Tag: Kulturhaupstadt

  • Nachrichten 23.12.2020

    Nachrichten 23.12.2020

    Einsetzung. In Bukarest findet die Sitzung des Parlaments zur Einsetzung der Regierung, die vom ernannten Premierminister Florin Cîţu vorgeschlagen wurde statt. Die Sitzung wird vom neuen Präsidenten der Abgeordnetenkammer Ludovic Orban geleitet, der bekannt gab, dass 363 der 455 validierten Parlamentarier anwesend sind. Alle vorgeschlagenen Minister wurden von den spezialisierten parlamentarischen Kommissionen gebilligt, wobei diese Stellungnahme beratend war. Die Regierung ist eine Mitte-Rechts-Koalition, die von der Nationalliberalen Partei, der Union Rettet Rumänien – PLUS und dem Demokratischen Verband der Ungarn in Rumänien gebildet wurde und versprach die Modernisierung des Landes sowie eine Partnerschaft mit dem Staatsoberhaupt für die Umsetzung der Reformen. Die Regierung hat 18 Ministerien mit zwei stellvertretenden Ministerpräsidenten. Florin
    Cîţu erklärte, dass das Regierungsprogramm die Unterstützung des
    Investitionsprozesses vorsehe, aber auch einen umfassenden Reformprozess der
    Struktur, der die Konsolidierung des nachhaltigen Wirtschaftswachstums
    sicherstellen würde. Er betonte, dass alle Ziele der Regierung klare Fristen
    haben werden, die eingehalten werden müssen. Die Sozialdemokratische Partei, die bei den Wahlen den ersten Platz belegte, aber kein Regierungsbündnis bilden konnte, kündigte an, dass die Parteien auf völligen Widerstand treffen werden. AUR, die vierte Kraft im Parlament, sagte, sie werde gegen die Regierung des liberal-liberalen Florin Citu stimmen.



    Impfung. Fast 5.500 neue Coronavirus-Fälle wurden am Mittwoch in Rumänien gemeldet, womit die Gesamtzahl der bestätigten Infektionen nun die 600.000er-Marke überschreitet. Außerdem wurden 130 neue Todesfälle gemeldet, womit sich die Zahl der Toten auf 14.766 erhöht hat. Etwa 1.250 Covid-Patienten befinden sich auf der Intensivstation. Die Behörden haben die Bevölkerung erneut dazu aufgerufen, die bestehenden Anti-Covid-Maßnahmen zu respektieren, und davor gewarnt, dass die Infektion nicht über Weihnachten und Neujahr pausiert.



    Covid Europa. Europa wird die erste Region in der Welt, die den Meilenstein von 500.000 Coronavirus-Todesfällen überschreitet, nach Schätzungen von Reuters, während der neue Stamm des Virus, der in Großbritannien entdeckt wurde, die Bemühungen, die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen, zu behindern droht. In Italien, dem Land mit der höchsten Covid-Todesrate in Europa, wurde ein mit der neuen Variante infizierter Patient identifiziert, ebenso in Frankreich und Dänemark. Laut Reuters befinden sich etwa 30 % der weltweiten Covid-Todesfälle in Europa, wo die Todesrate in den letzten Monaten gestiegen ist und sich innerhalb von 60 Tagen verdoppelt hat. Die EU-Länder bereiten sich auf Massenimpfungen vor, die unmittelbar nach Weihnachten beginnen sollen, da die Europäische Arzneimittelagentur am Montag den ersten Impfstoff gegen Covid-19 zugelassen hat.



    Kulturhauptstadt. Die Stadt Timisoara im Westen Rumäniens wird 2023 zusammen mit Elefsina (Griechenland) und Veszprem (Ungarn) die Kulturhauptstadt Europas sein. Sie sollten den Titel nächstes Jahr halten, wurde aber aufgrund der Coronavirus-Pandemie verschoben. Das zuständige Ministerium wird die Projekte und die kulturelle Infrastruktur für diese Veranstaltung finanzieren. 2007 teilte eine andere Stadt in Rumänien Sibiu mit Luxemburg den Titel.



    Schule. Drei Millionen Kinder haben am Mittwoch ihre Ferien nach mehr als anderthalb Monaten Fernunterricht begonnen. Der Unterricht wird am 11. Januar wieder aufgenommen, aber die Behörden müssen noch entscheiden, ob er über dieses Datum hinaus online abgehalten werden soll. Die Entscheidung wird vom Komitee für Notfallsituationen in Abhängigkeit von der epidemiologischen Situation getroffen.



    Gedenken. Am Mittwoch sind es 31 Jahre seit dem Massaker am Flughafen Otopeni in der Nähe von Bukarest. Am 23. Dezember 1989, einen Tag nach der Verhaftung des fliehenden kommunistischen Diktators Nicolae Ceauşescu, wurden 40 Gendarmen von den den Flughafen bewachenden Truppen erschossen, die sie fälschlicherweise für Terroristen hielten. Die Gendarmen waren in Wirklichkeit eingesetzt worden, um die Verteidigung des Flughafens zu verstärken.



    Republik Moldau. Die linke Regierung der Republik Moldau (ein ex-sowjetischer Staat mit einer mehrheitlich rumänischsprachigen Bevölkerung) trat am Mittwoch vor einem Misstrauensvotum im Parlament zurück. Die Ankündigung wurde von Premierminister Ion Chicu bei einer Pressekonferenz gemacht, die vom scheidenden pro-russischen sozialistischen Präsidenten Igor Dodon am letzten Tag seiner Amtszeit veranstaltet wurde. Letzten Monat verlor Dodon die Präsidentschaftswahlen gegen den ehemaligen pro-westlichen Premierministerin Maia Sandu.

  • Bukarest: Gedächtnis und Stadterkundung

    Bukarest: Gedächtnis und Stadterkundung

    Memorie” (zu dt. Gedächtnis) ist ein Teilprojekt über das kollektive Gedächtnis Bukarests, das die Kandidatur der rumänischen Hauptstadt um den Titel Kulturhauptstadt Europas 2021 offiziell macht. Das Projekt läuft an der Gabroveni-Herberge (Hanul Gabroveni), die jüngst restauriert wurde und nimmt die Form einer Trilogie an, die aus folgenden Teilen besteht: Memoria, Explorarea, Imaginarea Oraşului z.d. das Gedächtnis, die Stadterkundung und die Wahrnehmung der Stadt.



    Dabei wird die Stadt sowohl zum Handlungsraum, als auch zum Protagonisten. Bukarest war seinen Schriftstellern gegenüber gro‎ßzügig, hat ihnen erlaubt, sich von ihrem Kern, ihrer Quintessenz zu ernähren, manchmal in einer schmerzhaften Art, und lie‎ß sich ihrerseits, genau wie ein riesengro‎ßer Vogel, von den Schriftstellern ernähren, die über sie geschrieben haben. Sie haben sich dann Teile ihrer Körper weggeschnitten, damit sie der riesengro‎ße Vogel im Gegezug auf seinem Rücken hin und her transportieren kann. Die in Freunde und Feinde der Stadt geteilten Schriftsteller haben sie alle auch mit Gro‎ßzügigkeit und lauter Paradoxen belohnt. Sie haben Bukarest sowohl zum Handlungsraum, als auch zur Hauptfigur gemacht. Sie haben sie gleicherma‎ßen verehrt und verdammt.” Wir haben die Schriftstellerin Svetlana Cârstean zitiert, die Kuratorin der Literaturveranstaltungen, die an der Gabroveni-Herberge stattfinden. Die Schriftstellerin kommt mit Einzelheiten zum Veranstaltungsplan zu Wort:



    Bis Mitte Mai läuft die Etappe Gedächtnis”. Im Vorfeld der Literaturveranstaltungen haben wir die Autoren streng ausgewählt. Wir schlugen den Schriftstellern vor, über Bukarest zu sprechen, während sie sich gegenüber sa‎ßen. Wir stellen sie einander gegenüber, um eine interessante Spannung zu schaffen. Sie bringen dabei widersprüchliche Ideen zum Ausdruck. Einige sagen, dass sie Bukarest ohne Vorbehalt lieben, andere sagen hingegen, dass sie sich gegenüber der Stadt fremd fühlen. Einige, dass sie sich nur hier zu Hause fühlen, während andere der Überzeugung sind, dass sie zu jeder Zeit diese Stadt verlassen könnten. Wir haben der Literatur ein dreitägiges Programm gewidmet. Bei einer der Veranstaltungen waren die Schriftsteller Ioana Pârvulescu und Răzvan Petrescu zu Gast, wobei das Gespräch von der Literaturkritikerin Florina Pârjol moderiert wurde. Dann kam die Debatte Adrian Schiop–Mihai Duţescu, moderiert vom Kritiker Paul Cernat. Alle Schriftsteller, die sich an diesem Projekt beteligen, haben bislang in ihren Prosawerken den Beweis einer äu‎ßerst tiefen Beziehung zu Bukarest gemacht. Eine andere Debatte stellte die Schriftstellerinenn Gabriela Adameşteanu und Simona Sora gegenüber. Das Gespräch wurde von der Literaturkritikerin Andreea Răsuceanu moderiert. Andreea Răsuceanu möchte ich allerdings zu einer Konferenz einladen, weil sie sich als ausgezeichnete Expertin der literarischen Geographie erweist. Sie arbeitet derzeit an einem Buch zum Thema: Bukarest in der zeitgenössischen Literatur, von Mircea Cărtărescu zu Simona Sora.”




    Im Rahmen des Projektes “Gedächtnis” fand auch ein Gedichtmarathon, moderiert von Svetlana Cârstean, statt, woran sich Adela Greceanu, Florin Iaru, Octavian Soviany, Miruna Vlada und Elena Vlădăreanu beteiligten. Die Kuratorin des Events mit weiteren Einzelheiten: “Jeder dieser Schriftsteller hat eingewilligt, seiner persönlichen Beziehung zu Bukarest Ausdruck zu verleihen. Unser Treffen führte folglich zu einem au‎ßergewöhnlichen Resultat und ich möchte das Projekt fortsetzen, weil es so viele Schriftsteller gibt, deren persönliche Erfahrung und Beziehung zu Bukarest ich kennenlernen möchte. Das ist aber nur eines der Projekte. In der Gabroveni-Herberge gibt es auch eine Ausstellung, die ich sehr lieb beigewonnen habe und die mir in der rumänischen Kulturlandschaft wie etwas ganz Au‎ßergewöhnliches vorkommt.



    Es handelt sich um ein kleines Archiv mit alten Bukarest-Fotos. Jeder kann sich eines davon wählen, beim Infokiosk einscannen lassen, und es dann in einem anderen Ausstellungsraum an die Wand kleben und daneben schreiben, was für Erinnerungen das besagte Foto bei ihm weckt. Viele Besucher und auch Schriftsteller haben unseren Vorschlag mit voller Begeisterung angenommen. ”Der erste Teil der der rumänischen Hauptstadt gewidmeten Trilogie, das Gedächtnis der Stadt” nimmt sich vor, eine kognitive und affektive Karte Bukarests zu schaffen. Die Organisatoren spornen die Einwohner dazu an, sich mit Bildern und Videos aus persönlichen Sammlungen, die verschiedene Ausschnitte aus Dokumentationen ergänzen, am Projekt aktiv zu beteiligen. Die Bukarester haben somit auch die Gelegenheit, ihre persönliche Beziehung zu ihrer Stadt zum Ausdruck zu bringen. Svetlana Cârstean erläutert:



    Der Prozess des Gedächtnisses” begann mit ein paar Menschen und wird, meiner Ansicht nach, mit deutlich mehr weitermachen. Darin liegt auch eines der Ziele unseres Projektes und eines der Kriterien, aufgrund derer jede Kandidatur ausgewertet wird: eine möglichst aktive und glaubwürdige Mobilisierung der Gemeinde. Ich wünsche mir, dass nicht nur Künstler über ihr eigenes Bukarest erzählen, selbst wenn dieser Aspekt beim Publikum viel Neugier weckt. Ich fand besonders interessant, als der Prosaschriftsteller Adrian Schiop sagte: wenn ich Geld haben werde, werde ich mir eine Wohnung im Randviertel Ferentari kaufen. Oder wenn jemand anderes darauf erwiderte, dass er möglichst weit weg von Bukarest gehen möchte. Ich bin selber nicht in Bukarest geboren, ich wuchs in Botoşani auf und die ersten Jahre meines Lebens verbrachte ich auf dem Land bei meinen Gro‎ßeltern. Ich habe also dieses Trauma, mich in einer Stadt einzuleben, zweimal erlebt: einmal als ich nach Botoşani zog, selbst wenn Botoşani eine kleine Stadt ist, und dann als ich in die Metropole Bukarest zog. Ich lebe seit 27 Jahren in Bukarest, theoretisch könnte ich sagen, dass ich mich hier zu Hause fühle. Ich fühle mich dennoch nicht richtig wie zu Hause, die Stadt hat mich mittlerweile nicht komplett adoptiert. Ich habe verschiedene Entwicklungsstadien Bukarests miterlebt, in zahlreichen und voneinander total unterschiedlichen Vierteln gewohnt. Ich glaube, dass mir dieses Projekt die ganze Zeit Überraschungen bereiten wird und es wird mir klar, dass ich mich gegenüber dem Subjekt neu positionieren muss.”




    Es besteht die Möglichkeit, dass sich Bukarest im Jahr 2021 der langen Liste der europäischen Kulturhauptstädte anschlie‎ßt. Der nationale Wettstreit der Städte, dessen Gewinner Rumänien dabei vertreten wird, startete im Dezember 2014. Um den Titel kämpfen auch Cluj-Napoca (Klausenburg), Timişoara, Iaşi, Craiova, Arad, Sfântu Gheorghe, Oradea, Alba Iulia (Karlsburg), Brăila und Braşov (Kronstadt).