Tag: Kinderheime

  • Ian Tilling: Britischer Polizist in Ruhestand engagiert sich für Opfer häuslicher Gewalt

    Ian Tilling: Britischer Polizist in Ruhestand engagiert sich für Opfer häuslicher Gewalt

    Nach der Revolution von 1989 waren die internationalen Medien voll mit Bildern von Kindern in Horrorheimen in Rumänien. Es dauerte nicht lange, und es kamen Dutzende Hilfstransporte ins Land. Es waren Ausländer, die, tief beeindruckt von dem, was sie in den Medien gesehen hatten, entschlossen waren, diesen Kindern zu helfen. Unter ihnen befand sich auch unser heutiger Gast, Ian Tilling aus Gro‎ßbritannien.



    Ian Tilling arbeitete zwei Jahre lang mit behinderten Kindern im Zentrum von Plătăreşti nahe Bukarest und beschloss, anschlie‎ßend für immer in Rumänien zu bleiben. Am Ende einer 23-jährigen Karriere bei der örtlichen Polizei in der britischen Stadt Kent wurde er mit der Medaille für vorbildliches Verhalten ausgezeichnet. Er zog nach Rumänien und gründete 1992 den Verein Casa Ioana“, ein Zentrum für Opfer häuslicher Gewalt und eine Unterkunft zwecks eines Neuanfangs für obdachlose Familien. Ian Tilling organisiert auch regelmä‎ßig humanitäre Aktionen für Obdachlose in Bukarest.



    Zum ersten Mal kam er im August 1990 nach Rumänien. Er erinnert sich noch genau, wie das Land einige Monate nach der Revolution aussah:



    Die Reise nach Bukarest war schrecklich und wunderbar zugleich. Schrecklich, weil es keine Stra‎ßen gab und die Bedingungen sehr schwierig waren. Stattdessen war die Aussicht fantastisch, die Natur war wunderschön. Das machte die Reise sehr interessant. Als wir in Bukarest ankamen, war es spät in der Nacht und die Stadt schien ärmlich zu sein. Das hatten wir nicht erwartet. Wir erreichten schlie‎ßlich das Hotel Athénée Palace, ein ziemlich luxuriöses und recht teures, aber wir hatten keine andere Unterkunft. Ich erinnere mich, dass wir am Morgen von einem Kind begrü‎ßt wurden, das der Krankenschwester, mit der wir zusammen waren, eine Blume gab. Es war eine nette Geste, und das Kind wurde in den folgenden Tagen unser kleiner lokaler Reiseleiter, der uns sehr half. Zunächst arbeitete ich im Waisenhaus der Mutter Teresa in Bukarest, bevor ich einige britische Krankenschwestern traf und ins Zentrum in Plătăreşti wechselte, wo ich einen Monat lang mit den dortigen Kindern arbeitete, die schwere körperliche und geistige Behinderungen hatten. Ich erinnere mich, dass ich nur auf dem Markt Lebensmittel kaufen konnte. Es gab zwar auch ein Lebensmittelgeschäft auf dem Magheru-Boulevard, aber meine Haupteinkäufe tätigte ich auf dem Markt. Vor den wenigen Läden bildeten sich Warteschlangen, und Stra‎ßenbeleuchtung gab es nur auf den Hauptboulevards. Alles war langweilig, es gab nirgendwo Farbe, es gab keine Werbetafeln, alles war eintönig. Als wir zurückfuhren und eine Nacht in Braşov (Kronstadt) verbrachten, einer Stadt, die so anders ist als Bukarest, so schön, in den Bergen gelegen, war ich überrascht.“




    Auf der Rückreise war er froh Rumänien, hinter sich gelassen zu haben. Er sagte, dass es vier Wochen extremer Gefühle waren. Er dachte nicht, dass er jemals zurückkehren würde. Doch es sollte anders kommen. Es war, als würde uns ein unsichtbarer Magnet zurückziehen, erinnert sich Ian Tilling. Jetzt ist er ein bekannter Leiter von Programmen im sozialen Bereich. In 30 Jahren in Rumänien koordinierte er mehrere Teams, die europäische Programme und ein Weltbankprogramm zur sozialen Eingliederung von Obdachlosen und Alleinerziehenden umgesetzt haben. Der von ihm gegründete und geführte Verein Casa Ioana“ beherbergt 20 Familien und neun Frauen, die betreut, psychologisch und professionell beraten werden, um ein unabhängiges Leben zu führen. Nach einem Jahr, denn solange dauert die Unterkunft im Casa Ioana“, finden über 80% der hier Untergebrachten ein neues Zuhause und einen Job. Seitdem er hier lebt, hat Ian viele Veränderungen wahrgenommen:



    Viele Dinge haben sich verändert und ändern sich immer weiter zum Besseren. Ich bin froh, das festzustellen. Rumänien ist jetzt NATO-Mitgliedsland und Teil der Europäischen Union. Ich bin in diesen Jahren viel gereist und habe nur gute Eindrücke und Lob für das Land und die Menschen hier erhalten, als ich sagte, dass ich aus Rumänien komme. Viele Rumänen gingen ins Ausland, und die überwiegende Mehrheit von ihnen leistete einen guten Beitrag in den Ländern, in denen sie leben. Rumänien sollte — und ich denke, das tut es schon — die natürliche Schönheit seiner fabelhaften Orte fördern, die das Herz von Prinz Charles und anderer Persönlichkeiten berührt haben, die Interesse an der Natur und den reichen Traditionen haben. Ein anderer wichtiger Bereich wäre das Gastgewerbe, einer in dem Rumänien Fortschritte machen und verstehen muss, dass es gegenüber Touristen eine einladende und freundliche Kultur entwickeln muss. Und nicht nur der rumänische Staat, sondern wir alle müssen dies tun, wir sollten uns alle bemühen, ein besseres Image und unsere Erfolge im Ausland bekannt zu machen.“




    Ian vermisst seine Familie in England, aber Rumänien bleibt sein jetziges Zuhause.



    Rumänien ist seit vielen Jahren meine Heimat. So gesehen, ist es das Land meiner Wiedergeburt, ich habe mein Leben komplett umgekrempelt, seit dem ich hier bin. Ich vermisse nichts Besonderes aus England, wahrscheinlich weil ich genau wei‎ß, dass mein Zuhause jetzt hier ist. Ich habe hier Wurzeln geschlagen und bin dankbar für diese Chance. Es waren au‎ßergewöhnliche drei Jahrzehnte für mich, eine emotionale Achterbahnfahrt, die bis heute andauert. Ich habe so viel über mich selbst gelernt. Dies wäre nicht passiert, wenn ich in Gro‎ßbritannien geblieben und ein gewöhnlicher Rentner gewesen wäre.“




    Zurückblickend begrü‎ßt Ian Tilling, dass die Kinderzentren geschlossen wurden. Er glaubt aber, dass der rumänische Staat nicht genug für die benachteiligten Menschen tut. Armut, mangelnde Ausbildung und Akzeptanz der häuslichen Gewalt als etwas fast Normales sind die gro‎ßen Herausforderungen jetzt in Rumänien, sagt er.

  • Begabt, aber benachteiligt: Mentoren helfen Heimkindern mit künstlerischem Talent

    Begabt, aber benachteiligt: Mentoren helfen Heimkindern mit künstlerischem Talent

    In Rumänien erreicht die Zahl der in Sozialeinrichtungen aufgenommenen Kinder 60.000. Diese Kinder, die von Geburt an oder in der frühen Kindheit verlassen wurden, werden in Heimen (ehemaligen Waisenhäusern) untergebracht, wo sie bis zum Alter von 18 Jahren meistens ohne Zuneigung, Familie, ohne angemessene Ausbildung und ohne die Möglichkeit leben, ihr kreatives und intellektuelles Potenzial zu entwickeln. Es ist daher nicht überraschend, dass nur 0,1% der Waisenkinder eine abgeschlossene Hochschulausbildung haben.



    Lajos Kristoff ist einer von ihnen, der es geschafft hat. Er hat die Fakultät für Internationale Beziehungen und Europäische Studien abgeschlossen und hat einen Master in klinischer Psychologie. Im Alter von 3 Jahren wurde Lajos Kristoff in einem Heim im zentralrumänischen Landkreis Mureş aufgenommen. Er hat die Hindernisse des Systems überwunden und sein Potenzial ausgeschöpft. Lajos Kristoff erzählt, wie ihm das gelungen ist:



    Ich glaube, ich war sehr verträumt und doch ziemlich reif. Ich war mutig genug für meine Träume und bereit, dafür zu kämpfen. In meinem Leben gab es Menschen, die mir meinen Horizont öffneten und mich ermutigten, in dem sie mir sagten, dass ich, wenn ich etwas erreichen will, dies auch erreichen kann, wenn ich mir meinen Lebensweges wähle. Von Kindesbeinen an wollte ich Medizin studieren, um mich auf pädiatrische Neurochirurgie zu spezialisieren, aber das war nicht möglich. Aber ich sagte mir, wenn ich das nicht schaffe, werde ich etwas tun, das mit der Erziehung und der Arbeit mit Kindern zu tun hat. Und ich beschloss, sagen wir mal so, ein Doktor der Seelen zu werden.“




    Doktor der Seelen“ oder Genie-Ausbilder“, so wird Lajos Kristoff inzwischen genannt. Nach einer beruflichen Laufbahn in der Gesellschaft für begabte Kinder, dem Gifted Education Center, legte er den Grundstein für ein Exzellenzzentrum für die Entdeckung und Entwicklung des Talentes eines jeden Kindes, sowohl derjenigen, die in einem Heim untergebracht sind, als auch derjenigen, die in Familien leben. Aus diesem Grund arbeitet das Exzellenzzentrum sowohl mit Aufnahmeeinrichtungen, als auch mit normalen Bildungseinrichtungen zusammen. Für die Kinder, die sich im Kinderschutzeinrichtungen befinden, ist diese Betreuung oft lebenswichtig, sagt Lajos Kristoff.



