Tag: Lesen

  • Leseschwäche: Jüngere Generation hat jegliches Interesse am Lesen verloren

    Leseschwäche: Jüngere Generation hat jegliches Interesse am Lesen verloren

    35 % der Rumänen geben an, noch nie ein Buch gelesen zu haben, obwohl es unzählige Studien gibt, die zeigen, dass Lesen die harmonische Entwicklung eines Individuums fördert, Stress zu reduzieren hilft und auch zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung beiträgt. Die Weltbank hat gezeigt, dass höhere Alphabetisierungsraten mit einer gesünderen Bevölkerung, niedrigeren Kriminalitätsraten und grö‎ßeren wirtschaftlichen Wachstumsraten verbunden sind.



    Es sieht so aus, als ob sich das Verhältnis der Rumänen zu Büchern 10 Jahre nach der antikommunistischen Revolution vom Dezember 1989 zu verschlechtern begann und das Interesse der neuen Generationen am Lesen dramatisch gesunken ist. Wer ist schuld daran und was kann man tun, wo doch wissenschaftlich erwiesen ist, dass Lesen zur Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten eines jungen Menschen beiträgt?



    Wir haben die Journalistin Marina Constantinoiu, eine Expertin auf diesem Gebiet, die auch an der Fakultät für Journalismus und Kommunikation lehrt, gefragt, wie sich das mangelnde Interesse junger Menschen am Lesen erklären lässt?



    Leider ist das Verhältnis zwischen Schülern und dem Lesen im Allgemeinen, mit oder ohne Verbindung zum Internetzeitalter, ziemlich schlecht, und das ist nichts Neues, das gibt es schon seit 25 Jahren, denn vielleicht waren die ersten Jahre nach der Revolution von 1989 etwas gro‎ßzügiger, was das Lesen angeht. Man kann dem Internet die Schuld geben, aber auf der anderen Seite ist es nicht der einzige Grund und nicht einmal der schwerwiegendste. Ich denke, dass das Hauptproblem in der Familie liegt, denn die Familie ist es, die das Kind nicht zum Lesen ermutigt oder die Unfähigkeit des Kindes zum Lesen toleriert. Ich wei‎ß nicht, ob wir alle mit einem Interesse am Lesen geboren werden, ich wei‎ß, dass dies für meine Generation etwas ist, das in der Familie kultiviert wurde. Ich denke, jetzt ist es eine Frage des nationalen Notstands, denn wir sind in einer sehr schlechten Situation, was das Lesen angeht. Und das kann man an der gro‎ßen Armut des Wortschatzes sehen, mit dem die Menschen heutzutage kommunizieren.“




    Lesen als tägliche Gewohnheit baut neuronale Verbindungen auf und stärkt sie in jedem Alter, nicht nur bei Kindern und jungen Erwachsenen. Werte wie Bildung, Respekt vor Büchern oder Lehrern haben begonnen zu verschwinden. Wenn wir unsere nationale Identität nicht ernsthaft beschädigen wollen, sollten wir dies zu einem nationalen Notstand erklären, meint Marina Constantinoiu:



    Ich war früher selbst eine Studentin und jetzt unterrichte ich und ich unterhalte mich normalerweise gerne mit meinen Studenten au‎ßerhalb des Unterrichts. Ich versuche herauszufinden, was ihre Leidenschaften sind, ob sie lesen und wie viel. In letzter Zeit musste ich aber leider nicht mehr fragen, weil es offensichtlich geworden ist. An der Art und Weise, wie sie ihre Projekte schreiben und wie sie einen längeren Text betrachten, kann ich erahnen, wie viel sie lesen, denn die Arbeit daran ist für sie mit viel Langeweile verbunden. Viele erschrecken allein schon bei dem Gedanken, einen langen Text lesen, darüber nachdenken, ihn verstehen und etwas darüber schreiben zu müssen.“




    Es ist lebenswichtig, dass die Familie, unabhängig von der eigenen Bildung, in den Kindern den Respekt vor und das Interesse am Lesen kultiviert. Ohne Wissen, ohne Lernen aus Büchern ist es, als würde man eine Reise mit einer leeren Tasche beginnen. Und das ist nie gut, sagt Marina Constantinoiu:



    Lesen als Gewohnheit ist normalerweise etwas für die über 40-Jährigen, und ich gehöre zu dieser Kategorie, ich fühle mich wie ein Dinosaurier, aber es ist nicht normal, so zu sein. Ich denke, es sollte in der Familie beginnen und Lesen sollte eine Verpflichtung sein, die sanft auferlegt wird. Denn Lesen ist das, was einen als Person formt. Das sage ich vielen Kindern, die die Stirn runzeln, wenn sie hören, dass sie in der Schule mehr lesen sollen, denn sie befinden sich gerade in den aufmüpfigen Jahren ihrer Entwicklung. Egal, welches Berufsfeld man wählt, man kann die Reise nicht ohne Informationen antreten und ohne das richtige Vokabular, das man nur durch Lesen erwerben kann. Es ist egal, wie wir sie nennen: Wörter, Informationen, Ideen, Metaphern, es ist egal. Wichtig ist, dass man sie hat und sie im Leben benutzt.“




    Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es wichtig ist, unsere Kinder zum Lesen anzuregen. Ihnen zu helfen, die Freude daran zu entdecken, jeden Tag für eine Weile innezuhalten und einfach zu lesen. Auf lange Sicht ist es auf jeden Fall lohnend.



    Audiobeitrag hören:



  • Kulturkonsum in der Pandemie: Ruhende Beschäftigungen und Online-Trends nehmen zu

    Kulturkonsum in der Pandemie: Ruhende Beschäftigungen und Online-Trends nehmen zu

    Das Institut für Kulturforschung in Bukarest hat neulich eine Studie zu den Trends im Kulturkonsum vorgelegt. Demnach steige der Anteil der Menschen, die mehr Bücher lesen und mehr Musik hören. Im Jahr 2020 gaben 35 % der Befragten an, dass sie Bücher lesen, im Gegensatz zu 22 % im Jahr 2019. 88 % gaben an, Musik auf allen Arten von Geräten zu hören, im Gegensatz zu 74 % im Jahr 2019. Theater- und Kinobesuche gingen aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen zurück, aber die Menschen waren daran interessiert, Theaterstücke und Filme online zu sehen oder zu Freilichtaufführungen zu gehen, sofern die Einschränkungen und das Wetter es zulie‎ßen. 79 % der Befragten sahen Filme und TV-Serien, gegenüber 76 % im Jahr 2019. Bei allen Arten von Formaten nahm der Konsum zu.



    Adrian Majuru, Direktor des Städtischen Museums Bukarest, betont den Appetit der Bukarester auf kulturelle und soziale Veranstaltungen:



    Der Mensch ist ein soziales Wesen. Menschen konsumieren Kultur, selbst unbeabsichtigt, sie haben ihr ganzes Leben kulturell gestaltet, und das schlie‎ßt ihre Arbeit ein. Was ich nicht wusste, war WIE sie Kultur konsumieren, und wie sie sich kulturell neu formieren, wenn sie unter Druck stehen, wie in Zeiten gesundheitlicher Unsicherheit, die nicht sichtbar ist. Oder in einer wirtschaftlichen oder sozialen Krise mit Stra‎ßenunruhen, die manchmal vorhersehbar und jedenfalls sichtbarer sind. Und dann kann man in Echtzeit Rückschlüsse ziehen. Im Prinzip haben die Menschen ruhende Beschäftigungen wieder belebt — Lesen oder Kommunizieren in Foren, zum Beispiel.“




    Wir haben Adrian Majuru gefragt, wie sich die Museen in der Hauptstadt an den Kulturkonsum aus der pandemiebedingten Distanz angepasst haben:



    Offensichtlich gehöre ich zu der Generation, die einen Sprung gewagt hat. Früher habe ich Briefe von Hand geschrieben und manchmal drei Stunden daran gearbeitet und sogar drei Entwürfe aufgesetzt. Heute tippe ich Nachrichten ein, mit Worten, die ich gar nicht schreiben will. Also haben wir Technik in allen Aspekten genutzt, um die Kommunikation mit jedem zu fördern, auch mit Leuten, die man nicht kennt, die man dann aber kennenlernt. Wir haben die 15 Facebook-Seiten der 10 Museen und 5 Sammlungen aktiviert. Unser Glück ist, dass das Städtische Museum von Bukarest eine riesige Vielfalt hat — von Münzen über Kleidung und Archäologie bis Kunst. All diese Sammlungen wurden online sehr aktiv, und wir haben dreimal am Tag gepostet und während der Pandemie hatten wir über eine Million Onlinebesucher in eineinhalb Monaten; wir hatten auch mehr Kommentare, wir sind mehr auf anderen Plattformen wie Instagram und Twitter aufgetreten.



