Tag: Kronstadt

  • Hörerpostsendung 1.3.2015

    Hörerpostsendung 1.3.2015


    Heute möchte ich mit einer DX-Meldung beginnen. Seit Jahresanfang haben wir von mehreren Hörern aus Deutschland und Österreich die Mitteilung bekommen, dass seit der Einstellung der Langwellensendungen des Deutschlandfunks nun ein rumänischer Sender auf derselben Frequenz ganz gut zu empfangen sei. So etwa schrieb uns Michael Lindner (aus Gera, Thüringen) noch im Januar:




    Seit Abschaltung des Deutschlandfunks auf der Langwelle 153 KHz ist jetzt Antena Satelor mit hervorragender Empfangsqualität zu empfangen. Das freut mich besonders, da ich hier sehr genussvoll die rumänische Folklore genie‎ßen kann. Lohnt es sich eigentlich einen Empfangsbericht über dieses Programm zu schreiben, wird mein Bericht über die Frequenz 153 KHz vom Rumänischen Rundfunk auch bestätigt? RRI ist ja ein vorbildlicher Bestätiger, aber mit allen anderen rumänischen Sendern habe ich leider keine guten Erfahrungen gemacht. Das ist natürlich sehr schade, da hier in meiner Heimatstadt viele Programme aus Rumänien in den Abendstunden auf Mittelwelle zu empfangen sind.




    Und auch Herr Wolfgang Waldl (aus Wien) meldete Ähnliches in einem Brief. Ich kann mir vorstellen, dass in Ostösterreich aufgrund der Nähe jede Menge rumänischer Sender auch auf Mittelwelle gut zu empfangen sind. Die Frage nach der Bestätigung etwaiger Empfangsberichte durch die Programm-Macher von Antena Satelor hätte ich auf Anhieb verneint, da es sich eigentlich um einen öffentlich-rechtlichen Sender für Landwirte handelt. Doch dann wurde ich diese Woche von Herrn Hendrik Leuker (aus Bamberg) eines Besseren belehrt. Er schrieb nämlich dem Sender und bekam darauf zwar keine QSL-Karte (über solche verfügt man dort nicht), aber einen signierten Bestätigungsbrief auf Englisch, unterzeichnet von Frau Clara Iancu. Ich kann allerdings nicht garantieren, dass sich unsere Kollegin von der Dorfantenne auch in Zukunft die Mühe gibt, Empfangsberichte zu bestätigen, vor allem wenn plötzlich sehr viele Hörer aus dem Ausland schreiben. Einen Versuch ist es für Hobbyfreunde auf jeden Fall wert, vielleicht hat man ja Glück.




    Und jetzt zu weiteren Hörerzuschriften. Von den guten alten Radiowellen zum Internet — einige Hörer machen auch von dieser Möglichkeit Gebrauch. So etwa schrieb Michael Reiffenstein (aus Frankfurt am Main):



    Hallo!



    Ich höre Ihr Programm über die App radio.de und höre meistens am Sonntag den Funkbriefkasten. Früher hörte ich Ihr Programm auch über die Kurzwelle.



    Mit freundlichen Grü‎ßen aus Deutschland



    Michael Reiffenstein




    Und Helmut Matt (aus Herbolzheim, Baden-Württemberg) hat unlängst unseren Internet-Stream getestet und berichtete:



    Ich habe gleich mal Euren Stream getestet. Der ACC-Stream funktioniert auf meinen Sangean ganz prima. Auf dem IPdio und dem Pure Sensia hingegen wird der Stream nicht erkannt. Na, jedenfalls freue ich mich sehr, dass das jetzt auch klappt.




    Fritz Andorf (aus Meckenheim, NRW) sprach in seinem Februarbrief mehrere Themen an:



    Die heutige Nachrichtensendung begann mit der Meldung über die Aufhebung der Immunität einer Abgeordneten. Nun, das scheint mir ja ein riesiger Skandal zu sein, wenn das sogar die Nachrichten an die Spitze setzen. Und wenn danach im Funkbriefkasten davon die Rede ist, dass Rumänien eigentlich in die Schengenzone gehört und für die Euro-Einführung bereit wäre, weil die Korruption im Land schon deutlich zurückgegangen ist, so gibt mir das doch zu denken. Als Tourist würde ich es natürlich begrü‎ßen, wenn ich auch in Rumänien mit Euro bezahlen und ein erleichtertes Abfertigungsverfahren genie‎ßen könnte. Aber der Weg dahin dürfte wohl lang sein. Jetzt spricht man schon vom Jahre 2019, setzt aber dahinter ein Fragezeichen.



    Interessant war das Tondokument von 1955 über die berühmte Orgel in der Schwarzen Kirche zu Kronstadt (die fürchterliche Bezeichnung Stalinstadt war zum Glück nur von kurzer Dauer). Schade, dass nicht wenigstens ein paar Töne dieser Orgel zu hören waren.



    Interessantes gab es wie immer in der Sonntagsstra‎ße, darunter gleich zwei Reisebeiträge, die eigentlich in die Rubrik Radio Tour gehört hätten, also über die beiden Naturschutzgebiete im Kreis Prahova und den Wintersportort Arena Platos. Der Dramatiker Ionesco ist mir zwar ein Begriff, ich kann aber mit seinem bekanntesten Stück Die Stühle“ nicht viel anfangen. Bedauern empfinde ich gegenüber den Kindern, die ohne Eltern aufwachsen, weil diese im Ausland ihr Geld verdienen müssen. Und die Musik der Multikulti-Truppe Arisha hat mir ebenfalls gut gefallen.



    Übrigens kann ich mich immer noch nicht so recht mit dem neuen starren Programmschema anfreunden. Früher war man nicht so minutiös an den Programmablauf gebunden, man hatte etwas mehr Zeit für den Funkbriefkasten und konnte das Programm auflockern, indem man zwischendurch einige Musiktitel einspielte. Jetzt ist die Musikrubrik an den Schluss verbannt, und ich gehe davon aus, dass doch etliche Hörer davor abschalten. Also, so unterhaltsam wie früher ist die Sendestunde einfach nicht mehr.




    Vielen Dank für Ihre ausführlichen Zeilen, lieber Herr Andorf. Ich fange mal mit der Kritik an den geänderten Programmabläufen an. Sie sind nämlich nicht allein mit der Kritik, andere Hörer bemängelten die Verlegung der Nachmittagssendung um zwei Stunden oder die Wiederholung des Funkbriefkastens erst am Mittwochnachmittag statt Montagmorgen. Ich kann da nicht viel machen, werde aber die Kritik weitergeben. Hinsichtlich der Sendezeiten wird man wohl nichts mehr ändern können, darüber haben die Chefetagen entschieden und davon waren auch die Sendungen in anderen Sprachen betroffen. Alles erneut auf den Kopf zu stellen, wäre sicherlich sehr schwierig, aber zumindest werde ich dafür plädieren, dass der Funkbriefkasten — wenn möglich, beginnend mit der Umstellung auf Sommerzeit — wieder am Montagmorgen wiederholt wird. Und meinetwegen auch am Mittwochnachmittag.



