Tag: Kischinjow

  • Moldaurepublik: innenpolitisch konfus, außenpolitische Ziele unsicher

    Moldaurepublik: innenpolitisch konfus, außenpolitische Ziele unsicher

    Die Amtseinführung der neuen moldauischen Minderheitsregierung im Februar mit Hilfe der Stimmen der prorussischen kommunistischen Abgeordneten hat einen Schatten auf das europäische Engagement des Kabinetts von Chiril Gaburici geworfen. Die Minderheitsregierung — gebildet aus den Liberaldemokraten und den Demokraten — wurde lange nach den Parlamentswahlen vom 30. November 2014 eingeführt und sei politisch schwach und geopolitisch konfus, meinen Beobachter. Die Liberalen, die eine Annäherung an Bukarest und Brüssel am stärksten befürworten, blieben in der Opposition. Gaburici muss beweisen, dass er den Weg, der von seinen Vorgängern, den prowestlichen Ex-Regierungschefs Vlad Filat und Iurie Leancă, eröffnet wurde, weiter gehen kann.



    Die Reformen, die von den Letzteren eingeleitet wurden, ermöglichten die Unterzeichnung der Assoziierungs- und Freihandelsabkommen zwischen Kischinjow und Brüssel und haben der Moldaurepublik die Hoffnung erweckt, der EU in 2020 beitreten zu können. Leancă sagt jetzt aber, die Moldaurepublik sei nun wie ein den Wellen überlassenes Boot. Auch Politanalysten sind dieser Meinung. Die jetzige politische Lange überschatte die Annäherung an die EU und die Korruption sei grö‎ßer als anfänglich geahnt, so der Politanalyst Nicu Popescu vom Institut für Sicherheitsstudien der EU mit dem Sitz in Paris. Es wurde keine solide proeuropäische Mehrheit gebildet und knapp eine Milliarde US-Dollar sei aus dem Bankensystem verschwunden. Die Moldaurepublik erlebt im Moment eine Glaubwürdigkeitskrise, sie ist unglaubwürdig sowohl in den Augen der eigenen Bürger als auch jenen der europäischen Regierungen. Rumänien hat die europäischen Bestrebungen der Moldaurepublik konsequent unterstützt. Die politische Lage in der Moldaurepublik beschäftigt natürlich auch die Politiker und Analysten in Bukarest. Iulian Chifu, Berater des Ex-Präsidenten Traian Băsescu, dazu:



    Rumänien spielt die Rolle, die es immer gespielt hat, nämlich des Anwalts der Moldaurepublik innerhalb der EU. Zugleich ist Bukarest gegenüber allen Kategorien von Hilfe-Ansuchen der Moldaurepublik offen. Andererseits bleiben wir realistisch, wir sind EU-Mitglieder und jedwede Unterstützung basiert auf Argumente. Wie gewöhnlich kommen wir nach Kischinjow und sagen: Führt Reformen durch, gibt uns Argumente, euch auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft zu unterstützen. Die schwierigen Probleme müssen nach wie vor in Kischinjow gelöst werden, man muss die Reformen durchführen, den Rechtsstaat stärken, die Unabhängigkeit der Justiz garantieren und die Korruption bekämpfen, das sind die Hauptkriterien.“




    Im Moment erodieren die Gegenleistungen der prowestlichen Regierung die Popularität der Idee der EU-Integration und bringen die Ideen der populistischen und prorussischen Politiker in den Vordergrund. Die verfeindeten Bruderparteien in der moldauischen Opposition, die Kommunisten und die Sozialisten, kämpfen sowohl um die Gunst Moskaus als auch um die Wähler mit sowjetischen Nostalgien. Das sind etwa 50% der Wähler. Zudem bleibt die Souveränität Kischinjows fraglich, so lange die Moldaurepublik keine Autorität über die separatistische prorussische Region Transnistrien wiedererlangt. Faktisch ist diese Region seit 1992 unabhängig, damals wurden die Separatisten von russischen Truppen unterstützt. Gerade weil die Institutionen in Kischinjow so schwach sind, sei die Entfachung eines Konflikts wie jener in der Ostukraine nicht auszuschlie‎ßen, glaubt Iulian Chifu, jetziger Chef des Zentrums zur Konfliktprävention und Frühwarnung:



    Die legitimen Behörden der Moldaurepublik verfügen nicht über die militärischen Kapazitäten, über Waffen, Truppen und Ressourcen, um einem Konflikt in der separatistischen Region stand zu halten. Die Truppenbewegungen am Dnejstr, von einem Ufer zum anderen, sollten Kischinjow alarmieren. Der Haushaltsstruktur ist aber nicht zu entnehmen, dass man sich ernsthaft damit beschäftigt.“




    Brüssel und Washington haben immer ihre Unterstützung für die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität der Moldaurepublik gezeigt. Es gibt aber wenige Stimmen in Kischinjow, die sich für einen NATO-Beitritt einsetzen. Iulian Chifu dazu:



    Natürlich muss auch die Moldaurepublik ihre Interessen sehen. Die Sicherheitsoption der Moldaurepublik kann nicht in Bukarest, Washington oder Brüssel bestimmt werden, sondern in Kischinjow.“




    Analysten warnen: Die Moldaurepublik sei keine Schweiz, geopolitisch, militärisch oder wirtschaftlich kann man die beiden Länder nicht vergleichen. Zudem befindet sich die Moldaurepublik in einer Region, in der Russland seine expansionistischen Ambitionen zufrieden stellen möchte.

  • Was kommt nach der Krim-Krise?

    Was kommt nach der Krim-Krise?

    Wirksamkeit und Zynismus — mit diesen zwei Worten bezeichnen die Politkommentatoren die Annektierung der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland. Es war ein Meisterwerk der Politik — die gesamte Intervention dauerte weniger als drei Wochen und wurde fast ohne Blutvergie‎ßen durchgeführt. Die militärische Invasion wurde durch einen Diskurs unterstützt, in dem Moskau unzählige, scheinbar vernünftige Argumente verwendet hat.



    Geschichtlich betrachtet wurde die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Krim 1921 als Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik RSFSR innerhalb der Halbinsel Krim kreiert. 1936 wurde die Republik in die Krim Autonome Sowjetsozialistische Republik umbenannt. 1945 wurde die autonome Republik aufgelöst und in die Oblast Krim der RSFSR umgewandelt. Durch ein Dekret des damaligen sowjetischen Führers, des Ukrainers Nikita Chruschtschow, wurde die Oblast im Jahre 1954 in die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik eingegliedert. Einem 1991 abgehaltenen Referendum folgend, wurde die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik Krim wieder errichtet und nach der Unabhängigkeit der Ukraine in die Autonome Republik Krim und die regierungsunmittelbare Stadt Sewastopol aufgeteilt.



    Demographisch betrachtet stellen weder die Ukrainer noch die Krim-Tataren, sondern die Russen, meistens im Besitz von russischen Pässen, den Hauptteil der Halbinselbevölkerung dar. Diese Russen stimmten bei der jüngsten Volksbefragung auf demokratischem Wege fast einstimmig für die Eingliederung in die Russische Föderation ab, und Russland sei verpflichtet, die russischen Staatsbürger gegen den drohenden ukrainischen Nationalismus zu schützen, hie‎ß es aus Moskau.



    Aus der Perspektive des Völkerrechts gibt es auch einen Präzedenzfall: Unter dem Schutz des Westens trennte sich die serbische Provinz Kosovo von Serbien und wurde zum unabhängigen Staat.



    Verglichen mit der Episode der Halbinsel Krim waren die vorangegangenen Interventionen des postsowjetischen Russlands in seinen ehemaligen Kolonien viel brutaler und weniger geschickt. Nach gewalttätigen Konflikten, bei denen Hunderte Menschen starben, trennte sich die mehrheitlich russischsprachige Region Transnistrien unter dem Schutz von russischen Streitkräften 1992 von der mehrheitlich rumänischsprachigen Republik Moldau. Und 2008, als die Panzer der ehemaligen Roten Armee fast in Tiflis eingerollt wären, wurden Abchasien und Ossetien von der Landkarte Georgiens weggeschnitten.




    Die Politkommentatoren und die westlichen Staaten zeigen sich darüber besorgt, da‎ß der jetzige Kreml-Führer Wladimir Putin neue Opfer für den territorialen Appetit Moskaus verlangen wird. Putin selbst erklärte, da‎ß die Ereignisse auf der Halbinsel Krim ein Test für die russische Armee waren. Der NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erklärte sich besorgt darüber, dass die russischsprachigen, russophilen Regionen im Osten der Ukraine zu weiteren Zielen der russischen Expansion werden könnten. Und der rumänische Staatspräsident Traian Băsescu sprach über die Befürchtungen der gesamten europäischen und euroatlantischen Gemeinschaft:



    Die Ereignisse von 2008, als die Russische Föderation Abchasien und Südossetien besetzt hat, können wir nicht mehr als isolierte Vorfälle betrachten. Es folgte die Ukraine, und jeder Politiker, jeder militärischer Befehlshaber sollte sich die Frage stellen, was nun kommen könnte. Jeder kann sich jetzt fragen, ob nun Transnistrien oder die Republik Moldau dran kommen. Die Unberechenbarkeit der Russischen Föderation zwingt uns, verschiedene Varianten und Reaktionsmöglichkeiten in Kauf zu nehmen.“




    Der Ministerpräsident der Republik Moldawien, Iurie Leancă, bekräftigte auch seine Besorgnis über die eventuellen Folgen des Präzedenzfalles Ukraine für die Republik Moldau. Das abtrünnige Regime in Transnistrien verfügt leider über die Möglichkeit, durch einseitige Beschlüsse derartige Situationen hervorzurufen“, präzisierte der Chef der prowestlichen Regierung in Kischinjow. Der Militärexperte Cornel Codiţă, General a.D. der rumänischen Armee, ist aber nicht davon überzeugt, da‎ß die Situationen in der Ukraine und in der Republik Moldau vergleichbar seien:



    Es handelt sich um zwei Staaten mit unterschiedlicher politischer Gewichtung und mit unterschiedlichen historischen und völkerrechtlichen Problemen. Selbstverständlich dachten viele, dass nach der Krim nun die Republik Moldau folge. Meiner Meinung nach schafft diese Annektierung genügend Probleme für Russland, so dass über längere Zeit solche Episoden nicht mehr vorkommen werden. Andererseits ist die Ukraine ein strategisches Ziel für Russland, während Transnistrien oder die Republik Moldau nur Begleiterscheinungen einer Politik sind, die sowieso von Moskau umgesetzt wird.“




    Kann die Moldaurepublik sich unter den Schutz der Europäischen Union und der NATO stellen? Einerseits haben die Ex-Sowjetrepubliken Georgien und Moldawien beim EU-Gipfel zur Östlichen Partnerschaft in Vilnius 2013 Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union paraphiert. Beide Staaten wollen bald die Abkommen unterzeichnen. Andererseits schlie‎ßt die Verfassung der Republik Moldau den Beitritt zu einer militärischen Allianz aus. Nach der Krim-Episode machten sich aber Stimmen laut, die sagten, dieses Tabu sei eigentlich obsolet. Cornel Codiţă dazu:



    Die Reaktion der EU war eine Beschleunigung des Assoziierungsprozesses. Höchstwahrscheinlich bleibt ein eventueller Weg der Republik Moldau in die NATO eine Frage der politischen Inlandsdebatte, und erst nachdem wir eine klare Position der Regierung in Kischinjow haben, werden wir auch sagen können, ob dieser Weg in die NATO glaubwürdig sei und ob dies schnell, langsam oder gar nicht geschehen könnte.“




    Zurzeit bleibt aber die Krim, durch die finanziellen Folgen der Annektierung, die gro‎ße Herausforderung für Wladimir Putin, meinen die Experten des Analyse-Zentrums Early Warning in Bukarest. Die Kosten der Invasion könnten 9 Milliarden Dollar erreichen. Die Gehälter und die Renten der Beamten auf der Krim, die jetzt vom russischen Staat bezahlt werden müssen, werden 15 Milliarden Dollar übersteigen — bereits jetzt hat die Regierung in Moskau jährliche Ausgaben von 400 Milliarden. Putin hat uns gezeigt, dass er keine Kosten scheut und bereit ist, gro‎ße Risiken einzugehen, wenn es um sein Prestige geht, schreibt noch das Analyse-Zentrum Early Warning. Momentan freuen sich die Russen über den Beschlu‎ß ihrer Führer in puncto Krim, aber die früher oder später eintretende Inflation wird ihre Ansicht noch drastisch ändern. Daher könnte die Rechnung für die Annektierung der Krim ziemlich hoch ausfallen, schlu‎ßfolgern die Experten.



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