anca Miruna Lăzărescu: „Als Filmemacherin will ich nicht objektiv sein“

    1979 in Temeswar geboren, wanderte Anca Miruna Lăzărescu 1990 gemeinsam mit ihrer Familie nach Deutschland aus. Sie erhielt aber ihre Verbindung zu Rumänien immer aufrecht. Das ist auch ihren ersten Kurzfilmen zu entnehmen, die sie nach ihren Abschlüssen an der Fernseh- und Filmuniversität München und an der Universität Kalifornien in Los Angeles gedreht hat: Bukarest-Berlin“, ein Kurzfilm aus 2004, Devas Geheimnis“, ein Dokumentarfilm aus 2007 und Silent River“ aus 2012, der mit mehreren internationalen Preisen, darunter auch dem rumänischen Gopo-Preis für Kurzfilm ausgezeichnet wurde. Der zuletzt genannte, vielfach ausgezeichnete Kurzstreifen erzählt die Geschichte zweier befreundeter junger Rumänen, die im Jahr 1986 aus dem kommunistischen Rumänien durch Schwimmen über die Donau zu fliehen versuchen.



    Während der Dreharbeiten für Silent River“ begann Anca Miruna Lăzărescu auch die Arbeit an ihrem ersten Spielfilm, Die Reise mit Vater“, der Ende 2016 in die Kinos kam. Interessant ist, dass der Spielfilm das Thema der Flucht aus dem kommunistischen Rumänien wiederaufnimmt. Dieses Thema war wie ein Leitmotiv ihrer Kindheit in Form von Familiengeschichten, die an Sonntags- und Feiertagsabenden erzählt wurden. Die Geschichte, die Anca Miruna Lăzărescus Vater im Alter von 18 Jahren erlebt hat, stellt somit das Drehbuch des Films Die Reise mit dem Vater“ dar. Im hei‎ßen Sommer des Jahres 1968 unternehmen zwei junge Rumänen gemeinsam mit ihrem Vater eine Reise in die DDR. Aufgrund des Aufstands in der Tschechoslowakei ist aber der Rückweg in die Heimat durch sowjetische Panzer versperrt und die drei landen in einem Auffanglager in Westdeutschland. Folglich sind sie mit dem Dilemma konfrontiert, in die Heimat zurückzukehren oder auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs zu bleiben. Die Wahl muss vor dem Hintergrund der internationalen Ereignisse jenes Jahres getroffen werden: Die Invasion der Tschechoslowakei durch die Truppen des Warschauer Pakts und die Studentendemonstrationen in Westeuropa. Die Komplexität dieser Familiengeschichte wurde im Laufe der Zeit von der Regisseurin mehrfach durchleuchtet; je älter sie wurde, setzte sie sich innerlich immer wieder mit dem Stoff auseinander. Dies bezeugt Anca Miruna Lăzărescu selbst:



    Als ich klein war in Rumänien, im Alter von ungefähr 9–10 Jahren, konnte ich nicht sehr gut nachvollziehen, was die ganze Geschichte bedeutet. All die politischen und emotionalen Dimensionen waren mit nicht klar. Erst später, während des Studiums an der Filmschule in München, begann ich zu verstehen, dass diese Geschichte eine gro‎ße emotionale Wirkung hat. Es ist die Geschichte meines Vaters, der damals 18 war und — genau wie im Film — sehr wenig Zeit zur Verfügung gehabt hatte, eine folgenschwere Entscheidung zu treffen, eine Entscheidung, die sein ganzes Leben für immer beeinflussen würde. Er wurde gezwungen, diese Entscheidung unter chaotischen Voraussetzungen zu treffen: Sollte er im Westen bleiben, in einer Gesellschaftsordnung, die er nicht kannte und von der er nur geträumt hatte, oder sollte er in ein Land zurückkehren, in dem es damals unvorstellbar war, dass jemals Verhältnisse wie im Westen herrschen würden.“




    Da es sich um eine emblematische Geschichte für ihre Familie handelt, gesteht Anca Miruna Lăzărescu, dass sie sich persönlich sehr stark in die Verwirklichung dieses Films involviert hat. Z.B. findet sie sich ein bisschen in jeder der drei Hauptfiguren des Spielfilms wieder: in dem Vater und den beiden Söhnen. Obwohl der Publikumserfolg bei den vorherigen Filmen nicht unbedingt eine Priorität gewesen sei, stünden die Dinge im Falle des Films Die Reise mit Vater“ au‎ßerdem etwas anders. Anca Miruna Lăzărescu:



    Im Vergleich zu dem Kurzfilm »Silent Water«, den ich als möglichst puren und bewegenden Streifen wollte, um mich mit ihm bei Festivals durchzusetzen, wünschte für den Film »Die Reise mit Vater«, dass dieser bei einem so weiten Publikum wie möglich ankommt. In »Die Reise mit Vater« habe ich versucht, das Publikum zu führen, damit es bestimmte historische Details begreift. Ich denke, dass das auch die grö‎ßte Herausforderung gewesen ist: zu versuchen, so wenig Angaben wie möglich zu liefern, damit ich das Publikum nicht langweile. Trotzdem habe ich auch dafür gesorgt, dass ich gewisse Informationen liefere, über die ein jüngeres Publikum nicht verfügt. Ich wollte überhaupt nicht objektiv sein. Objektiv zu sein in der Eigenschaft des Filmautoren, kann einen vom Thema oder von den Figuren nur entfernen. Was ich mir aber sehr gewünscht habe, war, Figuren zu schaffen, mit denen sich so viele Zuschauer wie möglich identifizieren. Ich glaube, dass sogar eine negative Figur, die in einer Geschichte antagonistisch agiert und Böses tut, dies vielleicht nicht mit Absicht tut. Ein Film wird so realistisch wie möglich in dem Augenblick, in dem die bösesten Figuren scheinbar Gründe für ein gewisses Verhalten haben.“




    Gleich nach der Premiere folge eine Tournee, damit der Film Die Reise mit Vater“ so vielen Zuschauern wie möglich in Westeuropa, Osteuropa und in Russland vorgeführt wird. Denn der Film widerspiegelt die unterschiedlichen Reaktionen der Bürger aus dem Sowjetlager und aus dem Westen auf die Ereignisse des Jahres 1968. Die ersteren verurteilten sie und flüchteten vor dem Kommunismus, die anderen befürworteten eine kommunistische Revolution. Interessant war es, die unterschiedlichen Reaktionen des Publikums von heute zu sehen. Anca Miruna Lăzărescu:



    Die Reaktionen, die wir in Prag oder Budapest hatten, waren unterschiedlich von dem, was ich im Westen erlebt habe. In München gingen die Fragen eher in diese Richtung: ‚Gut, wir wissen was hier passiert ist, denn wir haben diese Zeiten durchlebt und sind auf die Stra‎ße gegangen um zu demonstrieren… Aber wie realistisch hast du die Lage in Rumänien geschildert?‘ Als der Film in Prag, Budapest oder in Rumänien vorgeführt wurde, gab es Reaktionen wie: ‚Danke, aber den ersten Teil des Films kennen wir. Wir wissen, wie man hier 1968 lebte. Aber wie realistisch sind die Szenen aus dem Westen, mit diesen Jugendlichen, die von einer kommunistischen Revolution träumten?‘. Ich habe mich sehr gefreut, denn ich habe den Eindruck gehabt, dass der Film die Bürger zusammenbringen kann, die so lange in unterschiedlichen politischen Lagern gelebt haben.“




    Den rumänischen Zuschauern bot Die Reise mit Vater“ auch eine weitere angenehme Überraschung. Die Rückkehr eines sehr beliebten Schauspielers — Ovidiu Schumacher — auf die Leinwand. Er war Ende der 1980er Jahren nach Deutschland ausgereist und seitdem nicht mehr im rumänischen Kino und Theater anwesend.

  • Nachrichten 14.06.2015

    Nachrichten 14.06.2015

    BUKAREST: Die USA und Rumänien feiern das 135.Jubiläum der rumänisch-amerikanischen diplomatischen Beziehungen. Die beiden Staaten haben sich bemüht die Beziehung aufzubauen, zu bewahren und zu konsolidieren und erfreuen sich jetzt der Ergebnisse dieser Bemühungen, in Form einer florierenden strategischen Partnerschaft, so ein Kommunique der amerikanischen Botschaft in Bukarest. Laut dem Dokument möchten die USA auch zukünftig mit Rumänien zusammen arbeiten um eine Spitzenwirtschaft aufzubauen und um zu sichern, dass der Rechtsstaat gleiche Justiz für alle bedeutet”. Die USA haben die Absicht eine der derzeit weltweit besten militärischen Partnerschaften” zu bewahren um die Freiheit gegen die regionalen und globalen Bedrohungen zu verteidigen, hei‎ßt es weiter im Kommunique. Seinerseits sagte der rumänische Ministerpräsident Victor Ponta, dass Rumänien fest engagiert in der Konsolidierung der privilegierten Allianz mit den USA bleibt. Rumänien betrachte diese Partnerschaft als ein Zeichen des gegenseitigen Vertrauens und als eine Garantie für die Sicherheit, Entwicklung und den zukünftigen Wohlstand beider Staaten, so der Premier.




    WASHINGTON: Die USA seien bereit schwere Waffen, auch Panzer und bis zu 5000 US-Soldaten nach Osteuropa und ins Baltikum zu schicken, um eine eventuelle Agression Russland zu bekämpfen, so die amerikanische Zeitung The New York Times. Sollte dieser Vorschlag des Pentagons von der amerikanischen Exekutive genehmigt werden, würden die USA zum ersten Mal nach Ende des kalten Krieges schwere Waffen in diese Länder schicken. Washington sollte dafür grünes Licht noch vor einem Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel am Ende dieses Monats geben.




    BUKAREST: Der Chef der mitregierenden Union für den Fortschritt Rumäniens, Gabriel Oprea, warnte, dass seine Partei die Exekutive verlassen könnte, wenn die Sozialdemokraten des Premiers Victor Ponta das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung abändern werden. Die Erklärungen von Gabriel Oprea kommen nachdem am Freitag das Bukarester Parlament den von der National-Liberalen Partei (von der Opposition) eingebrachten Misstrauensantrag gegen das Kabinett von Victor Ponta mit gro‎ßer Mehrheit abgelehnt hat. Zudem hat am Dienstag die Abgegeordnetenkammer in Bukarest einer Strafverfolgung gegen Premierministrer Ponta wegen mehrfachen Interessenkonflikts nicht zugestimmt.

  • Radio Freies Europa und seine Rolle im Kalten Krieg

    Radio Freies Europa und seine Rolle im Kalten Krieg

    Radio Freies Europa wurde vom US-Nationalkomitee für ein freies Europa gegründet. 1950 begann die Station von ihrem Hauptsitz in München aus zu senden. Während des Kalten Kriegs war Radio Freies Europa ein wichtiges Instrument, um Rundfunkhörer im Herrschaftsbereich der Sowjetunion mit Informationen aus dem Westen zu versorgen. Der Sender wurde seit seiner Gründung in den frühen 1950er Jahren von der Sowjetunion als Bedrohung angesehen, da er unkontrolliert westliches Gedankengut in den Ostblock transportierte. Starke sowjetische Störsender sollten die Empfangsqualität verschlechtern, dies wurde durch stetige Steigerung der Sendeleistung von Radio Freies Europa kompensiert. Durch die Geschichte des Senders zieht sich eine Kette von Ereignissen im Zusammenhang mit den Aktivitäten der Nachrichtenredaktionen. Besonders in den 1980er Jahren gab es zahlreiche Versuche, Angestellte des Senders zu entführen. Bei einem Bombenattentat auf das Sendergebäude in München, das der rumänische Geheimdienst Securitate in fremdem Auftrag ausführte, wurde trotz der Verwendung von 15 Kilogramm Nitropenta-Sprengstoff niemand getötet.



    Im Rumänien der 1970er und 1980er Jahre war der Sender Radio Freies Europa eine der wenigen glaubhaften Verbindungen zur freien westlichen Welt, eine Unterstützung für Millionen freiheitsliebende Rumänen, die unter dem Druck des kommunistischen Regimes litten. Für die jüngeren Generationen, die an der antikommunistischen Revolution von 1989 aktiv teilnahmen, war Radio Freies Europa eine Schule im besten Sinne des Wortes: eine Schule der Freiheit, der Politik, der Zivilcourage, der Kultur. Ein Beweis für die Popularität des Senders war, dass die Namen der Mitarbeiter von Radio Freies Europa bekannter waren als die Namen der rumänischen Journalisten im kommunistischen Rumänien. Noel Bernard, Vlad Georgescu, Mircea Carp, Neculai Constantin Munteanu, Raluca Petrulian, Doina Alexandru sind nur einige Journalisten, mit denen Millionen rumänische Hörer sich eng verbunden fühlten, weil diese Rundfunkredakteure im Namen aller Rumänen die Wahrheit verbreiteten.



    Sendungen wie Programul politic“ (Das politische Programm“), gestaltet von Mircea Carp und gesendet täglich um 18.10 Uhr, aber insbesondere Actualitatea românească“ (Rumänische Aktualität“) und Din lumea comunistă“ (Aus der kommunistischen Welt“), die von 19.10-20.00 Uhr ausgestrahlt wurden, waren viel populärer als die ähnlichen Produktionen im kommunistischen Rumänien, das von Zensur und Angst geprägt war.



    Mircea Carp ist einer der Redakteure, die von Anfang an dabei waren. Nach seiner Flucht aus dem kommunistischen Rumänien wurde er 1951 Mitarbeiter des Senders Radio Freies Europa. Einige Jahre später wechselte er zum Sender Vocea Americii (Stimme Amerikas), und 1978 kehrte er zum Sender Freies Europa zurück, wo er die beliebte Au‎ßenpolitiksendung Programul politic“ (Das politische Programm“) erfand und jahrelang gestaltete. 1997 sprach Mircea Carp in einem Interview mit dem Rumänischen Rundfunk über seinen Beitrag zur Steigerung der Einschaltsquote und der Popularität von Radio Freies Europa:



    Bis zu meiner Ankunft in der Redaktion von Radio Freies Europa waren die Sendungen etwas flach, weniger dynamisch. Verzeihen Sie mir den Mangel an Bescheidenheit, aber ich habe eine amerikanische Dynamik mitgebracht, die Berichte wurden kürzer, ich machte Beiträge mit Persönlichkeiten aus der ganzen Welt, einschlie‎ßlich mit Exilrumänen. Mit der Zeit wurde Radio Freies Europa etwas aggressiver, vielleicht weil man ahnte, dass der Eiserne Vorhang bald fallen würde. Auch die rumänische Abteilung verstärkte ihre Offensive, sie machte mehr Sendungen über die unertragbare Lage in Rumänien. Die Redakteure bemühten sich, alles zu enthüllen, was die kommunistischen Machthaber zu verstecken versuchten. Die Tatsache, dass ein auslänischer Rundfunksender solche Details über die Begebenheiten in der rumänischen Politik, Verteidigung, Wirtschaft, Kultur in der ganzen Welt bekanntmachten, begeisterte viele unserer Hörer, die ihre Stimme nicht erheben konnten. Die Rumänen durften ihre Gedanken nicht laut aussprechen, aber sie erkannten ihre Gefühle und ihre Ansichten in den Sendungen von Radio Freies Europa wieder. Es gab immer häufiger starke, aggressive Sendungen über rumänische Themen.“




    Radio Freies Europa genoss volle Freiheit vom amerikanischen Management, und seine Journalisten verwendeten nur akkurate Informationsquellen, was die Glaubwürdigkeit und die Popularität des Senders erhöhte. Zu seinen Quellen gehörten die ausländische Presse, Rumänen, die in den Westen geflüchtet waren, rumänische Persönlichkeiten, die an Kongressen oder Konferenzen im Ausland teilnahmen, Briefe, die illegal aus Rumänien geschickt wurden, und das Dokumentations- und Forschungszentrum von Radio Freies Europa. Mircea Carp mit mehr Details über die Sendungen Actualitatea românească“ (Rumänische Aktualität“) und Din lumea comunistă“ (Aus der kommunistischen Welt“), die die Einschaltquote von Radio Freies Europa stark erhöht haben:



    »Actualitatea românească« (»Rumänische Aktualität«), die anfangs von Emil Georgescu und später von Neculai Constantin Munteanu gestaltet wurde, war ein Schlüsselelement unserer Sendungen. Dann kam Doina Alexandru mit ihrem Programm »Din lumea comunistă« (»Aus der kommunistischen Welt«), in dem sie die Lage in den kommunistischen Ländern Osteuropas und sogar in der Sowjetunion oder Kuba präsentierte. Zweck des Programms war, den rumänischen Hörern klarzumachen, dass Rumänien kein isolierter Fall sei, sondern zu einem Komplex von Druck und Verfolgungen gehörte, die in allen kommunistischen Ländern, unter allen kommunistischen Regimes gleich waren. In den 1980er Jahren spitzte sich die gesamte Dynamik der Sendungen von Radio Freies Europa zu, und das ermunterte die Rumänen bei ihren Freiheitsbestrebungen. Ein erster Ausbruch war der Aufstand in Brașov/Kronstadt im November 1987 und das Ganze kulminierte mit den Ereignissen vom Dezember 1989, die zum Fall des Kommunismus in Rumänien führten.“

  • Jahresrückblick 2014 – Ausland

    Jahresrückblick 2014 – Ausland

    Die Krise in der Ukraine und der neue Kalte Krieg


    Für zahlreiche Analytiker oder politische Entscheidungsträger ist 2014 das Jahr des Ausbruchs eines neuen Kalten Krieges gewesen. Im Januar fiel das moskaunahe Regime in Kiew, infolge eines Blutigen Aufstands. Dadurch wurde Präsident Viktor Janukovitsch von der Macht vertrieben und eine prowestliche Verwaltung nahm seinen Platz ein. Daraufhin folgten schwere Vergeltungsschläge von Seiten Russlands. Bemerkenswert durch ihren Zynismus und ihre Effektivität war die Annexion der Halbinsel Krim, im März, nur der Anfang. Was folgte war die politische, militärische und logistische Unterstützung, während des ganzen Sommers, der abtrünnigen pro-russischen Rebellion im Osten der Ukraine. Diese verursachte vier tausend Tote, darunter, als unschuldige Nebenopfer, auch die rund dreihundert Passagiere eines Zivilflugzeus, die meisten davon Niederländer. Die Flugmaschine wurde, allen Angaben zufolge, von der Artillerie der Separatisten abgeschossen. Das alles zwang die internationale Gemeinschaft, besorgt festzustellen, dass die Skrupellosigkeit und der Appetit nach Territorien Russlands, unter Wladimir Putin, wiedererwacht sind. Die Art und Weise wie das geschah wurde bisher nur ausschlie‎ßlich mit dem zaristischen oder dem stalinistischen Zeitalter assoziiert. Die Vereinigten Staaten, die Europäische Union und deren Partner aus der freien Welt, von Kanada bis nach Australien verhängten sowohl politische, als auch wirtschaftliche Sanktionen. Besorgt über die Entwicklungen in der Ukraine, forderte Bukarest seinen westlichen Alliierten eine Aufstockung der Militärpräsenz in der Region. Ukraine ist, sowohl was die Fläche, als auch die Bevölkerung anbelangt, der grö‎ßte Nachbar des östlichsten EU- und Nato-Stützpunkts, Rumänien. Rumänien drückte hat sich ständig, fest und einheitlich, durch die Präsidentschaft, die Regierung und das Au‎ßenministerium für die Einhaltung der Souveränität und Territorialintegrität der Ukraine ausgedrückt. Mit diesem Land teilt Rumänien hunderte km gemeinsame Grenze und dort leben fast eine halbe Million Rumänienstämmige.



    Wahlsiege der Pro-Europäer in Kiew und Chişinău


    Sowohl in der Ukraine, als auch in der Republik Moldau haben die Wähler bewiesen, dass sie den europäischen Weg dieser Ex-Sowjetrepubliken unterstützen. Diese schlossen in dieser Hinsicht Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit Brüssel. Das einzig entscheidende in einer Demokratie ist das Ergebnis bei den Wahlurnen. Dieses widersetzt sich der russischen Rhetorik über die sogenannte Vorbehaltsrechte Moskaus gegenüber ihren ehemaligen Kolonien. In Kiew wurde der pro-westliche Magnat Petro Poroschenko zum Präsidenten gewählt. Im Parlament wurden die Nostalgiker der Sowjetunion und Janukowitschs zur Minderheit nach den Wahlen. Darüber hinaus überschreiten die Kommunisten zum ersten Mal nach der Unabhängigkeitserklärung 1991 die Mindestschwelle von 5% nicht mehr. Somit sind sie in der Rada nicht mehr vertreten. Die pro-russischen Kommunisten, Sozialisten oder Populisten verloren die Wahlen auch in Chișinău. Am 30. November gewannen die verbündeten Allianz für Europäische Integration, Liberal-Demokratische Partei und Demokratische und Liberale Partei die Mehrheit der Mandate im Parlament. Diese werden, wie seit 2009 auch, weiterhin gemeinsam die Republik Moldau regieren. Deren Führer hoffen, dass diese 2017 den Status eines Beitrittskandidaten erhält und 2020 zum Mitglied des gemeinschaftlichen Raumes wird. Rumänien begrü‎ßte als erstes Land den Sieg der pro-europäischen Parteien in dem Nachbarstaat. Bukarest ist auch ein ständiger Befürworter und Unterstützer der Integration Chişinăus, im Zuge der Sprachen-, Geschichts-, Kultur- und Schicksalsverbundenheit gewesen.



    Wahlen für das Europäische Parlament


    Die Wahlen für das Europäische Parlament vom Mai bestätigten die Überlegenheit der demokratischen Ideologiefamilien — Volkspartei, Sozialisten und Liberalen — auf dem Kontinent. Diese gewannen insgesamt rund zwei Drittel der Sitze. Dennoch sorgten sie auch für Unruhen, wegen des Wiedererwachens in allen Mitgliedsstaaten der Union, der diskriminierenden und einwanderungsfeindlichen Rhetorik. Von Ungarn bis Frankreich, von Griechenland bis in die Niederlande, entsandten die euroskeptischen, wenn nicht sogar europafeindlichen Parteien ihre Vertreter in die Gemeinschaftslegislative. Rumänien wird in Stra‎ßburg und Brüssel von keinem populistischen oder xenophoben Europaabgeordneten vertreten. Die 32 Sitze, die Bukarest zustehen, wurden zwischen Gruppierungen geteilt, die an den gro‎ßen kontinentalen Parteien, Befürworter der europäischen Werte, angeschlossen sind. Auf der Seite der Sozialisten ist die Sozial-Demokratische Partei, wichtigste Formation an der Regierung und Teil der Europäischen Sozialisten. Auf der Seite der bürgerlichen Kräfte befinden sich die National-Liberale Partei, die dieses Jahr von der Allianz der Liberalen und Demokraten zu der Volkspartei übergegangen ist, sowie die Liberal-Demokratische Partei, die Volksbewegung und der Ungarnverband, bereits Mitglieder der Volkspartei.



    Änderungen an der Spitze der europäischen Institutionen


    Mit der Unterstützung seiner sozialistischen Kollegen und der Europäischen Volkspartei, wurde der Deutsche Martin Schultz für ein zweieinhalbjähriges Mandat an die Spitze der Gemeinschaftslegislative gewählt. Laut einer Abmachung zwischen den beiden Parteien soll in der zweiten Hälfte dieser Gesetzgebung die Führung des Europäischen Parlaments einem Vertreter der Volkspartei zukommen. Die restlichen europäischen Institutionen wählten ihre Führung im Herbst 2014. Nach zehn Jahren, die die weitgehendste Erweiterung nach Osten und nach Süden in der Geschichte der Union bedeutet haben, hat der Portugiese Jose Manuel Barroso dem Luxemburger Jean-Claude Juncker die Führung der Europäischen Kommission überlassen. Anstelle des Belgiers Herman van Rompuy, ist der Pole Donald Tusk der neue Präsident des Europäischen Rates. Er ist auch der erste Osteuropäer, der in eine solche Funktion eingesetzt wird. Die Italienerin Federica Mogherini übernimmt die Stelle der Chefdiplomatin von der Britin Catherine Ashton. In der neuen Gemeinschaftsexekutive wird Rumänien durch die ehemalige sozial-demokratische Europaabgeordnete Corina Creţu, Kommissarin für Regionalpolitik vertreten. Nach seinem EU-Beitritt 2007 hatte Rumänien auch die Ämter der Mehrsprachigkeit durch Leonard Orban und der Landwirtschaft durch Dacian Cioloş inne. Die Beiden gehörten keiner politischen Partei an.



    Hei‎ße Akten auf der Agenda der Nato


    Auch die Nordatlantische Allianz hat diesen Herbst ihren Generalsekretären gewechselt. Der Däne Anders Fogh Rasmussen übergab die Staffel einem anderen Skandinavier, dem ehemaligen norwegischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg. Gleichzeitig mit der Nato-Führung übernimmt dieser zwei der schwersten Akten: Im Osten, die eiskalten Beziehungen zu Russland und die Stärkung der Sicherheitsma‎ßnahmen für die Alliierten an der Ostgrenze, einschlie‎ßlich Rumänien; Im Süden, die endemische Instabilität im Nahen Osten, der von der dschichadistischen Guerilla vernichtet wird. Dieser fallen die ineffizienten, schwachen, korrupten lokalen Regierungen zum Opfer, die ihr nicht standhalten können. Ab dem Sommer fielen weite Teile Syriens und Iraks unter die Kontrolle der terroristischen Organisation, die sich selbst Islamischer Staat nennt. Diese ist derma‎ßen blutig, dass sie sogar von ihren Mentoren aus dem Al-Qaida-Netzwerk abgewiesen wird.

  • Rumänien und die Entkolonialisierung Afrikas

    Rumänien und die Entkolonialisierung Afrikas

    Nach 1945 spielte die Entkolonialisierungsbewegung eine wichtige Rolle in den internationalen Beziehungen, denn die Domination der Kolonialimperien wurde stark angefochten. Die Entkolonialisierung bedeutete aber auch den Beginn einer Zeit voller Gewalt und Bürgerkriegen zwischen verschiedenen politischen Gruppierungen, denen alternative Entwicklungsmodelle der neuen Staaten vorschwebten, sich aber als dialogunfähig erwiesen hatten. In wenigen Staaten hat man die Lage ohne Gewalt gelöst, wie es in Indien der Fall war.



    Die Entkolonisierung Afrikas wurde stark von der Sowjetunion und China befürwortet, kommunistische Länder, die auf der Suche nach Einflussbereichen gegen den Kapitalismus waren. In der Mehrheit der afrikanischen Kolonien wurden die Auseinandersetzungen durch Kriege geschlichtet, denn die kommunistischen Guerillas, die vom kommunistischen Staatenblock unterstützt wurden, haben Verhandlungen mit den anderen politischen Gruppierungen abgelehnt. Ähnlich anderer Staaten im Ostblock setzte sich auch Rumänien für die Entkolonisierung Afrikas ein und versuchte, eine unabhängige Lösung zu wählen und auf die Bewegung der blockfreien Staaten zu setzen, denen es aber nicht angehörte. Mircea Nicolaescu war Botschafter in einigen afrikanischen und südamerikanischen Ländern und Mitglied der rumänischen UNO-Delegation im Entkolonisierungsrat. In einem Interview von 1996 mit dem Zentrum für Mündliche Geschichte des Rumänischen Rundfunks nahm er Bezug auf die Grundsätze Rumäniens für die Entkolonisierung Afrikas.



    Die Beziehungen Rumäniens zu den ehemaligen Kolonialbereichen waren vor und auch nach dem Zweiten Weltkrieg sehr intensiv. Diese intensivierten sich nach dem Zweiten Weltkrieg und besonders vor dem Hintergrund des Versuchs Rumäniens, sich in der Welt als unabhängiges Land mit einer eigenen Politik durchzusetzen, auf der Suche nach Verbündeten mit gemeinsamen Interessen. Ein Punkt in den Abkommen mit diesen Kolonien und dann afrikanischen Ländern war der Verweis auf die Freiheit der einzelnen Staaten, deren Recht, den eigenen, als passend erachteten Entwicklungsweg zu wählen. Die Frage des internen Systems, dessen Einhaltung wurde immer in unseren Au‎ßenpolitikurkunden angegeben.“



    Im Falle der zivilen Konflike wählte die rumänische Diplomatie die Unparteilichkeit, sich nicht offen für die eine oder die andere Gruppierung einzusetzen. Mircea Nicolaescu:



    In Kairo gab es sehr wenige Botschaften, zu denen Vertreter aller Befreiungsbewegungen Afrikas kamen. Alle afrikanischen Befreiungsbewegungen hatten, unabhängig von ihrer politischen Orientierung, ihren Sitz in Kairo in den Jahren 1961-64. Aber nur zur Botschaft Rumäniens und anderer 2-3 Länder kamen sowohl die rechts- als auch die linksorientierten Befreiungsbewegungen. Die Sowjets hatten ihre eigene Kundengruppe, die voll und ganz das sozialistische, direkt sowjetische Regime unterstützte. Die Chinesen hatten auch ihre Kunden, um nicht über die Amerikaner zu sprechen. Weniger die Franzosen und die Engländer, die kompromittiert waren. Rumänien war in den Ländern, wo die ideologischen Grundsätze die Befreiungsbewegung nicht zerstückelt hatten, wie z.B. Kongo, Angola, Mosambik, Kenia, Simbabwe usw., das einzige Land, das die Beziehung zu beiden Seiten gepflegt hat. Unser Dialogkanal war immer offen, aber wir haben ihnen gesagt, es sei deren Sache, sich untereinander zu verständigen.“



    Der Weg einer unabhängigen afrikanischen Politik, den Rumänien gewählt hatte, bereitete den Sowjets keine Freude. Aber die von Rumänien vorgeschlagene Unparteilichkeit war nicht realistisch. Beweis dafür steht ihre unbedeutende Wirkung. Das ergibt sich auch aus dem, was Mircea Nicolaescu aus jener Zeit berichtet.



    Bei der Unabhängigkeitserklärung Angolas hatten die Sowjets ein Treffen aller Botschafter der sozialistischen Länder organisiert, um gemeinsam dem gewählten Präsidenten die Ehre zu erweisen. Der Vertreter Rumäniens, Botschafter Gheorghe Stoian, lehnte es ab, gemeinsam mit den anderen zu gehen und ging als erster alleine und sendete den Gru‎ß und die Unterstützung für die Unabhängigkeit Angolas aus. Während der Unruhen dort haben wir, solange wir angesprochen wurden, die Verbindung zu allen Bewegungen gehalten und diesen empfohlen, sich untereinander zu verständigen. Die Sowjets haben auf eine der Bewegungen gesetzt, die Amerikaner auf eine andere. Die Chinesen standen an der Seite der Amerikaner und das war auch der Grund für einen Krieg. In Tansania hingegen, wo die internen Kräfte reif genug waren, sich von beiden parteiergreifenden Staaten gleich zu distanzieren, war das nicht der Fall.“



    Mircea Nicolaescu bezog sich auf die Merkmale Afrikas, deren Missachtung zu Misserfolgen geführt haben, wie etwa in Algerien:



    Was die Vision über den Entkolonisierungsprozess anbelangt, trennt man oft künstlich die Entwicklung des sogenannten Arabischen Afrikas von der des sogenannten Schwarzen Afrikas. Über Afrika kann man nicht behaupten, es sei ausschlie‎ßlich Schwarz oder Arabisch, in keinen seiner Gegenden. Was den Bereich Sahara anbelangt, dort gibt es eine Wechselwirkung. Es ist schwierig auch aus historischer Sicht, eine solche Trennung durchzuführen. Einer der letzten afrikanischen Staaten, die ihre Unabhängigkeit erklärt haben, war Algerien. Es gab wenige Kolonialbereiche auf der Welt, die sich mit dem nationalen Territorium des Metropolenlandes überlappt haben, so wie Algerien, das in in drei französische Departements geteilt wurde. Ein Beispiel für gro‎ße Misserfolge der kommunistischen Bewegung war Algerien, denn hier hat man nicht verstanden, dass es sich um die nationale Unabhängigkeit eines Volkes handelt und nicht um die Unabhängigkeit dreier französischer Departements.“



    Die Einbringung Rumäniens in die Entkolonisierung Afrikas hat aber auch die Wahl einer perspektivlosen Richtung in der Diplomatie bedeutet. In den 1980ern hat die Diplomatie des Ceauşescu-Regimes, das von der westlichen Poltik isoliert war und von den sozialistischen Ländern distanziert betrachtet wurde, stark auf die afrikanische Karte gesetzt.



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  • Auftauphase im Kalten Krieg: Richard Nixon und Gerald Ford in Bukarest

    Auftauphase im Kalten Krieg: Richard Nixon und Gerald Ford in Bukarest

    Nach ungefähr zweieinhalb Jahrzehnten kühler Beziehungen (ab 1945–1947 und bis Mitte der 1960er Jahre) zwischen den zwei Militärbündnissen und politisch-wirtschaftlichen Supermächten der Welt versuchten Ende der 1960er Jahre die USA und die Sowjetunion, ihre Beziehungen zu verbessern. Rumänien strebte ebenfalls an, seine Beziehungen zu den USA zu entspannen, die Rumänien-Besuche der US-Staatschefs Richard Nixon am 2. und 3. August 1969 und Gerald Ford Anfang August 1975 hatten vor diesem Hintergrund wichtige Signale gesendet, dass auch die US-Behörden eine Entspannung der Beziehungen zu dem kommunistischen Rumänien für wesentlich hielten.



    Der Chefredakteur der rumänischen Redaktion des Radiosenders Voice of America (Stimme Amerikas), Mircea Carp, hat damals beide US-Präsidenten im kommunistischen Rumänien begleitet. Als das kommunistische Regime mit Hilfe der Sowjets an die Macht kam, war Carp aus dem Land geflüchtet. Als der US-Präsident Richard Nixon Rumänien besuchte, war Mircea Carp nicht nur als Augenzeuge dabei, er gilt auch als guter Kenner der allgemeinen Auffassung der Menschen über den Besuch von Nixon in Rumänien. In einem Interview mit dem Zentrum für mündlich überlieferte Geschichte des rumänischen Rundfunks aus dem Jahr 1997 erinnerte sich Mircea Carp an die damaligen Ereignisse:



    Nixons Besuchs Anfang August 1969 war der erste eines US-Präsidenten in Rumänien. Er stellte zugleich den ersten Schritt zur Entspannung der rumänisch-amerikanischen Beziehungen dar. Darüber hinaus weckte der Besuch die Hoffnungen des Volkes auf eine Verbesserung der Lage des Landes. Einige wagten vielleicht sogar an eine Befreiung Rumäniens von den kommunistischen Machthabern zu denken. Ich möchte noch etwas klarstellen: Mit voller Gewissheit und leider auch mit vollem Bedauern kann ich behaupten, dass weder Nixon noch das US-Au‎ßenministerium oder die US-Botschaft in Bukarest damals irgendeine Absicht erblicken lie‎ßen, dass sie sich dadurch für eine Änderung der Situation Rumäniens einsetzen würden. Dies habe ich nun klarstellen wollen, weil in zwei Rezensionen zu meinem Buch zum Thema Nixons Besuch in Rumänien die Ansicht ausgedrückt wurde, dass die US-Behörden das rumänische Volk verstehen lie‎ßen, der Besuch von Nixon in Rumänien hätte eine spürbare Verbesserung der Situation oder sogar eine Befreiung vom Kommunismus als Folge haben können. Das einzige, das die USA damit angedeutet haben, war, dass sie eine neue Phase der Beziehungen zwischen der Regierung in Washington und jener in Bukarest einleiten wollten.“



    Richard Nixon wurde mit einer schwer vorstellbaren Begeisterung in der rumänischen Hauptstadt empfangen. Es war ein echter Triumph, den Nicolae Ceauşescu als Zeichen der Zuneigung des Volkes für ihn selbst deutete. Mircea Carp erläutert die Sympathie, die Nixon für Ceauşescu empfand:



    Insbesondere im Kontext dieser unbegründeten Hoffnungen wurde Nixon in Rumänien mit einer au‎ßerordentlichen Begeisterung erwartet. Später bestätigte das Bukarester Au‎ßenministerium die Information, laut der knapp eine Million Menschen aus diesem Anlass auf die Stra‎ße gingen. Was Nixons Besuch angeht, herrschte eine au‎ßergewöhnliche Begeisterung! Die Gespräche zwischen ihm und Ceauşescu fanden aufgrund der Sympathie Nixons für Ceauşescu statt. Nixon hat versucht, Rumänien als politisches Sprungbrett für die Verbesserung der Beziehungen Washingtons zu Moskau zu verwenden. Persönlich denke ich, dass der damalige Präsident der Vereinigten Staaten, bei allem Respekt, recht naiv gewesen ist, wenn er sich vorgestellt hat, dass Ceauşescu eine derma‎ßen wichtige Rolle in Moskau spielen könnte. Ich wei‎ß auf jeden Fall, dass dies einer der Gründe seines Besuches war. Warum war Ceauşescu Nixon sympathisch? Nachdem er in seinem Versuch gescheitert war, im Wahlkampf gegen John F. Kennedy Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, wurde er mehr oder weniger ein Nobody aus politischer Sicht. Als er seine politische Stellung wieder aufbauen wollte, unternahm er drei Osteuropabesuchte: in Warschau, Moskau und Bukarest. In Warschau wurde er kühl empfangen, Moskau kehrte ihm den Rücken zu. In Bukarest lie‎ß Ceauşescu, als ob er etwas geahnt hatte, den roten Teppich für ihn ausrollen. Das hat Nixon niemals vergessen. Der Empfang, der Nixon in Bukarest zuteil wurde, war womöglich einer seiner glorreichsten Publicity-Augenblicke, nicht im politischen Sinne, aber dennoch von Bedeutung für seine au‎ßenpolitischen Auslandsbeziehungen.“



    Sechs Jahre später besuchte Nixons Nachfolger, Gerald Ford, Rumänien. Dieser Besuch war auch ein Erfolg, erreichte allerdings nicht mehr die Bedeutung des Nixon-Besuchs von 1969. Mircea Carp dazu:



    Gerald Ford kam aus Warschau. Zuvor hatte er sich in Helsinki an dem Europäischen Sicherheits- und Zusammenarbeitsgipfel beteiligt. Er machte einen Zwischenstopp in Warschau, wo er sehr gut empfangen wurde, und dann kam er in Bukarest an, wo der Empfang auch sehr schön war. Der war aber viel bescheidener als Nixons Empfang vor sechs Jahren. Wir verfügten damals über Informationen, dass selbst Ceauşescu und seine Leute sich daran erinnert haben, dass in der Hauptstadt viel mehr Leute auf die Stra‎ßen gegangen waren, als sie es sich gewünscht haben oder es das kommunistische Regime gestattet hätte. Somit wollten sie jetzt den ganzen Empfang im Zügel halten. Anscheinend waren bei Gerald Fords Besuch nicht mehr als 350-400 Tausend Menschen zugegen, was aus kommunistischer Sicht etwas Wichtiges, aber nichts Besonderes war. Die Rumänen waren diesmal auch nicht mehr so aufgeregt, denn die sechs Jahre, die seit Nixons Besuch bis zum Besuch Fords vergangen waren, hatten bewiesen, dass die Vereinigten Staaten sich nicht mehr in eine Verbesserung der Lage involvieren wollten, als es ihre politischen Interessen erforderten.“



    Die beiden Rumänienbesuche Nixons und Fords von 1969 und 1974 waren Annäherungsversuche zwischen zwei Ländern, die entgegengestellten politisch-militärischen Systemen angehörten. Diese führten aber zu keinen konkreten Ergebnissen, da der Kern der beiden Regime gegensätzlich war.



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