Tag: Kulturkonsum

  • Kulturkonsumbarometer: kulturelle Teilhabe fördert auch Demokratieverständnis

    Kulturkonsumbarometer: kulturelle Teilhabe fördert auch Demokratieverständnis





    2023 wurde das sogenannte Kulturkonsumbarometer 18 Jahre alt. Das Nationale Institut für Kulturforschung und -bildung (INCFC) führt diese wichtige Erhebung jährlich durch. Allerdings wurden während der Pandemiezeit die Erhebungen ausgesetzt, weil die meisten kulturellen Einrichtungen teilweise geschlossen waren und die Daten somit irrelevant gewesen wären. Im Jahr 2022 war es wieder soweit, und der kürzlich erschienene Kulturkonsumbarometer für 2022 macht deutlich, dass nach dem Rückgang der kulturellen Aktivitäten in den Jahren 2020 und 2021 noch keine Wiederankurbelung des Kulturbetriebs stattgefunden hat.



    Im Zeitraum der Pandemie mit Beginn im Jahr 2019 bis nach nach Aufhebung der Einschränkungen im Jahr 2022 hat der Kulturkonsum einen dramatischen Rückgang erfahren. Abgenommen haben im öffentlichen Kulturkonsum beispielsweise: der Besuch von Theateraufführungen von 29 % der Gesamtbevölkerung im Jahr 2019 zu 20 % im Jahr 2022, Kinobesuche von 35 % im Jahr 2019 zu 26 % im Jahr 2022, der Besuch von Museen, Ausstellungen oder Kunstgalerien von 38 % im Jahr 2019 zu 30 % im Jahr 2022. Lediglich der Besuch historischer Denkmäler oder archäologischer Stätten stieg um 14 %, wobei solche Bildungsausflüge in der Regel im Schnitt auch nur einmal im Jahr stattfinden. Weitere Einzelheiten der Studie kennt Carmen Croitoru, Leiterin des auftraggebenden Instituts:



    Wir haben festgestellt, dass sich die Trends fortsetzen. Wir sind zwar etwas besser dran als 2021, es gibt also einen Aufwärtstrend, doch sind wir immer noch nicht auf dem Niveau des Kulturlebens von 2019. Es gibt offensichtlich eine überwiegende Tendenz zum Kulturkonsum im Internet in privaten Räumlichkeiten. Menschen, die den Kulturkonsum in den eigenen vier Wänden für sich entdeckt haben, tun sich schwer, diese Gewohnheit aufzugeben, weil der Besuch kultureller Veranstaltungen in der Öffentlichkeit ein Verlassen der Komfortzone und damit eine Herausforderung der eigenen Bequemlichkeit bedeuten würde. Erfreulicherweise gibt es aber einen entgegengesetzten Trend in der Altersgruppe der 18- bis 35-Jährigen, d.h., die jungen Menschen sind aktiver und gehen öfters aus, weil sie auch diese Art der kulturvermittelnden Sozialisation brauchen. Generell gibt es jedoch leider stark zurückgehende Zahlen, wenn es um den Kulturkonsum geht. Erfreulicherweise gibt es wiederum einen anhaltend steigenden Trend bei der Besichtigung von Stätten des nationalen Kulturerbes. Das hei‎ßt letzten Endes, dass die Bedeutung des Kulturerbes im öffentlichen Bewusstsein in Rumänien zugenommen hat.“




    Von 2019 bis 2022 hat der Konsum kultureller Produkte im Internet deutlich zugenommen — dabei handelt es sich insbesondere um Filme auf Streaming-Diensten oder das Hören von Musik auf verschiedenen digitalen Plattformen. Auch das Lesen und der Kauf von Büchern im Internet haben zugenommen, obwohl die Rumänen insgesamt immer noch sehr wenig lesen. Neuere Daten des Nationalen Instituts für Statistik (INS) vom Herbst dieses Jahres ergaben, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung Rumäniens in den letzten 12 Monaten keine Bücher gelesen hat, wobei die Hauptgründe Zeitmangel (35 %) und mangelndes Interesse am Lesen von Büchern generell (32 %) waren.