    Die meisten Kinder und Jugendlichen in Einrichtungen wachsen mit der Angst vor der Zukunft auf. Aus diesem Grund können sie ihre Ziele nicht erreichen, und all ihre Träume enden vor der Tür des Heimes. Ohne Eltern, Liebe und all das, was einfühlsame menschliche Interaktion bedeutet, können sie nicht in die Zukunft blicken, können sie ihr Lebensziel nicht erreichen und ihre Lebensaufgabe nicht sehen.“




    Vor drei Jahren startete Lajos Kristoff ein weiteres Projekt, das dem Exzellenzzentrum ähnlich ist, aber ein intensiveres und ehrgeizigeres Programm zur Entdeckung des latenten Potenzials umfasst: Mentor in Rumänien.



    Es handelt sich um ein nationales Netzwerk von Mentoren und Kindern, innerhalb dessen die Kleinen Einzel- oder Gruppenunterricht erhalten. Das Netzwerk ist seit 2017 tätig. Wir nehmen die Verbindung mit diesen Kindern über Jugendämter, Bürgermeisterämter und natürlich über das Bildungsministerium auf. Dadurch können wir in Schulen gehen und die Lehrer über unsere Tätigkeit informieren. Die Betreuung umfasst 16 Stunden pro Monat an formellen und informellen Treffen. Formell, weil sie innerhalb der Einrichtung, normalerweise in der Schule, stattfinden, während die informelle Treffen in Familien abgehalten werden. Ich betreue mehrere Kinder, die alle überdurchschnittlich intelligent sind. Eines davon lebt in Oneşti. Die anderen sind Teil einer Theatergruppe, sie alle verfügen über künstlerische, aber auch über wissenschaftliche und mathematische Fähigkeiten.“




    Das Projekt Mentor in Rumänien“ richtet sich an alle Kinder unter 12 Jahren, die in Heimen sowie in Familien leben, verliert aber nicht aus den Augen, dass Heim- und benachteiligte Kinder mehr Hilfe brauchen. Lajos Kristoff:



    Seit 12 Jahren organisiere ich auch Bildungscamps im Gebirge. Es ist ein gemeinnütziges Camp. Eines Tages schlug ich meinem Team vor, eine Betreuung aufzunehmen: die Schule der kleinen Mentoren, die hauptsächlich den Kindern aus der Jugendfürsorge gewidmet ist. Die erste Ausgabe der Sommer-Betreuung dauerte einen Monat und wir arbeiteten mit 20 Kindern aus den Kindertagesstätten des 3. und 4. Bukarester Stadtbezirks zusammen. Unser System der Einzel-, aber auch der Gruppenbetreuung wurde in die Praxis umgesetzt und hatte ausgezeichnete Ergebnisse. Wir arbeiteten als Team und konnten drei Wochen lang Kindern, die sich keine Träume leisten konnten und Probleme mit dem Selbstwertgefühl hatten, durch Gespräche, Theaterunterricht und verschiedene innovative Methoden helfen, sich selbst zu entdecken. Die Kinder wählten ihre Betreuer selbst aus.“



    Das Theater hilft den Kindern, sich auszudrücken, und bietet ihnen gleichzeitig finanzielle Hilfe. Deshalb organisiert Lajos Kristoff im Rahmen seiner Projekte auch Theaterkurse für Kinder. Und mit der Aufführung von Alice im Weihnachtsland“, einer Adaption des klassischen Textes von Lewis Caroll, die von Kindern und für Kinder aufgeführt wurde, hatte er gro‎ßen Erfolg. Die Erlöse aus dem Verkauf der Eintrittskarten werden einigen Kindertagesstätten in benachteiligten Landesregionen zugutekommen. Die Aufführung, die mit Unterstützung des Staatlichen Jüdischen Theaters und dem SARIDA-Verband produziert wurde, wurde von Ioan Păduraru geleitet. Ioan Păduraru, ebenfalls ein Freiwilliger in den von Lajos Kristoff organisierten Exzellenz-Camps, hob die Vorteile hervor, die sich aus der Annäherung zwischen Kindern, die in Familien leben, und denen, die in Heimen leben, entwickeln.



    Als wir die Zusammenarbeit aufnahmen, kamen sich die Kinder aufgrund ihrer künstlerischen Affinität näher. Wir alle sind Künstler, wir alle haben mehr oder weniger eine künstlerische Seite, unabhängig vom künstlerischen Bereich, in dem wir uns ausdrücken können. Meiner Meinung nach ist das Heimkind extrem empfindlich und hat viel Potenzial. Da es beim Ausdrücken seiner Gefühle kein elterliches Vorbild hat, klammert er sich an alles und jeden und drückt seine Sensibilität spontan und vollständig aus. Es gibt auch einige, die sich hinter künstlichen Mauern verstecken, und unsere Aufgabe als Mentoren ist es, die Sensibilität hinter diesen Mauern zu erkennen. Unter diesem Gesichtspunkt haben wir in der Sommerschule bemerkt, dass nicht wir zuerst auf diese Kinder zugegangen sind, sondern sie auf uns, um ihnen zu helfen, sich zu öffnen.“




    Das Programm Mentor in Rumänien“ wird auch 2020 fortgesetzt, und für dieses Jahr haben Lajos Kristoff und sein Team sich vorgenommen, mehr als 250 Kindern zu helfen, ihr Potenzial zu entdecken.

  • „Kinder des Herodes“: Sind Kinderheime wirklich ein Fortschritt?

    „Kinder des Herodes“: Sind Kinderheime wirklich ein Fortschritt?

    In den letzten Jahrhunderten setzten Menschen Kinder in hohen Zahlen aus. Noch im 18. Jahrhundert, beschrieb Humanitas-Chef Gabriel Liiceanu die Zustände, setzte selbst ein Intellektueller vom Kaliber eines Jean Jacques Rousseau, Autor pädagogischer Traktate, seine eigenen unerwünschten Kinder auf laufendem Band auf den Treppen der Kirche ab — es war einfach der Weg, mit der Situation fertig zu werden, findet der Philosoph Liiceanu. Die moderne Gesellschaft hat institutionalisierte Lösungen entwickelt — sie parkt einfach die unerwünschten Kinder in Heime, was zumindest von au‎ßen betrachtet einen Fortschritt darstellt, sagt Liiceanu. In seinem Verlag ist der Bericht Kinder des Herodes“ von Vlad Alexandrescu erschienen. Als Arzt und Mitglied des rumänischen Parlaments reiste Alexandrescu durch das Land, besuchte Kinderheime und erkundigte sich über die Lage dieser Kinder.



    Ich habe mehrfach kraft meiner Befugnisse als Abgeordneter präzise Anfragen direkt an die zuständigen Behörden gestellt: Wie viele missbrauchte Kinder gibt es, welche Arten von Missbrauch werden bei der Polizei registriert, welchen ärztlichen und psychiatrischen Behandlungen — auch medikamentösen — werden die Kinder unterzogen? Zudem ging es mir um Menschenhandel, dessen Opfer oft Kinder oder Jugendliche sind.“




    Die extreme Armut scheint der Hauptgrund dafür zu sein, dass Familien Neugeborene oder Kleinkinder aussetzen. Die traumatische Erfahrung hinterlässt tiefe Spuren und wirkt sich negativ auf die psychologische und emotionale Entwicklung aus, meint Vlad Alexandrescu.



    Das trifft auf rund 65% der Kinder in staatlicher Obhut zu. Sie stammen aus zutiefst armen Familien. Die Heimkinder sind eine Folge der extremen Armut im Land. Ein guter Teil von ihnen werden bei oder unmittelbar nach der Geburt aufgegeben, einige von ihnen bleiben eine Weile in Krankenhäusern, bevor sie im Heimsystem des Staates landen. Ein Krankenhaus ist kein Platz, wo man aufwachsen sollte, und die Kinder entwickeln so vom kleinsten Alter aus ein Verlassenheitstrauma, das ein Kind dann verinnerlicht und das sich dann zu einem psychischen Leiden entwickelt.“




    Im Kommunismus war eine ganze Generation unerwünschter Kinder aufgewachsen. Durch ein von Diktator Nicolae Ceauşescu unterschriebenes Dekret vom 1. Oktober 1966 wurden Schwangerschaftsunterbrechungen mit ganz wenigen Ausnahmen verboten — die Folge war, dass viele unerwünschte Kinder geboren und ausgesetzt wurden und in Heime kamen. Gleich nach der Wende schrieben The New York Times und viele andere Publikationen reihenweise Artikel über die verwahrlosten Kinder in den rumänischen Heimen. Der heutige Rechtsrahmen verhindert zwar Zustände wie vor der Wende, aber immer noch werden Heimkinder zu Patienten der Psychiatrie, erklärt Alexandrescu.



