Tag: Kindertelefon

  • Zivilgesellschaft gegen Bullying: Bekämpfung institutionell geregelt

    Zivilgesellschaft gegen Bullying: Bekämpfung institutionell geregelt

    Belästigung oder Aggression unter Kindern — oder Bullying, wie dieser Begriff auch in der rumänischen Sprache alltäglich geworden ist –, ist in den letzten Jahren zu einem in der Öffentlichkeit gut bekannten Thema geworden. Dieses negative Phänomen wurde durch Artikel in der Presse und durch Kampagnen der Zivilgesellschaft dem Publikum präsentiert und es wurde in der Öffentlichkeit diskutiert, wie man Bullying bekämpfen kann. Eine der Kampagnen hei‎ßt Cartoon Network Friendship Club“, sie wird in Zusammenarbeit mit der NGO Kindertelefon“ durchgeführt und hat bereits die fünfte Auflage erreicht. Das Motto, das die Kinder ermutigt, Schikanen zu bekämpfen, lautet: Sei freundlich, nicht böse“. Die Turnerin Cătălina Ponor, mehrfache Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin, ist die Sprecherin dieser Kampagne, die sie für sehr nützlich hält. Cătălina Ponor:



    »Sei freundlich, nicht böse« ist eine schöne Botschaft, voller Freundschaft, die uns lehrt, nicht böse, sondern freundlicher zueinander zu sein, einander zu helfen. Alles basiert auf Freundschaft. Das Kindertelefon des Kindes unterstützt die Bullying-Opfer, und ich hoffe, dass unser Motto auch bei Erwachsenen mehr Freundschaft bringt. Glücklicherweise hatte ich keine persönlichen Bullying-Erfahrungen — die Trainer und die Kollegen waren wie meine Familie. Aber ich sah Bullying-Situationen vor dem Sportsaal, wo ich trainierte, in der Nähe von Schulen oder auf der Stra‎ße, und ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Es ist aber nicht in Ordnung, nicht zu wissen, was man in solchen Situationen tun sollte. Es ist viel besser, Mut zu fassen und den anderen zu sagen, was man gesehen hat. Und man muss auch die Person, die belästigt wird, unterstützen und ihr in irgendeiner Weise helfen.“




    Die NGO Kindertelefon” hilft seit vielen Jahren den Kindern, die von anderen Kindern angegriffen und misshandelt werden. Die Bullying-Opfer können die Angriffe unter der Rufnummer 116111 melden. In letzter Zeit hat es immer mehr Anrufe gegeben, es wurden Fälle von Belästigung und Bullying aufgedeckt und somit änderten sich die Statistiken auf beunruhigender Weise. Aber auch wenn die Beschwerden zahlreicher wurden, gehen die Fachleute davon aus, dass die Anrufe nur die Spitze des Eisbergs beim Phänomen Bullying darstellen. Nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern rufen bei 116111 an und reklamieren Bullying-Situationen im Kindergarten, was einem Anteil von 8,76% entspricht. In den Grundschulen (Klassen 1 bis 4) lag der Prozentsatz der Eltern, die Bullying gegen ihre Kinder reklamierten, bei 40,29%, in der Hauptschule (Klassen 5 bis 8) bei 48% und im Gymnasium (Klasen 9 bis 12) bei 2,95%. Mehr dazu von der Koordinatorin des Kindertelefons, Cătălina Surcel:



    Viele Eltern, die uns in solchen Situationen kontaktiert haben, hatten Kinder in der Grundschule und in der Hauptschule. Was das Geschlecht der Opfer betrifft, so waren die Kinder, deren Eltern das Kindertelefon genutzt haben, zu 70% Jungen in den Altersgruppen 3 bis 6 Jahre bzw. 7 bis 10 Jahre. Warum haben die Eltern mit unserem Verband Kontakt aufgenommen? Vor allem, um nach rechtlichen Lösungen zu suchen. Fast 65% der Anrufer brauchten Rechtshilfe. Da es jedoch keinen entsprechenden Rechtsrahmen für solche Situationen existiert, gab es auch Eltern, die bei uns Rechtsberatung suchten, um dann individuell die notwendigen Schritte zu unternehmen. Dies war in 22,86% der gemeldeten Bullying-Situationen der Fall. 14,85% der Eltern forderten die Intervention der Institutionen, die auf der Grundlage einer internen Regelung der Bildungseinrichtungen befugt sind, in Fällen von Belästigungen und Bullying im schulischen Umfeld zu intervenieren. 55,24% der Eltern hatten sich bereits bei der Schulleitung oder beim Schulinspektorat beschwert, waren aber mit den erhaltenen Antworten unzufrieden. Da es keinen nationalen Rechtsrahmen in diesem Bereich gibt, konnten auch keine Ma‎ßnahmen ergriffen werden, um Bullying-Situationen angemessen zu lösen.“




    Wenn es um Lösungen geht, wollen 44% der Eltern von Kindern, die Opfer von Bullying werden, dass die Schule durch Zwangsma‎ßnahmen gegen das gewalttätige Kind vorgeht, und 27% fordern dessen Ausschluss von der Schule. Ein durch Mobbing oder Bullying ausgelöster Schulwechsel für das Opfer nehmen 29% der Eltern in Betracht. Deshalb ist es dringend notwendig, ein Anti-Bullying-Gesetz zu verabschieden, um nicht mehr chaotisch zu handeln. Der Vorschlag zur Änderung des Bildungsgesetzes durch Ma‎ßnahmen gegen Mobbing und Bullying in der Schule wurde vom Parlament angenommen und soll vom Staatspräsidenten promulgiert werden. Die Empfehlungen des Kindertelefon-Verbandes, die nach Gesprächen mit Eltern und Kindern formuliert wurden, sind in diesem Projekt enthalten, sagt Cătălina Surcel:



    Es ist höchst notwendig, dass die Schulen Verfahren zur Identifizierung von Mobbing und Bullying entwickeln. Ferner sollten in allen Schulen des Landes spezialisierte Schulberater für Mobbing und Bullying tätig sein, die klare Befugnisse für die Lösung solcher Fälle haben. Das Bullying-Thema sollte in den Lehrplan und in die Lehrbücher für Bürgererziehung aufgenommen werden und von den Klassenlehrern in den Erziehungsstunden mit den Kindern diskutiert werden. Die Audio- und Videoüberwachung muss nicht nur in Schulen, sondern auch in Kindergärten verwendet werden. Au‎ßerdem müssen die Lehrer darauf vorbereitet sein, sich dieser Herausforderung in der Schule zu stellen. Die Gesetzesinitiative, die vom Staatspräsidenten promulgiert werden soll, beinhaltet auch diese Empfehlung. Es ist auch notwendig, die Eltern durch eine effektive Zusammenarbeit zwischen Schule und Familie einzubeziehen.“




    Die Wünsche der Kinder müssen berücksichtigt werden. Die Kinder wollen vor allem gehört und verstanden werden. Sie wollen nicht, dass andere Leute ihre Probleme lösen, ohne sie zu fragen. Cătălina Surcel:



    Was Kinder wirklich nicht wollen, ist, dass die Eltern dem ersten Impuls nachgeben, indem sie zur Schule gehen, um das Problem selbst zu lösen. Die Kinder wollen zusammen mit ihren Eltern entscheiden, was zu tun sei und welche Schritte man unternehmen sollte.“




    Dies sind weitere Gründe dafür, dass die Intervention zur Bekämpfung des Mobbing- und Bullying-Phänomens institutionell geregelt und nicht auf dem Niveau der individuellen Abklärungen belassen wird.

  • Bettelkinder in Rumänien

    Bettelkinder in Rumänien

    Man kann sie auf den überfüllten Sta‎ßen im Zentrum der Hauptstadt, um die Bahnhöfe herum und bei den Supermarkteingängen sehen. Ihrem biologischen Alter nach sind sie Kinder, aber ihre Lebenserfahrung übertrifft oft jene vieler Erwachsener. Es sind die Bettlerkinder, die man in Rumänien in gro‎ßer Anzahl trifft. Was bringt diese Kinder dazu, zu betteln, sei es bei eisiger Kälte oder bei Hitze, gekleidet in Lumpen, wenn sie normalerweise den Schutz eines liebenden Heimes genie‎ßen müssten? Auf diese Frage versuchten der Verband Kindertelefon“, der Landesverband zur Bekämpfung des Menschenhandels und das Institut für Untersuchung und Vorbeugung der Kriminalität eine Antwort zu liefern.



    Das Projekt mit dem Namen Wo beginnt die Bettelei und wo hört die Kindheit auf?“, das von der französischen Botschaft finanziert wird, hatte die Ursachenerkennung für Jugendbettlerei als Ziel und die Identifizierung der Vorbeugungsmethoden der Ausweitung dieses Phänomens. Die Untersuchung bezüglich der Ursachen der Bettlerei beinhaltet Meinungen der Lokalbehörden über das Phänomen und soll keine statistische Studie darstellen. Dennoch sagt diese viel über die Betrachtungsweise des Phänomens aus, so Chekommissar Constantin Stroescu:



    Was die Ursachen der Bettelei bei Kindern anbelangt sei laut Behörden die Armut der Hauptgrund. Diese galt zu 85,4% als Auslöser für die Bettelei. Die anderen Ursachen sind das negative Umfeld in der Familie, die mangelnde Betreuung, die Anstiftung des Kindes zum Betteln durch die Eltern oder die Tatenlosigkeit der Schule und der Lokalbehörden. Wenn wir über die Nutznie‎ßer der Gewinne sprechen, die die Kinder aus der Bettelei erzielen, meinen die Lokalbehörden, dass diese in erster Linie ihre Familien sind. Dann kommen andere Personen, die die Kinder zum Betteln zwingen. Ganz am Ende ziehen die Kinder selbst Nutzen aus dieser Beschäftigung. Auf die Frage, woher die Bettelkinder stammen, antworteten die meisten Befragten, dass diese zu 75% Familien mit materiellen Schwierigkeiten angehören. Dann kommen Familien, in denen Alkoholmissbrauch zum Problem geworden ist, Familien, die von Hausgewalt gekennzeichnet sind oder die sich nicht um die Kinder kümmern.“



    Was die Zahl der bettelnden Kinder angeht, ist diese schwer abzuschätzen. Aber, wie Philippe Gustin, Frankreichs Botschafter in Bukarest, mit Bezug auf die 200 rumänischen Minderjährige, die in Paris betteln, sagt, seien nicht die Zahlen wichtig, sondern eher das Phänomen selbst. Ein einziges Kind, das bettelt, ist schon eines zu viel. Folglich ist 200 eine riesige Zahl“, so der Botschafter.



    Die Kinder-Hotline, die unter der Nummer 116.111 erreichbar ist , wurde gegründet, um den Kindern eine Möglichkeit zu bieten, gehört zu werden. Sogar die Idee des Projekts Wo beginnt die Bettelei und wo hört die Kindheit auf?“ wurde von Kindern ins Leben gerufen, die bei 116.111 angerufen haben. Cătălina Florea, Exekutivleiterin des Verbandes Kindertelefon“:



    Hinsichtlich der Zahl solcher Fälle, die beim Kindertelefon gemeldet wurden, gibt es sehr viele. Deshalb haben wir begonnen zu handeln, denn für uns am anderen Ende der Leitung ist es frustrierend, solche Fälle aufzunehmen und zu erfahren, dass die Gesetzgebung eigentlich nicht mehr erlaubt, als das, was bereits getan wird und zwar dass diese Kinder von mobilen Teams von der Stra‎ße weggenommen werden.“



    Die bettelnden Kinder werden von den Anstalten für Kinderschutz identifiziert, übernommen und im Notverfahren in Heime untergebracht. Dort bleiben sie aber nicht lange, wei‎ß Cătălina Florea:



    Am nächsten Tag sind sie kraft des Gesetzes wieder auf den Stra‎ßen. Die Sozialämter behaupten, sie hätten nicht das Recht, einen Minderjährigen zwangseinzuweisen. Ihm steht es also frei, aus diesem Heim weg zu gehen, wann immer er möchte. Wenn er immer wieder auf der Stra‎ße gefunden wird, haben wir es offensichtlich mit einem Problem zu tun. Das Problem ist nicht beim Kind, denn es ist nicht von allein auf die Stra‎ße gegangen. Deshalb sprechen wir auch über die Bestrafung der Eltern. Aus diesem Gesichtspunkt gibt es Gesetzeslücken.“



    Was ist unter diesen Umständen zu tun, damit sich dieses Phänomen nicht noch mehr ausweitet? Eine Lösung wäre, die Kinder in der Schule über die Ursachen des besagten Phänomens zu unterrichten. Au‎ßerdem müsste man ihnen beibringen, ihre Rechte zu verteidigen und Nein“ zu sagen, wenn sie zum Betteln gezwungen werden. Cătălina Florea, Exekutivleiterin des Verbandes Kindertelefon“:



    Wir sprechen über erzieherische Aktivitäten, die wir im September dieses Jahres unter den Kindern verstärken werden. Es ist notwendig, dass die Lehrkräfte diese erzieherischen Aktivitäten auch veranstalten. Zumindest während der Klassenstunden könnten solche Aktivitäten veranstaltet werden. Es ist wichtig, dass es eindeutige Sanktionen gegen die Eltern gibt, die ihre Kinder zum Betteln anstiften. Ich spreche nicht nur über Geldstrafen, sondern über mehr. Ein Kind zum Betteln zu veranlassen, müsste meiner Meinung nach mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden. Solange diese Familien davon leben und die finanziellen Ressourcen der Familien durch die Ausbeutung der Kinder erwirtschaftet werden, verdienen es die jeweiligen Eltern, hinter Gitter zu gelangen.“



    Dem Innenminister zufolge sehe des neue Strafrecht, das im Februar 2014 in Kraft treten soll, ernste Strafen für den Elternteil oder für den Vormund vor, der ein bettelndes Kind in seiner Betreuung hat. Die Behörden hoffen somit, die Bettelei der Jugendlichen einzudämmen.



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