    Das Kulturkonsum-Barometer bestätigt diesen Trend und zeigt, dass das Lesen von Büchern in Papierformat von 2019 bis 2022 um 9 % zurückging, während der Konsum von e-Books, Artikeln und anderen Medien in digitalem Format um 11 % zunahm. Au‎ßerdem zeigen die Untersuchungen des Instituts für Kulturforschung und -bildung bestimmte sozial-ökonomische Barrieren auf, die den Konsum von Kultur im öffentlichen Raum erschweren oder schlicht verhindern. Zu diesen Hindernissen gehört auch die fehlende Stra‎ßeninfrastruktur: Wenn die Menschen viele Kilometer zu Fu‎ß zurücklegen oder infrastrukturell mangelhafte öffentliche Verkehrsmittel benutzen müssen, um ein Theater, ein Kino oder eine Buchhandlung zu erreichen, verzichten sie ganz auf Kultur. Anda Becuț-Marinescu, Leiterin der Forschungsabteilung des auftraggebenden Instituts für die Erforschung der Kulturteilhabe, spricht im folgenden über diese Hindernisse, die ihrer Meinung nach nur durch angemessene Ma‎ßnahmen der öffentlichen Politik beseitigt werden könnten.



    Geografische Barrieren beziehen sich auf den Mangel an Infrastruktur in bestimmten Gebieten. Es handelt sich erstens um die Unterscheidung zwischen Stadt und Land, die in unseren Barometern ständig unter die Lupe genommen wird. Diese Hindernisse tauchen nicht nur im Stadt-Land-Gefälle auf, sondern auch im Städte-Ranking: kleine Städte gegenüber gro‎ßen Städten, die auch Universitätszentren sind. Es gibt Landkreise, die nicht einmal über elementare Infrastruktur verfügen. Und sicherlich gibt es auch finanzielle Hindernisse. Die Rede ist hier von sozialen Schichten mit bescheidenen Einkommen, für die der Kauf eines Buchs einfach unerschwinglich ist. Man kann sie als gefährdete Sozialschichten betrachten, und junge Menschen aus benachteiligten Familien sind eine solche gefährdete Gruppe. Und dann sind da noch die kulturellen Bildungsbarrieren, die mit der Einstellung und der Wahrnehmung einhergehen. Dabei geht es um die Kompetenz, künstlerische Botschaften entschlüsseln zu können. Menschen, die seit ihrer Kindheit nie mit Kultur in Berührung gekommen sind, werden im Laufe ihres Lebens ohne direkte Intervention von Kultureinrichtungen diese Fähigkeit nie entwickeln.“




    Während der Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Kulturverständnis seit langem bekannt ist, beleuchtet das Kulturkonsumbarometer 2022 auch die Beziehung zwischen kultureller Teilhabe, bürgerschaftlichem Engagement und dem Verständnis für demokratische Mechanismen. Carmen Croitoru, Leiterin des Instituts für Kulturforschung und -bildung, erläutert zum Schluss unseres Features die Zusammenhänge:



    Je höher die Werte des kulturellen Konsums sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Menschen an einer freien Gesellschaft teilhaben und ihre Rechte, aber auch ihre Pflichten gegenüber der Gesellschaft verstehen. Zugehörigkeit, Identität, Toleranz, Vertrauen, Integration, staatsbürgerliche Anliegen und Freiheit sind die Themen, zu denen das Forschungsteam Fragen formuliert hat, und die Antworten sind recht interessant, aber meist paradox und beunruhigend. Wenn wir zum Beispiel über Vertrauen sprechen, geht es um die Tatsache, dass das Vertrauen in Informationen, die über soziale Medien verbreitet werden, sehr gering ist, obwohl der Prozentsatz derer, die auf sozialen Medien aktiv sind, höher ist als bei allen anderen. Die Menschen vertrauen nicht mehr dem, was im Fernsehen, im Radio und in Printmedien veröffentlicht wird, doch das ist die Folge einer bestimmten Art und Weise, mit Nachrichten umzugehen.



    Kultur bedeutet auch Respekt für den Bürger und vor der Freiheit des Bürgers, seine kulturellen Rechte wahrzunehmen. Aus unserem Kulturkonsum-Barometer geht deutlich hervor, wie viel Vertrauen wir den mündigen Bürgern schenken und welchen kulturellen Horizont ihnen dieser Staat zumisst. Die Rede ist von der jetzigen Generation im Durchschnittsalter, die das Ergebnis einer 20- oder 25-jährigen Ignoranz gegenüber kultureller Bildung ist. Und vielleicht sollten wir dann wenigstens etwas für die nächste Generation tun, für die jetzt noch jungen Menschen, damit sie sich der kulturellen Teilhabe selbst ermächtigen können.“

  • Kulturkonsum-Barometer: Teilhabe noch geringer als vor der Pandemie

    Kulturkonsum-Barometer: Teilhabe noch geringer als vor der Pandemie





    Das Nationale Institut für Kulturforschung und -ausbildung (INCFC) hat das sogenannte Barometer des Kulturkonsums 2022. Kulturelle Teilhabe und demokratische Perspektiven“ veröffentlicht. Die Studie, die Veränderungen in den kulturellen Konsumgewohnheiten bewertet und zum ersten Mal in Rumänien auch das Verhältnis zwischen Kultur und Demokratie analysiert, wurde während des 23. Nationalen Theaterfestivals vorgestellt.



    Die Daten bestätigen die während der Pandemie festgestellten Trends, d. h. die vorherrschende Vollziehung des Kulturkonsums in Online-Medien und nicht-öffentlichen Räumen. So sind laut Barometer die Auswirkungen der Pandemie auf den Kulturkonsum im öffentlichen Raum deutlich zu spüren, wobei der einzige Anstieg bei den Besuchen historischer Denkmäler oder archäologischer Stätten zu verzeichnen ist, die mindestens einmal im Jahr stattfinden: Im Jahr 2023 haben 59 % der Befragten ein Denkmal besichtigt, 2019 waren es nur 45 %. Beim öffentlichen Kulturkonsum sind hingegen folgende Rückgänge zu verzeichnen: der Besuch von Theateraufführungen ging von 29 % im Jahr 2019 auf 20 % im Jahr 2022 zurück, Kinobesuche von 35 % auf 26 %, der Besuch von Bibliotheken zum Lesen oder Ausleihen von Büchern von 28 % auf 17 %. Ein Rückgang ist auch beim Besuch von Museen, Ausstellungen oder Kunstgalerien zu verzeichnen, von 38 % im Jahr 2019 auf 30 % im letzten Jahr.



    Über den Pandemiekontext hinaus erklärt sich der Rückgang des Kulturkonsums im öffentlichen Raum auch durch die Zunahme von Barrieren für den Kulturkonsum, die für alle Verbraucherkategorien gelten. Nach Ansicht der Autoren der Erhebungen haben in den letzten Jahren und insbesondere während der Pandemie Hindernisse die Rezeption von Kultur nachhaltig gestört. Dagegen helfe nur die Förderung des Interesses an Kultur und des Verständnisses für kulturelle Produkte und künstlerisches Schaffen durch eine nachhaltige Bildung von Kindern und Jugendlichen, aber auch von Erwachsenen.



    Die Studie untersucht auch die Verbindung zwischen kulturellen Konsumgewohnheiten und demokratischer Beteiligung. Professor Carmen Croitoru, Leiterin des Nationalen Instituts für kulturelle Forschung und Ausbildung, das die Studie in Auftrag gegeben hat, erläutert:



    Die Studie setzt sich mit klassischen Themen wie Kulturkonsum im öffentlichen bzw. im individuellen häuslichen Bereich auseinander. Hinzu kam ein Kapitel über die Verbindung zwischen demokratischer Teilhabe und Kultur. Im Vergleich zu anderen Ländern sind wir auf einem niedrigen Niveau des Kulturkonsums, wir haben keine gleichmä‎ßig ausgebaute Infrastruktur. Es gibt immer noch ein gro‎ßes Gefälle zwischen Stadt und Land; bei Kleinstädten sehen wir Versuche, nachzuholen und sich weiter sich zu entwickeln. Schlussfolgernd haben wir festgestellt, dass wir noch weniger Kulturkonsum im öffentlichen Raum als vor 2019 haben.“



    Das Kulturkonsum-Barometer ist die grö‎ßte landesweite Erhebung zur Messung kultureller Konsumgewohnheiten und wurde nach einer dreijährigen Unterbrechung aufgrund der COVID-19-Pandemie zum ersten Mal wieder in Auftrag gegeben. Die Studie basiert auf einer landesweit repräsentativen Stichprobenerhebung, die von September bis Oktober 2022 durchgeführt wurde.

  • Kulturkonsum im kleinstädtischen Milieu: Angebot nicht ausreichend auf Jugendliche zugeschnitten

    Kulturkonsum im kleinstädtischen Milieu: Angebot nicht ausreichend auf Jugendliche zugeschnitten





    Laut Kulturwissenschaftlern ist die Kultur nicht nur eine Welt an sich, sondern auch ein Medium, das unterschiedliche Werte transportiert. Au‎ßerdem sind Kulturräume in der heutigen Welt nicht nur Orte, die der Kultur gewidmet sind, sondern auch Träger gesellschaftspolitischer Grundsätze und Haltungen. Ausgehend von diesen Prämissen zielte die Studie Kulturkonsum junger Menschen in kleinen und mittelgro‎ßen Städten“ im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung in Rumänien darauf ab, zu untersuchen, inwieweit kulturelle Aktivitäten in kleinen städtischen Gebieten mit der feministischen Perspektive verflochten sind und ob junge Männer und Frauen kulturelle Veranstaltungen mit bestimmten sozialen Werten verbinden.



    Ein weiterer Ausgangspunkt für diese Untersuchung war der schlechte Zustand der kulturellen Infrastruktur in den Kleinstädten: wenige öffentliche Bibliotheken, geschlossene Kinos, Kulturhäuser, die entweder nicht funktionieren oder zweckentfremdet werden. Mehr als 225 Jugendliche im Alter von 13 bis 20 Jahren haben an der Umfrage teilgenommen, wobei der Anteil der Mädchen bei über 75 % lag. Der überwiegende Anteil von weiblichen Auskunftspersonen lag nicht in der Absicht der Autoren der Umfrage, sondern es haben sich einfach mehr Mädchen und junge Frauen entschieden, die Fragebögen auszufüllen und an den Interviews teilzunehmen, versichert Carmen Voinea, die Koordinatorin der Studie, der zufolge die Befragten eindeutig einen Zusammenhang zwischen einem bestimmten Verhalten beim Kulturkonsum und der Genderproblematik hergestellt haben.



    Aus ihren Antworten ging hervor, dass an der Schnittstelle zum kulturellen Konsum auch umfassendere Fragen der Gleichstellung der Geschlechter und der sozialen Eingliederung auftauchen. Eines ihrer Bedürfnisse war z.B. das Vorhandensein von Kulturräumen, in denen sich unterschiedliche Menschen, einschlie‎ßlich der LGBT-Gemeinschaft, sicher fühlen können. Das Bedürfnis, Probleme in der Gemeinschaft durch Kultur zu lösen, kam in den Interviews und Fragebögen ebenfalls zum Ausdruck. Darüber hinaus erzählten uns viele Teilnehmer an der Umfrage, dass sie durch den Kinobesuch und das Anschauen bestimmter Filme begonnen hatten, sich mit feministischen und geschlechtsspezifischen Themen auseinanderzusetzen. Wir haben versucht, ihre subjektive Beziehung zu diesen Kulturräumen zu erfassen. Auch wenn wir auf dem Papier oder sogar ganz konkret Museen, Bibliotheken und Kulturzentren haben, sind sie für junge Menschen vielleicht nicht immer attraktiv. Der Inhalt ist nicht auf sie zugeschnitten. Sie haben das Bedürfnis, einbezogen zu werden und aus einer partizipatorischen Position heraus in einigen Fällen zu Mitgestaltern dieser Räume für kulturelle Produkte zu werden. Die Tatsache, dass mehr Frauen an der Umfrage teilgenommen haben, könnte auf ein grö‎ßeres Interesse junger Frauen am Kulturkonsum im Zusammenhang mit dem Feminismus hinweisen.“



    Der Kulturkonsum junger Menschen hänge allerdings von der Infrastruktur und dem kulturellen Angebot ab, denn ihre Gewohnheiten spiegeln die Vielfalt und den Reichtum dieses Angebots wider — oder, im Gegenteil, seine Spärlichkeit, erläutert weiter Carmen Voinea:



    Erstens haben wir festgestellt, dass die häufigsten kulturellen Aktivitäten von Jugendlichen in Einsamkeit und in häuslicher Umgebung stattfinden oder ausgeübt werden. Auch die kulturellen Aktivitäten, die im öffentlichen Raum zugänglich sind, sind nicht sehr abwechslungsreich und nicht auf Jugendliche zugeschnitten. Obwohl ein hoher Prozentsatz der Befragten Kinobesuche attraktiv und interessant findet, gaben gleichzeitig 45 % von ihnen an, dass sie im letzten Jahr keinen Film im Kino gesehen haben. 48 % der Befragten gaben au‎ßerdem an, dass sie in eine andere Stadt fahren mussten, um ins Kino zu gehen.“




    Diese Zahlen sprechen für den Wunsch junger Menschen, ein Kino in ihrer Stadt zu haben. Die Umfrage ergab auch, dass das alte, geschlossene Kino in vielen Orten immer noch als ein Wahrzeichen wahrgenommen wird, selbst von den Jugendlichen, die es nicht als Kino erlebt haben. Die Studie über den Kulturkonsum junger Menschen enthält auch ermutigende Nachrichten, sagt zum Schluss erneut Carmen Voinea:



    Die Bibliotheken waren in der Art und Weise, wie sie in den von den Jugendlichen erstellten Mindmaps auftauchen, eine Überraschung für uns. In einigen Städten boten die Bibliotheken den Jugendlichen nicht nur Platz zum Lesen oder Ausleihen von Büchern, sondern auch einen Raum, in dem sie Ideen entwickeln konnten, z.B. von koreanischen Kulturclubs bis hin zu Karaoke-Abenden. In Călărași etwa, einer Kleinstadt an der Donau in Südrumänien, sagte eine junge Frau, die Bibliothek sei ihr Lieblingsort in der Stadt. Dasselbe gilt für die ehemalige Industriestadt Slatina. In der Bibliothek fanden sie einen Raum, in dem sie sich entfalten konnten, und einen Raum, in dem sie als Mitgestalter direkt am Kulturkonsum teilhaben konnten. Darüber hinaus sind die von den Jugendlichen am meisten besuchten Orte immer noch öffentliche Räume. 70 % der Orte, an denen sie Kultur konsumieren, sind öffentlich. Wenn sie hingegen über feministische Themen diskutieren, tun sie dies eher in privaten und informell organisierten Räumen. Auch wenn Jugendliche nach wie vor die öffentliche Infrastruktur am stärksten in Anspruch nehmen, gibt es dort immer noch nicht genug Offenheit, um feministische Themen anzusprechen.“




    Zu den Schlussfolgerungen der Studie Kulturkonsum junger Menschen in kleinen und mittelgro‎ßen Städten“ gehört daher auch die Empfehlung an die lokalen Behörden, die kulturellen Aktivitäten im öffentlichen Raum wiederzubeleben und sie integrativer zu gestalten, denn die Studie habe eindeutig gezeigt, dass es Interessenten dafür gibt.

  • Kulturkonsum in der Pandemie: Ruhende Beschäftigungen und Online-Trends nehmen zu

    Kulturkonsum in der Pandemie: Ruhende Beschäftigungen und Online-Trends nehmen zu

    Das Institut für Kulturforschung in Bukarest hat neulich eine Studie zu den Trends im Kulturkonsum vorgelegt. Demnach steige der Anteil der Menschen, die mehr Bücher lesen und mehr Musik hören. Im Jahr 2020 gaben 35 % der Befragten an, dass sie Bücher lesen, im Gegensatz zu 22 % im Jahr 2019. 88 % gaben an, Musik auf allen Arten von Geräten zu hören, im Gegensatz zu 74 % im Jahr 2019. Theater- und Kinobesuche gingen aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen zurück, aber die Menschen waren daran interessiert, Theaterstücke und Filme online zu sehen oder zu Freilichtaufführungen zu gehen, sofern die Einschränkungen und das Wetter es zulie‎ßen. 79 % der Befragten sahen Filme und TV-Serien, gegenüber 76 % im Jahr 2019. Bei allen Arten von Formaten nahm der Konsum zu.



    Adrian Majuru, Direktor des Städtischen Museums Bukarest, betont den Appetit der Bukarester auf kulturelle und soziale Veranstaltungen:



    Der Mensch ist ein soziales Wesen. Menschen konsumieren Kultur, selbst unbeabsichtigt, sie haben ihr ganzes Leben kulturell gestaltet, und das schlie‎ßt ihre Arbeit ein. Was ich nicht wusste, war WIE sie Kultur konsumieren, und wie sie sich kulturell neu formieren, wenn sie unter Druck stehen, wie in Zeiten gesundheitlicher Unsicherheit, die nicht sichtbar ist. Oder in einer wirtschaftlichen oder sozialen Krise mit Stra‎ßenunruhen, die manchmal vorhersehbar und jedenfalls sichtbarer sind. Und dann kann man in Echtzeit Rückschlüsse ziehen. Im Prinzip haben die Menschen ruhende Beschäftigungen wieder belebt — Lesen oder Kommunizieren in Foren, zum Beispiel.“




    Wir haben Adrian Majuru gefragt, wie sich die Museen in der Hauptstadt an den Kulturkonsum aus der pandemiebedingten Distanz angepasst haben:



    Offensichtlich gehöre ich zu der Generation, die einen Sprung gewagt hat. Früher habe ich Briefe von Hand geschrieben und manchmal drei Stunden daran gearbeitet und sogar drei Entwürfe aufgesetzt. Heute tippe ich Nachrichten ein, mit Worten, die ich gar nicht schreiben will. Also haben wir Technik in allen Aspekten genutzt, um die Kommunikation mit jedem zu fördern, auch mit Leuten, die man nicht kennt, die man dann aber kennenlernt. Wir haben die 15 Facebook-Seiten der 10 Museen und 5 Sammlungen aktiviert. Unser Glück ist, dass das Städtische Museum von Bukarest eine riesige Vielfalt hat — von Münzen über Kleidung und Archäologie bis Kunst. All diese Sammlungen wurden online sehr aktiv, und wir haben dreimal am Tag gepostet und während der Pandemie hatten wir über eine Million Onlinebesucher in eineinhalb Monaten; wir hatten auch mehr Kommentare, wir sind mehr auf anderen Plattformen wie Instagram und Twitter aufgetreten.



    Als wir dann im Mai wieder öffneten, fiel es uns schwer, uns zu erholen. Zuerst gab es einen Rückgang von 70 %, dann hatten wir ein Comeback, aber es kamen immer noch 30 % weniger Besucher als im Jahr 2019. Natürlich war es eine andere Art von Umgang, denn die Leute machten sich Sorgen um ihre Sicherheit, ihre Jobs, die sich in einigen Fällen veränderten oder verschwanden. Wir wollten einen Zufluchtsort bieten und versuchten, den Menschen, die ihr Leben hinterfragten, eine Antwort zu geben — so gut es auf einer Facebook-Seite oder in einem Forum möglich war.“




    Dem Museumsleiter zufolge werden die Dinge nicht mehr linear verlaufen, es werden immer weniger Mittel — auch Staatsmittel — zur Verfügung stehen, so dass es interdisziplinäre Inhalte geben muss, die möglichst viele Menschen berühren. Adrian Majuru listete im Gespräch mit RRI auch auf, was sein Haus für 2021 plant und wie er sein digitales Angebot gestaltet.



    Wir haben eine Website, die alle möglichen Schubladen hat, mehr als viele westliche Museen. Wir haben Schubladen für alles mögliche, wir haben digitalisierte Filme aus unserer Sammlung kostenlos angeboten, Dokumentarfilme, die wir über Museen, über Sammlungen, über Bukarest gemacht haben. Wir haben Konferenzen aufgezeichnet, die live gesendet wurden, mit ausländischen Gästen, zu sehr interessanten Themen. Der Mehrwert des Museums muss wiedergewonnen werden — d.h. auch Veranstaltungen müssen organisiert werden, die Menschen anziehen, wie z.B. klassische oder zeitgenössische Musikshows, Theaterstücke oder viele andere Ideen aus der Community. Im Herbst hatte das Museum einen Aufruf für Projekte veranstaltet, doch es kamen nur sehr wenige Vorschläge, obwohl die Räumlichkeiten kostenlos bereitgestellt wurden. So kamen nur ein paar Anfragen für Workshops oder Lehrveranstaltungen, keine für Ausstellungen. Hauptziel ist es, mit der Gemeinde Schritt zu halten und zu verstehen, was ihre Anliegen sind.“




    Das Museum gibt auch einen Newsletter heraus, der jeden Monat über die wichtigsten Termine informiert und auch Interviews und andere Inhalte umfasst. Und wer den Newsletter nicht im digitalen pdf-Format bestellen wird, kann ihn zusammen mit der landesweit vertriebenen Kulturzeitschrift Contemporanul“ im bewährten Papierformat kaufen, sagt Museumsleiter Majuru abschlie‎ßend.

  • Kulturbarometer: 77% der Rumänen kulturell schwach eingebunden

    Kulturbarometer: 77% der Rumänen kulturell schwach eingebunden

    Kirchen, Kulturhäuser, lokale Festivals und Bibliotheken sind in der Auffassung der Bevölkerung die verbreitetsten Elemente der kulturellen Infrastruktur in Rumänien. Das ist die Schlussfolgerung des Kulturkonsum-Barometers 2016, einer soziologischen Studie, die die Kultur-Präferenzen der Rumänen erfasst. Die Studie wird vom Nationalen Institut für Forschung und Kultur-Ausbildung INCFC durchgeführt. Laut derselben Studie wünschen sich 60% der Befragten mehr Presse-Kiosks, 68% wünschen sich mehr Bibliotheken, 62% mehr Buchhandlungen und 59% mehr Parks. Anda Becuţ von der Forschungs-Abteilung des Nationalen Instituts für Forschung und Kultur-Ausbildung INCFC erklärt:



    Landesweit werden die Kulturhäuser, die Festivals, Feste und Parks als die wichtigsten Kultur-Infrastrukturelemente empfunden, es gibt aber Unterschiede von Region zu Region. Der wichtigste Anteil von Kultur-Konsumenten wird in Bukarest und im umliegenden Landkreis Ilfov verzeichnet. Das, weil die Hauptstadt sehr reich an Kultur-Infrastruktur ist, den anderen Städten überlegen. Es gibt Unterschiede zwischen den Städten und den ländlichen Regionen: Auf dem Lande sind die Menschen mit einer bestimmten Art von Kultur-Angebot nicht vertraut. Wir berechnen zum ersten Mal diese Kennzahl der kulturellen Teilnahme. Dabei haben wir die Eurostat-Methodologie eingesetzt.“




    Die Studie des Nationalen Instituts für Forschung und Kultur-Ausbildung INCFC zeigt weiter, dass 32% der Rumänen in den letzten 12 Monaten kein Buch gekauft haben, 29% haben in derselben Periode kein Buch gelesen. Die Volks- und Ethno-Musik stellt für 53% der Rumänen die Lieblingsmusik dar, gefolgt von der rumänischen Pop-Musik mit 30%, der ausländischen Pop-Musik mit 20%, den sogenannten Manele (Balkanbeats) mit 15% und dem Blues mit 11%. Die letzten Plätze werden von der Hip-Hop-Musik, der klassischen Musik, der Rock-Musik und der Jazz-Musik eingenommen. Der Soziologe Dan Jurcan dazu:



    70% der Rumänen gehen nicht ins Theater oder Kino. Dieser Unterschied zu Europa könnte man durch die Online-Piraterie begründen. Es gibt auch einen gro‎ßen Unterschied zwischen Stadt und Land. Generell hat der Kultur-Konsument ein bestimmtes Profil: Er hat studiert und lebt in der Stadt. In 70% der Dörfer gibt es Kulturhäuser, es stellt sich aber die Frage, inwieweit diese noch kulturell sind. Die meisten Tätigkeiten, die hier abgehalten werden, sind Hochzeiten, Beerdigungs-Zeremonien und Wahlen. Eine Zahl, auf die wir aufmerksam geworden sind, ist das Verhältnis zwischen dem sozialen Erfolg und der Lektüre. 77% der Befragten sagten, sie würden eher arbeiten als lesen, und 55% sind der Meinung, man müsse nicht lesen, um im Leben erfolgreich zu sein. Das beweist, dass die Förderung des mühelosen Erfolgs in den Medien schädlich ist. 78% der Haushalte haben Kabel-TV und Internet. Nur 12% der Befragten sagten, sie hätten niemals Facebook benutzt. Das beweist, dass die sozialen Netzwerke auch von den Senioren benutzt werden. Der Zugang zur Information ist einfacher geworden, fraglich ist allerdings, wieviel Kultur wir im Internet suchen.“




    Die soziologische Untersuchung zeigte, dass 77% der Befragten kulturell schwach eingebunden sind, 19% mittelmä‎ßig, 3% stark und 1% sehr stark eingebunden. Carmen Croitoru, Geschäftsführerin des Nationalen Instituts für Forschung und Kultur-Ausbildung INCFC berichtet:



    Eine andere wichtige Analyse bezog sich auf die Meinung der Befragten betreffend die sozialen Folgen der Kultur. Zum ersten Mal wurde diese erfasst, und es war für uns eine positive Überraschung, weil wir schlussfolgerten, dass die Menschen die Kultur als wichtig empfinden. Ein wichtiger Teil des kulturellen Konsums spielt sich im Internet ab. In Rumänien haben im Vergleich zu anderen europäischen Ländern viel mehr Leute Zugang zum Internet.“




    Die am meisten verbreiteten Formen des kulturellen Konsums in der Öffentlichkeit (mindestens einmal im Jahr) waren: Museums- und Ausstellungs-Besuche (20%), Theater-Besuch (13%), Kino-Besuch (9%), Opernbesuch (7%), Philharmonie (6%), Unterhaltung und Musik (17%), der Besuch von öffentlichen Bibliotheken (6%). Laut dem Barometer stellt der Geldmangel den wichtigsten Grund dar, am Kulturleben nicht teilzunehmen. 42% der Befragten gaben diesen Grund an. Weiter Gründe sind der Gesundheitszustand (21%), das Alter (12%) und der Zeitmangel (7%).