Tag: Klischees

  • Die Kultursaison Rumänien-Frankreich ist eröffnet

    Die Kultursaison Rumänien-Frankreich ist eröffnet

    Der rumänische Staatspräsident, Klaus Iohannis, und der französische Präsident, Emmanuel Macron, haben am Dienstag im Centre Georges Pompidou in Paris die Kultursaison Rumänien-Frankreich eröffnet. Die Kultursaison, die bis zum 14. Juli 2019 dauert, ist ein wichtiger Punkt auf dem Fahrplan der bilateralen strategischen Partnerschaft und hat den Zweck, die Beziehungen zwischen den zwei Ländern bekannt zu machen und zu verstärken. Auf dem Programm stehen mehr als 400 Projekte: zahlreiche Kulturveranstaltungen und viele Events in den Bereichen Bildung, Innovation, Wirtschaft, Unternehmertum, Gastronomie, Tourismus und Sport sowie Zusammenarbeit zwischen lokalen Gemeinschaften.



    Im Internet wird die Kultursaison Rumänien-Frankreich 2019 mit originellen und amüsanten Bildern unter dem Motto Vergesst die Klischees! präsentiert: Edith Piaf und Graf Dracula in der französischen Version und Maria Tanase und Napoleon Bonaparte in der rumänischen Version. Zur DNA-Struktur der Kultursaison Rumänien-Frankreich gehören Europa, die Frankophonie und ein Blick in die Zukunft unserer bilateralen Beziehungen, um den Platz des rumänisch-französischen Paares in Europa zu bestimmen sagte der Generalkommissar Jean-Jacques Garnier, der für die französische Seite der Kultursaison zuständig ist. Es gibt sehr viele Klischees, und die Menschen in unseren Ländern kennen einander leider nicht gut genug. Vergessen wir aber nicht, dass 25% der Rumänen Französisch sprechen und schreiben, und 75% der Schüler in Rumänien die französische Sprache im Gymnasium studieren, sagte noch Jean-Jacques Garnier.



    Das Atelier des rumänischen Bildhauers Constantin Brancusi mit einer Installation von Mihai Olos, die Austellung gewidmet der berühmten rumänischen Trachtenbluse in Werken von Henri Matisse und Theodor Pallady, 50 Werke des bildenden Künstlers Andrei Cadere (1934-1978), die Ausstellungen der rumänischen Gegenwartskünstler Ciprian Mureşan, Şerban Savu und Adrian Ghenie sowie eine Monographie der Werke von Isidore Isou (1925-2007) stehen auf dem Veranstaltungsprogramm des Centre Pompidou in Paris. Im Frühjahr 2019 werden dann mehrere Events in Rumänien veranstaltet; die offizielle Eröffnung der Kultursaison Rumänien-Frankreich findet zwischen 18.-21. April statt.



    Die Kultursaison 2018-2019 ist die erste, die Frankreich zusammen mit einem EU-Land veranstaltet. Die Organisatoren, das sind das Französische Institut und das Rumänische Kulturinstitut, zusammen mit den Regierungen der zwei Staaten, haben erklärt, die Entscheidung für Rumänien habe auf der Hand gelegen, wenn man die günstige Konjunktur bedenkt: In der ersten Jahreshälfte 2019 wird Rumänien zum erstenmal die turnusmäßige EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Gleichzeitig markiert die Kultursaison 2018-2019 die Hundertjahrefeier seit der Gründung des modernen Rumänien und 100 Jahre seit dem Ende des Ersten Weltkriegs.

  • Politikstudentin Elvira Fuentes aus Spanien: „Jugendliche haben mehr Chancen in Rumänien“

    Politikstudentin Elvira Fuentes aus Spanien: „Jugendliche haben mehr Chancen in Rumänien“

    In Spanien hat unsere Gesprächspartnerin Internationale Beziehungen an der Universität Complutense in Madrid studiert. Als Studentin im dritten Jahr kam Elvira Fuentes mit einem Erasmus-Stipendium nach Bukarest, wo sie ihr Studium an der Fakultät für Politikwissenschaften fortsetzt. Weil ihr in Spanien allzu oft das stereotypische Denken in Bezug auf osteuropäische Länder aufgefallen war, wollte die junge Spanierin sich selber eine Meinung bilden. Und wo kann man das besser machen als vor Ort?:



    Bevor ich Rumänien kennenlernte, stand dieses Land für mich nur im direkten Verhältnis mit Korruption, mit harten Lebensbedingungen und mit den Roma; natürlich dachte ich nicht, dass diese Wahrnehmung 100% richtig ist, aber irgendwie war das alles, was ich um mich herum in Bezug auf euer Land hörte. Besonders im Süden Spaniens, wo ich herkomme, finden diese Klischees eine gro‎ße Resonanz. Als ich in Rumänien eingetroffen bin, war meine Wahrnehmung komplett unterschiedlich. Rumänien und Spanien sind eigentlich sehr ähnlich, sogar mehr, als ich dachte. In Spanien sind Bestechung und Korruption auch alltäglich. Ich glaube, dass die junge Generation hier mehr Chancen als in Spanien hat. Die Arbeitslosenquote ist niedriger als in Spanien, die Jugendlichen in Rumänien können ihre Stimme hören lassen, sie werden wie Erwachsene behandelt, sie arbeiten in Banken, in Branchen wie Informationstechnik oder Human Resources. In meinem Heimatland sind hingegen so viele Jugendliche orientierungslos und leben lange im Elternhaus. In Spanien ist es für unerfahrene Menschen sehr schwer, einen Job zu finden, weil alle Unternehmen nur erfahrene Mitarbeiter anstellen wollen. Zudem ist mir schnell aufgefallen, wie nett und gastfreundlich die Rumänen sind. Sie laden einen zum Essen ein, sie sind hilfsbereit, sie vermitteln gerne den Ausländern ihre Kultur und ihre Sitten, sie tun alles, damit ihr Gast sich wohl fühlt. Nicht zuletzt ist es auch günstig, hier zu leben, und das Land hat atemberaubende Landschaften.“




    Die junge Spanierin hat Rumänien bereits bereist. Die siebenbürgischen Städte Sibiu (Hermannstadt), Sighişoara (Schä‎ßburg), Braşov (Kronstadt), Cluj (Klausenburg), die Hochstra‎ße Transfăgăraşan, die traditionsreichen Regionen Maramureş und Suceava, die Schwarzmeerhafenstadt Constanţa, der Karpaten-Ferienort Sinaia, die Landschaft im allgemeinen hat sie mit ihrer vielfältigen Natur und ihren Schönheiten stark beeindruckt. Die angehende Politikwissenschaftlerin ist auch eine Kunstliebhaberin. Der Kunst widmet sie ihre Freizeit, sagt Elvira Fuentes:



    Hier in Rumänien besuche ich Museen, ich liebe die zeitgenössische Kunst, aber ich mag auch reisen und ich liebe Fremdsprachen. Ich lese auch gerne. Carlos Ruiz Zafón ist einer meiner Lieblingsautoren. Seine Bücher haben mich beeinflusst, dasselbe kann ich über den Roman von Gabriel García Márquez »Hundert Jahre Einsamkeit« sagen.“




    In Spanien widmete Elvira Fuentes ihre Freizeit der ehrenamtlichen Arbeit, vor allem den Hilfsprojekten für Roma-Kinder:



    In Madrid lebt eine zahlreiche Roma-Gemeinschaft. Ich habe mich gerne diesen Hilfsprojekten angeschlossen, wir kümmerten uns einfach um die Roma-Kinder in ihrem Alltagsleben, wir halfen ihnen bei Hausaufgaben, wir brachten ihnen Spanisch bei. Wir haben versucht, sie besser kennenzulernen, spezifische Programme für sie zu starten und dabei ihre Lebens- und Denkweise zu beachten. Ziel unserer Programme war es, sie für ein Leben in Spanien vorzubereiten, ihre Integration zu ermöglichen.“




    Selbst wenn sie Politikwissenschaft studiert und sich für Politik interessiert, möchte Elvira Fuentes nach dem Studiumabschluss keine aktive Rolle in diesem Bereich spielen. Wie sie sich ihre berufliche Zukunft vorstellt, sagte die spanische Studentin zum Schluss des Gesprächs:



    Ich wei‎ß nicht, was ich in Zukunft machen werde, aber bestimmt werde ich keine Politikerin. Weder die spanische noch die rumänische Politikbühne ist der Platz, wo ich tätig sein möchte. In beiden Ländern kann man ins System nur mithilfe von Beziehungen eintreten, zudem gibt es in beiden Ländern bekanntlich zahlreiche korrupte Politiker. Ich möchte im Bereich der Menschenrechte arbeiten, ich möchte mich für die Kooperation zwischen Gemeinden und die Lösung von Konflikten einsetzen, aber auf lokaler oder regionaler Ebene. Wenn man mit kleinen Gemeinden arbeitet, kann man etwas bewirken und die Menschen dabei unterstützen, die eigenen Überzeugungen bedingungslos zu vertreten.“

  • Frauenrechte in Rumänien: Sexismus und Diskriminierung kulturell verankert

    Frauenrechte in Rumänien: Sexismus und Diskriminierung kulturell verankert

    Ein sich vor wenigen Jahren zugetragener Vorfall sorgte für Aufregung und Empörung in der rumänischen Gesellschaft. Eine 18-jährige Schülerin aus der Ortschaft Văleni, Landkreis Vaslui, wurde von sieben Jugendlichen vergewaltigt. Nachdem die Richter die Verhaftung der mutma‎ßlichen Täter entschieden hatten, reagierte die Öffentlichkeit mit einer kontrovers geführten Debatte, bei der viele Klischees, Vorurteile und sogar victim blaming“ (Opferbeschuldigung) zu Tage kamen. Viele Stimmen haben damals behauptet, das Mädchen trage die Schuld für die Vergewaltigung, und mit der Verhaftung der mutma‎ßlichen Täter sei das Leben von sieben Familien zerstört worden. Sie beschuldigten das Mädchen sogar der Anstiftung zu sexuellen Handlungen.



    Sexistische Haltungen und Diskriminierungen sind leider auch im Europäischen Parlament anzutreffen. Ein polnischer Abgeordneter sagte unlängst, dass die Frauen weniger als die Männer verdienen müssten, weil sie schwächer, kleinwüchsiger und weniger intelligent seien. Eine ähnliche Behauptung machte auch ein bekannter rumänischer Neurochirurg und Politiker. Dieser sagte, Frauen hätten in der Chirurgie nichts zu suchen. Andreea Bragă, Soziologin vom FILIA-Zentrum, einer regierungsfreien Organisation, die für Gleichberechtigung kämpft, kommentiert die Umstände:



    Solche Äu‎ßerungen sind möglich, weil wir in diesem Bereich ungebildet sind. Wir wurden nicht erzogen, die Gleichberechtigung, den Respekt zwischen Frauen und Männern, die Geschichte des Feminismus, den Beitrag der Frauen zu schätzen. Wir wurden nicht gelehrt, wie gefährlich die Diskriminierung ist. Hinzu kommen die konservativen Stellungen, die die Frauenrechte angreifen. Als Beispiel erwähne ich den Marsch gegen die Abtreibung, der in mehreren rumänischen Städten organisiert wurde. Derartige Veranstaltungen beweisen, dass wir nichts aus der Geschichte Rumäniens gelernt haben. Wir sollten uns daran erinnern, dass in der kommunistischen Epoche die Abtreibungen verboten waren und dass über 10.000 Frauen ihr Leben wegen illegaler Schwangerschaftsabbrüche verloren haben. Wir befinden uns in einer Zeit, in der die Frauenrechte von den konservativen Positionen immer mehr angegriffen werden. Es gibt leider keine Alternative zu dieser Erziehungsweise. Wir haben Gesetze, wir haben eine Verfassung. Darin steht: Wir sind alle gleich. Die Realität aber sieht ganz anders aus. Es gibt zahlreiche Ungleichheiten.“




    Laut Statistiken wurde eine von vier rumänischen Frauen wenigstens einmal vom Partner physisch oder sexuell belästigt. Laut den neuesten Berichten der Staatsanwaltschaft (2013, 2014, 2015) wächst die Zahl der Opfer von Jahr zu Jahr. Wenn wir über den Arbeitsmarkt sprechen, dann können wir behaupten, dass die Frauen in Rumänien schlechter bezahlt und weniger als die Männer gefördert werden. Der Weltbank zufolge belegt Rumänien den dritten Platz, was die Arbeitslosigkeit der Frauen in der EU anbelangt. So wie Andreea Bragă sagte, muss die Lösung in der Erziehung, in der Bildung gesucht werden.



    Soziologen haben unlängst mehr als 1600 Abbildungen, die in Lehrbüchern vorkommen, untersucht und sind zur Schlussfolgerung gekommen, dass diese traditionelle Rollenbilder und Klischees verbreiten, die der Gleichberechtigung alles andere als dienlich sind, obwohl auch einige progressive Lehrbücher in den letzten Jahren veröffentlicht wurden. Cosima Rughiniş, Soziologin und Initiatorin der Untersuchung, erklärte uns, mit welchen Aspekten sich die Forscher auseinandergesetzt haben: mit der Art und Weise, in der die Frauen und Männer in den Abbildungen dargestellt sind, und mit der bebilderten Darstellung der modernen Technik. Was dabei herauskam: Die Mädchen sind schön, brav, tragen rosa Kleider und haben einen Spiegel oder einer Puppe in der Hand. In Lehrbüchern für ältere Jahrgänge wird die Puppe durch ein Kind und der Spiegel durch einen Topf ersetzt. Jungen hingegen werden mit Vorliebe als rebellisch und wagemutig dargestellt. Sie dürfen ein Schwert besitzen, den Raum erobern oder chemische Formeln entdecken. Die Soziologin Cosima Rughiniş zu den verblüffenden Ergebnissen der Studie:



    Die Realität, die sich aus solchen Bildern ableiten lässt, ist leider völlig verzerrt. Denn es gibt sehr wohl Frauen, die Elektriker, Ingenieure oder Taxifahrer sind. Die Lehrbücher widerspiegeln überhaupt nicht die Realität, den Alltag. Die Lehrbücher helfen den Kindern nicht, die Welt zu sehen, in der ihre Mütter arbeiten. Die Bücher sollten die Perspektive der Schüler über die Welt, in der sie leben, erweitern und die Mädchen ermutigen, auch andere Bestrebungen zu haben, als nur Kinder zu bekommen und zu kochen. Diese Lehrbücher sind also völlig nutzlos in diesem Sinne. Von den alten Lehrbüchern war das zu erwarten, die neuen aber haben uns ebenfalls sehr enttäuscht.“




    Die Abbildungen werden vom Inhalt der Lehrbücher unterstützt. Nehmen wir das Beispiel Literaturlehrbücher: Um neue Inhalte zu vermitteln, müssten die Autoren zu aller erst entdecken, dass es in Rumänien auch Schriftstellerinnen, sogar zeitgenössische Schriftstellerinnen gibt. Die Soziologin Cosima Rughiniş dazu:



    Einerseits gibt es den allgemeinen kulturellen Sexismus, in dem wir leben, der in Rumänien bislang nicht problematisiert wurde. Wenn wir andererseits den Aufbau der Lesebücher betrachten, sehen wir, dass diese überwiegend literarische Texte aus dem 19. Jh. beinhalten, die gewöhnlich von Männern aus ihrer Perspektive geschrieben wurden. Die Vergangenheit wird für unsere Kinder zur Quelle der Realität. Eine mögliche Lösung wäre, dass die Lehrbücher auch Texte beinhalten, die von Frauen geschrieben wurden. Zeitgenössische Autorinnen sollten präsent sein. Die patriarchalische Gesellschaftsordnung, die vor einem Jahrhundert in Rumänien herrschte, ist leider auch in den heutigen Lehrbüchern zu finden. Als Beispiel nenne ich die Lektion über Klassenleiter, Gruppenleiter, Spielleiter aus dem Staatsbürgerkundebuch. Fast alle Lehrbücher stellen die Jungen als Leiter vor, so wie es leider zu erwarten war.




    Wie kann man sich der in den Lehrbüchern dargestellten Mentalität des 19. Jh. entledigen und die Frauenrechte durch die heutige Gesetzgebung besser fördern? Die Soziologin und Frauenrechtlerin Andreea Bragă versucht nun, darauf zu antworten:



    Wir haben zwar ein Gesetz und eine Strategie im Bereich der Chancengleichheit. So lange es aber keinen politischen Willen und keine Menschen gibt, die die Gleichberechtigung als Priorität betrachten, werden wir fast nichts verändern können. Prioritär ist mich die Bekämpfung bestimmter Formen der Gewalt. Alle kennen diese Probleme, doch keiner redet darüber in der Öffentlichkeit. Leider wird sehr selten über Unterkünfte für Frauen, die Opfer der Gewalt sind, gesprochen. In mehr als 13 Landkreisen gibt es überhaupt keine Unterkünfte. Gesetzentwürfe ermutigen in Rumänien die Diskriminierung oder die Belästigung am Arbeitsplatz. Schlussfolgernd meine ich, die Erziehung ist wesentlich. Damit soll so früh wie möglich angefangen werden. Weiter brauchen wir Information und Sensibilisierung in den Reihen der Politiker.“

  • Geschlechtsspezifische Klischees in der rumänischen Literatur und Erziehung

    Geschlechtsspezifische Klischees in der rumänischen Literatur und Erziehung

    Typisch Mann, typisch Frau — ob wir ein Verhalten als typisch männlich oder typisch weiblich einschätzen, resultiert daraus, wie wir es wahrnehmen und bewerten — sprich, in welche Schublade wir denjenigen Menschen stecken. Der typische Mann habe seine Emotionen unter Kontrolle, sei zielstrebig, ehrgeizig und durchsetzungsstark. Die Frau gilt als emotional, sozial orientiert, sicherheitsbedürftig und intuitiv.



    Die ungleiche Situation von Mann und Frau in vielen beruflichen Zweigen, die immer noch in den Ländern der Europäischen Union existiert, ist nicht immer die Folge direkter Diskriminierung. Die unterschiedliche Bildungs- und Berufswahl von Frauen und Männern wird nach Erkenntnissen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ma‎ßgeblich durch geschlechtsspezifische Stereotypen beeinflusst. Stereotype dienen dazu, schneller Informationen über eine Person zu verarbeiten und den Aufwand fürs Denken möglichst gering zu halten, meinen die Sozialpsychologen. Meist beinhalten diese Schubladen unserer Vorstellung zwar ein Quäntchen Wahrheit, pauschalieren jedoch und werden deshalb der individuellen Eigenart eines Menschen nicht gerecht.



    Wie entstehen aber die geschlechtsspezifischen Klischees in der Gesellschaft? Werden sie durch Erziehung und durch verschiedene kulturelle Modelle gepflegt und weitergegeben? Mit diesen Fragen beschäftigt sich eine Studie über geschlechtsspezifische Stereotype in der rumänischen Kultur, einschlie‎ßlich im Alltag, im Rahmen des Projekts Integration und Förderung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt“. Das Projekt wird von der Stiftung für eine offene Gesellschaft durchgeführt, mit EU-Finanzierung vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Die Studie über geschlechtsspezifische Stereotype in Rumänien basiert auf Untersuchungen in vier Bereichen — Film, Theater, Literatur und Medien; Zweck der Untersuchungen war, zu klären, ob die geschlechtsspezifischen Stereotype eine kulturelle Basis haben. Über die Ergebnisse der Studie spricht der Vorsitzende der Stiftung für eine offene Gesellschaft, Mircea Vasilescu:



    Unsere Hypothese war im Allgemeinen korrekt: Die Art und Weise, wie wir Frauen, Weiblichkeit im Allgemeinen betrachten, basiert auf dem ‚kulturellen Erbe‘. Selbstverständlich spielen dabei die Medien eine sehr wichtige Rolle, durch ihren starken Impakt. Die Medien unterstützen das Denken nach stereotypen Mustern, sie nutzen viele frauenbezogene Stereotype aus, um hohe Auflagen oder Einschaltquoten zu erreichen. Ich beziehe mich dabei vor allem auf die Boulevardmedien.“




    Neben den Medien scheint auch die Schule eine Quelle von geschlechtsspezifischen Stereotypen zu sein, durch die Literaturanalyse der Werke, die im Unterricht studiert werden. Mircea Vasilescu ist vom Beruf Literaturhistoriker und –Kritiker, und hat untersucht, wie manche literarische Gestalten in der Schule charakterisiert werden:



    Ich habe nachgeprüft, was über diese weiblichen Figuren in den Schulbüchern, in anderen Fachbüchern mit Literaturanalysen und auf den spezialisierten Internetseiten steht. Diese Referate zeigen, wie Literatur in der Schule präsentiert wird — der Unterricht wimmelt von Stereotypen und Gemeinplätzen. Da frage ich mich, ob ein normaler junger Mensch, wenn er die Schule abgeschlossen hat, nicht dieselben Ideen und Muster, die er über weibliche Figuren erlernt hat, mit einer stereotypen Denkweise auch im wirklichen Leben umsetzt.“




    Die Antwort auf diese Frage ist positiv, und leider sind sehr oft die in den Schulbüchern enthaltenen Interpretationen und Charakterisierungen der weiblichen Figuren weder sehr genau noch besonders schmeichelhaft, und das erstreckt sich auch auf die echten Frauen, die man im Alltag trifft.



    Einige weibliche Prototypen“ werden in den letzten Jahren auch in den Medien gefördert, vor allem in gewissen Fernseh-Unterhaltungssendungen. Die Fernsehshows haben einen neuen Frauentyp geschaffen: die bezaubernde Assistentin. Sie gehört zur Studio-Dekoration und unterhält die Zuschauer mit dem Blödsinn, die sie von sich gibt. Üblicherweise ist sie die dumme Gans“ — die meisten TV-Produzenten bestehen auf diese Frauenrolle. Dieser geschlechtsspezifische Stereotyp hat dazu geführt, dass nur wenige Frauen in den sog. ernsthaften“ Sendungen präsent sind. Mircea Vasilescu:



    Man sieht nur selten Frauen in den Fernseh-Talkshows zu politischen oder sozialen Themen; sehr wenige Frauen werden als Expertinnen oder Talk-Gäste eingeladen. Es werden immer wieder dieselben Frauen eingeladen, meistens Politikerinnen.“




    Die geschlechtsspezifischen Stereotype werden nicht nur in der Schule oder durch Fernsehsendungen vermittelt, sondern auch durch die Erziehung, die die Kinder sehr früh von ihren Eltern bekommen. Livia Aninoşanu koordiniert das Zentrum Partnerschaft für Gleichstellung“, Partner im Rahmen des Projekts Integration und Förderung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt“, und ist der Meinung, dass die Kinder im Sozialisierungsprozess sehr früh lernen, was sich für Mädchen und was sich für Jungen gehört. Livia Aninoşanu:



    Man fördert typische Verhaltensmuster — für Jungen und für Mädchen. Einem Jungen sagt man: ‚Weine doch nicht, du bist ja kein Mädchen!‘. Den Jungen wird eine begrenzte emotionelle Ausdrucksweise vermittelt. Ihre negativen Emotionen dürfen sie nur durch Wutausbrüche äu‎ßern; Angst oder Zurückhaltung dürfen sie nicht zeigen. Bei den Mädchen ist es gerade umgekehrt: Sie werden nicht ermutigt, ihre Wut zu zeigen, ‚nein‘ zu sagen oder klare Barrieren zu stellen. Wir erlauben ihnen aber, zerbrechlich zu sein. Von klein an stellen wir unsere Kinder auf klare Gleise, wir zeigen ihnen die Rollen, die sie in der Gesellschaft erfüllen müssen, wir fixieren sie auf die Idee, dass Jungs stark und Mädchen schwach sind.“




    Differenziertes Spielzeug prägt auch das Verhalten der Kinder. Livia Aninoşanu:



    In allen Spielwarenabteilungen der Einkaufszentren gibt es Regale für Mädchen und Regale für Jungs. Die Mädchenregale erkennen wir an der rosaroten Farbe und wir entdecken dort Spielzeug, das ihre späteren, typisch weiblichen Rollen in der Gesellschaft darstellen: kleine Küchen, Waschmaschinen, Bügeleisen. Bei den Jungen haben wir Spielzeug wie Weltraumschiffe, Autos, Waffen… Es gibt nur wenige geschlechtsneutrale Spielsachen. Und es gibt auch viele Fälle, wenn die Kinder etwas anderes haben wollen, als die Gesellschaft ihnen vorgeschrieben hat, aber sie trauen sich nicht, danach zu fragen. Wir fragten die Erzieherinnen im Kindergarten, und sie sagten uns, was für Probleme und Ängste entstehen können, wenn die Jungs mit Puppen oder zusammen mit den Mädchen spielen möchten. Die Eltern bekommen Angst, wenn der Sohn so etwas vorzieht, sein Wunsch wird ignoriert und der Junge fast immer sofort eines Besseren belehrt.“




    Zu korrigieren wären aber vielleicht die Ansichten der Erwachsenen, meinen die Sozialpsychologen, die sich mit der Gleichstellung von Frauen und Männern beschäftigen. Man sollte seine Kinder nicht durch geschlechtsspezifischen Filter erziehen, sondern ermuntern, zu experimentieren und in den verschiedensten Situationen ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.