    Als wir dann im Mai wieder öffneten, fiel es uns schwer, uns zu erholen. Zuerst gab es einen Rückgang von 70 %, dann hatten wir ein Comeback, aber es kamen immer noch 30 % weniger Besucher als im Jahr 2019. Natürlich war es eine andere Art von Umgang, denn die Leute machten sich Sorgen um ihre Sicherheit, ihre Jobs, die sich in einigen Fällen veränderten oder verschwanden. Wir wollten einen Zufluchtsort bieten und versuchten, den Menschen, die ihr Leben hinterfragten, eine Antwort zu geben — so gut es auf einer Facebook-Seite oder in einem Forum möglich war.“




    Dem Museumsleiter zufolge werden die Dinge nicht mehr linear verlaufen, es werden immer weniger Mittel — auch Staatsmittel — zur Verfügung stehen, so dass es interdisziplinäre Inhalte geben muss, die möglichst viele Menschen berühren. Adrian Majuru listete im Gespräch mit RRI auch auf, was sein Haus für 2021 plant und wie er sein digitales Angebot gestaltet.



    Wir haben eine Website, die alle möglichen Schubladen hat, mehr als viele westliche Museen. Wir haben Schubladen für alles mögliche, wir haben digitalisierte Filme aus unserer Sammlung kostenlos angeboten, Dokumentarfilme, die wir über Museen, über Sammlungen, über Bukarest gemacht haben. Wir haben Konferenzen aufgezeichnet, die live gesendet wurden, mit ausländischen Gästen, zu sehr interessanten Themen. Der Mehrwert des Museums muss wiedergewonnen werden — d.h. auch Veranstaltungen müssen organisiert werden, die Menschen anziehen, wie z.B. klassische oder zeitgenössische Musikshows, Theaterstücke oder viele andere Ideen aus der Community. Im Herbst hatte das Museum einen Aufruf für Projekte veranstaltet, doch es kamen nur sehr wenige Vorschläge, obwohl die Räumlichkeiten kostenlos bereitgestellt wurden. So kamen nur ein paar Anfragen für Workshops oder Lehrveranstaltungen, keine für Ausstellungen. Hauptziel ist es, mit der Gemeinde Schritt zu halten und zu verstehen, was ihre Anliegen sind.“




    Das Museum gibt auch einen Newsletter heraus, der jeden Monat über die wichtigsten Termine informiert und auch Interviews und andere Inhalte umfasst. Und wer den Newsletter nicht im digitalen pdf-Format bestellen wird, kann ihn zusammen mit der landesweit vertriebenen Kulturzeitschrift Contemporanul“ im bewährten Papierformat kaufen, sagt Museumsleiter Majuru abschlie‎ßend.

  • Bibliotherapie: Wenn gute Bücher weiterhelfen

    Bibliotherapie: Wenn gute Bücher weiterhelfen

    Auch wenn die Zahl der Menschen, die gerne lesen, konstant zurückgeht, gibt es immer noch einige, die sich für Bibliotherapie interessieren. Zumindest ist dieser der Eindruck, der erweckt wird, wenn man das neuerdings auf dem rumänischen Buchmarkt erschienene Angebot untersucht. Es handele sich allerdings nicht um eine neue Idee, sagte uns unsere Gesprächspartnerin, die Buchverlegerin und Bibliotherapeutin Alexandra Rusu:



    Das Konzept der Bibliotherapie haben nicht wir erfunden. Es ist eine ältere Praxis, die schon 1920 in Amerika ausgeübt wurde. Sie entwickelte sich als Abzweigung der Psychotherapie. Sie wurde sogar in Krankenhäusern als Behandlung eingesetzt und führte zu guten Resultaten bei Depressionen. Es gibt sogar Studien, die zeigen, dass die Bibliotherapie — also die Empfehlung von Büchern je nach psychologischem Profil — positive Ergebnisse ergibt. Sie wurde auch bei den Soldaten, die aus Vietnam zurückgekehrt waren und unter posttraumatischem Stress litten, eingesetzt. Anscheinend lasen diese sehr viel Jane Austin. Das waren die Anfänge der Bibliotherapie. Später wurde die Bibliotherapie aus der Praxis des Psychotherapeuten in die Verlage und Buchhandlungen verlegt. Die Buchhändler begannen, Bibliotherapie auszuüben im dem Sinne, dass sie personalisierte Buchempfehlungen machten. Ich meine, wir alle werden zu Bibliotherapeuten, wenn wir einem Bekannten ein Buch empfehlen, weil wir ihn/sie gut kennen und einen bestimmten Zweck verfolgen.“




    Zwar mag das Konzept alt sein, das Projekt sei allerdings neu, sagte uns unsere Gesprächspartnerin, die die genannte Initiative startete:



    Alles begann mit ein paar Eins-zu-eins-Begegnungen, genau wie bei einer Therapiesitzung und dennoch ohne jegliche Verbindung mit der Psychotherapie. Es handelt sich tatsächlich um Gespräche zur persönlichen Entwicklung. Aber ich bin kein Psychotherapeut. Ich bin Psychologin und Buchverlegerin. Ich empfehle Bücher, je nachdem wie ich meine Kunden aus psychologischer Sicht betrachte, wie ich ihre Persönlichkeit einschätze. Ich führe ein freies, hemmungsloses Gespräch mit meinem Gegenüber und je nachdem, was ich von ihm erfahre, empfehle ich das Buch, das ich für angemessen halte. Ich muss noch betonen, dass bis jetzt nur Frauen zur Bibliotherapie gekommen sind.“




    Wir wollten von Alexandra Rusu erfahren, ob sich viele Menschen für Bibliotherapie interessieren und aus welchen Gründen.



    Die Gründe, aus denen die Leute auf Bibliotherapie zurückgreifen, sind sehr vielfältig. Meistens geht es um Frauen, die auf Schwierigkeiten im Leben stie‎ßen und nicht wissen, wie es weiter gehen soll. Viele machen die sogenannte Midlife Crisis durch. Manche sind vor kurzem Mütter geworden, andere brachten jüngst ihr zweites Kind zur Welt. Und sie erleben eine Zeit, die einen Bruch zur bisherigen Lebensweise oder eine zu ihrem bisherigen Leben entgegengesetzte Fortsetzung voraussetzt. Und sie suchen nach Antworten, einschlie‎ßlich in Büchern. Manchmal empfehlen ihnen ihre Freunde Bücher zum Lesen. Doch sie spüren den Drang, mehr zu gewissen Themen zu lesen, Themen, für die sie sich extra interessieren. Ich bin bereit, mit ihnen über das Thema zu sprechen, um herauszufinden, was sie eigentlich beschäftigt. Die meisten wissen ganz genau, was sie bedrückt. Es gibt auch eine kleinere Gruppe von Menschen, die sich in ihrem beruflichen Bereich spezialisieren und zu dem Thema mehr lesen wollen. Da kennen sie sich besser als ich aus, weil sie ja letztendlich die Fachleute sind. Sie brauchen die Bücher, um ihre Perspektive zu erweitern.“




    Alexandra Rusu meinte, sie glaube nicht zu 100% an Leseempfehlungen, die gezielt für eine bestimmte Altersgruppe oder ab einem bestimmten Alter gemacht werden.



    Ich unterhielt mich vor kurzem zu diesem Thema mit einigen Freunden. Es ging um Literatur für Kinder und Jugendliche und um die Empfehlungen, die die Verlage und die Buchhandlungen diesbezüglich machen. Wenn ich an meine Jugend zurückdenke, muss ich feststellen, dass die meisten Bücher, die ich als Jugendliche gelesen habe, eigentlich Bücher für Erwachsene waren. Heutzutage würden sie sehr weit von diesem Regal liegen. Also konnte ich mich nicht davon abhalten, zu denken, dass diese Etiketten etwas künstlich sind. Zwar können sie nützlich sein, wenn sich jemand beeilt und schnell ein Buch aussuchen möchte. Oder wenn man etwas will, dass genau einem Rezept entspricht. Sucht man aber einen tieferen Sinn, so sind die Etiketten kaum hilfreich. Nicht einmal bei Kindern helfen sie wirklich weiter. Viele Kinderbücher wurden von Erwachsenen für andere Erwachsene geschrieben, haben also einen doppelten Lektüreschlüssel. Ihr Humor richtet sich vielmehr an die Erwachsene, ist von Kindern schwierig zu verstehen. Im Gegenzug, manche Bücher für Erwachsene, wie zum Beispiel die Dada-Poesie, wird sehr geschätzt von Kindern. Diese Kategorien können einfach ausgetauscht werden. Wir müssen halt unseren Geschmack finden.“




    Was sie den Lesern allgemein zu dieser Jahreszeit zum Lesen empfehlen würde — das fragten wir Alexandra Rusu zum Schluss unseres Gesprächs. Ihre Antwort: Das geheime Leben der Bäume“ von Peter Wohlleben. Warum sollten wir dieses Buch lesen?



    Für die Menschen, die in Rumänien leben und etwas älter als 35 Jahre alt sind, so wie ich, ist es ein sehr spannendes Buch. Es geht um das geheime Leben der Bäume und erzählt über die Bedeutung der Wälder. Vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen diesbezüglich in Rumänien, würde ich meinen, dass es ein sehr aktuelles Thema ist. Denn die Wälder sind Gemeinschaften, über die wir nur wenig wissen. Die Bäume kommunizieren untereinander über verschiedene Wege. Es wird viel erzählt über die Bäume, die mehr von der Sonne profitieren und über diejenigen, die vielmehr im Schatten wachsen. Wir erfahren, wie sie manchmal ihre Zweige und Blätter aufgeben, damit auch die anderen, die nicht so viel Sonne hatten, sich an den Sonnenstrahlen erfreuen können. Ich empfehle dieses Buch, wir können so viel daraus lernen. Da geht es nicht lediglich um Biologie, sondern um Gemeinschaft, gegenseitige Unterstützung und Zusammenleben.“




    Und das war eine erste Sitzung Bibliotherapie — unter der Form einer Allegorie des Überlebens.

  • Digitale Revolution: Bleibt das Lesen von Büchern auf der Strecke?

    Digitale Revolution: Bleibt das Lesen von Büchern auf der Strecke?

    Schon im zarten Alter gewöhnen sich die Kleinen an die Fernbedienung, das Tablet oder den Laptop und verbringen viel Zeit vor den Bildschirmen — zum Nachteil von Spielen im Freien oder später, wenn sie im Schulalter ankommen, zum Nachteil von Lesen. Welche Auswirkungen hat die Nutzung von Bildschirmen bei Kindern? Diana Mocanu, Leiterin des Verlags Gama“ in Iaşi, der hauptsächlich Bildungsprojekte durchführt, fasst zusammen:



    Nach europäischen Statistiken verbringen Kinder unter 5 Jahren etwa 3 Stunden pro Tag vor dem Bildschirm, was viel ist, zu viel sogar. Meines Erachtens muss ein Kleinkind seine Feinmotorik, sein Vokabular entwickeln, die Schaffung neuer neuronaler Verbindungen durch Interaktion mit realen Objekten, und nicht virtuell fördern. Aus diesem Grund muss ein 3-jähriges Kind von den Bildschirmen ferngehalten werden und einigen Regeln unterliegen. Mit dem Wachstum nimmt das Digitale in seinem Leben immer mehr Platz ein. Teenager müssen sogar ihre Computerkenntnisse entwickeln, denn das ist die Zukunft. Es ist jedoch ebenso wichtig, einen Geschmack für das Lesen zu entwickeln, und aus diesem Gesichtspunkt haben Eltern eine sehr wichtige Rolle zu spielen, da sie die richtigen Bücher bereitstellen und die Kinder zum Lesen anregen und motivieren können.“




    Um das Lesen unter jungen Leuten zu fördern, startete der Gama Verlag in Iaşi die Kampagne Der Tag, an dem wir Zeit haben“ für Kinder und Eltern. Diana Mocanu dazu:



    Die Kampagne begann mit Rundtischgesprächen. Eines davon fand auf der Buchmesse Gaudeamus in Bukarest, das andere in Iaşi statt. Für beide Rundtischgespräche haben wir Experten aus den Bereichen Bücher, Erziehung und Informatik eingeladen, um das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Wir wollten Eltern helfen, die mit diesem Problem konfrontiert werde, und versuchen, praktische Lösungen zu finden.“




    Die Büchersammlungen, die von den Eltern gemeinsam mit den Kindern gelesen werden können, sind eine gro‎ße Hilfe. Das Kind kann ohne viel Aufwand leichter lesen. Diana Mocanu:



    Wenn wir das Buch mit dem Smartphone oder dem Tablet vergleichen, stellen wir fest, dass digitale Geräte attraktiver sind, mehr Spa‎ß machen und weniger Aufwand erfordern. Das Lesen ist dagegen eine komplexe Tätigkeit, die Anstrengung über mehrere Jahre voraussetzt. Im Wettbewerb mit dem Bildschirm wird das Buch nicht gewinnen, solange sich das Kind mit dem Lesen schwer tut.“




    Eine solche Kampagne ist jedoch nicht wirksam, wenn sie nicht gleichzeitig an die Eltern gerichtet ist, um sie zu erziehen — glaubt Dichter Robert Şerban, der an einem der unter dem Motto Der Tag, an dem wir Zeit haben“ organisierten Rundtischgespräche teilgenommen hat. Was antwortet er den Eltern, die besorgt sind, weil sie feststellen, dass ihre Kinder zu viel Zeit vor den Bildschirmen verbringen? Robert Şerban:



    Eltern vergessen, in den Spiegel zu schauen. Sie vergessen, den Fernseher auszuschalten; sobald sie zuhause sind, vergessen sie, ihre Laptops und Tablets beiseite zu legen. Mit anderen Worten, fordern sie die Kinder auf, das zu tun, was sie nicht selbst tun können, sie fordern von den Kindern Dinge an, die für sie selbst unmöglich erscheinen. Jetzt wissen wir es nur zu gut: Kinder übernehmen die Verhaltensweisen, die sie bei ihren Eltern sehen, bei Erwachsenen, die ihnen als Vorbilder dienen. Freunde, die Kinder haben, fragen mich seit Jahren, was zu tun ist, welche Strategien sie anwenden sollen, um ihre Kinder zum Lesen zu veranlassen. Und meine Antwort lautet immer: ‚Und was machen Sie, wenn Sie nach Hause gehen?‘, ‚Was ich mache? Ich setze mich aufs Sofa und schalte den Fernseher ein.‘, ‚Also, was erwartest du dann von deinem Kind? Sieht er dich oder deine Frau bzw. deinen Mann etwas lesen?‘ Das ist die Erklärung. Diese Kampagnen sind wichtig, aber damit es nicht nur bei Theorie oder guten Ansätzen und Slogans bleibt, müssen solche Kampagnen auch die Eltern und nicht nur die Kinder ansprechen.“




    Die Faszination des Internets und der elektronischen Spiele auf Kinder ist für Robert Șerban, selbst ein Elternteil, nicht unbekannt. Er wei‎ß nur zu gut, dass digitale Geräte gute Lernmittel sein können, wenn sie entsprechend eingesetzt werden. Robert Șerban:



    Wir benutzen diese nicht als Werkzeuge, sondern lassen uns von ihnen benutzen. Sie stehlen unsere ganze Zeit. Sie sind faszinierend, fabelhaft. Ich frage mich oft, was ich in den 70er–80er Jahren gemacht hätte, als ich noch ein Kind war, wenn ich solche Geräte in Reichweite gehabt hätte. Ich bin sicher, ich wäre genauso verführt worden wie meine Kinder jetzt. Ich habe einen 8-jährigen Jungen und ein 12-jähriges Mädchen. Auch ich muss mit den Werkzeugen kämpfen, zu denen sie Zugang haben. Ich versuche, sie zu schützen, und ich versuche zu verstehen, dass sie Werkzeuge sind, nicht mehr. Das Handy wird verwendet, um zu telefonieren, und nicht um den ganzen Tag am Bildschirm hängen zu bleiben. Wir sehen fern, wenn wir uns einen Film oder die Nachrichten anschauen wollen, wir wollen aber nicht süchtig werden. Das Lesen ist persönlichkeitsprägend. Egal, ob Sie einen Bildschirm, ein Blatt Papier oder ein Buch vor sich haben, es ist wichtig, dass Sie lesen. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Lesen uns beim Konzentrieren hilft, es entwickelt unser Nervensystem, es entwickelt das Gehirn und die Vorstellungskraft.“




    Die Kampagne, die von dem Gama Verlag ins Leben gerufen wurde, endete mit einem Tag, an dem Eltern und Kinder elektronische Geräte — Computer, Tablets, Smartphones — beiseitegelegt und den Fernseher ausschaltet haben, um denjenigen, die sie lieben, näher zu kommen, in Begleitung eines Buches, eines Spiels oder bei einer Wanderung.

  • BOOKerini – die Kinder-Buchmesse in der Mansarde

    BOOKerini – die Kinder-Buchmesse in der Mansarde

    Die Kinder von heute lesen immer weniger, und immer wenigere Eltern lesen ihren Kindern abends vor dem Einschlafen eine Geschichte vor. Jugendliche distanzieren sich auch immer mehr von Büchern, viele lesen nur noch am Bildschirm. Dieses Thema beschäftigt die Öffentlichkeit im zunehmenden Ma‎ße. Neulich entstanden auf private Initiative einige Projekte, die auf einen erfolgreichen Verhaltenswandel abzielen: anstatt sich zu beschweren, warum nicht diese ungeliebte Situation verändern? Der Kulturverband Câte-n lună şi-n mansardă“ (deutsch in etwa: In der Mansarde. Zum Himmel hinauf“) hat die erste Buchmesse für Kinder veranstaltet. BOOKerini fand an einem Wochenende in Bukarest statt. Die Organisatoren lockten die Kinder nicht nur mit Preisermä‎ßigungen bei Büchern an, sondern auch mit verschiedensten Workshops, sagt unsere Gesprächspartnerin Valentina Bâcu:



    Den Akzent legen wir auf wertvolle Bücher und wir tun unser Bestes, damit sich Kinder mit den verschiedenen Figuren der Kindergeschichten anfreunden. Daher haben wir dieser Messe eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Wir haben kinderfreundliche Stände eingerichtet, die Regale liegen nicht hoch, damit die Kinder nach Büchern ohne Schwierigkeiten greifen können. Sie können zudem die Bücher in einer warmen, freundlichen und familiären Atmosphäre genie‎ßen. Sie können sich auf Bodenkissen und bequeme Sessel setzen und Bücher lesen. Nicht zuletzt organisieren wir eine Reihe von Veranstaltungen hier in der Buchhandlung Cărtureşti Verona. In der Mansarde hatten wir einen Monat vor Messebeginn auch eine Ausstellung zusammen mit den Kindern organisiert. Dort finden auch regelmä‎ßig Workshops für Kinder und verschiedene Lesungen statt.“




    Innerhalb der drei Messetage schien der herrschende Wirrwarr die Idee zu widerlegen, dass die Kinder und Jugendlichen von heute nicht mehr lesen. Unsere Gesprächspartnerin kommt erneut zu Wort mit Einzelheiten:



    Trotz der verbreiteten Meinung lesen die Kinder von heute sogar viel, aber nur wenn es ihnen wirklich Spa‎ß macht, nicht wenn sie das Curriculum dazu zwingt. Das habe ich während der Arbeit mit Kindern entdeckt, das müssen sowohl die Kinder als auch die Lehrer verstehen. Sie wollen nicht die Bücher lesen, die für ihre Eltern als Meisterwerke gelten und die ihnen empfohlen werden. Das Wichtigste ist, meiner Ansicht nach, dass sie selber das Vergnügen am Lesen entdecken. Aus diesem Grund haben wir diese Messe organisiert, die anders ist als andere Fachveranstaltungen. Wir haben auch Leseräume mit einer gemütlichen Atmosphäre gestaltet, so zum Beispiel ein Zelt. Wir haben Workshops organisiert, wo sie Geschichten schreiben und Illustrationen zeichnen lernen. Meine Schlussfolgerung ist, dass die Kinder doch lesen, und die erste Auflage der Buchmesse BOOKerini bestätigt diese Schlussfolgerung. Am ersten Messetag haben sich mehr als 700 Kinder an unseren Veranstaltungen beteiligt, und wir hoffen, dass ihre Zahl zukünftig deutlich zunehmen wird.




    Nicht nur lesen, sondern auch schreiben macht den Kindern von heute Spa‎ß, haben wir bei BOOKerini festgestellt. Dort haben wir mit Delia Calancia gesprochen, die sich als die jüngste Autorin des Verlags Humanitas“ vorstellt. Die Neunjährige hat einen Band sowohl als Autorin als auch als Illustratorin unterzeichnet. Sie zeichnet schon seit drei oder vier Jahren. Nachdem sie lesen lernte, dienten ihr verschiedene Kindergeschichten als Inspirationsquelle für ihre Zeichnungen. Welche Bücher liest aber Delia?



    Ich liebe Fantasy-Bücher wie jene des britischen Schriftstellers Roald Dahl, so zum Beispiel »Matilda« und »Charlie und die Schokoladenfabrik«. Ich liebe eigentlich alle Bücher von Roald Dahl. Ich lese jeden Tag. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht lese.“




    Auch Petru Buzea ist ein junger Autor. Der 10-jährige hat zusammen mit seiner jüngeren Schwester Smaranda das Buch Poveşti scurte, dar cu haz“ (Kurze, jedoch lustige Geschichten“) geschrieben und bebildert. Wie sie auf diese Idee gekommen sind, erläutert Petru:



    Eines Abends, als ich nichts zu tun hatte, dachte ich: Warum nicht eine Geschichte schreiben? Ich fing an, zu schreiben, dann habe ich die Geschichte meiner Mutter gezeigt, und sie war davon begeistert. Ich baue meine Geschichten im Stil der Märchen auf, weil ich Märchen liebe, ich liebe, sie zu lesen. Vor kurzem dachte ich, dass ich mein eigenes Leben als Inspirationsquelle nutzen soll.“




    Auch die elfjährige Petra hat vor kurzem ihr Schreibtalent entdeckt. Die leidenschaftliche Leserin sagt dazu:



    Eben heute habe ich angefangen, ein Buch zu schreiben, aber ich mag auch Illustrationen zu zeichnen. Meine Eltern haben mir immer abends vor dem Einschlafen vorgelesen, meine Gro‎ßmutter auch. Sie schlief manchmal währenddessen ein, und so bin ich auf die Idee gekommen, selber zu lesen.“




    Die Eltern haben die Kraft, den Appetit ihrer Kinder aufs Lesen zu wecken. Das Lektüre-Festival Narativ“ richtet sich gleicherma‎ßen an Eltern und Kinder. Die zweifache Mutter Ana hat uns dort erzählt, warum sie mit ihren Kindern daran teilnimmt:



    Ich möchte, dass sich meine Kinder von Lektüre angezogen fühlen, weil die Kinder von heute viel Zeit mit digitalen Medien verbringen. Mein zehnjähriger Junge hat bereits angefangen zu lesen, das hat er alleine gelernt, aber hin und wieder muss ich ihn dazu motivieren. Meiner Tochter lese ich noch vor, denn sie geht jetzt in die erste Klasse und lernt gerade zu lesen. Wir lesen zusammen, aber dafür haben wir nur wenig Zeit zur Verfügung. Deswegen nehme ich mit meinen Kindern daran teil.“




    Das Festival Narativ“ fand bereits zum dritten Mal statt. Die Festspiele werden vom Verlag Curtea Veche“ organisiert und bieten den Kindern 3000 freie Plätze bei Workshops an, die darauf abzielen, den Appetit der Kinder auf Lektüre zu wecken. Wir haben die Vizepräsidentin des Verlags Miruna Meiroşu um Einzelheiten gebeten:



    Wir veranstalten unterschiedliche Workshops zu den verschiedensten Themen und dadurch wollen wir die Kinder davon überzeugen, dass Lesen sehr lustig und unterhaltsam sein kann. Wir versuchen gleichzeitig ihre Kreativität und ihren kritischen Geist zu fördern. Nicht zuletzt versuchen wir die Lektüre und Techniken der bildenden Kunst, so zum Beispiel das Schattentheater oder die Architektur, zusammenzubringen. Wir organisieren auch Storytelling-Workshops in Fremdsprachen. Wir nutzen packende Geschichten, damit Kinder Fremdsprachen üben können. Wir veranstalten auch verschiedene Konferenzen für Eltern. Seit drei Jahren setzen wir uns dafür ein, die Eltern mit dem Begriff »Parenting für Lektüre« vertraut zu machen. Es handelt sich um moderne Techniken, mit dem mangelnden Appetit der Kinder auf Lektüre umzugehen.“




    Wie eine vom Verlag Curtea Veche“ durchgeführte Umfrage ergibt, haben nur 8% der Bukarester Schüler Spa‎ß am Lesen. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Eltern und die Lehrkräfte ihre Anstrengungen vereinen werden, um die Situation zu verändern.

  • Kulturbarometer: 77% der Rumänen kulturell schwach eingebunden

    Kulturbarometer: 77% der Rumänen kulturell schwach eingebunden

    Kirchen, Kulturhäuser, lokale Festivals und Bibliotheken sind in der Auffassung der Bevölkerung die verbreitetsten Elemente der kulturellen Infrastruktur in Rumänien. Das ist die Schlussfolgerung des Kulturkonsum-Barometers 2016, einer soziologischen Studie, die die Kultur-Präferenzen der Rumänen erfasst. Die Studie wird vom Nationalen Institut für Forschung und Kultur-Ausbildung INCFC durchgeführt. Laut derselben Studie wünschen sich 60% der Befragten mehr Presse-Kiosks, 68% wünschen sich mehr Bibliotheken, 62% mehr Buchhandlungen und 59% mehr Parks. Anda Becuţ von der Forschungs-Abteilung des Nationalen Instituts für Forschung und Kultur-Ausbildung INCFC erklärt:



    Landesweit werden die Kulturhäuser, die Festivals, Feste und Parks als die wichtigsten Kultur-Infrastrukturelemente empfunden, es gibt aber Unterschiede von Region zu Region. Der wichtigste Anteil von Kultur-Konsumenten wird in Bukarest und im umliegenden Landkreis Ilfov verzeichnet. Das, weil die Hauptstadt sehr reich an Kultur-Infrastruktur ist, den anderen Städten überlegen. Es gibt Unterschiede zwischen den Städten und den ländlichen Regionen: Auf dem Lande sind die Menschen mit einer bestimmten Art von Kultur-Angebot nicht vertraut. Wir berechnen zum ersten Mal diese Kennzahl der kulturellen Teilnahme. Dabei haben wir die Eurostat-Methodologie eingesetzt.“




    Die Studie des Nationalen Instituts für Forschung und Kultur-Ausbildung INCFC zeigt weiter, dass 32% der Rumänen in den letzten 12 Monaten kein Buch gekauft haben, 29% haben in derselben Periode kein Buch gelesen. Die Volks- und Ethno-Musik stellt für 53% der Rumänen die Lieblingsmusik dar, gefolgt von der rumänischen Pop-Musik mit 30%, der ausländischen Pop-Musik mit 20%, den sogenannten Manele (Balkanbeats) mit 15% und dem Blues mit 11%. Die letzten Plätze werden von der Hip-Hop-Musik, der klassischen Musik, der Rock-Musik und der Jazz-Musik eingenommen. Der Soziologe Dan Jurcan dazu:



    70% der Rumänen gehen nicht ins Theater oder Kino. Dieser Unterschied zu Europa könnte man durch die Online-Piraterie begründen. Es gibt auch einen gro‎ßen Unterschied zwischen Stadt und Land. Generell hat der Kultur-Konsument ein bestimmtes Profil: Er hat studiert und lebt in der Stadt. In 70% der Dörfer gibt es Kulturhäuser, es stellt sich aber die Frage, inwieweit diese noch kulturell sind. Die meisten Tätigkeiten, die hier abgehalten werden, sind Hochzeiten, Beerdigungs-Zeremonien und Wahlen. Eine Zahl, auf die wir aufmerksam geworden sind, ist das Verhältnis zwischen dem sozialen Erfolg und der Lektüre. 77% der Befragten sagten, sie würden eher arbeiten als lesen, und 55% sind der Meinung, man müsse nicht lesen, um im Leben erfolgreich zu sein. Das beweist, dass die Förderung des mühelosen Erfolgs in den Medien schädlich ist. 78% der Haushalte haben Kabel-TV und Internet. Nur 12% der Befragten sagten, sie hätten niemals Facebook benutzt. Das beweist, dass die sozialen Netzwerke auch von den Senioren benutzt werden. Der Zugang zur Information ist einfacher geworden, fraglich ist allerdings, wieviel Kultur wir im Internet suchen.“




    Die soziologische Untersuchung zeigte, dass 77% der Befragten kulturell schwach eingebunden sind, 19% mittelmä‎ßig, 3% stark und 1% sehr stark eingebunden. Carmen Croitoru, Geschäftsführerin des Nationalen Instituts für Forschung und Kultur-Ausbildung INCFC berichtet:



    Eine andere wichtige Analyse bezog sich auf die Meinung der Befragten betreffend die sozialen Folgen der Kultur. Zum ersten Mal wurde diese erfasst, und es war für uns eine positive Überraschung, weil wir schlussfolgerten, dass die Menschen die Kultur als wichtig empfinden. Ein wichtiger Teil des kulturellen Konsums spielt sich im Internet ab. In Rumänien haben im Vergleich zu anderen europäischen Ländern viel mehr Leute Zugang zum Internet.“




    Die am meisten verbreiteten Formen des kulturellen Konsums in der Öffentlichkeit (mindestens einmal im Jahr) waren: Museums- und Ausstellungs-Besuche (20%), Theater-Besuch (13%), Kino-Besuch (9%), Opernbesuch (7%), Philharmonie (6%), Unterhaltung und Musik (17%), der Besuch von öffentlichen Bibliotheken (6%). Laut dem Barometer stellt der Geldmangel den wichtigsten Grund dar, am Kulturleben nicht teilzunehmen. 42% der Befragten gaben diesen Grund an. Weiter Gründe sind der Gesundheitszustand (21%), das Alter (12%) und der Zeitmangel (7%).

  • Funktionale Analphabeten: Ist rumänische Schule unfähig, praktische Kompetenzen zu vermitteln?

    Funktionale Analphabeten: Ist rumänische Schule unfähig, praktische Kompetenzen zu vermitteln?

    In den letzten Jahren lag der durchschnittliche Stand des funktionalen Analphabetismus in den EU-Staaten bei 20%. In Rumänien überschreitet dieser den europäischen Durchschnitt stark und erreicht sogar 42% im Falle der 15-jährigen Schüler, hei‎ßt es von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Zu diesem Ergebnis ist man 2015 nach minutiösen Berechnungen gekommen, die die Ergebnisse der rumänischen Schüler bei verschiedenen Tests berücksichtigten: PISA, TIMSS, PIRLS etc. Ausschlie‎ßlich anhand der PISA-Prüfungen (wodurch sowohl sprachliche als auch wissenschaftliche Kenntnisse bewertet werden), die letztes Jahr stattgefunden haben, liege der Stand des funktionalen Analphabetismus der rumänischen Schüler bei 38%. Wie wertet man diese Zahlen jedoch aus? Wodurch kennzeichnen sich die Schüler, die als funktionale Analphabeten eingestuft werden? Das erklärt uns Cristian Hatu, Gründungsmitglied des Zentrums für Bildungsevaluierung und –analysen.



    Sie sind nicht fähig, einigerma‎ßen strukturiert zu denken, eine recht elementare Analyse durchzuführen. In Mathematik z.B. können sie addieren, multiplizieren, aber wenn sie mit einer konkreten Situation konfrontiert werden, wissen sie nicht wirklich, welche elementaren Operationen sie anwenden müssen. Wenn sie Teppichboden für einen bestimmten Raum kaufen müssten, wüssten sie nicht, wie sie die Fläche berechnen sollen, und sie können keine einfache Grafik interpretieren.“




    Die Schüler erkennen ihrerseits, wenn auch nur empirisch, diese Situation und finden Erklärungen dafür. Vlad Ştefan ist der Vorsitzende des Nationalen Schülerrates und Schüler des Nationalen Gymnasiums Andrei Şaguna“ in Kronstadt.



    Leider ist das rumänische Bildungswesen in der Vergangenheit verankert geblieben. Man hat es nicht geschafft, das rumänische Schulwesen wie andere europäische Bildungssysteme, die auf Analyse-, Studien- und Beobachtungsfähigkeiten der einzelnen Schüler setzen, zu reformieren. Leider fördert die rumänische Schule nur den Grundsatz, Informationen zu lernen und diese zu wiedergeben, ohne dass der Schüler diese tiefgründig versteht, ohne dass er daraus das entnehmen kann, was er braucht. Viele Aspekte des rumänischen Lehrplans sind einfach nicht nützlich und überladen ihn noch zusätzlich.“




    Es ist also eine Frage der Lehrmethode und der Lehrpläne. Der funktionale Analphabetismus ist demokratisch“ in der Gesellschaft verbreitet, egal ob wir über Städte oder Dörfer sprechen, meint Cristian Hatu.



    Den funktionalen Analphabetismus finden wir nicht nur in benachteiligten Regionen. Es gibt einen schwachen Zusammenhang zwischen dem sozial-wirtschaftlichen Stand und der Leistung des Schülers, was z.B. Mathematikwissen anbelangt. Dieser Zusammenhang liegt irgendwo bei 17%-19%.“




    Damit sich die Lage ändert, benötigt man ein neues Bildungsmuster, das sich auf Lernen und Verstehen stützt. Was das hei‎ßt, erfahren wir von Cristian Hatu.



    Man müsste sich als Lehrer bemühen, die Lehrwerkzeuge anzuwenden, sodass der Schüler das besprochene Thema besser versteht, egal ob in Physik, Mathematik oder in der Literatur. Man muss den Schülern zeigen, welcher Zusammenhang zwischen dem besagten Thema und dem Alltag besteht. Natürlich gibt es unter uns Lehrer, die das tun. Sie haben erkannt, dass es darum geht, und da bemühen sie sich alleine in diese Richtung. Einige haben Kurse abgeschlossen, aber die Mehrheit kann diese Art von Werkzeugen nicht von alleine ausarbeiten. Für die Lehrer müssen Kurse veranstaltet werden, um ihnen diese Lehrweise beizubringen. Alleine kann man solche Fähigkeiten nur sehr selten erzielen. Alles hängt von den Entscheidungsträgern ab.“




    Eine Änderung wollen insbesondere jene, die direkt betroffen sind, denn der funktionale Analphabetismus, den man zuerst in der Schule erkennt, wird auf dem Arbeitsmarkt noch deutlicher. Vlad Ştefan, Vorsitzender des Nationalen Schülerrates.



    Man stellt es fest, wenn es um nationale oder Abiturprüfungen oder um internationale Prüfungen geht, die sich mehr auf Allgemeinwissen oder auf die Kritik- und Bewertungsfähigkeit des Schülers stützen. Die rumänischen Schüler, die in einem veralteten Bildungssystem lernen, sind den Anforderungen der rumänischen oder des europäischen Arbeitsmarktes nicht gewachsen.“




    Die Umwandlungen des Arbeitsmarktes in den letzten Jahrzehnen setzen einen gewissen Anpassungsgrad voraus, den die rumänische Schule vorerst nicht fördert. Am Mikrophon ist wieder Cristian Hatu, Gründungsmitglied des Zentrums für Bildungsevaluierung und –analysen.



    Die Menschen wechseln ihren Beruf ungefähr drei- bis viermal im Laufe ihres aktiven Lebens, laut einer Studie der Weltbank, die ich vor einigen Jahren gelesen habe. Es entsteht die Frage: Was macht die Schule und wie wird ein Schüler ausgebildet, damit er sich in seinem Erwachsenenleben an einen neuen Beruf anpassen kann? Auch wenn es ein Mensch schafft, seinen Beruf beizubehalten, muss er sich trotzdem an die sich ändernden technischen Gegebenheiten anpassen. Es gibt immer mehr Situationen, in denen der Angestellte verschiedene Situationen rationell ansetzen muss, mit denen er in der Vergangenheit nicht konfrontiert wurde. Die Schule muss vor allem seine kritische Denkweise und seine Problemlösungsfähigkeit, seine Kreativität ausbilden.“




    Die Arbeitskraft muss sich also in einer dynamischen Wirtschaft laufend anpassen. Dafür benötigt diese gewisse Kompetenzen, die ihr nur die Schule verleihen kann. Funktionale Analphabeten sind aus diesem Gesichtspunkt am wenigsten vorbereitet.

  • Ludothek in der Nationalbibliothek: Durch Spielen aufs Lesenlernen getrimmt

    Ludothek in der Nationalbibliothek: Durch Spielen aufs Lesenlernen getrimmt

    Vor knapp 4 Jahren, genauer am 23. April 2012, zog die Nationalbibliothek aus dem alten Sitz in ein neues Gebäude um. Der derzeitige Sitz liegt im Unirii Boulevard Nr. 22 in Bukarest. Bei der Eröffnung wurden den Teilnehmern die Aufgaben einer Nationalbibliothek vorgestellt. Unter anderem wurde auf die Zusammenarbeit zwischen der Nationalbibliothek und weiteren Bibliotheken wie z.B. öffentliche Bibliotheken, Fachbibliotheken, Universitäts- und Schulbibliotheken oder Forschungsbibliotheken Bezug genommen. Auch die Zusammenarbeit der Nationalbibliothek mit anderen Informations- und Dokumentationsstellen wie etwa Museen, Archiven und Kulturzentren wurde erwähnt.



    Trotz aller Modernisierungsbemühungen fanden die Kinder bislang keinen für sie geeigneten Platz in der Nationalbibliothek. Claudia Şerbănuţă, die Leiterin der Nationalbibliothek, teilte uns mit, in der Bibliothek sei mittlerweile auch für Kinder ein Raum extra eingerichtet worden. Demnach wurde hier vor kurzem eine Ludothek organisiert. Ein Raum, wo sich kleine Kinder wohl fühlen. Wir wollten mehr darüber erfahren:



    Der Raum, wo die Ludothek eingerichtet wurde, sowie der Lesesaal für Kinder und Jugendliche waren von Anfang an eingeplant. Die alte Nationalbibliothek sah keine Räumlichkeiten oder Dienstleitungen für Kinder vor. Mit dem Umzug in das neue Gebäude hat sich das geändert. Wir haben den Umzug zum Anlass genommen, um auch für Kinder und Jugendliche einen Raum einzurichten. Die Ludothek ist in Wirklichkeit ein Lesesaal für Vorschulkinder, für die Kleinsten unter uns, die noch nicht lesen, jedoch zusammen mit einem Erwachsenen Freude an Büchern finden können. Wir sind ursprünglich eine Partnerschaft mit dem Theater für Kinder »Ion Creangă« eingegangen, das früher Aufführungen für Kinder in der Ludothek gab. Letzten Herbst nahmen wir uns vor, den Raum neu einzurichten. Eine Gruppe engagierter Volontäre half uns dabei, den Raum so zu gestalten, dass er für die Interaktion der Kinder mit den Büchern sowie zum Spielen angemessen ist. Die freiwilligen Helfer brachten Geld für unser Vorhaben auf und begeisterten auch andere Volontäre, unter anderem von der Organisation »De Arhitectura«, für das Projekt. Wir legten unsere Kräfte zusammen und gestalteten den Raum wie geplant. Also hat das Publikum ab dem Herbst dieses Jahres Zugang auch zur neu eingerichteten Ludothek. Zum Lese- und Spielsaal haben derzeit ausschlie‎ßlich Vorschulkinder Zugang. Die Möbel sind an der Altersgruppe der Besucher angepasst, die kleinsten Kinder können sorglos krabbeln, es gibt kleine Treppen, die von Kindern bestiegen werden können. Es ist ein offener Raum, um den sich sowohl unsere Mitarbeiter wie auch die Eltern sorgen. Das Engagement der Eltern bereitet uns Freude. Die Eltern kümmern sich um diesen Raum, sie räumen die Spielsachen, die ihr Kind auf den Boden liegen lässt, auf. Es herrscht eine angenehme Stimmung.“




    Die Nationalbibliothek empfängt die Kinder in einem speziell hergerichteten Lese- und Spielsaal. Zahlreiche Spiele, Spielsachen und Bücher warten hier auf sie. Ihre Rolle ist, den Kindern das Lesen in spielerischer Art und Weise näher zu bringen. Claudia Şerbănuţă, die Leiterin der Nationalbibliothek, verdeutlichte wie wichtig es sei, die Kinder von ganz klein auf in die Bibliothek zu bringen:



    Das Lesen ist ein soziales Verhalten, das erlernt wird. Je früher die Kinder mit Büchern in Kontakt kommen und Freude daran haben, desto leichter wird ihnen das Lesen später fallen. Studien zufolge sei die Interaktion mit Büchern von klein auf sehr wichtig. Jedoch reiche es nicht, das Kind in eine Bibliothek zu bringen. Vielmehr sei wichtig, die Bücher zusammen mit einem Erwachsenen zu handhaben. Die Eltern sollten ihren Kindern zeigen, was mit einem Buch anzufangen ist, ihnen erklären, dass hinter den Bildern eine Geschichte steckt, dass die Zeichen, die sie noch nicht als Buchstaben wahrnehmen und entsprechend entziffern, in Wirklichkeit eine Bedeutung haben. Dass es Wörter sind, die das Kind irgendwann selbst lesen wird. Wenn Kinder von sehr klein auf mit Büchern in Kontakt kommen, entwickeln sie sich zu Erwachsenen, die leichter lernen und selbständig denken. Die Bibliothek ist eine wertvolle Ressource für die Gemeinschaft. Sie begleitet uns ein Leben lang. Es ist wichtig, diese Ressource frühzeitig zu entdecken, um sie länger auszunutzen. Bei uns wird leider die Bibliothek immer mit der Schule in Verbindung gebracht. Diese Wahrnehmung ist aber falsch. Die Bibliothek ist eine Institution, die zu unserer fortdauernden Weiterbildung beiträgt. Lese- und Spielsäle für kleine Kinder sind etwas ganz Natürliches für die abendländischen Gesellschaften. Bei uns gibt es in fast allen Bibliotheken Räumlichkeiten für Kinder, jedoch keine Lesesäle, zu denen nur eine Altersgruppe Zugang hat. Wir treffen immer einen Besuchermix im gleichen Raum an. Allerdings kann die Gesellschaft von solchen speziellen Lesesälen nur profitieren.“




    Die Ludothek wurde erst vor kurzem geöffnet. Obwohl die Nationalbibliothek übers Wochenende geschlossen bleibt, haben die Kinder auch samstags Zugang zum Lese- und Spielsaal. Viele Familien nehmen das Angebot gerne entgegen. Das zeigt abermals, dass nichtgewerbliche Räumlichkeiten gefragt und genutzt werden. In der Ludothek ist Platz für höchstens 15 Erwachsene in Begleitung ihrer Kinder. Die Organisatoren freuen sich, dass der Saal immer voll ist, so Claudia Şerbănuţă, die Leiterin der Nationalbibliothek.



    Das Gebäude ist neu, wir alle sollten stolz auf den neuen Sitz der Bibliothek sein. Es ist ein angemessenes Gebäude für eine Bibliothek, ein öffentlicher Raum. Sein Potenzial muss noch ausgeschöpft werden. Wir bieten immer bessere Dienstleistungen an. Im Vordergrund stehen die Bedürfnisse des Publikums. Demnach öffneten wir dieses Jahr die Ludothek. Es ist wichtig zu verstehen, die Leser werden gro‎ßgezogen und ausgebildet, es gibt sie nicht einfach so.“




    Die Nationalbibliothek pflegt Partnerschaften mit mehreren Kulturinstitutionen, daher ist der passende Rahmen geschaffen, um besondere Kulturveranstaltungen zu organisieren.

  • Mythos zerstört: Rumänen eher Kulturmuffel

    Mythos zerstört: Rumänen eher Kulturmuffel

    Kaum ein Land ist so stolz auf seine Kultur wie Rumänien. Die jüngste Studie im Auftrag des Kulturministeriums entlarvt die Rumänen jedoch als Kulturmuffel. In puncto Theater- oder Bibliothekenbesuch und Lesen sind die Zahlen ernüchternd. Allerdings muss man diese Zahlen auch relativieren, Begriffe wie Hochkultur“ und Massenkultur“ bringen zusätzliche Differenzierungen.



    Auf den ersten Blick sind die Ergebnisse des neuesten Kulturverbraucherbarometers, der vom Kulturministerium veröffentlicht wurde, überhaupt nicht erfreulich: Rund 63% der Rumänen gehen niemals ins Theater, 39% der Rumänen haben 2014 überhaupt nichts gelesen, 79% von ihnen haben noch nie eine Bibliothek besucht. Dennoch sind sowohl die Urheber der Umfrage, die Forscher des Nationalen Instituts für Kulturforschung und -ausbildung, als auch unabhängige Forscher der Auffassung, dass die Daten ohne elitäre Ansprüche und in einem gewissen Kontext ausgelegt werden müssen. Andrei Crăciun, der Leiter des besagten Instituts, erläutert, dass man sowohl die Verbraucher der sogenannten hohen Kultur“ als auch die der sogenannten Massenkultur“ in Betracht gezogen hat:



    Die Rumänen sind schon Kulturverbraucher, aber alles hängt von der Definition der Kultur ab. Oft denken wir an die Sachen, die die sogenannte ‚hohe Kultur‘ definieren, wie Theater, Oper, Museen. Aber in unseren Studien verleihen wir der Kultur einen umfangreicheren Sinn und verbinden mit dieser auch Aktivitäten, die im Freien stattfinden, und auch beliebte Musikrichtungen. Es hängt vieles auch vom Befragungsort ab, ob in der Stadt oder auf dem Land, aber allgemein sind die Rumänen keine gro‎ßen Kulturkonsumenten.“




    Der Literaturhistoriker und –kritiker Ion Bogdan Lefter erkennt eine Mischung von zwei Arten von Vorlieben — für die hohe Kultur“ und für die Massenkultur“. Diese gibt es auch in anderen Gesellschaften.



    Wenn wir in einem Land wie Rumänien erwarten, dass der Kulturkonsum einen hohen Stand aufweist, dass jedermann wöchentlich oder monatlich ein Buch liest, dass er oft ins Theater oder ins Museum geht, dann sind die Umfragen enttäuschend. Wenn wir auf die Normalität in der Welt Bezug nehmen, auf die westliche Gesellschaft, der wir auch angehören, dann sind wir mit unseren Mitmenschen perfekt kompatibel. Die Daten sind nicht spektakulär. Diese verweisen auf eine gewöhnliche Gesellschaft mit Menschen, die Kulturverbraucher sind, aber auch mit weniger gebildeten Leuten, mit reichen und mit ärmeren Leuten. In diesen Gesellschaften ist der Kulturverbrauch ein Konsumverhalten wie jedes andere.“




    Das ist auch eine der Feststellungen dieser Umfrage. Diese beschreibt die Entstehung eines sogenannten omnivoren Kulturverbrauchs und die Entstehung von sogenannten hybriden Kulturgewohnheiten, die mehrere Freizeitvertreib-Möglichkeiten vereinen. Ein Schauspiel, ein Konzert oder ein Film im Kino wird mit dem Ausgehen, mit der Unterhaltung verbunden, meint Andrei Crăciun.



    Einkaufszentren sind sehr beliebt, einschlie‎ßlich was den Kultur- und Kinoverbrauch anbelangt. Es ist ein Gesellschaftsort. Auch die Theaterstücke werden immer öfter an alternativen Orten vorgeführt. Diese ziehen immer mehr junge Leute an, die verschiedene Erfahrungen machen wollen, die unter anderem die Zeit mit ihren Freunden verbringen möchten.“




    Unter diesen Umständen verzeichnet man ein leichtes Zunehmen der Teilnahme an verschiedenen Aufführungen und an Museumsbesuchen. Z.B. gehen 63% der Bukarester ins Theater. 62% von Ihnen haben im letzten Jahr ein Museum besucht. Die Geschichtsmuseen sind die beliebtesten, gefolgt von Naturkundemuseen. Festivals sind auch sehr beliebt. 48% der Rumänen besuchen Film- und Musikfestivals, 43% nehmen an Unterhaltungs- und Musikaufführungen teil. Au‎ßerdem steigt die Zahl der Rumänen konstant, die in den letzten Jahren mindestens in eine Theater-, Opern- oder Klassikaufführung gegangen sind. Der Gro‎ßteil dieser Zuschauer sieht aber nur Aufführungen in einem bestimmten Genre und entwickelt kein allgemeineres Interesse für Kunst. Wir sind also Zeugen einer kulturellen Alphabetisierung und keiner Gewinnung von treuen Konsumenten der hohen Kultur“. Andrei Crăciun beschreibt nun weitere Vorlieben der Rumänen.



    Allgemein ist in den Reihen der Bevölkerung, die Volksmusik hört, Folkloremusik der beliebteste Musikstil. Als nächstes kommt Schlagermusik wie Pop-Dance und weitere Genres, die in den Medien sehr verbreitet sind. Was den Manele-Stil [eine Art Balkan-Beats — Anm. d. Red.] anbelangt, da geht die Beliebtheitsrate etwas zurück. Von 2007 bis 2009 hat es einen Boom dieses Musikgenres gegeben, aber dieser hat sich gelegt. Was Theaterstücke anbelangt, belegen Komödien den ersten Platz, gemeinsam mit den Multimedia-Schauspielen.“




    Was die Lektüre anbelangt, wird eine Abwärtstendenz verzeichnet: 2014 erklärten 39% der Rumänen, dass sie überhaupt kein Buch gelesen haben. 18% lesen täglich, 16% ein- oder zweimal im Monat, 13% ein- oder zweimal die Woche, 14% ein- oder zweimal jährlich. Wenn man das zusammenrechnet, ist der Prozentsatz der Leser höher als der der Nichtleser, was aber von den Verlagshäusern als Auslegungsfehler beanstandet wird. Warum, erfahren wir von Mihai Mitrică, dem Exekutivleiter des Verbandes der Rumänischen Verlagshäuser.



    Dieser Barometer widerspricht allen vorherigen soziologischen Beobachtungen, inklusive eines Eurobarometers, der vor nur einem Jahr veröffentlicht wurde. Z.B. hei‎ßt es in der Umfrage des Kulturministeriums, dass einer von zwei Rumänen ein Buch monatlich liest. Das ist Schwachsinn, denn vor nur einem Jahr hie‎ß es, dass einer von zwei Rumänen ein Buch jährlich liest. Ein derartiger Sprung des Buchverbrauchs ist ausschlie‎ßlich auf einen Auslegungsfehler der Daten zurückzuführen. Der Buchmarkt stagniert seit Jahren um die 100-Millionen-Euro-Marke. Davon stellen 60 Millionen den traditionellen Markt und 35-40 Millionen den Markt der Schul- und Kioskbücher dar.“




    Die grö‎ßere Vielfalt an Kulturmöglichkeiten, aber auch an Zugangsarten — wie z.B. das Internet und die digitalen Technologien — ändert die Art und Weise, in der wir sowohl die hohe Kultur“ als auch die Massenkultur“ wahrnehmen, aber auch die traditionelle Wertschätzung, die man früher dem Lesen entgegenbrachte.

  • Leseförderung in Rumänien

    Leseförderung in Rumänien

    Lesen gehört seit langem nicht mehr zu den Lieblingsbeschäftigungen der Jugendlichen in Rumänien. Eine Meinungsumfrage des Rumänischen Institutes für Soziale Studien hat gezeigt, dass 22% der Jugendlichen überhaupt nicht lesen, während einer von fünf nur ein Buch im Jahr liest. Die Tatsache, dass die Rumänen weder Lust noch Geld für Bücher haben, spiegelt sich auch auf dem Markt der gedruckten Bücher wider, der von Jahr zu Jahr schrumpft.



    Zurzeit befindet sich der rumänische Buchmarkt auf dem letzten Platz im EU-Vergleich. Und das ist der Grund, warum unterschiedliche Verbände, Bibliotheken oder Verlage versuchen, dem breiten Publikum das Lesen mit allerlei Projekten schmackhaft zu machen.



    Die Kampagne România, citeşte-mă!“ (Rumänien, lies mich!“) entstand vor dem Hintergrund einer fehlenden landesweiten Strategie zur Förderung der geschriebenen Kultur. Die Verleger standen deshalb vor gro‎ßen Schwierigkeiten, wenn es um die Lese- und Buchförderung ging, berichtet Lucia Ovezea, die Vorsitzende des Rumänischen Buchhändler-Verbandes.



    Es waren unterschiedliche Aktivitäten vorgesehen, aber wir dachten zunächst an die kleineren Kinder, die insbesondere in diesem Alter für das Buch und das Lesen begeistert werden sollen. Deshalb haben wir die Viertklässler ausgewählt und sie zu einem Lesewettbewerb eingeladen. Der Wettbewerb wurde letztes Jahr in ungefähr 50 Schulen in Bukarest, in allen Schulen in Târgoviște und in Câmpina organisiert. Praktisch haben wir versucht, dem Ganzen eine nationale Dimension zu verleihen. In diesem Jahr hatten wir weniger Fördermittel zur Verfügung. Von daher hat der Verband der Buchverleger, der der Konföderation der Buchverleger und –händler angehört, die Kontrolle übernommen und die Kampagne fortgesetzt — dabei wurden 20 Schulen aus Bukarest mobilisiert. Die Kinder werden in diesem Monat an dem Wettbewerb auf Stadtebene teilnehmen, die Preise werden dann — wie letztes Jahr auch — im Rahmen der Buchmesse Bookfest am 31. Mai verliehen.“



    Weil die Jugend von heute die meiste Zeit vor dem Computer verbringt, hat ein junger Mann aus Klausenburg eine Kampagne zur Leseförderung auf Facebook gestartet. Das Projekt von Victor Miron hei‎ßt Die Bücher im Gesicht“ und hat das Selfie-Konzept als Grundlage. Das setzt die Inszenierung eines sogenannten Buch-Selfies“ voraus, das hei‎ßt ein Bild, auf dem das Gesicht der fotografierten Person von dem gerade gelesenen Buch verdeckt ist. Bislang hat Mirons Initiative Hunderte von positiven Rückmeldungen, Kommentaren und Fotos gesammelt und viele Jugendliche für die Kultur begeistert, wie der Autor selbst erzählt:



    Ich konnte die Leute vom Buchladen Bookstory in Klausenburg überreden, den Kunden, die ein Facebook-Profilfoto mit Buch vorweisen können, einen Rabatt von 10% zu bieten. Das geschah im Februar und die Meldung über diese Ermä‎ßigung hat sehr viele Menschen gefreut. Auf der ersten Seite, auf der ich für diese Aktion warb, hatten innerhalb von einigen Tagen fast 2000 Facebook-Nutzer den Gefällt-Mir-Button gedrückt. Und das hat gezeigt, dass die Leute Interesse daran hatten, nach dem ersten Artikel waren sehr viele Nutzer mit einem Buch auf ihrem Profilfoto zu sehen.“



    Nachdem auf Facebook immer mehr Selfies mit lesenden Menschen zu sehen waren, ging Victor Miron zur nächsten Aktion seiner Kampagne über:



    Unsere Absicht war, sie mit Büchern zu überraschen, an Orten, wo sie es nicht erwarteten… Also haben wir eine kleine Bibliothek in einer Autowerkstatt eingerichtet, die für jede Reparaturarbeit ein Buch verschenkte. Das Motto lautete dort: Egal wie schön dein Auto ist, es kann dich nicht in die Gemütszustände versetzen, die ein Buch verursacht. Und dann hat eine Zahnarztpraxis in Klausenburg ein ungewöhnliches Angebot für die lesenden Patienten. Man bekommt eine 10%-ige Ermä‎ßigung auf die Behandlungskosten, wenn man auf Facebook in die Praxis eincheckt und dabei angibt, welches Buch einem ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. Wir unternehmen also Ungewöhnliches, um die Menschen aus ihrem monotonen Alltag zu entführen und sie zu veranlassen, ein angenehmes Gefühl dem Lesen gegenüber zu entwickeln, interessante Diskussionen über Bücher zu führen. Wir wissen, dass Menschen sehr positiv auf Preisnachlässe reagieren, allerdings reagieren sie noch viel besser auf Gratisangebote. Deshalb haben wir dem Bürgermeisteramt Klausenburg vorgeschlagen, dass am ersten Sonntag eines jeden Monats Bücher lesende Fahrgäste der öffentlichen Verkehrsmittel diese kostenlos nutzen dürfen. Die Behörden haben bestätigt, dass sie das Konzept im Rahmen einer Buchmesse testen wollen und wir konnten es bereits anlässlich des Internationalen Buchtags umsetzen. Wer ein Buch bei sich hatte, konnte den Botanischen Garten in Klausenburg kostenlos besuchen. Auch diese Aktion war recht erfolgreich, in dem Sinne, dass der freie Eintritt am Karfreitag durch eine einfache Anzeige im Internet angekündigt wurde und, innerhalb von einigen Tagen, 32.000 Menschen erreicht hat — das Bild mit der Gratis-Aktion wurde einfach weitergegeben. Insgesamt haben dann 1230 Personen mit einem Buch unter dem Arm den Botanischen Garten besucht.“



    Der Welttag des Buches wird am 23. April begangen und ist inzwischen zum wichtigen Termin für alle Leseratten geworden. In Bukarest und anderen Städten des Landes fanden an diesem Tag unterschiedliche Aktionen zur Leseförderung statt. Nichtsdestotrotz verbringt der Durchschnittsrumäne laut einer Studie des Nationalen Institutes für Statistik lediglich eineinhalb Stunden im Monat mit Theater-, Kino- und Kunstgaleriebesuchen, während das Lesen in der Freizeit im Schnitt nur 13 Minuten am Tag ausmacht, wobei mit fortschreitendem Alter auch die mit Büchern verbrachte Zeit abnimmt. Lucia Ovezea versucht, die Entwicklung zu erklären:



    Die Welt ist global geworden, es gibt nun das Internet, die Informationen verkehren viel schneller, die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung oder die eigene Vorstellungskraft kommen heute auf anderen Wegen zum Ausdruck. Und da ist es klar, dass das Lesen dem Ganzen ein wenig hinterherhinkt, weil viele es als veraltet ansehen oder weil es gar nicht wahrgenommen wird. So ist es nun mal, es sind andere Generationen. Lesen ist aber nach wie vor für recht viele Menschen wichtig. Leider ist der Anteil der Leser in Rumänien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern viel geringer, aber damit müssen wir uns abfinden. Im Allgemeinen stagniert das Buch bei uns oder es macht kleine Rückwärtsschritte.“



    Für die Jugendlichen sind audiovisuelle Medien, der Fernseher und der Computer das attraktivere Angebot, im Vergleich zum geschriebenen Text. Die virtuelle Welt hat die jungen Menschen erobert und sie vor den Büchern auf Distanz gebracht. Relativ interessiert sind die Schüler heute noch an den Büchern aus dem Lehrplan.



    Audiobeitrag hören: