Tag: Kumanen

  • Der Asseniden-Staat (12.-13. Jh.)

    Der Asseniden-Staat (12.-13. Jh.)

    Im Jahr 1185 waren die Steuerzahler im byzantinischen Reich sehr aufgeregt. Die zentrale Verwaltung hatte die Steuern angehoben, um die Hochzeit des Kaisers Isaak II. Angelos mit der Tochter des ungarischen Königs finanzieren zu können. Zwei Brüder, die rumänischen Bojaren Petru und Ioan Asan, Anführer der Gemeinden im nördlichen Teil des heutigen Bulgariens, haben dem Kaiserhof in Konstantinopel ein formelles Protestschreiben eingereicht. Ihr Antrag wurde abgelehnt. Zurück in Veliko Tarnovo haben die beiden Brüder einen antibyzantinischen Aufstand gestartet. Dieser führte zur Gründung des rumänisch-bulgarischen Staates oder des 2. Bulgarischen Reiches, unter der Führung der Asan-Dynastie (auch Assen od. Asseniden genannt). Der Staat funktionierte bis etwa 1260, als es sich spaltete. 1396 wurden alle Nachfolgestaaten vom Osmanischen Reich erobert.



    Das rumänisch-bulgarische Reich war ein multiethnischer Staat, in dem mindestens drei Volksgruppen gelebt haben: Rumänen, Bulgaren und Kumanen. Der Historiker Alexandru Madgearu meint, man könne kaum eine Karte des Staates erstellen.



    Es gibt mehrere Quellen, die zugleich — manchmal im selben Satz — die Wlachen, die Bulgaren und die Kumanen erwähnen. Man machte einen klaren ethnischen Unterschied bei der Teilnahme an einer Militärkampagne, bei einer Belagerung. Man machte sogar den Unterschied zwischen Gebieten, zwischen Bulgarien und der Walachei. Anscheinend gab es eine Walachei. Der Name wurde aber nicht von den Rumänen benutzt, weil die Rumänen sich nie selbst als Walachen bezeichnet haben. Die Quelle ist ein päpstliches Dokument. Wenn im selben Satz über die Walachei und Bulgarien berichtet wird, bedeutet das, dass der Staat Gebiete hatte, die sich einer Autonomie erfreuten. In dieser Hinsicht wissen wir kaum etwas. Wir wissen nur, dass man in byzantinischen Quellen, insbesondere des byzantinischen Historikers Niketas Choniates, einen klaren Unterschied zwischen Walachen und Bulgaren gemacht hat.“




    Auch wenn die mittelalterliche Nation nicht der modernen Nation entspricht, waren sich die Assen-Brüder ihrer Herkunft bewusst. Alexandru Madgearu:



    Natürlich waren sie sich ihrer ethnischen Herkunft bewusst. Wir müssen aber bedenken, dass die Idee des Volkes, der Nation nicht dieselbe Bedeutung wie beginnend mit dem 18.-19. Jahrhundert hatte. Damals handelte es sich mehr um die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, einer Religion oder sozialen Schicht. Direkt von ihnen wurde uns nur die Information, die mehrmals in der Korrespondenz mit dem Papst erscheint, dass sie römischer Herkunft seien, übermittelt. Bei diesen Aufständen war die Beteiligung multiethnisch. Die Feinde waren nicht die Griechen als Volksgruppe. Der Feind war die Macht in Konstantinopel, die Steuern einnahm. Alles ging von wirtschaftlichen Gründen aus, nicht unbedingt die Armen, sondern die Reichen haben den Aufstand gestartet. Insbesondere diese hatten zu leiden und haben dann auch die anderen zum Aufstand verleitet.“




    Der antibyzantinische Aufstand hatte auch eine mystische Komponente. Die Religion wurde im Mittelalter sehr oft für politische Zwecke eingesetzt. Alexandru Madgearu dazu:



    So haben die Assen-Brüder die Rumänen und Bulgaren in Tarnovo zum Aufstand aufgefordert. Sie haben eine komplizierte Geschichte erfunden, mit dem Heiligen Demetrios, der Thessaloniki verlassen hatte. Sie haben der Bevölkerung gesagt, der Heilige hätte die Griechen wegen ihrer Sünden verlassen und wäre zu ihnen nach Tarnovo gekommen. Sie haben am Fu‎ße der Burg eine Art Kapelle gebaut und haben dann einige Menschen dorthin gebracht, die meiner Meinung nach unter dem Einfluss von halluzinogenen Pilzen standen. So beschreibt es der Historiker Niketas Choniates. Diese begannen zu singen und schrien ‚Der Heilige Demetrios ist mit uns‘ und ‚Kämpfen wir gegen die verfluchten Griechen!‘. Niketas Choniates berichtet, die Bevölkerung war nicht kampflustig. Eine solche Strategie des psychologischen Kriegs war ma‎ßgebend für den Start des Aufstandes.“




    Den Staat der Assen-Brüder kennt man nicht näher, weil es nur wenige historische Quellen gibt. Alexandru Madgearu berichtet:



    Es fehlen die Quellen, wir können nicht wissen, wieviele Leute in einer Stadt Rumänen und wieviele Bulgaren waren. Wir haben auch keine Friedhöfe gefunden, sie darauf hinweisen könnten. Wenn die Anführer schwach waren, kam es zu abtrünnigen Bewegungen, so während der Herrschaft von Borilă und dann von Constantin Assen. Es hing von der Autorität des Herrschers ab. Wenn dieser nicht autoritär war, haben sich Bojaren in unterschiedlichen Gebieten autonom oder sogar unabhängig gemacht.“



    Die ersten drei Anführer – Petru, Ioan und Ioniţă Asan waren rumänischstämmig. Nachher wird die Dynastie bulgarisch. Das zweite bulgarische Reich bleibt auch nach dem Fall Konstantinopels selbstständig. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzritter im Jahr 1204 wurde das byzantinische Reich sehr geschwächt. Die Eroberungen des Osmanischen Reiches in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts brachten einen gro‎ßen politischen Wandel in der Region mit sich.

  • Die Anfänge der rumänischen Staatengebilde

    Die Anfänge der rumänischen Staatengebilde

    Der mittelalterliche rumänische Staat ist eines der spätesten politischen Gebilde in Europa. Die Gründung erfolgte erst Mitte des 14. Jahrhunderts. Historiker haben die langsamere Gründung durch politische Argumente erklärt und diese auf den wirtschaftlichen und sozialen Wandel zurückgeführt, der von der Völkerwanderung verursacht wurde. Der rumänische Raum zusammen mit dem nordslawischen Raum wurden periodisch den destabilisierenden Folgen der Übergriffe der türkisch-mongolischen Wandervölker aus Asien ausgesetzt.



    Über die Gründung der Walachei zwischen den Südkarpaten und der Donau wurde viel debattiert. Grund dafür ist der Mangel an historischen Quellen. Es gibt mehrere Thesen, die mehr oder weniger plausibel sind. Aus diesem Grund ist es schwer, diesen komplizierten und langen Prozess zu verstehen. Eine Theorie, die in den letzten Jahren für Aufruhr gesorgt hat, ist die Kumanen-Theorie des Historikers Neagu Djuvara. Laut dieser sollen die Kumanen, ein Turkvolk, erheblich zur Gründung der Walachei beigetragen haben.



    Der Historiker Matei Cazacu ist Spezialist in der Geschichte des Mittelalters. Er ist Forscher beim Nationalen Zentrum für Wissenschaftsforschung in Frankreich und Dozent beim Nationalen Institut für Orientalische Sprachen und Zivilisationen (INALCO) in Paris. Cazacu bestreitet die Kumanen-Theorie und erläutert den Stand der archäologischen Forschung betreffend die Gründung der Walachei:



    Man hat in Curtea de Argeş und Câmpulung ausgegraben. Hier wurden die Fürstenhäuser und alte Kirchen aus dem 13. Jahrhundert entdeckt. Es gab einige Woiwoden und Herrscher, die sich eines bestimmten Status erfreuten. Aufmerksame Forschungen haben gezeigt, wie sie allmählich ins Licht der gro‎ßen Geschichte eintraten. Bis dahin hatten sie in Gesellschaften mit einer mündlich überlieferten Kultur gelebt, die die Schrift nicht benutzte. Es musste die Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzritter 1204 erfolgen und die Einbeziehung dieser Gebiete in eine riesige päpstliche Strategie, die die Heiden und die Schismatiker nördlich und südlich der Donau einschloss, um über die Existenz dieser walachischen Fürsten zu erfahren. Es handelte sich um Rumänen und Orthodoxe, sie lebten in Stein- und Holzhäusern. Die Kumanen und die anderen Nomaden lebten an den Donau-Ufern und an den Ufern der kleinen Flüsse, die in die Donau münden. Sie haben dort ihre Spuren hinterlassen. Ihre Gräber, 13 an der Zahl in der ganzen Walachei, sind insbesondere gen Osten gerichtet. Man kann daran erkennen, dass das Zentrum der kumanischen Macht im Osten lag, in der Dobrudscha und im Süden Bessarabiens. Wäre die Walachei von den Kumanen gegründet worden, dann hätte man nicht Curtea de Argeş, im Gebirge, als Hauptstadt gewählt und den Staat hätte man auf rumänisch nicht Muntenia — das Land der Bergbewohner — benannt. Die Hauptstadt hätte Lehliu oder Caracal sein müssen, dort, wo die Kumanen lebten, und nicht im Herzen der Karpaten.“



    Zahlreiche Historiker meinen, in der Walachei oder im heutigen Süden Rumäniens habe es zwei Staaten gegeben. Der Norden, in der Nähe der Karpaten, der von rumänischen Herrschern kontrolliert wurde, und der Süden, in der Nähe der Donau, der unter kumanischer Kontrolle lag. Auf mittelalterlichen Karten steht für den Osten und Süden der Walachei der Name Cumania. Der Historiker Şerban Papacostea mit Einzelheiten:



    In der westlichen Geographie in lateinischer Sprache erscheint der Raum östlich des Alt-Flusses unter dem Namen Cumania. Vom heutigen Landeskreis Argeş und der Kleinen Walachei (Oltenia) begann die Expansion des rumänischen Staates, der unter Basarab I. gegründet worden war. Dessen [möglicherweise kumanische] Herkunft spielt weniger eine Rolle. Er identifizierte sich mit dem rumänischen Staat und trug zu seiner Genese bei. Der Begriff Kumanien erscheint bis zum späten Mittelalter als Reich der Steppen. Ein Jahrtausend lang waren wir unter dem Einfluss oder sogar unter der Herrschaft dieses Reiches. Die Ausdehnung des rumänischen Staates begann im 13. Jh. in Richtung Osten nach Kumanien. In der westlichen Geographie unterschied man Cumania Neagră, das Schwarze Kumanien, das ist der westliche Teil, und das Wei‎ße Kumanien im Osten und nördlich des Schwarzen Meers. Der staatsbildende Prozess begann mit der Ankunft der Teutonen in den Karpaten im Jahr 1211. Im 14. Jh. wurde wurde dieser Prozess mit Basarabs Sohn und der Allianz zwischen dem ungarischen und polnischen Königreich gegen die Tataren fortgeführt. Diese Allianz drängte das unter dem Namen Goldene Horde bekannte Mongolische Reich aus der russischen Steppe nach Osten. Mit dem Begriff Schwarzes Kumanien bezeichnete man damals das walachische Gebiet östlich des Alt-Flusses und die Moldau.“



    Der Mediävist Matei Cazacu hat auch andere Belege für den Begriff Kumanien als regional bedeutendes Staatsgebilde parat:



    Dieses Kumanien kann durch die vorhandene Toponymie (Gesamtheit der Ortsnamen in einer Region) erkundet werden. Dort, wo wir Ortsnamen wie Bărăgan, Burnaz, Teleorman haben, handelt es sich um alte turksprachige Namen. Wir können also schlussfolgern, dass hier Kumanen lebten. Iorga hat ganz diese Tatsache ganz richtig gemerkt. Wir haben einerseits den kumanischen Teil im Süden der Walachei, die Bărăgan-Ebene bis zur Donaumündung und der Norddobrudscha. Ansererseits gibt es die Regionen, die von Rumänen bewohnt wurden, Vlăsia und Vlaşca. Im Banat kann man auch Slawen antreffen. Die Kumanen lebten in der Ebene, auf den Weiden kleiner Flüsse. Sie dominierten die Rumänen, die sich mit Fischfang und Landwirtschaft beschäftigten, und wurden von diesen assimiliert.“



    Die Herausbildung der Walachei als Staat im letzten Viertel des 13. Jh. und im 14. Jh. wurde durch den autochthonen Beitrag der Rumänen und unter den Einflüssen der Kumanen erzielt. Gemeinsam haben sie einen Staat gegründet, der später als Walachei bezeichnet wurde.



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