    Es gibt ein Vorurteil unter den rumänischen Psychiatern, dass es sozusagen normal ist, wenn Heimkinder in ihre Krankenhäuser hereinspazieren und eine Behandlung brauchen. Sie werden dann aufgenommen und bekommen Neuroleptika, und der Arzt empfiehlt dann eine schrittweise Behandlung — dazu kommt es aber kaum.“




    Verleger Gabriel Liiceanu findet, dass zeitgerechtes Engagement in diesem Bereich nicht nur von zu wenig Geld und zu viel Bürokratie verhindert wird. Die Solidarität der Gesellschaft könnte gegen das Leiden der Kinder mehr bewirken als staatliche Kontrollen in Heimen, sagte Liiceanu bei der Lesung aus dem Bericht Kinder des Herodes“:




    Der Autor sagt uns, dass wir alles Geld der Welt haben und trotzdem nichts tun könnten, weil es eine ausufernde Bürokratie gibt, die nicht demontiert werden kann. Und alleine können wir uns nur ausweinen und schlecht über die Welt denken. Aber zusammen können wir es schaffen. Solche Einsichten führen zu Lösungen, denn Empörung ist der Nerv der Gesellschaft. Solange man empört ist, ist man am Leben. Ist man nicht empört, hört das Leben auf und die Welt um uns versinkt.“

  • Aus dem Kinderheim in den Boxring: Die Erfolgsgeschichte einer jungen Leistungssportlerin

    Aus dem Kinderheim in den Boxring: Die Erfolgsgeschichte einer jungen Leistungssportlerin

    Auf der Stra‎ße ist das Leben hart, die meisten ehemaligen Heimkinder finden niemals den Weg zu einem würdigen Leben. Für andere gibt es dennoch einen entscheidenden Wendepunkt. So auch für Steluţa Duţă. An diesem Ort kletterten wir auf den Mirabellenbaum, hier lebten wir zusammen mit unseren besten Freunden, den streunenden Hunden, ebenfalls hier wurden wir verprügelt.“ Das ist die Geschichte von vielen Menschen, die in einem Kinderheim aufwuchsen und heute um die 30 Jahre alt sind. Unter ihnen eine junge Dame mit männlichem Aussehen. Sie ist bereit, sich zu öffnen, nachdem sie einen besser kennenlernt. Sie machen alle in einem Dokumentarfilm mit. Der goldene kleine Roboter“ wurde 2015 von Mihai Dragolea und Radu Mocanu produziert. Ein Film über das Leben allgemein, über Leiden und darüber, wie sich das Schicksal eines Menschen ändern kann, wenn die Engel auf ihn herabschauen. Die Hauptgestalt, die Boxerin Stela Duţă, hat unsere Aufmerksamkeit erregt.



    Ich bin im Kinderhein aufgewachsen. Dort lernte ich, hart zu sein. Das Umfeld, in dem ich aufwuchs, öffnete mir den Weg zu dieser Sportart. Ich schlug mich regelmä‎ßig im Kinderheim, in Klubs, Discos. Ich lernte, mich zu verteidigen. Ich will mich mit meinen sportlichen Fähigkeiten nicht hervortun. Ich bin klein und zimperlich, doch alle, die mich auf der Stra‎ße sehen, glauben, ich sei ein Junge,“ sagt Stela im Film, in dem es um den Wendepunkt in ihrem Leben geht.



    Steluţa Duţă wurde am 18. März 1982 in Râmnicu Sărat im Landkreis Buzău geboren. Sie wurde bei der Geburt von ihrer Mutter verlassen. Sie wuchs im Kinderheim in Râmnicu Sărat auf, dann kam sie in eine öffentliche Institution für Jugendliche in Buzău. Später wechselte sie in ein Jugendheim in der Ortschaft Stâlpu. Nach einiger Zeit zog sie nach Câmpeni über, sie kam in die Pflege einer Kirchengemeinde. Mit 18 musste sie diese Zuflucht verlassen. So begann ihr Leben auf der Stra‎ße. Um nicht gemobbt zu werden, hat sie immer kurze Haare getragen und sich wie ein Mann verhalten. Nicht einmal heute wagt sie zu behaupten, sie sei eine Frau.



    2002 lernte sie Constantin Voicilaş, Boxtrainer beim Boxklub CSM Buzău kennen. Er wurde später ihr Adoptivvater. Nach ein paar harten Trainingsmonaten gewann Steluţa Silber bei den Nationalmeisterschaften. Parallel nahm sie die Schule wieder auf und absolvierte letztendlich die Sportschule in Buzău sowie eine Schule für Trainer. Da er selbst keine besondere Leistung beim Boxen erbrachte, wünschte sich Voicilaş gute Ergebnisse für seine Schüler. In seiner 43-jährigen Karriere als Trainer hat er zahlreiche junge Leute fürs Leistungssport trainiert. Die Erfolge haben nicht lange auf sich warten lassen.



    Ich habe drei sehr gute Sportler geliefert. Ich pflege, sie die drei Musketiere zu nennen. Zwei Europameisterinnen bei der Damen-Europameisterschaft und einen Junioren-Weltmeister, Dinu Bogdan. Die Europameisterinnen sind Stela Duţă und Camelia Negrea. Die erste ist Rumäniens Nationalmeisterin, die zweite, Europameisterin. Das sind meine Referenzsportler. Unser Sportverein hat immer gute Sportler geliefert. Hoffentlich geht es auch weiter so.“




    Constantin Voicilaş schilderte uns die Geschichte seiner Sportlerin und Adoptivtochter, Stela Duţă:



    Als wir sie kennenlernten, hatte sie schon ihr ganzes Leben in Kinder- und Jugendheimen verbracht. Ich bemerkte, dass sie dem Umfeld, in dem sie gelebt hatte, unbedingt entkommen wollte. Sie wünschte sich, etwas Nützliches zu tun. Zu der Zeit waren die Kinder, die in öffentlichen Institutionen aufwuchsen, stark vernachlässigt. Schon in den ersten Trainingsstunden bemerkte ich, dass sie Linkshänderin war. Sie wollte gleich in den Boxring steigen. Ihr brennender Wunsch, in den Ring zu steigen, gab mir gro‎ße Hoffnungen. Sie arbeitete sehr hart, jeden Tag, Jahr für Jahr. In Rumänien wurde sie von einer einzigen Sportlerin besiegt, der Europa-Meisterin, von der ich Ihnen bereits erzählt habe. Seit 16 Jahren hat sie nicht einen Boxkampf verloren. Und ich glaube, in den kommenden 10 Jahren bleibt sie weiterhin unbesiegt. Derma‎ßen hart haben wir uns vorbereitet! Wir trainierten zweimal am Tag und abends fragte sie mich, ob wir nicht noch ein bisschen trainieren könnten. Ich habe ihr ein Zuhause angeboten, denn sie lebte auf der Stra‎ße, und habe für ihre Nahrung gesorgt.“




    Wenn Steluţa kämpft, braucht sich der Trainer keine Sorgen zu machen. Sie wei‎ß ganz genau, was sie zu tun hat. Was die gewonnenen Medaillen betrifft, da wird man müde nur vom Erzählen, so ihr Trainer:



    Sie war 15-mal Rumänien-Champion — eine einmalige Leistung! Dreimal EU-Champion, dreimal Europameisterin. Au‎ßerdem gewann sie dreimal die Silbermedaille bei den Weltmeisterschaften. In 6 Jahren verlor sie nur dreimal gegen eine Inderin, wie gesagt bei den Weltmeisterschaften.“




    Das Gespräch mit Constantin Voicilaş, Boxtrainer beim Boxklub CSM Buzău, führten wir vor dem Damen-Länder-Wettkampf in Sombor, Serbien. Mittlerweile können wir Sie darüber informieren, dass Steluţa Duţă den Wettkampf gewonnen hat. Am 16. Januar besiegte sie die dreifache Meisterin aus Kasachstan, Alina Turlubayeva.




    Deutsch von Adina Olaru

  • Adoptionsgesetz erneut abgeändert

    Adoptionsgesetz erneut abgeändert

    In Rumänien sind nur 3.500 der in Heimen und bei Pflegefamilien lebenden Minderjährigen für die Adoption freigegeben. Die Statistik bezieht sich also auf die vom rumänischen Staat in das sogenannte Kinderschutzprogramm aufgenommenen 58.000 Minderjährigen. Ein verändertes Adoptionsgesetz soll das Problem beheben.