    Zum Thema Schengen-Beitritt möchte ich nicht wiederholen, was ich im Funkbriefkasten am 8. Februar gesagt habe. Ich kann Ihre Bedenken zwar verstehen, sehe aber keinen direkten Zusammenhang zwischen Korruptionsbekämpfung und Schengen-Beitritt. Übrigens war der rumänische Präsident Johannis am vergangenen Donnerstag auf einen Antrittsbesuch in Berlin. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel kam auch das Thema Schengen zur Sprache. Die Kanzlerin sagte dabei vorsichtig, dass Rumänien den berechtigten Wunsch habe, Teil des Schengen-Raums zu werden. Man werde schauen, dass man auch in dieser Hinsicht schrittweise einen Fortschritt erzielen könne, und Deutschland werde darüber auch mit seinen europäischen Partnern sprechen, so die deutsche Kanzlerin. Einige Beobachter werteten diese Erklärung als mögliche Einwilligung der Kanzlerin, dass zunächst der Luftraum für die kontrollfreie Einreise geöffnet wird, so wie es schon vor ein paar Jahren geplant und dann aufgeschoben worden war. Andere meinen hingegen, man könne Rumänien von Bulgarien nicht abkoppeln, daher müsse man erst warten, bis auch Bulgarien entsprechende Fortschritte im Justizwesen aufzuweisen habe. [Pressekonferenz der deutschen Bundeskanzlerin Merkel und des rumänischen Präsidenten Johannis im Wortlaut]



    Und eine Überraschung habe ich für Sie parat, lieber Herr Andorf: Ihren Wunsch nach ein paar Musiktönen auf der Orgel in der Schwarzen Kirche zu Kronstadt möchte ich heute erfüllen, zuvor jedoch die Posteingangsliste.



    Postbriefe lasse ich mir kommende Woche wieder in die Hand drücken. E-Mails erhielten wir bis einschlie‎ßlich Samstagnachmittag von Reinhold Meyer, Jörg Hoffmann, Martina Pohl, Dieter Feltes, Petra Kugler, Andreas Pawelczyk, Hendrik Leuker, Horst Cersovsky, Peter Puffe, Reinhard Westphal, Hans-Joachim Pellin, Helmut Matt, Ralf Urbanczyk (alle aus Deutschland) und von Anton Krofta (aus Wien). Das Internetformular nutzte Kurt Ringel (aus Deutschland).



    Und jetzt zur angekündigten Musik. Ich habe ein paar Minuten aus Johann Sebastian Bachs Toccata und Fuge in d-Moll ausgesucht, natürlich an der Orgel der Schwarzen Kirche in Kronstadt und gespielt von einem Kronstädter Organisten. Der Siebenbürger Sachse Hans Eckart Schlandt wurde 1940 in einer Musikerfamilie in Kronstadt geboren und war über 40 Jahre lang Kantor und Organist in seiner Heimatstadt. In seiner Kindheit nahm er Unterricht in Klavier und Violine, das Orgelspielen begann er mit 14 Jahren zu erlernen, sein erster Lehrer war kein anderer als Victor Bickerich, der in unserem am 8.2. gesendeten Tondokument von 1955 das ehrwürdige Instrument in der Schwarzen Kirche vorstellte.



    Von 1957 bis 1962 studierte Hans Ekart Schlandt an der Bukarester Musikhochschule und kehrte danach in seine Heimatstadt zurück. In Kronstadt wurde er ab 1965 Organist der Schwarzen Kirche und Leiter des Bach-Chors der evangelisch-lutherischen Gemeinschaft, der 1933 vom bereits erwähnten Victor Bickerich gegründet worden war.







    Obwohl Kirchenmusik im kommunistischen Rumänien nicht gern gesehen war, schaffte es der unermüdliche Schlandt, unvergessliche Orgelkonzerte sowie Oratorien und Passionen von Bach, Mozart und Brahms in erstaunlicher Kontinuität und Qualität“ aufzuführen und somit die Schwarze Kirche musikalisch als Ort der inneren Freiheit im damaligen totalitären Regime“ zu retten, ist auf der Homepage der Evangelischen Kirche A.B. in Kronstadt zu lesen. 1993 gründete Schlandt den Jugend-Bach-Chor, dem er bis 2004 ebenfalls vorstand. In dieser Zeit war er auch als Dozent an der Musikfakultät der Universität Kronstadt tätig. Vervollständigt wurde die künstlerische Tätigkeit Hans Eckart Schlandts durch mehrere Konzertreisen und Aufnahmen als Organist.
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    Hans Eckart Schlandt (Foto: Wikipedia)



    Ich verabschiede mich nun und überlasse Sie ganz der Musik. Hören wir ein Fragment aus der Toccata und Fuge in d-Moll von Johann Sebastian Bach. An der Orgel der Schwarzen Kirche in Kronstadt spielt Hans Eckardt Schlandt. Die Aufnahme stammt von einer Schallplatte, die der damalige staatliche Hersteller Electrecord 1977 herausbrachte.




    Audiobeitrag hören:




  • Hörerpostsendung 8.2.2015

    Hörerpostsendung 8.2.2015

    Heue möchte zu Beginn ich erneut darauf hinweisen, dass am 13. Februar 2015 der Welttag des Radios begangen wird. Die UNESCO hat diesen Tag ausgerufen, um auf die Bedeutung dieses au‎ßergewöhnlichen Kommunikationsmittels hinzuweisen. Das Diesjährige Thema lautet Innovation und Jugend im Radio“. Falls Ihnen zum vorgegebenen Thema nichts Besonderes einfällt, können Sie uns auch schildern, welche Rolle das Radio in Ihrem Leben spielt. Bitte schicken Sie uns Ihre Zeilen bis nächsten Donnerstag, den 12.2.2015, da die Zentralredaktion eine Auswahl aus den Zuschriften an alle Redaktionen in einen Beitrag für den 13. Februar zusammentragen möchte. In der Hörerpostsendung am 15. Februar werde ich dann alle Zuschriften an die deutsche Redaktion verlesen. Sie können uns auch relevante Fotos zuschicken und wir gehen davon aus, dass wir auch Ihr Einverständnis haben, diese auf unserer Webseite sowie in den sozialen Netzwerken, in denen wir vertreten sind, zu veröffentlichen. Falls Sie die technische Möglichkeit dazu haben, sind auch Audiobotschaften willkommen. Bislang haben wir ein paar Gedanken von Andreas Mücklich aus Berlin sowie eine Audiobotschaft und ein Foto von Roman Lausberg aus Nideggen in der Eifel erhalten. Und auch Bernd Seiser aus Gaggenau-Ottenau in Baden-Württemberg hat einige Zeilen in Aussicht gestellt. Sie haben also noch fünf Tage Zeit, uns Ihren Beitrag zum Welttag des Radios 2015 zuzuschicken, falls Sie es möchten.




    Und jetzt zu den Hörerzuschriften bzw. –fragen. Andreas Pawelczyk (aus Mannheim) hat uns unlängst mehrmals zu unseren Programminhalten geschrieben, hier die Zeilen seiner letzten E-Mail:



    Wie so Etliche vor ihm, hat der neue rumänische Staatschef Johannis einen offiziellen Besuch in Brüssel getätigt. Gesprächsthemen waren die Euro-Einführung und der Schengen-Beitritt. Was so etliche in Deutschland nicht wissen, ist, dass Rumänien wohl auch den Euro einführen will. Das mag später, wenn es um die Stabilität der Inflation geht, gut sein, aber wenn es um eine unabhängige Geldpolitik, Währungspolitik und eine notwendige Staatsausgabenpolitik geht, manchmal äu‎ßerst schlecht sein. Denn da bekommt das Land ein äu‎ßerst schmerzhaftes Korsett schon in der Vorphase umgelegt.



    Schön mag auch der Schengen-Beitritt für so manche in Rumänien werden, insbesondere auch Deutsche, denn Deutsche brauchen zurzeit ein Visum, um nach Rumänien reinzukommen. Aber was können Rumänen mit Reisemöglichkeiten ohne Grenzkontrollen anfangen, wenn sie verstärkt zur Unterklasse gehören und mit Reisen nichts anfangen können und das Geld für so etwas nicht haben. Solche Leute können wohl mit einer besseren Sozialpolitik mehr anfangen als mit einem Beitritt zur Schengen-Zone.



    Aber ich wünsche Rumänien viel Glück, wenn es meint, für sich Vorteile daraus ziehen zu können. Warum auch nicht? Die Mehrheit hat halt in einer Demokratie das Sagen.




    Vielen Dank für Ihre Meinung, lieber Herr Pawelczyk. Ich beginne mal mit dem zweiten von Ihnen angesprochenen Thema, da Sie offenbar einem Missverständnis aufgesessen sind. Deutsche Staatsbürger brauchen kein Visum, um nach Rumänien einzureisen, umgekehrt auch nicht; grundsätzlich braucht kein EU-Bürger ein Visum, um in ein anderes EU-Land einreisen zu dürfen. Beim Schengen-Raum handelt es sich lediglich um die kontrollfreie Einreise aus einem Schengen-Staat in einen anderen, also ohne seinen Reisepass oder Personalausweis vorzuzeigen. Sollte der Schengen-Raum auch auf Rumänien und Bulgarien ausgeweitet werden, werden EU-Bürger vom Schwarzen Meer bis zum Atlantik, vom Mittelmeer bis zur Nordsee reisen können, ohne an den zwischenstaatlichen Grenzen kontrolliert zu werden. Und das hat kaum etwas mit dem sozialen Status der Reisenden zu tun. Wer in einem anderen EU-Land arbeiten, studieren oder Geschäftliches unternehmen will, der tut das bereits und lässt sich wegen der paar Minuten für die Passkontrolle nicht davon abhalten. Die EU-Staaten, in denen das Schengener Abkommen noch nicht zur Anwendung kommt, sind Bulgarien, Rumänien, Kroatien und Zypern. Gro‎ßbritannien und Irland sind sogenannte kooperierende Staaten, es gibt aber auch Nicht-EU-Staaten, die trotzdem Schengen-Mitglieder sind: Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein.



    Die Verzögerung des Schengen-Beitritts Rumäniens ist auf jeden Fall politisch ausgeschlachtet worden. Insbesondere konservative Politiker in einigen westeuropäischen Ländern haben sich gegen Rumäniens Schengen-Beitritt stark gemacht, mit dem Verweis, dass Rumänien aufgrund von Korruption seine Ostgrenze und damit auch die östlichste Au‎ßengrenze der EU nicht sichern könne und dass somit illegale Einwanderer in den Raum der Seligen einsickern könnten. Dieser Vorwurf ist fadenscheinig, denn: Erstens stammen die Grenzsicherungssysteme Rumäniens aus einem millionenschweren Auftrag an den Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus (früher EADS), der bereits 2004 damit begonnen hat, die Grenzen Rumäniens zu sichern, also noch vor dem EU-Beitritt Rumäniens. (Übrigens: EADS ist nun selbst, samt einigen deutschen Standorten und Managern des Konzerns, in ein Korruptionsskandal verwickelt. Für den Vertrag von 2004 mit Bukarest sollen hochrangige Amtsträger bestochen worden sein.)



    Zweitens ist die Angst vor illegaler Einwanderung in die EU via Rumänien unbegründet. Die meisten Illegalen kamen nicht über Rumänien, sondern über südliche Schengen-Mitglieder wie Italien und Griechenland. Die dramatischen Szenen mit Bootsflüchtlingen, die sich vor den Küsten von Lampedusa und Sizilien abgespielt haben, dürften Ihnen nicht entgangen sein, liebe Hörerfreunde. Trotzdem habe ich nicht gehört oder gelesen, dass sich jemand über den Schengen-Staat Italien aufregt.



    Wie falsch es ist, wenn Politiker mit populistischen Parolen auf Stimmenfang gehen, zeigt auch der sogenannte Tulpenkrieg im Herbst 2011 zwischen Rumänien und den Niederlanden. Nachdem die schrittweise Aufnahme Rumäniens im Schengen-Raum am Veto der Niederlande und Finnlands scheiterte, wurden Transporte von Blumen und Saatgut, aber auch Fleischimporte aus den Niederlanden tagelang an den rumänischen Grenzen blockiert — aufgrund des Verdachts einer Bakterienverseuchung, sagten die rumänischen Behörden. Die Niederlande exportierten 2010 Blumen und Tulpenzwiebeln im Wert von 20 Mio. Euro nach Rumänien, meldete damals auch der niederländische Rundfunk. Entsprechend böses Blut erzeugte dieser Zwischenfall bei den Niederländern, man sprach von Erpressung, beweisen konnte man das aber nicht. So kann Populismus nach hinten losgehen, statt Stimmen vom Wählervolk einzuheimsen, steckt man wirtschaftlichen Schaden weg.



    Folglich war das Thema Schengen-Beitritt von Anfang an ein Politikum, die rein technischen Kriterien erfüllt Rumänien schon seit Jahren. Ich bin aber zuversichtlich: Mit den jüngsten spektakulären Erfolgen der rumänischen Justiz gegen die Korruption werden auch die letzten Vorbehalte in einigen Staaten ausgeräumt und Rumänien wird bald Schengen-Mitglied sein. Und — wie anfangs gesagt — für den kleinen Mann wird sich dadurch ohnehin nichts ändern, mit oder ohne Passkontrollen an den Grenzen ist die Reisefreiheit nach wie vor uneingeschränkt.



    Zum Thema Euro-Einführung kann ich nicht viel sagen. In den euphorischen Jahren gleich nach dem EU-Beitritt erwog man das Jahr 2011 oder 2012 als Frist für die Einführung der europäischen Einheitswährung. Die Krise hat den Optimismus gedämpft, in den ersten Krisenjahren sprach man von 2015 oder 2016, jetzt hat man 2019 ins Auge gefasst. Mugur Isărescu, der rumänische Notenbankchef, zeigte sich eher zurückhaltend. Das Ziel sei nicht gerade unrealistisch, hänge aber von vielen wirtschaftlichen Faktoren ab, sagte er. Die Leitung der Rumänischen Nationalbank hat sich auf jeden Fall bislang als besonnen erwiesen, hoffentlich hören auch die Politiker auf die Ratschläge der Wirtschaftsweisen.




    Zum Schluss möchte ich wieder etwas aus unserem Audioarchiv zu Gehör bringen. Doch zuvor die Posteingangsliste. Briefe erhielten wir von Thomas Jeske (aus Gelsenkirchen) und Peter Möller (aus Duisburg). Der zuletzt genannte Hörer verweist darauf, dass ihm mehrere QSL-Karten aus dem vergangenen Jahr immer noch fehlen. Lieber Herr Möller, es war richtig, auch die Daten der Empfangsberichte erneut zuzuschicken, sonst hätten wir lange in der Ablage suchen müssen. Ich fülle die QSL-Karten Nummer 4, 5, 7 und 10-12 persönlich aus und bringe sie dann zur Postbearbeitungsstelle.



    Ein Fax erhielten wir von Heinz-Günter Hessenbruch (aus Remscheid, NRW).



    E-Mails erhielten wir bis einschlie‎ßlich Samstagnachmittag von Bernd Seiser, Michael Reiffenstein, Helmut Matt, Werner Hoffmann, Reinhold Meyer, Andreas Mücklich, Roman Lausberg und Hans Kaas (alle aus Deutschland) sowie von Arman Sabciyan (aus der Türkei) und von Dmitrij Kutusow (englische Schreibweise: Dmitriy Kutuzov) aus Russland.








    Und jetzt zur angekündigten Audiodatei aus unserem Archiv. Es ist das bislang älteste Tondokument von Radio Bukarest in deutscher Sprache, das ich in unseren Schränken finden konnte. Es stammt aus dem Jahr 1955, auf dem Tonband sprach Victor Bickerich über die Orgel der Schwarzen Kirche in Kronstadt. Victor Bickerich (1895-1964) war ein in Schlesien (in der Nähe von Posen) geborener deutscher Musiker, der bereits in den 1920er Jahren Wahlsiebenbürger wurde. Der Chordirigent, Organist und Musikpädagoge verschrieb sich dem Musikleben Kronstadts, das zu seiner Heimatstadt wurde.

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    Victor Bickerich (1895-1964)


    Foto: www.forumkronstadt.ro








    Zur Tonaufnahme muss noch erläuternd gesagt werden, dass Kronstadt in der Zeit 1950-1960 von den kommunistischen Machthabern zu Stalinstadt umgetauft worden war. In der Aufzeichnung aus dem Jahr 1955 ist zwar überwiegend die Rede von Kronstadt, wenn es um historische Ausführungen geht, an der Bezeichnung Stalinstadt konnte man jedoch nicht ganz vorbei. Das Bild des Tonbandaufklebers lässt sich per Mausklick in Gro‎ßansicht öffnen. src=http://devrri.freshlemon.ro/wp-content/uploads/2023/10/foto.jpg
    Audiodatei von 1955 mit den Erläuterungen von Victor Bickerich über die Orgel der Schwarzen Kirche hören:




    Funkbriefkasten als Audiodatei hören:




  • Das Ceauşescu-Regime und die blutige Revolution von 1989

    Das Ceauşescu-Regime und die blutige Revolution von 1989

    In Rumänien war die Wende nicht friedlich, sondern gewaltsam. Das Regime von Nicolae Ceauşescu war eher geneigt, Gewalt gegen das eigene Volk einzusetzen. Die brutale Niederschlagung der Arbeiter-Revolte von Braşov/Kronstadt im November 1987 war ein erstes Zeichen. Leider hat sich die Vermutung im Dezember 1989 bestätigt.



    Wir haben den ehemaligen Leiter des Instituts der Rumänischen Revolution, Ioan Scurtu, gefragt, ob man das Blutvergie‎ßen vom Dezember 1989 vermeiden hätte können.



    Theoretisch hätte man das vermeiden können. Wenn wir Nicolae Ceauşescu mit den anderen Anführern der sozialistischen Staaten vergleichen, können wir sagen, dass er der einzige war, der die Ideen Gorbatschows betreffend die Glasnost und die Perestroika nicht akzeptiert hat. Er war der Ansicht, dass Gorbatschow durch diese Ideen den Sozialismus schwächte und so zu seinem Fall beiträgt. Folglich wurde Ceauşescu nach 1987 einer der unbeugsamsten politischen Anführer in Mittel- und Südosteuropa. Seine Bezugspunkte waren Marx, Engels und Lenin. Er akzeptierte nicht, dass die Gesellschaften in der Zwischenzeit Fortschritte gemacht hatten, dass man andere Aufbau-Formen des Sozialismus und des Kommunismus braucht.“




    Die Obsession der völligen Unabhängigkeit Rumäniens sei ein anderes Merkmal des Ceauşescu-Regimes gewesen, meint der Historiker Ioan Scurtu:



    Er war der einzige, der sich vorgenommen hatte, alle Au‎ßenschulden des Landes zu begleichen. Er dachte, er hätte so nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die politische Unabhängigkeit des Landes erreichen können. Man hat massiv Güter exportiert, sowohl Industriegüter als auch Lebensmittel. Das führte zu einer schwerwiegenden Lebensmittel-Krise.“




    Nicolae Ceauşescu, ein Gefangener der marxistischen Klischees, hat eine verheerende Politik eingeleitet. Die Bevölkerung hatte stark darunter zu leiden:




    Ceauşescu hat die petrochemische Industrie weiter stark ausgebaut. Diese braucht viel Energie, und Ceauşescu hat entschieden, dass die Bevölkerung das tragen muss. So kam es zu den vielen Stromausfällen und der mangelhaften Heizung in den Wohnungen. Man hat die Bevölkerung in sehr schwierige Lagen versetzt. Es herrschte eine allgemeine Unzufriedenheit, die sich nach April 1989, als Ceauşescu die Zahlung aller Au‎ßenschulden bekannt gab, vertiefte. Ceauşescu wollte er selbst Kreditgeber werden und Zinsen für Kredite einkassieren. Mit anderen Worten befand sich Rumänien in einem viel schlimmeren Zustand als alle anderen sozialistischen Staaten, und so kam es zu dieser unglaublichen Unzufriedenheit. Im Dezember 1989 gingen Millionen Menschen auf die Stra‎ße, um Ceauşescu zu stürzen.“




    Wir haben Ioan Scurtu auch gefragt, warum die Kommunistische Partei überhaupt nicht reformiert wurde.



    Ceauşescu war sehr geschickt, er hat in einer relativ kurzen Zeit von 6-7 Jahren seine potentiellen Gegner in der Führung der Rumänischen Kommunistischen Partei (PCR) und des Landes ausgeschaltet. Er hat Leute, die ihm treu waren, gefördert. In den Memoiren von Dumitru Popescu, Mitglied im exekutiven Politausschuss des Zentralkomitees der kommunistischen Partei, habe ich gelesen, dass bei den Treffen dieses Führungs-Ausschusses nur Nicolae Ceauşescu sprach. Alle anderen hörten zu. Nach diesen Treffen musste Dumitru Popescu zu Fu‎ß nach Hause, ins Primăverii-Viertel gehen, um sich zu entspannen und die Kopfschmerzen los zu werden. Natürlich dachte er nicht, dass er auch eine Verantwortung trägt. Wenn nur Ceauşescu sprach und die anderen sich Notizen machten, hatte man das denen, die diese erniedrigende Lage akzeptiert haben, zu verdanken. Unglaublich war der Moment, in dem Ceauşescu empört war, dass keine harten Ma‎ßnahmen gegen die Demonstranten in Timişoara/Temeswar getroffen wurden, und sagte: ‚Ich kann mit diesem exekutiven Politausschuss nicht mehr arbeiten, wählt euch einen anderen Generalsekretär.‘ Und alle sagten: ‚Bitte, verlassen Sie uns nicht, wir sind Ihnen treu, wir bleiben an Ihrer Seite, mit Ihnen an der Spitze.‘ Nicht mal in dem Moment hatten sie den Mut, zu sagen: ‚Wir nehmen Ihren Rücktritt an, wir bilden eine kollektive Leitung und geben dem empörten Volk bekannt, dass Nicolae Ceauşescu zurück getreten ist.‘ Vielleicht hätte das Blutbad nicht mehr stattgefunden und man hätte einen anderen Weg gefunden. Der Opportunismus dieser Leute spielte eine sehr wichtige Rolle.“




    Das tyrannische, gierige und alleswissende Regime von Nicolae Ceauşescu endete im Dezember 1989. Leider mussten dafür 1204 Menschen sterben.

  • Palliativmedizin in Rumänien

    Palliativmedizin in Rumänien

    In Rumänien hat die Anzahl der Krebserkrankungen in den vergangenen Jahren rapide zugenommen. Laut aktuellen Statistiken waren 2012 etwa 78.000 Menschen an Krebs erkrankt, das sind um etwa 4.000 Fälle mehr als 2008. Vor diesem Hintergrund muss sich neben der ärztlichen Versorgung auch die seelische und geistige Fürsorge weiterentwickeln.



    Was geht in einem Menschen vor, der oftmals im jungen Alter unter einer unheilbaren Krankheit leidet? Was erlebt die Familie dieses Menschen? Welche Form von Betreuung könnte Krebspatienten stärken, damit sie der Krankheit psychisch und geistig standhalten können? Der Verein Hospice Casa Speranţei“ bietet Antworten auf all diese Fragen. Die 1992 von dem Briten Graham Perolls in Kronstadt gegründete Stiftung galt damals als Vorreiter in Sachen Palliativtherapie. Graham Perolls fragten wir nach der Situation im damaligen Rumänien.



    Uns war sofort klar, dass die meisten Patienten mit unheilbaren Krankheiten nach dem Krankenhausaufenthalt nach Hause geschickt wurden. Danach mussten die Familien alleine auskommen, ohne passende ärztliche Betreuung, ohne seelische, psychologische oder religiöse Fürsorge. Die Erfahrung war für sie traumatisierend. Wir bieten eine Rundumversorgung an, die Medikamente für Krebspatienten und andere Erkrankungen sowie eine Schmerztherapie umfasst. Das ist ein angewandter Bereich der Medizin, der die Behandlung aller Symptome von Krebs umfasst, etwa Appetitsverluste oder Atembeschwerden. Wir konzentrieren uns eigentlich auf die Verbesserung der Lebensqualität der Patienten. Deshalb sind wir hier. Das hat nichts mit dem Tod zu tun, sondern mit dem Leben. Wir helfen ihnen, die ihnen übrig gebliebenen Tage schön zu verbringen. Aber wir helfen auch den Familienangehörigen, denn auch sie leiden oft sehr darunter.“




    In den ersten Jahren nach 1992 bot Hospice Casa Speranţei den Patienten in Kronstadt Palliativtherapie zu Hause an. 2002 wurde ebenfalls in der südsiebenbürgischen Stadt das erste Zentrum eröffnet, das auf diese Art von Behandlung spezialisiert war. Vier Jahre später gründete der Verein seine erste Filiale in Bukarest, seit 2014 gibt es auch in der rumänischen Hauptstadt ein Zentrum für Palliativbehandlung.



    Inzwischen sind auch andere Nichtregierungsorganisationen auf dem Gebiet tätig geworden. Allerdings sind es nicht allzu viele. Deshalb haben nur wenig Patienten Zugang dazu, auch wenn es viel mehr Menschen gebe, die diese Form von Versorgung nötig hätten, wie Graham Perolls wei‎ß:


    In Rumänien haben nur 6% der Kranken, die eine Palliativbehandlung nötig hätten, auch Zugang dazu. Es gilt also, noch viel Arbeit zu verrichten. Aber unsere beiden Behandlungszentren sind auch Fortbildungseinrichtungen. Wir organisieren Kurse für Ärzte, Krankenschwester, Apotheker oder Physiotherapeuten.“




    Bereits 2008 begann eine Spendenaktion für die Deckung der Kosten bei der Gründung des Behandlungszentrums in Bukarest. Erst in diesem Jahr konnte das Zentrum eingeweiht werden. Wir fragten Frau Dr. Ruxandra Ciocârlan, Direktorin des Ressorts Dienstleistungen für Patienten bei Hospice Casa Speranţei in Bukarest, nach den Bemühungen und vor allem nach den Angeboten für Patienten.



    Wenn das Zentrum voll ausgelastet sein wird, wird es bis zu 2000 Patienten jedes Jahr versorgen können. Au‎ßerdem bieten wir Dienstleistungen für zu Hause an, für Kinder und Erwachsene, Beratung für Krankenhäuser und Polikliniken. Spezialisierte Behandlung und Aufenthalte in unserem Zentrum bieten wir den Krebspatienten an. Insgesamt verfügen wir über 23 Betten, 15 für Erwachsene, 8 für Kinder.“




    Ruxandra Ciocârlan gesteht, dass der Dialog mit den Patienten und ihren Familien von wesentlicher Bedeutung für die Palliativtherapie ist. Dabei habe sie ihre wichtigsten Bedürfnisse identifizieren können, erzählt die Ärztin:



    Sie brauchen Beratung und Betreuung, denn die Dienstleistungen, die der Staat anbietet, sind oftmals nicht integriert und aufeinander abgestimmt, die Patienten wissen häufig nicht, wohin sie gehen sollen und was sie zu erwarten haben. Dann haben sie es notwendig, als Menschen verstanden zu werden, nicht als Empfänger einer Diagnose. Der Patient will nicht als »Brustkrebs« oder »Leberkrebs« behandelt werden. Er hei‎ßt Ion, Gheorghe oder Maria, sie sind Menschen, die leiden und die Familien haben, die mitleiden. Und sie haben au‎ßerdem auch existentielle Fragen, warum denn das ausgerechnet mir passiert, und wollen eben als Individuen behandelt und angehört werden.“




    Derselbe Respekt wurde auch Cristina Stănică zuteil, sowohl ihr als auch ihrem achtjährigen Sohn, der an einem Gehirntumor starb. Im staatlichen System, das überfüllt sei und vor vielen Problemen stehe, sei dies leider nie der Fall gewesen, erzählt Cristina Stănică:



    Ich glaube, dass im öffentlichen Gesundheitswesen leider niemand die Zeit für solche Dienstleistungen aufbringen kann. Die Ärzte sind sehr beschäftigt, das System erlaubt ihnen nicht, mehr als nur die strikten Aufgaben zu erfüllen. Und ich wei‎ß nicht, ob sie alle fähig dazu wären. Ich habe Ärzte getroffen, die wirklich alles Menschliche versucht haben, Ärzte, die ihrer beruflichen Pflicht einwandfrei nachgegangen sind, ohne sich emotional zu engagieren, sowie Ärzte, die nicht interessiert daran gewesen wären, auch wenn sie die nötige Zeit gehabt hätten. Aber die aus der letzten Kategorie waren nicht sehr viele, das stimmt schon.“




    Deshalb muss, neben der Behandlung mit Medikamenten, in den Krankenhäusern auch eine Seelsorge geboten werden. Das übernimmt die Palliativtherapie, die den Patienten ermöglicht, die Erfahrung mit Würde durchzumachen, berichtet Cristina Stănică:



    Sowohl er als auch ich haben diese seelische Betreuung bekommen. Mein Kind bezeichnete das Ärzteteam von Hospice, das uns zu Hause besuchte, als ‚unser Lächeln‘. Wann kommt unser Lächeln, fragte er mich. Wir hatten ein au‎ßerordentliches Ärzteteam, das uns als Normalmenschen betrachtet hat, sowohl ihn als auch mich… obwohl in den Momenten der Verzweiflung und Wut ich wahrscheinlich unerträglich war. Sie haben sich sehr gut in das eingefühlt, was wir beide durchmachen mussten, und das hat uns geholfen, ohne dass wir es gemerkt haben.“




    Es ist empfehlenswert, Palliativtherapie sowohl zu Hause als auch im Krankenhaus anzubieten, wenn die Verwandten des Patienten erwerbstätig sind oder die entsprechende Person alleine lebt. Eine solche Form der Behandlung ist zweifelsohne gut für alle Betroffenen, die Familie und den Freundeskreis.

  • Nachrichten 31.05.2014

    Nachrichten 31.05.2014

    BUKAREST: Rumäniens Präsident Traian Băsescu hat am Samstag den britischen Thronfolger Prinz Charles empfangen. Davor hatte Charles, der sich zu einem privaten Besuch in Rumänien aufhielt, das Dorf Valea Zălanului im zentralrumänischen Landkreis Covasna besucht. Dort besitzt der Prinz von Wales einen Bauernhof, den er in eine Sommerresidenz verwandelt hat. Der britische Thronfolger besuchte au‎ßerdem Kronstadt. Charles hat sich im Laufe der Jahre in die Erhaltung historischer Denkmäler in Siebenbürgen engangiert. Dabei veranlasste er die Restaurierung mehrerer sächsischer Höfe, die aus dem 12. Jahrhundert stammen. Davon steht ein Teil unter UNESCO-Schutz.



    BUKAREST: Der Internationale Währungsfonds unternimmt ab Montag seine dritte Evaluierungsmission in Rumänien. Dabei soll die Umsetzung der im Rahmen des Standby-Abkommens mit Bukarest vereinbarten Ma‎ßnahmen bewertet werden. Zu den Hauptthemen der Gespräche mit den rumänischen Behörden zählt die Aufhebung des Staatsmonopols im Energie- und Infrastrukturbereich, die als Schlüsselsektoren der Wirtschaft gelten. Ferner soll über eine mögliche Senkung der Sozialbeiträge der Arbeitgeber um 5% verhandelt werden. Auf der Gesprächsagenda stehen zudem die vom Finanzministerium ausgearbeiteten Ma‎ßnahmen zur Stimulierung des Arbeitsmarktes und Reduzierung der Besteuerung. Das derzeit geltende Standby-Abkommen zwischen Rumänien, dem IWF und der Europäischen Kommission hat einen Gesamtwert von vier Milliarden Euro.



    BUKAREST: In der rumänischen Hauptstadt geht am Wochenende das sechste Stra‎ßentheaterfestival B-FIT in the Street!” weiter. Bis Sonntag werden Interessenten bei Dutzenden von Aufführungen mit gigantischen Puppen und Maschinen, Konzerten und Licht- und Wasserspielen erwartet. Daran beteiligen sich gut 200 Künstler aus neun Ländern, einschlie‎ßlich Rumänien. Unterdessen ist am Freitag das 13. Internationale Filmfestival Transilvania (kurz TIFF) in Klausenburg eröffnet worden. Bis am 8. Juni stehen 217 Streifen aus 55 Ländern, Konzerte, Ausstellungen, Masterclasses, Debatten und Parties im Angebot für die Besucher der siebenbürgischen Gro‎ßstadt.




    SPORT/TENNIS: Die Weltranglistenvierte aus Rumänien Simona Halep hat sich am Samstag für das Achtelfinale der French Open qualifiziert. In der dritten Runde setzte sie sich in einer Stunde und vier Minuten gegen die Spanierin Maria-Teresa Torro-Flor mit 6:3 und 6:0 durch. Halep trifft im Achtelfinale auf die US-Amerikanerin Sloane Stephens. Die 15. der Setzliste bezwang in der dritten Runde die Russin Ekaterina Makarowa mit 6:3 und 6:4. Für die 22-jährige Rumänin ist das Achtelfinale beim Turnier in Roland Garros bereits der bislang grö‎ßte Erfolg bei diesem Grand-Slam. 2011 war Halep in der zweiten Runde an der Australierin Samantha Stosur gescheitert. Für ihre diesjährige Leistung hat sie sich bislang ein Preisgeld von 125.000 Euro gesichert. Simona Halep ist nach den Niederlagen von Serena Williams, Na Li und Agnieszka Radwanska die vom Papier her stärkste noch im Wettbewerb verbliebene Spielerin.

  • Das archäologische Ausgrabungsschutzgebiet in Târgşorul Vechi

    Das archäologische Ausgrabungsschutzgebiet in Târgşorul Vechi

    Die etwa 70 km nordwestlich von Bukarest gelegene Gemeinde Târgşorul Vechi scheint auf den ersten Blick eine Ortschaft wie viele andere im Landkreis Prahova. Historiker sind jedoch der Meinung, Târgşorul Vechi sei ganz besonders, weil die heutige Gemeinde vor 600 Jahren das Zentrum bedeutender Wirtschaftstätigkeiten bildete. Den Beweis dafür liefern die Ruinen, die zu dem heutigen Grabungsschutzgebiet gehören. Hier suchen lokale Experten gemeinsam mit den Angestellten des Bukarester Institutes für Archäologie Vasile Pârvan“ nach Artefakten, die mehr Auskunft über die Vergangenheit geben könnten. Das Grabungsschutzgebiet in Târgşorul Vechi ist umso wichtiger, da Kinder aus den Schulen der Region hierher kommen, um Seite an Seite mit den Experten zu arbeiten.



    Târgşorul Vechi wurde zu Zeiten des Fürsten Mircea der Alte (1386-1418) zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Er gilt als Gründer der Siedlung und wichtigster Name für die Geschichte der Gegend. Bogdan Ciupercă ist der Leiter der Ausgrabungsstätte Târgşorul Vechi, er führt uns als nächstes in die Anfänge der ersten hier lebenden Kulturen und Zivilisationen ein:



    Vor 600 Jahren wird in einer Urkunde der Kanzlei des Wojwoden Mircea der Alte, einem Handelsabkommen zwischen der Walachei und Kronstadt, der Ort Târgşor in seiner alt(kirchen)slawischen Bezeichnung zum ersten Mal erwähnt. Der lateinische Name lautete Novum Forum. Die beiden Namen der Ortschaft sind sehr bedeutend. Einerseits haben wir das altslawische Târgşor, in etwa ‚Marktfleck‘, zu vergleichen mit der Landeshauptstadt Târgoviştea, der gro‎ßen Marktgemeinde. Der lateinische Name zeigt, dass es eine neue Marktgemeinde war, wahrscheinlich während der Herrscherzeit Mircea des Alten gegründet. Der Name dieses gro‎ßen Wojwoden, der so viel für die Walachei getan hat, steht in enger Verbindung mit der Entstehung und Entwicklung von Târgşor.“



    Der Bestand des Grabungsschutzgebietes in Târgşorul Vechi ist nicht sehr reichhaltig, allerdings enthält er genügend Material, um leidenschaftliche Geschichtsfans anzuziehen. Die ältesten Siedlungsspuren sind die Silex-Werkzeuge aus der Altsteinzeit. Die Überlappung der Kulturen in Criș, Boian und Gumelnița, mit ihrer dekorierten Keramik, belegt die Jungsteinzeit. Den Kulturen Glina, Monteoru und Tei aus der Bronzezeit folgen Hallstatt und La Tène aus der Eisenzeit.



    Die ersten Ruinen, die die Existenz einer gro‎ßen Zivilisation belegen, sind das römische Castrum und die Thermen, also die im 2. Jahrhundert nach Christus gebauten Badehäuser. Das Castrum war Bestandteil einer Befestigungslinie, die sich über den Norden erstreckte, etwa in der Nähe der walachischen Ausläufer der Karpaten. Dieses Militärllager wurde während der römisch-dakischen Kriege in den Jahren 101-102 und 105-106 n. Chr. mit dem Ziel gebaut, die Zugangswege aus und in den Karpatenbogen zu kontrollieren. Aus den folgenden Jahrhunderten stammen Grabstätten, in denen Keramikgegenstände, Kleidungsstücke, Schmuck und Waffen gefunden wurden. Die Waffen wurden den sarmatischen Stämmen zugeordnet, den iranischen Reitervölkern, die die Walachei passiert haben.



    Bogdan Ciupercă verweist auf die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung von Târgşorul Vechi um die Herrscherzeit Mircea des Alten.



    Târgşorul war ein fürstlicher Markt, auf fürstlichen Ländereien gebaut, und genoss deshalb bedeutende Handelsprivilegien. Es war auch eine Zollgemeinde, 1413 wurden hier Steuern auf die Fischmengen erhoben, die mit dem Wagen von den Teichen um Brăila nach Siebenbürgen geliefert wurden. Târgşorul hat eine wirtschaftshistorische Bedeutung: Es war eine der ersten drei Marktgemeinden oder –städten der Walachei und der wichtigste Handelspartner von Kronstadt in der Walachei. Man kann sagen, dass Târgşor die Stadt von Mircea dem Alten ist, weil er als erster diese wichtige Stadt erwähnt. Man könnte ein Zitat des Historikers Nicolae Iorga umformulieren und sagen, dass Târgşor das Ploiești vor der Existenz von Ploiești ist. Es hat Târgşor bereits vor der Gründung der heutigen Stadt Ploiești gegeben und vielleicht hat Ploiești seine spätere Entwicklung auch diesem Marktflecken am Fu‎ße der Karpaten zu verdanken. Es gibt au‎ßerdem eine Verbindung zwischen Târgşor und einem anderen berühmt-berüchtigten Wojwoden: Vlad Ţepeş (der Pfähler), Mirceas Enkel, dessen Herrscherzeit hier 1456 beginnt, nach dem Sieg über das Heer von Vlad II. und der Proklamation zum Fürsten der Walachei.“



    Experten glauben, Târgşorul Vechi sei eine der Sekundärresidenzen der ersten walachischen Fürsten gewesen. Hier baute Vlad Țepeș (auch bekannt unter seinem Beinamen Dracul) im Jahr 1461 die Fürstenkirche Sf. Nicolae (Sankt Nikolaus). Heute erhalten sind noch das alte Fundament und die Stifterinschrift. Fürst Antonie-Vodă baute 1667 an dieser Stelle eine neue Kirche — und drum herum das Kloster Turnu. Um das Jahr 1700 wurde dieses Kloster von einem weiteren Fürsten, Constantin Brâncoveanu, restauriert und bemalt. Heute können noch ein Gro‎ßteil der Mauern und ein Teil der damaligen Malereien bewundert werden. Hier wurde es au‎ßerdem ab dem 16. Jahrhundert farbenfroh: 1570 entstand zunächst die Wei‎ße Kirche, und dann, Ende des 16. Jahrhunderts während der Herrscherzeit von Mihnea Turcitul, die Rote Kirche.



    Repräsentativ für die zivile Architektur ist die Residenz der Moruzi-Familie im Nordwesten des Grabungsschutzgebietes. Diese wurde Anfang des 20. Jahrhunderts im neorumänischen Stil errichtet. Die Erben der Moruzi-Familie haben Anfang des 20. Jahrhunderts auf dem Anwesen eine Pflanzen- und Tierfarm nach westlichen Standards gebaut.



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  • Farmen für die Zukunft

    Farmen für die Zukunft

    Rumänien ist ein wahres landwirtschaftliches Paradies“, für französische Investoren gibt es viele Möglichkeiten, in die rumänische Landwirtschaft zu investieren. Das erklärte in diesem Sommer Frankreichs Botschafter in Bukarest, Philippe Gustin. Die Landwirtschaft sei wirklich einer der beliebtesten Investitions-Bereiche in Rumänien für ausländische Investoren, meinen auch Fachleute.



    Auch junge Rumänen sind immer mehr daran interessiert, sich im Bereich der Landwirtschaft ausbilden zu lassen. Maria Drinovan, Leiterin des Kollegs für Landwirtschaft und Lebensmitteindustrie Burzenland“ in der Gemeinde Prejmer/Tartlau, Landkreis Braşov/Kronstadt, erläutert die Schwierigkeiten der Fachausbildung Landwirtschaft:



    Leider befinden sich heute die Landwirtschaftsschulen in einer ziemlich schwierigen Lage, weil immer weniger Kinder sich für Landwirtschaft interessieren Es wäre sehr wichtig, die Mentalität der Menschen irgendwie zu ändern. Man sollte nicht mehr sagen ‚wenn du nicht lernst, dann wirst du auf die Kühe aufpassen‘. Ich glaube immer noch daran, dass Rumänien sich durch die Landwirtschaft sehr viel entwickeln wird. Aber dafür brauchen wir ausgebildete junge Leute. Entweder machen sie Abitur bei einem Landwirtschafts-Gymnasium oder studieren an einer Universität, ohne Bildung und ohne vorbereitete Leute werden wir keine leistungsfähige Landwirtschaft haben können.“



    Die Erklärung der Leiterin des Landwirtschafts-Kollegs in Prejmer erfolgte bei der Feier anlässlich des 9.Jahrestags seit der Implementierung des Projekts Die demonstrative Farm und das Landwirtschafts-Zentrum für Ausbildung und Beratung Agrovision.“ Das ist ein Projekt von World Vision Rumänien, das 2004 eingeleitet wurde. Es kann als Modell einer alternativen Lösung für die Ausbildung professioneller Landwirte angesehen werden.



    Die Milchkühe-Farm wurde in einer armen Gemeinde, im Dorf Criţ/Deutsch-Kreuz, Gemeinde Buneşti/Bodendorf, Landkreis Braşov/Kronstadt gebaut. Crenguţa Bărbosu, Programm-Managerin für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung bei World Vision, erzählt, wie das Projekt startete. Das geschah 2004, gerade als Rumänien die EU-Verhandlungen im Bereich der Landwirtschaft abgeschlossen hatte.



    Zuerst haben wir eine Farm gekauft, eine ehemalige Landwirtschafts-Genossenschaft, die wir modernisiert haben. Au‎ßer der Finanzierung aus den USA haben wir auch ein Projekt bei SAPARD vorgelegt. Das, um in erster Reihe den Leuten zu beweisen, dass diese Fonds sich an Landwirte in Rumänien richten und dass man diese abrufen kann. Mit diesem Geld haben wir die Farm modernisiert, Kühe gekauft, die Ställe und einen Melkstand modernisiert. Zudem haben wir ein Bildungs-Zentrum für Landwirte gebaut und haben Management-Lehrpläne für Milchkuh-Farmen entwickelt. Zu dem Zeitpunkt gab es Fachliteratur nur für Spezialisten. Es gab keine zugänglichen Unterlagen für kleine Landwirte. Dann ist Rumänien der EU beigetreten, es entstand das Nationale Programm für ländliche Entwicklung. Unsere Programme haben sich dann damit beschäftigt, den Landwirten die Kenntnisse zur Verfügung zu stellen um EU-Fonds abzurufen.



    Radu Todea ist ein junger Mann, der die Fakultät für Bauingenieurwesen absolviert hat. Er beschloss jedoch, im Bereich der Viehzucht zu arbeiten, nachdem er bei der Agrovision-Farm ausgebildet wurde. Er hat seine Farm selbst geplant und gebaut. Das erfuhren wir aus dem Präsentations-Video über den Impakt des Projekts:



    Ich habe dieses Geschäft von meinen Eltern geerbt. Wir hatten 11 Milchkühe. Dann habe ich die Kurse der Stiftung World Vision besucht. Ich habe gelernt, Tiere unter den besten Bedingungen zu züchten, ich habe über die Kalbzucht gelernt und über Milchstände. Jetzt melke ich auch mechanisiert. Ich habe die Zahl der Tiere verdoppelt. Ich leite ein blühendes Geschäft und bereue meine Wahl nicht.“



    In den neun Jahren ist die Demo-Farm in Criţ mehr als nur ein Unterstützungs-Projekt für kleine Farmer geworden. Letzen Endes hatte sie wichtige soziale Folgen und führte zur Entwicklung der lokalen Gemeinde. Crenguţa Bărbosu:



    Wir haben das touristische Potential der Gegend geahnt — Criţ befindet sich in einer Region mit vielen sächsischen Kirchenburgen. Das Interesse der rumänischen und ausländischen Touristen wuchs immer mehr. Dann haben wir die Agrotourismus-Kurse für Frauen und nicht nur gestartet. Etwa 300 Personen haben die Agrotourismus-Kurse absolviert — ein Gro‎ßteil dieser Absolventen betreiben jetzt touristische Pensionen oder arbeiten in solchen. Für die Entwicklung der Gemeinde haben wir auch eine Weberei-Werkstatt für die ärmsten Frauen, die als Tagelöhnerinnen arbeiteten, gegründet. Wir habe sie das Weben gelehrt und einige von ihnen verkaufen erfolgreich ihre Produkte den Touristen, die in der Gegend immer zahlreicher werden.“



    Ein gro‎ßes Problem der landwirtschaftlichen Ausbildung in Rumänien ist, dass die Schüler kein relevantes Praktikum ableisten können. Dies weil zu wenige Farmen auf höchstem Niveau ausgestattet sind, meint Maria Drinovan, die Leiterin des Landwirtschafts-Kollegs in Prejmer.



    Ich wünsche mir von ganzem Herzem, dass die jungen Leute auf dem Lande bleiben und dort ein Geschäft entwickeln, auch wenn nicht alle im Bereich der Landwirtschaft sein werden. Aber es geht auch auf dem Lande. Ich stamme aus einer reichen Gemeinde, wo sich auch die Schule, in der ich arbeite, befindet. Unser Einfluss in der Gemeinde war sehr gro‎ß. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ich glaube, wir hatten im Jahr 2000 ein Leonardo-Projekt abgewickelt und haben 10 junge Farmer aus Prejmer und den Nachbardörfern für vier Monate nach Dänermark zu einem Praktikum im Bereich der Öko-Landwirtschaft geschickt. Das Ergebnis: 5 der 10 jungen Leute, die gegangen sind, besitzen heute vorbildliche Farmen in Prejmer und den umliegenden Dörfern. Einer von ihnen hat auch ein Hochschulstudium im Bereich der Landwirtschaft belegt und ist Manager einer gro‎ßen dänischen Farm, die 6.000 Hektar Land in Rumänien bearbeitet.“



    Als Schlussfolgerung kann man sagen, dass man auch in der Landwirtschaft gut verdienen kann. Das ist auch die positive Botschaft, die von den Leitern solcher Projekte gesendet wird. Und es gibt junge Leute in Rumänien, die Geschäfte auf dem Lande entwickeln und sich als Vorbild an Farmen wie jene in Criţ orientieren.



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