Tag: Luftgrenzen

  • Partieller Schengen-Beitritt: Was kommt nach dem Etappensieg?

    Partieller Schengen-Beitritt: Was kommt nach dem Etappensieg?





    Ende 2023 gab es für Rumänien und Bulgarien eine Nachricht, auf die Bukarest und Sofia fast 13 Jahre lang gewartet hatten: Nachdem Österreich sein Veto aufgehoben hatte, genehmigte der EU-Rat den teilweisen Beitritt der beiden Länder zum Schengen-Raum einstimmig. Konkret werden vorerst die Grenzkontrollen an den Luft- und Seegrenzen zu den beiden Ländern ab dem 31. März 2024 abgeschafft. Wien hat seine Zustimmung jedoch an Bedingungen geknüpft, darunter verstärkte Grenzkontrollen, Investitionen in die Infrastruktur und die Aufnahme von Asylbewerbern aus Österreich, insbesondere von Afghanen und Syrern. Rumänien und Bulgarien werden weiterhin umfangreiche finanzielle Unterstützung und Hilfe von der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX erhalten, um die Grenzkontrollen zu verstärken und die illegale Migration zu bekämpfen.



    In Brüssel begrü‎ßte man die Entscheidung — in einer Verlautbarung der EU-Kommission hie‎ß es, dass die Integration der beiden Länder den Schengen-Raum stärken werde, da sowohl Rumänien als auch Bulgarien neue Pilotprogramme gestartet haben, die andere EU-Staaten nach der kürzlich erfolgten Verabschiedung des Migrationspakts durch den Rat und das Parlament gerade erst umsetzen müssten. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Aufnahme Rumäniens und Bulgariens in den Schengen-Raum den Reiseverkehr, den Handel und den Tourismus ankurbeln wird, was einen stärkeren Binnenmarkt bedeutet.



    Für die Bürger Rumäniens werde der Beitritt zum Schengener Luftraum drei wichtige Vorteile mit sich bringen, betonte der Europaabgeordnete Victor Negrescu in Brüssel. Zum einen wird es für rumänische Bürger einfacher, in andere Schengen-Länder zu reisen, was ein verbrieftes Recht ist. Das bedeutet auch, dass Rumänen in der Diaspora leichter mit dem Flugzeug in ihre Heimat zurückkehren können, indem sie die vielen Flughäfen in Rumänien nutzen, von denen viele gerade ausgebaut und modernisiert werden. Zweitens wird Rumänien in der Lage sein, wichtige Güter leichter auf dem Luftweg innerhalb des Schengen-Raum zu transportieren. Dies gilt für den Transport von Medikamenten, für Notfalltransporte, die Beförderung von empfindlicher technischer Ausrüstung, Paketzustellungen und logistische Transporte von zivil-militärischen Komponenten. Und Drittens: Rumänien wird für ausländische Investoren und Touristen attraktiver werden. Die Schengen-Integration mit der Seegrenze wird gleichzeitig die Bedeutung des Hafens von Constanța am Schwarzen Meer exponentiell erhöhen.



    Einziger Wermutstropfen für Rumänen und Bulgarien bleiben jedoch die Landgrenzen, weshalb die Entscheidung nun eher als Etappensieg gilt. Universitätsprofessor Ștefan Popescu, au‎ßenpolitischer Analyst und Kommentator, dazu:



    Die gro‎ße wirtschaftliche Frage, um die es geht, ist die Integration mit den Landgrenzen. Aber angesichts der Zahl der Rumänen, die innerhalb der Europäischen Union jährlich in den Schengen-Raum fliegen, ist dieser Sieg auch wichtig, er hat einen praktischen und symbolischen Wert. Ich hoffe, dass wir uns dadurch auch als Bürger ersten Ranges mit der Europäischen Union identifizieren können. Ich hoffe, dass wir mehr Klarheit über die wichtigste Frage haben werden, um die es geht: die Integration der Landgrenzen. Das Jahr 2024 wird ein schwieriges Verhandlungsjahr sein, weil in der Europäischen Union Wahlen anstehen. Gegen Ende des Jahres im Herbst — werden Wahlen auch in Österreich stattfinden. Und ich denke, dass sich die Verhandlungen über die Integration der Landgrenzen wahrscheinlich bis 2025 hinziehen werden, wenn wir eine andere Europäische Kommission und eine andere politische Konstellation in Wien haben werden. Vorerst ist es auf jeden Fall vorteilhaft, dass die Schengen-Integration mit dem Luftraum und dem Seeverkehr vonstatten geht, auch wenn der letztere im Moment noch unbedeutend ist.“




    Der Beitritt zum Schengen-Raum ist für Rumänien, Bulgarien und die gesamte Union sowohl in wirtschaftlicher als auch in symbolischer Hinsicht von herausragender Bedeutung, sagt auch Universitätsprofessor Ion Bogdan Lefter.



    Da einerseits viele Spediteure und andererseits die Unternehmen, die Waren herstellen, darunter leiden, wenn die Transporte am rumänischen und bulgarischen Zoll gestoppt werden, ist die Wirtschaft der gesamten Europäischen Union vom bisherigen Ausschluss der beiden Länder vom Schengen-Raum betroffen. Natürlich trifft es in erster Linie die beiden Länder, Rumänien und Bulgarien, doch auch für westeuropäische Unternehmen bedeutet es eine zusätzliche Belastung ihrer Bankkonten. Symbolisch gesehen war und ist dies ein Problem für die gesamte Europäische Union, denn es stellt die Kohäsion der EU in Frage, die eine klare Botschaft Botschaften in dieser Hinsicht haben muss.“




    Rumänien und Bulgarien stecken tatsächlich jeden Tag gro‎ße Verluste weg, Experten sprechen von Milliarden Euro weniger Einnahmen jährlich. Kann die rumänische Diplomatie etwas tun, um den Beitritt mit den Landgrenzen schneller zu ermöglichen? Professor Ștefan Popescu meint zum Schluss unseres Features, das Bukarest die Beziehungen zu Wien vernachlässigt habe:



    Diplomatie kann immer etwas bewirken. Die rumänische Diplomatie muss den Druck aufrechterhalten, das Thema auf der Tagesordnung der EU halten und den Dialog mit Wien fortsetzen. Denn abgesehen von den mehr oder weniger berechtigten Ansprüchen Wiens und der Tatsache, dass Rumänien durch die Absicht Österreichs, eine Reform des Schengen-Raums herbeizuführen, in Geiselhaft genommen wurde, muss an der Qualität der bilateralen Beziehungen Rumäniens zu Österreich gearbeitet werden. Mit Österreich verbindet uns vieles, wir haben enge menschliche und wirtschaftliche Beziehungen, und dennoch haben wir mit diesem Land, einem nahen Land in unserer Nachbarschaft, keinen ständigen Dialog geführt.“

  • Schengen-Beitritt: Was steht Rumänien im Weg?

    Schengen-Beitritt: Was steht Rumänien im Weg?

    Drei Jahre nachdem Rumänien dem Schengener Raum beitreten sollte, wagt nun niemand mehr, ein Beitrittsdatum vorauszusagen. Die Bukarester Behörden bekräftigten mehrmals, sie hätten die erforderlichen Kriterien erfüllt und bleiben hoffnungsvoll, dass die rumänischen Staatsangehörigen bald Bürger des grenzkontrollfreien Schengen-Raums sein werden. In einem Interview mit Radio Rumänien gab Schengen-Experte Marian Tutilescu einen Überblick über die bisherigen Ereignisse:



    Am 9. Juni 2011 wurde im EU-Innenrat einstimmig beschlossen, dass Rumänien und Bulgarien alle Beitrittskriterien erfüllen. Diese Entscheidung macht es deutlich, dass es überhaupt kein Problem angesichts der Erfüllung der erforderlichen Beitrittskriterien gibt. Mittlerweile konnte man sowohl bestimmte Änderungen bei der europäischen Gesetzgebung als auch neue Entwicklungen des Migrationsphänomens feststellen. Auf EU-Ebene wurde das Ma‎ßnahmenpaket zur Verstärkung des Führungsmechanismus im Schengen-Raum verabschiedet. Dies enthält zwei Reihen von Ma‎ßnahmen: Erstens wurde das Bewertungsverfahren von Kandidaten geändert, zweitens wurde die Sicherheit an den Au‎ßengrenzen verstärkt. Es handelt sich im letzteren Fall um Ma‎ßnahmen, die die Abschaffung bzw. die Wiederaufnahme der Kontrolle an den Innengrenzen eines Mitgliedstaates unter bestimmten Bedingungen gestatten. Eine dieser Ma‎ßnahmen bezieht sich auf eventuelle massenhafte Einwanderung. In solch einem Fall darf ein Schengen-Staat für einen Zeitraum von sechs Monaten seine Grenzen schlie‎ßen bzw. die Grenzkontrollen wiederherstellen, bis solch eine Situation, die die Sicherheit innerhalb des Schengen-Raums gefährdet, gelöst wird. Der besagte Zeitraum darf ferner auf höchstens zwei Jahre verlängert werden.“



    Dieses Ma‎ßnahmenpaket stellt ein bedeutendes Mittel für Schengen-Staaten dar, die gegen illegale Einwanderung vorgehen müssen. Die grenzkontrollfreie Schengen-Zone wurde oftmals mit massiver Zuwanderung aus der Türkei nach Griechenland und Bulgarien konfrontiert. Zurzeit sei die Situation wieder stabil, aber ähnliche Migrationsbewegungen seien künftig nicht auszuschlie‎ßen, sagt ferner Marian Tutilescu.



    Rumänien und Bulgarien waren beide bewertet worden, bevor die neuen Ma‎ßnahmenpakete in Kraft traten, daher müsse keine neue Bewertung laut der aktuellen Gesetzgebung erfolgen. Das Schengen-Abkommen sei äu‎ßerst deutlich und Rumänien habe alle Kriterien völlig erfüllt, bekräftigt auch der Präsident des Sonderausschusses zum Schengen-Beitritt des Parlaments, Mircea Geoană. Der Schengen-Beitritt in direkten Zusammenhang mit Elementen politischer Natur zu bringen, sei derzeit kein starkes Argument, sagt Geoană:



    Europa braucht derzeit, im Kontext der neuesten Entwicklung in der benachbarten Ukraine, mehr als je zuvor, einig zu sein. Nie wurde Europa in den letzten 40 Jahren mit einem so starken Risiko eines kalten Kriegs wie jetzt konfrontiert, nachdem die USA in den 80er Jahren Mittel- und Langstreckenraketen stationiert haben. Die Europäer müssen jetzt jede Form von Egoismus, Populismus oder doppeldeutiger Sprache beiseitelegen. In den letzten Jahren war angesichts des von Rumänien und Bulgarien angestrebten Schengen-Beitritts eine doppeldeutige Sprache in Europa festzustellen.“




    Marian Tutilescu schlie‎ßt nicht aus, dass die Mitgliedsstaaten bereits im Monat Oktober ein positives Urteil über die Abschaffung der Luft- und Seegrenzkontrollen fällen. Darauf müssten sich dennoch beim EU-Innenrat alle Teilnehmer einigen, fügt Tutilescu hinzu. Eventuelle Gegenargumente, die Schengen-Mitglieder diesmal vorbringen könnten, um den Beitritt Rumäniens und Bulgariens erneut zu blockieren, seien zu diesem Zeitpunkt schwer vorwegzunehmen:



    Das ausschlaggebende Argument ist der Fortschritt Rumäniens beim Kooperations- und Überprüfungsmechanismus. Hinter diesem Argument verbergen sich aber zahlreiche Interessen, einschlie‎ßlich einiger, die im engen Bezug mit dem internen Wahlkampf stehen und mit dem Schengener Besitzstand nichts zu tun haben. Das war jedes Mal zu spüren und leider stellten wir fest, dass es in der Zeit, als Experten alles Mögliche unternahmen, um die Beitrittskriterien zu erfüllen, es jenseits des Abkommens eine Grauzone gab, in der sich einige Politiker bewegen. In den Niederlanden hat bekanntlich damals eine rechtsextreme Partei ihre Unterstützung für die niederländische Regierung im Parlament an die offizielle Position des Landes angesichts der Aufnahme Rumäniens und Bulgariens in den Schengen-Raum geknüpft. Die Niederlande blockierten den Beitritt beider osteuropäischen Staaten, der wahre Grund lag aber in den damaligen innenpolitischen Interessen.“




    Die rumänischen Behörden hoffen, dass in der zweiten Jahreshälfte ein erster Schritt in Richtung Abschaffung der Seegrenzkontrollen unternommen wird und dass für die Entscheidung über die Bodengrenzen ein vernünftiger Termin angesetzt wird.



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