    Die nicht für die Adoption freigegeben Kinder sind ebenfalls im System, sie haben allerdings Verwandte. Die Frage lautet hier: Warum sind diese Kinder trotzdem in staatlicher Fürsorge? Die Statistik bietet eine mögliche Antwort: 43% der Minderjährigen aus dem Kinderschutzprogramm sind aufgrund der Armut hier gelandet. Für diejenigen, die Verwandte haben, entwickeln die Behörden individuelle Pläne für die Reintegration in die erweiterten Familien. Die Reintegration gelingt aber viel seltener als es erwünscht ist. Die Adoption als mögliche Lösung für die restlichen Kinder ist ein zu langwieriger Prozess mit schwachen Erfolgsaussichten.



    Heute gilt die 2004 verabschiedete Fassung des Adoptionsgesetzes, das Verwandten das Vorrecht für die Erziehung eines Kindes gewährt. Das hei‎ßt, dass ein Kind erst dann zur Adoption freigegeben wird, wenn man die Verwandten bis zum vierten Grad ausfindig gemacht hat und diese die Fürsorge des Kindes ablehnen. Die komplizierte Suche nach den Familienangehörigen ist nur eine der Ursachen für die mühsamen Adoptionen. In vielen Fällen seien die Adoptionen praktisch zum Scheitern verurteilt, räumt die Vorsitzende der Landesbehörde für Kinderschutz und Adoption, Gabriela Coman, ein.



    Die Kinder aus unterschiedlichsten Gemeinschaften und Familien bekommen einen relativ leichten Zugang zum Schutzsystem. Es gibt etwa 5000 Neueinträge jedes Jahr, die Zahl ist über die letzten Jahre relativ konstant geblieben. Und die Kinder bleiben übertrieben lange im Schutzprogramm, was eine Pflegefamilie, eine Einweisung in ein Heim oder staatliche Fürsorge bedeutet. Im Schnitt verbringen sie sechseinhalb Jahre im System. Die Adoptionsstatistik zeigt eine sehr gro‎ße Differenz auf, zwischen der Anzahl der Kinder, die zur Adoption freigegeben wurden, und die Anzahl der Kinder, die tatsächlich adoptiert werden. Es gibt auch eine Differenz zwischen der Anzahl der Familien, die über ein Eignungszeugnis verfügen, und der Anzahl der tatsächlich adoptierten Kinder. Zusätzlich wollen die meisten Familien Kinder im möglichst jungen Alter adoptieren. 85% wollen ein Kind adoptieren, das höchstens sechs Jahre alt und klinisch gesund ist. Im System sind aber eigentlich weniger Kinder, die diese Kriterien erfüllen, die Anzahl dieser Kinder liegt unter der Anzahl der Anfragen.“




    Das Adoptionsgesetz ist bereits mehrmals abgeändert worden, unlängst wurden die Zivilgesellschaft und die UNICEF-Filiale in den Novellierungsprozess eingebunden. Sandie Blanchet, die UNICEF-Vertreterin in Bukarest begrü‎ßt die Neuerungen.



    Das haben auch die Behörden in Rumänien bereits eingeräumt: Das Adoptionsverfahren ist zu langsam. Es dauert im Schnitt 15 Monate. Mit der Novellierung des Gesetzes ist eine erhebliche Reduzierung dieser Dauer vorgesehen. Wir begrü‎ßen au‎ßerdem die Einführung des Sonderurlaubs von bis zu einem Jahr für ein adoptierendes Elternteil. Die entsprechende Person wird auch ein Kindergeld in Höhe von umgerechnet 380 Euro bekommen. Und schlie‎ßlich möchte ich betonen, dass wir sehr vorsichtig sein müssen, wenn es um das Erreichen bestimmter Ziele geht. Das Ziel der Kürzung des Adoptionsverfahrens bedeutet nicht, dass alle Adoptionen in diesem zeitlichen Rahmen abgeschlossen sein müssen. Das ist nicht die Absicht. Die Absicht ist es, dass sich für das Kind etwas zum Guten ändert, dass für das Kind eine passende Familie gefunden wird.“




    Eine weitere Veränderung sieht eine knappere Frist für die Identifizierung der Verwandten und die Integration in die erweiterte Familie. Statt einem Jahr soll dieses Zeitfenster nur noch sechs Monate betragen. Darüber hinaus soll die Zwei-Jahres-Frist für die Gültigkeit der Adoptionsfreigabe abgeschafft werden. Die Freigabe soll infolge eines gerichtlichen Urteils in Zukunft so lange gültig bleiben, bis die Adoption abgeschlossen oder das betreffende Kind 14 Jahre alt geworden ist. Danach hat das Kind im eigenen Adoptionsverfahren auch ein Wort zu sagen. Ferner wird die Gültigkeitsdauer des Eignungszeugnisses für Adoptiveltern von einem auf zwei Jahre verlängert.



    Überhaupt ist die emotionale Achterbahnfahrt der potentiellen Adoptiveltern die dramatische Kehrseite der Adoptionen in Rumänien, erklärt Nicoleta Cristea Brunel. Sie ist eine in Frankreich lebende Rumänin, die für die Adoption eines Kindes in die Heimat zurückkehrte. Ihr Versuch scheiterte allerdings.



    Was im rumänischen Kinderschutzprogramm passiert, ist ein stiller Genozid. Das System erfasst rund 60.000 Kinder, die kein erfülltes Leben in einer richtigen Familie finden können, weil für die meisten von ihnen das Adoptionsverfahren nicht abgeschlossen wird. Das ist so frustrierend, so schmerzvoll… Als potentielle Adoptivmutter war ich nicht imstande, ein Kinderheim zu besuchen, denn ich hätte dann am liebsten alle mit nach Hause genommen. Aber das war unmöglich, und zwar nicht nur deswegen, weil es unmöglich gewesen wäre, 60.000 Kinder aufzuziehen, sondern weil mir nicht einmal das Recht gewährt wurde, ein einziges davon zu adoptieren. Trotzdem habe ich alles getan, was ich tun konnte. Ich habe Verfahren in die Wege geleitet, die teilweise kafkaesk waren, und alles, was wir erreichen konnten, war die Ausstellung des berühmten Eignungszeugnisses für die Adoption. Und das war’s auch schon. Das ganze Verfahren, das mit der Adoption eines Kindes in Rumänien enden sollte, beschränkte sich auf dieses Stück Papier. Das Papier lag bei mir auf dem Schreibtisch, und ein Jahr lang bin ich bei jedem unbekannten Anrufer aufgesprungen, weil ich dachte, ich würde für die Sichtung eines Kindes vorgeladen. Aber dieser Anruf kam nie. Es wurde für mich kein Kind gefunden, wobei in Rumänien im Schnitt jeden Tag vier Neugeborene in den Geburtskliniken zurückgelassen werden.“




    In der Zwischenzeit hat Nicoleta Cristea Brunel infolge einer künstlichen Befruchtung ein Mädchen zur Welt gebracht. Sie gründete den Verband SoS. Infertilitatea“ (SoS.Unfruchtbarkeit)“, der für sich für die Rechte der Frauen einsetzt, die entweder ein Kind adoptieren oder eine In-vitro-Fertilisation wollen. Weil sie die Verwicklungen der rumänischen Bürokratie nur allzu gut kenne, stehe sie der Erneuerung des Adoptionsgesetzes mit Vorsicht gegenüber, sagt Cristea Brunei.



    Ich glaube, dass man diese Änderungen begrü‎ßen kann, vor allem die Regelung des Urlaubs für Adoptiveltern. Von Haus aus waren die meisten Adoptivkinder älter als zwei Jahre und, auch wenn es unglaubwürdig klingt, hatten die Eltern nicht mal einen Tag Urlaub. Das Kind wurde von der Pflegefamilie in Empfang genommen und dann wurde es wiederum in die Obhut des Kindermädchens oder der Gro‎ßmutter gegeben, damit man selbst zur Arbeit gehen konnte. Das Gesetz nahm keine Rücksicht auf die Angewöhnungszeit. Die anderen Änderungen sind auch zu begrü‎ßen, aber ich will sie auch umgesetzt sehen. Ich habe sehr viele gute Dinge auf Papier gesehen. Auf Papier steht ja auch geschrieben, dass richterliche Beschlüsse in Adoptionsverfahren mit Zügigkeit innerhalb von höchstens 10 Tagen zur Anwendung kommen, aber in Wirklichkeit passiert das nicht.“




    Vor kurzem hat die Abgeordnetenkammer den neuen Entwurf zum Adoptionsgesetz gebilligt. Jetzt hat nur noch der rumänische Präsident das Gesetz zu unterzeichnen und der Text muss im Amtsblatt veröffentlicht werden, damit die Regelungen in Kraft treten.

  • Adoptionsgesetz: Abgeordnete wollen schlankere Verfahren

    Adoptionsgesetz: Abgeordnete wollen schlankere Verfahren

    Unmittelbar nach der antikommunistischen Revolution von 1989 gingen grausame Bilder von schwer vernachlässigten Heimkindern aus Rumänien um die Welt. Es folgte eine beispiellose Welle der Solidarität: Zahlreiche ausländische Familien kamen in den anschließenden Wochen und Monaten nach Rumänien um Kinder zu adoptieren. Die ihnen im Ausland angebotenen Lebensstandards waren unvergleichbar höher.



    Dennoch gab es auch Fälle von Missbrauch. Dagegen übte vor allem die Baronin Emma Nicholson Kritik, die Berichterstatterin für Rumänien im EU-Parlament vor dem Beitritt des Landes zur Staatengemeinschaft. Vor dem Hintergrund eines Skandals um den Handel mit Kindern, untersagte Bukarest 2001 die Auslandsadoptionen, trotz der Lobbyarbeit mehrerer Staaten. Zehn Jahre später gaben die Verantwortlichen ausländischen Staatsbürgern erneut grünes Licht für die Adoption von rumänischen Kindern, allerdings unter bestimmten Auflagen.



    Gleichzeitig wurde an einer Verbesserung der nationalen Gesetzgebung im Bereich gearbeitet, angesichts der fast 60.000 Waisenkinder in Rumänien. Das extrem komplizierte Adoptionsverfahren, Personalmangel, fehlendes Interesse, Vorurteile, fehlende Jugendgerichte – all das führt dazu, dass die meisten Kinder und Jugendliche bis zum Erwachsenenalter in den Heimen bleiben. Manchen von ihnen bleibt jegliche Möglichkeit adoptiert zu werden verwehrt, obwohl sie theoretisch, unabhängig von Alter, Gesundheitszustand oder Volkszugehörigkeit, das Recht auf eine Familie haben.



    Derweil hat der Arbeits- und Sozialausschuss der Abgeordnetenkammer einen Gesetzentwurf zur Ermutigung der Adoptionen verabschiedet. Dadurch sollen Fristen gekürzt und Verfahren schlanker werden, damit ein Kinder schneller zur Adoption freigegeben werden kann. Die sogenannte Gewöhnungszeit für die Adoptiveltern wurde von 3 auf 12 Monate verlängert, damit sich das Kind besser mit seiner neuenFamilie vertraut machen kann. Die liberale Abgeordnete Cristina Pocora war für den betreffenden Änderungsantrag zuständig.



    Je älter das Kind ist, das adoptiert wird, desto größer sind seine Deprivationsschäden und emotionalen Probleme, vor allem wenn es in einem Heim oder bei einer Pflegefamilie gelebt hat.



    Die Gewöhnungszeit ist mit der Elternzeit zu vergleichen und wird auf Antrag gewährt, zusätzlich bekommen die Adoptiveltern einen monatlichen Zuschuss in Höhe von etwa 400 Euro. Der Sozialdemokrat Adrian Solomon erklärt den Unterschied:



    Für Kinder unter zwei Jahren kommt das Elterngeld- und Elternzeitgesetz zur Anwendung. Für Kinder, die älter sind als zwei Jahre, soll diese Regelung betreffend eine Gewöhnungszeit zur Anwendung kommen.



    Für zukünftige Adoptiveltern wird ferner die Gültigkeitsdauer des Eignungszeugnisses um ein weiteres Jahr verlängert. Sollten Antragsteller also nach einem Jahr noch kein Kind adoptiert haben, steht ihnen ein weiteres Jahr zur Verfügung. Das Hauptargument für die Gesetzesänderungen lieferte die niedrige Anzahl von Adoptionen im Falle von Kindern über zwei Jahren. Von den 1700 vorliegenden Anträgen betreffen die meisten Kinder unter zwei Jahren. Und von den 3800 zur Adoption freigegebenen Kindern sind nur 200 unter zwei Jahren.

  • Volontariat: Hilfe für Pflegeheimkinder auf dem Weg ins Erwachsenenalter

    Volontariat: Hilfe für Pflegeheimkinder auf dem Weg ins Erwachsenenalter

    Gleich nach der Wende hat die ganze Welt erfahren, wie katastrophal die Verhältnisse in den rumänischen Waisenhäusern waren. Die Lage hat sich seitdem enorm verbessert. Probleme gibt es aber nach wie vor in den jetzigen Pflegeheimen. NGOs versuchen den Kindern zu helfen, ein normales Leben als künftige Erwachsene zu führen.



    Das Bildungsprogramm Ajungem mari“ — Wir werden gro‎ß“ wurde vor einem Jahr ins Leben gerufen. Ziel des Programms ist es, den Kindern aus den Pflegeheimen Bukarests zu helfen, verantwortliche, unabhängige und selbstbewusste Erwachsene zu werden. Durch langfristige und an ihre Bedürfnisse angepasste Bildungsprogramme können sie das Trauma ihres Lebens im Pflegeheim oder in einer Problemfamilie überwinden. Iarina Ştefănescu hat das Programm eingeleitet und erläutert:



    Das Bildungsprogramm »Wir werden gro‎ß« startete, nachdem ich in einem Englisch-Projekt in den sozialen Einrichtungen involviert war. Und ich sah, dass zwei Stunden spielerischer Bildung in der Woche für die Kinder, die von Volontären unterstützt werden und denen interaktiv neue Sachen beigebracht werden, sehr viel bedeuten. Es zählen sowohl die angeeigneten Kenntnisse und Werte als auch das Vertrauen und die Offenheit, die sie dann zeigen.“




    Iulia Blaga und Andreea Dumitru arbeiten als Volontärinnen für das Programm Wir werden gro‎ß“. Mit den Kindern sind sie ins Kino gegangen, sie haben Museen und Büchereien besucht, Blumen gepflanzt und gemalt, sind in den Park gegangen und haben ihnen die Stadt gezeigt. Das Fehlen der Motivation der Kinder und des Personals in den Pflegeheimen sei eines der grö‎ßten Probleme des Systems. Andreea Dumitru dazu:



    Die Kinder sind nicht motiviert, in die Zukunft zu blicken, vielleicht weil die nicht allzu viele Alternativen haben, im Pflegeheim oder au‎ßerhalb des Heimes. Mit 18 Jahren verlassen sie das Heim und gehen ins Unbekannte. Wir als Volontäre versuchen, ihnen zu zeigen, dass jeder von uns es irgendwie im Leben geschafft hat, dass jeder von uns letzten Endes seinen Weg gefunden hat. Ich möchte, dass diese Kinder verstehen, dass nicht alles vorherbestimmt ist, dass es auch andere Sachen au‎ßerhalb der Institutionen gibt, dass sie sich auch au‎ßerhalb dieses Systems entwickeln können. Manchmal haben wir den Eindruck, dass wir, die Volontäre, ein Tropfen im Ozean sind und dass alles, was wir mit den Kindern in der einen Stunde unternehmen, umsonst ist.“




    Iulia Blaga berichtet auch über ihre Erfahrung mit den Kindern aus den Pflegeheimen:



    Man muss mit ihnen viel arbeiten, aber mein Eindruck ist, dass sie sehr rezeptiv sind. Manchmal glaube ich, dass sie morgen alles wieder vergessen, aber andererseits denke ich, dass das, was wir ihnen sagen, für immer bleibt. Ich habe ihnen mal den Film »Der Vagabund« und »Das Kind« von Charlie Chaplin gezeigt, die haben ihnen sehr gefallen.“




    Andreea Dumitru erzählt über das nicht immer reibungslose Verhältnis zum Pflegepersonal und zu den Kindern selbst:



    Ich habe viel gegen die Einstellung des Personals und der Kinder gekämpft. Man sagt den Kindern oft: ‚Du wei‎ßt nichts, du kannst nichts, aus dir wird nichts.‘ Und ich habe mich gefreut, wenn ich eine Geste in die entgegensetzte Richtung gesehen habe. Manche Kinder habe ich lieb gewonnen, insbesondere zwei, die fast keine Familie haben, und ich möchte mit ihnen langfristig arbeiten. Es ist eine Herausforderung mit einem Kind zu arbeiten, dem man von Anfang an keine Chance eingeräumt hat. Ich möchte mit den Kindern so viel Zeit wie nur möglich au‎ßerhalb der Heime verbringen. Ich bin mir sicher, dass sie in ein paar Jahren viel nachholen werden.“




    Die Volontärin Iulia Blaga achtet im Umgang mit den Kindern auch auf die richtige Grammatik und vermittelt nicht selten soziale Kompetenzen:



    Sogar die kleinen Fortschritte in der Grammatik können als Fortschritte angesehen werden. Wenn man ihre Fehler ein paar Mal berichtigt, begreifen sie, wie es richtig hei‎ßt. Ich versuche, an die kleinen Sachen, die klappen, zu denken. Ich bringe einem Jungen Lesen und Schreiben bei. Ich habe ihn gebeten, die vereinbarten Stunden einzuhalten, und ich habe gemerkt, dass er begonnen hat, sein Wort zu halten. Wir haben das Naturkundemuseum »Grigore Antipa« und die Bücherei »Cărtureşti Carusel« besucht. Da hat er viele Leute gesehen und er hatte Angst, er wusste nicht, wie er reagieren soll. Ihm schienen alle Kinder schlauer, netter, beliebter und mit mehr Wertschätzung bedacht. Letztendlich haben wir uns hingesetzt und haben uns ein Motorrad-Album angeschaut. Jeder wählte sich ein Motorrad aus, so wie die Kinder das machen. Als ich mit ihm zum Internationalen Film-Festival »Next« gegangen bin, habe ich gemerkt, dass er handwerklich begabt ist. Eine Künstlerin bastelte Röcke aus Draht, so wie diese im Film zu sehen waren. Er bastelte auch einen Rock und hat ihn mir geschenkt. Ich möchte ihm helfen, dieses Talent zu entwickeln.“




    Iarina Ştefănescu, die Gründerin und Koordinatorin des Bildungs-Programms Wir werden gro‎ß“, hält die Förderung von Begabungen für besonders wichtig:



    Ich finde es sehr nützlich, wenn wir auch die Talente und Fähigkeiten der Kinder entdecken, um ihnen langfristig zu helfen. Der nächste Schritt ist das Projekt »Wage, zu träumen!«. Wir möchten sie in unterschiedliche Fabriken, Unternehmen bringen, um mit Menschen aus unterschiedlichen Bereichen in Kontakt zu kommen. In vielen Fällen haben sie keine Vorbilder und sie wissen nicht, was ein Beruf voraussetzt. Natürlich fällt es ihnen dann schwer, ihren eigenen Weg zu finden. Sie brauchen Menschen, die ihnen erzählen können, was sie erlebt haben, dass sie auch unsicher waren und Schwierigkeiten bewältigen mussten, es aber bis zuletzt geschafft haben.“




    Das Bildungsprogramm Wir werden gro‎ß“ wird in Zukunft auch au‎ßerhalb von Bukarest implementiert. Timişoara, Iaşi, Cluj und Buzău sind die nächsten Städte, wo die Volontäre des Programms demnächst tätig sein werden.

  • Kinderschutz: Ehemalige Heimkinder gegen Missbrauch in Waisenhäusern

    Kinderschutz: Ehemalige Heimkinder gegen Missbrauch in Waisenhäusern

    Nach dem Fall des kommunistischen Regimes in Rumänien im Dezember 1989 hat die ganze Welt von den schrecklichen rumänischen Waisenhäusern erfahren. Erschütternde Bilder und Aufnahmen sorgten jahrelang für Schlagzeilen. Die Zeiten sind vorbei, Probleme gibt es aber noch im System. Ein neuer Verband möchte jetzt die Angestellten der Waisenhäuser, die Kinder missbraucht haben, vor Gericht bringen. Ins Leben gerufen wurde dieser Verband von ein paar 30jährigen, die ihre Kindheit in solchen Institutionen verbracht haben.



    In Rumänien gibt es über 200 Kinderheime, in denen ein paar Dutzend Tausende Kinder und Jugendliche untergebracht sind. Jährlich werden Millionen Euro für die Finanzierung dieser Zentren ausgegeben. Die Adoptionen sind kompliziert, diese können in manchen Fällen auch jahrelang dauern — ein gro‎ßer Nachteil für die Kinder. Wenn die Kinder die Heime verlassen, gibt es für sie wenig Unterstützung, um ein normales Leben aufzubauen. Manche haben es aber geschafft und jetzt eine unerwartete Initiative gestartet. Sie haben den Verband der Erwachsenen aus den Waisenhäusern gegründet und fordern Ermittlungen gegen Missbräuche in den Kinderheimen in den letzten fünf Jahrzehnten. Vorsitzender dieses Verbands ist Daniel Rucăreanu. Er wurde in zwei Waisenhäusern untergebracht und hat es überstanden. Er ist 37 Jahre alt, hat studiert und möchte den verlassenen Kindern helfen.



    Die Zahl jener Personen, die in solchen Institutionen untergebracht wurden, ist sehr hoch, und es gibt keine Stimme, die sie vertritt. Wir verfolgen mehrere Ziele. Das erste Ziel betrifft die Rückgewinnung der Erinnerung an diese Institutionen. Bis jetzt gab es keine Initiative, ein Museum dieser staatlichen Sozial-Institutionen zu gründen, und auch keine Pläne, Bänder mit den Geschichten derjenigen zu veröffentlichen, die eine solche Erfahrung gemacht haben. Wir möchten auch ein Netzwerk der Erwachsenen gründen, die in Fürsorge-Institutionen untergebracht wurden. Sie sollen Partner der öffentlichen Behörden werden, die die von ihren Eltern getrennte Kinder schützen.“




    Die Unterbringung Kinderheimen hat verheerende Folgen. Daniel Rucăreanu erinnert sich an die Zeit, als er Fürsorgeempfänger war:



    Das Leben in einer solchen Mammut-Institution war überhaupt nicht leicht. Alle hatten schon ein gro‎ßes Trauma wegen der Trennung von der Familie erlebt. Dann kamen weitere Traumen hinzu: keine Liebe, die Traumen der Unterbringung in einem unvertrauten Milieu, die sehr stark sind. Viele derjenigen, die in solchen Institutionen gelebt haben und noch leben, können diese traumatischen Erlebnisse nicht loswerden. Ich habe 7 Jahre in diesen Institutionen verbracht, die eine lag in Ploieşti und die andere in Buşteni. Mein Glück war, dass ich als kleines Kind, ich war damals 8-9 Jahre alt, eine Familie aus Buftea kennengelernt habe. Es waren ältere Leute, die mich lieb hatten. Sie haben mich nicht adoptiert. Aber ich verbrachte die Ferien bei ihnen und ich konnte so das institutionalisierte Leben im Kinderheim loswerden und auf diese Weise das Scheitern im Leben vermeiden. Sehr wenige dieser Kinder machen Abitur und studieren danach. Nur etwa 2-3%. Ich habe nur meine Mutter kennengelernt, meinen Vater nicht. Ich wurde ein Opfer des Missbrauchs in der Familie. Bevor ich in eine Schutz-Institution kam, habe ich eine Zeitlang auf der Stra‎ße gelebt.“




    Laut den Zielen der Strategie betreffend die Kinderrechte für die Periode 2014-2020 müsste Rumänien alle Kinderheime schlie‎ßen und die Kinder in Familien integrieren. Die Stiftung Hope and Homes for Children Romania“ ist seit dem Jahr 2000 aktiv in Rumänien und gibt den traurigsten Kindern in der Welt Hoffnung. Die Stiftung hilft ihnen, in einer Familie aufzuwachsen. Otto Sestak, Manager der Bildungsprogramme von Hope and Homes For Children Romania, berichtet:



    Nach der Revolution hat sowohl die rumänische Gesellschaft als auch die internationale Gemeinschaft gesehen, wie gro‎ß das Problem der Waisenkinder war und unter welchen schlimmen Bedingungen sie gelebt haben. Man hat im Fernsehen die ersten Aufnahmen mit diesen Kindern gezeigt. Die Reform in diesem Bereich hat in Rumänien in 1996 angefangen. Diese Reform ist etwas komplexer als nur der Übergang von den alten Institutionen zum Wohnen in der Familie. Es handelt sich um ein Paradigmenwechsel der sozialen Dienstleistungen. Viele glaubten, dass die über 100.000 Kinder, die sich Anfang der 2000er Jahre in Kinderheimen befanden, keine Eltern hatten. Die Wahrheit ist, dass 80 – 90% dieser Kinder Eltern hatten. Sie waren keine Waisenkinder. Aber es gab zu dem Zeitpunkt keine anständige Lösung für sie, um in ihrer Familie bleiben zu können.“




    In den letzten 15 Jahren, seitdem die Stiftung Hope and Homes for Children in Rumänien aktiv ist, haben über 6.000 Kinder die Institutionen verlassen, 21.000 Kinder wurden von der Aussetzung gerettet und 47 Kinderheime endgültig geschlossen. Insgesamt haben heute 30.000 Kinder ein besseres Leben: Ihnen wurde geholfen, sich in ihre eigenen Familien zu integrieren, oder sie wurden bei Pflege-Eltern untergebracht. Für andere wurden Familienhäuser errichtet. Otto Sestak:



    Jedes Kind braucht ein Haus und eine Familie. Wir möchten jedem Kind ein Haus und eine Familie anbieten. Wir möchten die Kinder näher an Familien bringen. Wir müssen die alten Institutionen schlie‎ßen. Es stimmt, wir bauen auch Häuser, in denen Kinder, die in der Familie missbraucht werden, untergebracht werden. Das gilt aber nur als zeitweilige Lösung, so dass die Kinder dann zur eigenen oder in eine andere Familie kommen.“




    Die Stiftung Hope and Homes for Children“ setzt sich auch für die soziale Integration der Jugendlichen ein, die das System verlassen. Bis jetzt hat die Stiftung 456 Jugendlichen geholfen, sich ein ordentliches Leben aufzubauen.

  • Haushaltsentwurf für 2015 soll Mitte Januar erstellt werden

    In den letzten Wochen hat die Regierung in Bukarest die Anhebung der Renten angekündigt. Diese werden beginnend mit dem 1. Januar 2015 steigen, so wie auch die Gehälter der Angestellten aus dem Gesundheitswesen und die Gelder für Kinderheime und Altersheime. Welche sind aber überhaupt die Finanzierungsquellen dieser zusätzlichen Ausgaben?




    Wegen der Präsidenschaftswahl wurde noch kein Haushaltsentwurf für 2015 erstellt. Die Mitte-rechts-orientierte Opposition beschuldigte die jetzige sozialdemokratische Regierung keine Vision zu haben. In einem Interview für Radio Rumänien gab die Finanzministerin Ioana Petrescu eine Reihe von Erklärungen dazu:




    Auf technischer Ebene, wird der Haushaltsentwurf für 2015 Anfang Dezember zusammen mit dem IWF erstellt. Die mögliche neue Regierung und der mögliche neue Ministerpräsident werden ihn wahrscheinlich im Januar 2015 annehmen. Das weil der IWF darauf beharrt im Januar 2015 eine offizielle Mission nach Rumäbnien zu schicken. Der IWF verhandelt nicht und unterzeichnet keine Absichterklärungen mit Interimsregierungen. Es ist möglich, dass wir eine andere Regierung haben werden. Deshalb möchten sie Mitte Januar, um den 13. Januar kommen. Wie im Rahmen der letzten Gespräche vereinbart, sollte der Haushalt für 2015 um dieses Datum fertig erstellt werden.”




    Cătălin Predoiu, Vizevorsitzender der liberaldemokratischen Partei, erklärte hingegen, die Regierung würde die Vorlegung des Haushaltentwurfs im Parlament verzögern um die Probleme, die durch die Kürzung der Investitionen entstanden sind, zu decken.




    Durch die Beseitigung der staatlichen Investionen, der Regierungs-Investitionen aus dem Haushalt, aus den Wirtschaftspolitiken der Regierung, druch ihre Herabsetzung auf ein Minimum, wird jedwelche Wirtschaftswachstums-Möglichkeit für 2015 gefährdet.”




    Auch wegen der Reduzierung der öffentlichen Investitionen hat die EU-Kommission die Wirtschaftswachstum-Prognose Rumäniens für 2014 nach unten korrigiert. Dieses werde die 2%-Marke nicht überschreiten. Die Reduzierung der Investitionen habe das Wachstum geschwächt, erklärte auch Rumäniens Notenbank-Chef, Mugur Isărescu. Das könnte jedoch auch Positives mit sich bringen, meinte weiter Isărescu. Zusammen mit den Massnahmen zur Korruptions-Bekämpfung und zur Bekämpfungen der Steuerhinterziehung könnte es ein Zeichen der Optimierung der öffentlichen Ausgaben sein. Seitens der Nationalbank kamen auch positive Nachrichten in puncto Inflation. Diese sollte in diesem Jahr von 2,2 auf 1,5 % sinken.

  • Hörerpostsendung vom 12.05.2013

    Hörerpostsendung vom 12.05.2013

    Klaus Karusseit (aus Vikingstadt, Schweden) hört unseren Sender seit über 50 Jahren und meldet sich immer noch regelmä‎ßig mit Empfangsberichten und Feedback zu unseren Sendungen. Unlängst hatte er auch eine Frage:



    Im September 2005 war ich in Rumänien in Marghita. Da besuchten wir ein Kinderheim namens ‚Casa Albă‘. Was man dort noch sah, da konnte man sich ein Bild machen, wie es früher gewesen sein muss. Die Kinder sa‎ßen auf ihren Betten und pendelten hin und her. Sind diese Kinder integriert in der Gesellschaft, sind sie angepasst? Ich würde mich freuen, Positives zu hören.“



    Vielen Dank für Ihre Frage, lieber Herr Karusseit. Zunächst ein paar Worte zur Erläuterung der Situation in rumänischen Kinderheimen, da vielleicht nicht alle Hörer davon wissen. In den 1990er Jahren gingen erschütternde Bilder um die Welt. Nicht wenige rumänische Kinderheime waren Orte des Schreckens — aufgrund fehlender elementarer Grundversorgung und in Ermangelung speziell ausgebildeter Pfleger, Sozialarbeiter und Pädagogen litten insbesondere Kinder mit besonderen Bedürfnissen oder bestimmten Behinderungen an Unterernährung und unzureichender Fürsorge. Dieses Hin- und Herwackeln, das Herr Karusseit beschreibt, ist nicht unbedingt mit geistiger Zurückgebliebenheit zu erklären, sondern kann auch die Folge fehlender menschlicher Zuneigung und ein Zeichen der Verwahrlosung dieser Kinder sein. Es war dies auch die Folge der unseligen Geburtenpolitik, die das Ceauşescu-Regime umsetzte. Aber darüber komme ich noch zu sprechen.



    Dank der Hilfe engagierter Menschen aus Westeuropa (darunter auch aus Schweden) und den USA hat sich die Situation seitdem erheblich gebessert, Zustände wie die beschriebenen dürfte es mittlerweile nicht mehr geben, zumindest nicht mehr so gravierend wie in den ersten Jahren nach dem Umbruch.



    Marghita liegt etwa 56 Km nordöstlich von Oradea (Gro‎ßwardein) in Nordwestrumänien und damit knapp 600 Km von Bukarest entfernt. Das Kinderheim Casa Albă“ betreibt keine eigene Webseite, so dass ich keine Informationen aus erster Hand weitergeben kann. Ich bin aber auf einer anderen Webseite fündig geworden. Es gibt nämlich eine internationale christliche Stiftung namens Elim“ (www.fce.ro), die sich im Rahmen mehrerer Projekte um die Unterstützung und Integration verlassener Kinder in Rumänien kümmert. Viele Projekte werden gerade in Marghita und Umgebung umgesetzt, die mittlerweile über 40 Angestellten und Volontäre kommen aus Rumänien, den USA, Gro‎ßbritannien, den Niederlanden und Schweden. Die Teamarbeit wird vom schwedischen Ehepaar Lars und Barbro Gustavsson koordiniert, das seit Mitte der 1990er jahrelang in Marghita gelebt hat.



    Im zur selben Webseite gehörenden Blog berichtet ein anderes schwedisches Ehepaar von seinem Besuch im April 2013 in Marghita in überwiegend positivem Ton. Auf den Fotos sind auch lächelnde Kinder zu sehen, folglich ist anzunehmen, dass auch in Marghita die Situation der Kinder viel besser als früher ist.



    Ich hoffe, Ihre Frage damit zufriedenstellend beantwortet zu haben, lieber Herr Karusseit.




    Passend zum Thema hat auch unser Stammhörer Klaus Köhler (aus Probstzella, Thüringen) gleich mehrere Fragen:



    Lieber Sorin, liebe Redaktion,



    vor einiger Zeit bin ich auf ein sehr interessantes Buch namens Doktor Oldales geographisches Lexikon“ gesto‎ßen. Es fiel mir dieser Tage wieder — und immer noch ungelesen — in die Hände. Es ist eine wahre Fundgrube an zumeist weniger bekannten Zahlen und Fakten zu knapp 200 Ländern der Erde. John Oldale wird auf dem Buchrücken als Weltenbummler beschrieben, der mehr als 90 Länder selbst bereist hat. Und was soll ich Ihnen sagen, auch Rumänien ist eine Seite — wie den anderen Ländern auch — gewidmet mit “ungewöhnlichen” Informationen. Und daraus möchte ich folgend zitieren:



    »Als Rumäniens kommunistischer Machthaber Nicolae Ceauşescu in der Revolution von 1989 erschossen wurde, hatte er wahrscheinlich keine Ahnung, wie schlimm es um sein Land stand. Zu verdanken hatte er dies dem Eifer seiner Apparatschiks. Demnach hielt sich der Staat eine Herde wohlgenährter Kühe, die auf jeder Farm, die Ceauşescu besuchte, zur Schau gestellt wurde. Jeder Laden, den er betrat, war zuvor mit ‚Lebensmitteln‘ bestückt worden, die sich oftmals als Styropor-Attrappen erwiesen.



    Ein politisches Terrain, das ihm selbst am Herzen lag, war die Obsession, die Bevölkerung des Landes zu vermehren. Um dies zu erreichen, verbot er Empfängnisverhütung und Abtreibung gleicherma‎ßen (und stationierte Geheimagenten der Securitate auf jeder gynäkologischen Klinikstation, um sicherzugehen, da‎ß seine Verbote auch eingehalten wurden).



    Um nichts dem Zufall zu überlassen, zwang er alle Frauen im gebärfähigen Alter zu regelmä‎ßigen gynäkologischen Untersuchungen, bestrafte kinderlose Paare und unverheiratete Frauen über 25. Alle Bücher über Sexualerziehung und menschliche Fortpflanzung wurden als Staatsgeheimnis eingestuft.«



    Ich will und kann es einfach nicht glauben, was da geschrieben steht, besonders die Bemerkungen zu Empfängnisverhütung und das Verbot der Aufklärung zur Sexualerziehung. Bestimmt gelingt es Ihnen, dazu Fakten zu nennen, welche auch andere Hörer interessieren sollten.“



    Vielen Dank für Ihr Interesse an Rumänien, lieber Herr Köhler. Die Ceauşescu-Diktatur gehört tatsächlich zu den unrühmlichsten Kapiteln in der rumänischen Geschichte. Ich fange mal von hinten an, da das zuletzt Angedeutete direkt mit dem Thema Kinderheime zusammenhängt, das Ihren Hörerkollegen aus Schweden interessierte.



    Im Oktober 1966 wurde das ominöse Dekret Nummer 770 promulgiert, womit Abtreibungen unter schweren Strafandrohungen verboten wurden. Ausgenommen davon waren Frauen im Alter über 45 Jahren, Frauen, die bereits vier Kinder gezeugt und unter ihrer Obhut hatten, und Opfer von Vergewaltigungen sowie Schwangere, deren Ungeborenes das Ergebnis eines Inzestes war. Ebenfalls erlaubt blieben Abtreibungen, wenn die Schwangerschaft das Leben der Frau ernsthaft gefährdete, wenn ein Elternteil dem auszutragenden Kind eine schwere Krankheit vererben würde, die zu kongenitalen Missbildungen führen könnte, und wenn die Schwangere schwere körperliche oder geistige Behinderungen aufwies.



    Für gesunde Frauen beginnend mit dem zeugungsfähigen Alter bis 45 Jahren öffnete das absolute Abtreibungsverbot den Weg zu illegalen und oft unter medizinisch und hygienisch unzulänglichen Bedingungen durchgeführten Schwangerschaftsabbrüchen. Die Tragödie war vorprogrammiert. Viele Frauen starben an den Komplikationen, die als Folge der illegalen Abtreibungen eintraten. Allein für das Jahr 1989 geht man von knapp 1.200 Opfern aus, für die gesamte Zeit 1966-1989 schätzt man die Zahl der ums Leben gekommenen Frauen auf ca. 9.500. Die Dunkelziffer dürfte sogar viel höher sein, denn in den ärztlichen Registern stand aufgrund einer Parteiweisung oft nur die halbe Wahrheit. So wurden als Todesursache nicht selten nur Nierenblockade“ oder Blutvergiftung“ erwähnt.



    Hintegrund für den ominösen Erlass war die kurz davor erarbeitete demographische Studie einer Kommission, die der damalige Gesundheitsminister leitete; die Studie wurde im August 1966 dem Zentralkomitee der Rumänischen Kommunistischen Partei vorgelegt. Ein älterer Erlass von 1957 erlaubte bis dahin den Schwangerschaftsabbruch, unter allen damaligen Ostblockstaaten hatte Rumänien eine der liberalsten Abtreibungsregelungen. Dies habe zu einer dramatischen Zunahme der Abtreibungen geführt, die Zeitung Adevărul“ berichtet in einem Artikel zum Thema, dass allein im Jahr 1965 insgesamt über 1,1 Mio. Kürettagen durchgeführt worden seien und damit doppelt soviel wie 1959. Die Autoren der demographischen Studie waren allerdings guten Glaubens und nannten als Ursache der hohen Abtreibungszahlen die mangelhafte Sexualaufklärung sowie unzureichende Verhütungsmittel.



    Trotzdem stand Rumänien in puncto Bevölkerungszuwachs gar nicht so schlecht da. Die Volkszählung von 1965 hatte 19,1 Mio. Einwohner ermittelt und damit um zwei Millionen mehr als zehn Jahre früher. Unter Beibehaltung der damaligen natürlichen Bevölkerungszuwachsrate von 14,6% habe Rumänien im Jahr 2000 etwa 21,5 Mio. Einwohner zu erwarten, hie‎ß es noch in der damaligen Studie. Das war den hohen Kadern im Zentralkomitee aber nicht genug. Die Studie und ihre Autoren lie‎ßen sie abschmettern und forderten eine Geburtenpolitik, die Rumänien bis im Jahr 2000 eine Bevölkerung von 30 Mio. Einwohnern bescheren soll.



    Mit dem Dekret von Oktober 1966 wurden diese Wahnvorstellungen in Wirklichkeit umgesetzt. Im Jahr 1967 verdoppelte sich die Geburtenzahl, man darf sich partout fragen, wieviele neue Erdenbürger in den darauf folgenden Jahren unerwünschte Kinder waren. Der Volksmund spottete gleich darauf und nannte zunächst alle 1966 gezeugten, später alle zwischen 1967 und 1989 geborenen Kinder decreţei“ (in etwa: Dekretler, Dekret-Knirpse).



    Verhütungsmittel wurden offiziell zwar nicht verboten, sie verschwanden aber allmählich aus dem Handel und sicherlich konnte sich nicht jede Frau die teuren Schwarzmarktpreise leisten, zu denen Antibabypillen als Schmuggelware aus anderen Ländern nur bregrenzt zu ergattern waren. Kondome gab es noch eine Zeit, aber auch hier hie‎ß es, sie seien so schlecht, dass sie beim Geschlechtsverkehr garantiert platzen würden oder dass Vater Staat die Kondome mit winzigen Löchern versehen habe.



    Dass Bücher zur Sexualkunde oder –erziehung als Staatsgeheimnis eingestuft worden seien, das ist wohl eher eine Übertreibung des Weltenbummlers John Oldale. Sicherlich waren sie selten geworden und die vorhandenen wurden nicht mehr neuverlegt. Es stimmt allerdings, dass Frauen aus dem Arbeitermilieu, z.B. Fabriksarbeiterinnen, regelmä‎ßig auf Schwangerschaft untersucht wurden. Und dass Frauenärzte besonders bespitzelt wurden, liegt auf der Hand. Damit wird z.T. auch erklärlich, warum so viele Kinder in Heimen verlassen wurden und wie es zu den katastrophalen Zuständen in den rumänischen Kinderheimen Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre gekommen war.



    Herkömmliche Postbriefe erhielten wir von mehreren Hörern.







    Hannu Kiiski (aus Hamina, Finnland) — er schickt uns auch ein schönes Foto von seiner Hobbywand (Bild rechts anklicken); daran hängen u.a. viele Wimpel, die unser Sender in den 1980er und 90er Jahren herstellte; leider ist die Herstellung von Wimpeln seit einigen Jahren ausgesetzt worden; danke auch für die Briefmarken aus Finnland, lieber Herr Kiiski.

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    Die erste Reihe oben besteht

    ausschlie‎ßlich aus RRI-Wimpeln


    Günter Kastner (aus Salzburg, Österreich) schickte uns eine Postkarte mit der Innenansicht der Sankt-Markus-Kirche seiner Heimatstadt. Danke für die Ostergrü‎ße zum orthodoxen Auferstehungsfest! Von Joachim Verhees (aus Krefeld) erhielten wir einen Umschlag mit mehreren Empfangsberichten für die Monate Februar und März.



    Hartmut Müller (aus Brandenburg an der Havel) schickte uns nebst seinen Empfangsberichten und einer Ostergru‎ßkarte einige Gedanken zur Zukunft der Kurzwelle sowie Erinnerungen aus der Zeit, als er mit DX-ing als Hobby begann. Seine Zeilen hebe ich mir für nächsten Sonntag auf.



    Klaus Köhler (aus Probstzella, Thüringen) schickte mehrere Ausschnitte aus deutschen Zeitungen, die sich mit den jüngsten rumänienbezogenen Themen befassten (wie z.B. das Pferdefleischskandal oder die Migration der Roma). Vielen Dank dafür. Ich lese zwar regelmä‎ßig die Online-Ausgaben der gro‎ßen deutschen Wochenzeitschriften wie Zeit“, Welt“, FAZ“ und Spiegel“, Ausschnitte aus regionalen Zeitungen oder aus bunten und illustrierten sind aber auch interessant, da ich mir dadurch ein breiteres Bild von der Berichterstattung machen kann.



    Reiner Peuthert (aus Stendal, Sachsen-Anhalt) — danke auch für den sympathischen NDR-Aufkleber mit der Robbe drauf.



    Franz Mulzer (aus Cham, Oberpfalz, Bayern) — danke für die Glückwünsche zum bevorstehenden 85. Geburtstag unseres Senders.



    Hans-Peter Themann (Helsa, Hessen) berichtet über gute Empfangsbedigungen Ende März und gesteht, dass unsere Rubrik Radiotour“ Lust auf Urlaub macht.







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    Reinhold Meyer (aus Liesborn, NRW) legte auch ein Foto seines Weltempfängers bei (s. links).

    Bild zum Vergrö‎ßern ancklicken


    Weitere Post erhielten wir von Georg Schafheitle (aus Singen am Hohentwiel, Baden-Württemberg), Wilfried Hoberg (Mühlhausen, Thüringen), Gerolf Tschirner (Landshut, Bayern), Christoph Paustian (Murg, Baden-Württemberg), Christoph Jestel (Gruna in Lau‎ßig, Sachsen).



    Ein Fax erhielten wir von Günter Spiegelberg (aus Güstrow, Mecklenburg-Vorpommern).



    E-Mails erhielten wir bis einschlie‎ßlich Sonntagmittag von: Klaus Karusseit (SE), Gérard Koopal (NL), Josef Robl (A) sowie Werner Schubert, Harald Gabler, Philipp Ganzer, Michael Ickenroth, Petra Kugler, Wolfgang Lehmann, Christoph Preutenborbeck, Ralf Urbanczyk, Herbert Jörger, Norbert Hansen, Bernd Seiser, Sieghard Brodka, Frank Ronald Gabler und Rudolf Sonntag (alle aus Deutschland).



    Unser Online-Formular benutzten Horst Cersovsky, Patrick Wietschke und Klaus Nindel (alle aus Deutschland).



    Audiobeitrag hören: