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  • Europäisches Theaterfestival Temeswar (FEST): Starkmachen für Kulturhauptstadt 2021

    Europäisches Theaterfestival Temeswar (FEST): Starkmachen für Kulturhauptstadt 2021

    Das Europäische Theaterfestival Temeswar (FEST) und der Programmteil, der der rumänischen Dramaturgie gewidmet ist, werben für das westrumänische Temeswar als Kulturhauptstadt 2021. Die Organisatoren haben sich zum Ziel gesetzt, Menschen, Ideen, Emotionen durch Stra‎ßentheater zusammenzubringen und die nationale Identität der Rumänen in Europa zu definieren.



    Vom 7. bis 13. Juni hat im westrumänischen Temeswar die Sektion FEST (Kürzel des Europäischen Theaterfestival Temeswar“) im Rahmen der Festspiele FEST-FDR 2015 stattgefunden. Die Festspiele waren europäischen Aufführungen und der rumänischen Dramaturgie gewidmet (Festivalul European al Spectacolului Timişoara — Festival al Dramaturgiei Româneşti). Organisiert werden die Festspiele vom Temeswarer Staatstheater. So wie die Abkürzung schon andeutet, ist FEST ein Fest des Theaters und ein Dialog zwischen Zuschauer und Aufführung. Das Programm der europäischen Festspiele wurde um Aufführungen rumänischer Dramatiker ergänzt und wartete mit einer überraschenden Idee auf: Stra‎ßentheater-Aufführungen. Regisseurin Ada Hausvater, Intendantin des Temeswarer Nationaltheaters, erklärt, was das Festival ausmacht:



    Das Festival FEST bleibt unter dem Zeichen FEST-FDR, eines europäischen Festivals, das beides, europäische Aufführungen und rumänische Dramaturgie miteinander verschmelzt. Wir haben die Aufführungen nicht genau aufteilen wollen, sondern eher eine Mischung angestrebt. Zu den europäischen Freiluft-Aufführungen gehört dieses Jahr zum ersten Mal auch eine Indoor-Aufführung: »Dreamscape«, es gibt zudem ein paar Installation-Aufführungen wie »Medio Monte«, die der Kategorie rumänische Dramaturgie angehören. FEST-FDR schafft letztendlich ein Bild rumänischer Dramaturgie im Kontext der europäischen Dramaturgie. Mit diesem Festival wollen wir den eigenen Platz auf der europäischen Karte definieren und verstehen, wie weit unser künstlerisches Projekt aus dieser sozialen Perspektive gekommen ist. Das Festival hat meiner Ansicht nach diese Sache sehr klar aufgezeigt. »Medio Monte« ist eine moderne Installation, ein Sprungbrett für das Theater der Zukunft.“




    Medio Monte“ ist eine Performance-Installation, produziert vom Stadttheater Baia-Mare, und verbindet Theater, Musik und bildende Kunst. Die Regisseurin Mihaela Panainte sagte über ihr kunstspartenübergreifendes Konzept:



    Heutzutage kann das Theater nicht mehr allein leben. Deshalb haben wir die Malerei, die Musik und das Theater zusammengebracht. Das Theater als Bewegung. Der Laut als Impuls zur Bewegung. Diese künstlerischen Medien bringen einen deutlichen Beitrag zur Schaffung des totalen Theaters.“




    Vom Text des Dramatikers Marian Ilea, der Kunst des Malers Mircea Bochiş und der Bühnenmalerei von Helmut Sturmer ausgehend, versucht Mihaela Panainte den Zuschauern die Botschaft zu vermitteln, dass unsere innere Freiheit allein von der eigenen Wahl abhängt:



    Wir sagen üblicherweise, dass wir ins Museum, in die Oper oder ins Theater gehen. Wir versehen alles mit Labeln, aber ich glaube, dass wir in diesem Jahrhundert nicht mehr in getrennten Kategorien leben können. Maler mit Malern, Musiker mit Musikern, Theatermenschen mit Theatermenschen. Erst nachdem diese Leute zusammenkommen, können sie neue Kunstformen entwickeln, neue Ausdrucksweisen entdecken. Die Freiheit der Kunst ist Kenntnis, besser gesagt Selbstkenntnis. Man kann nicht frei sein, wenn man keine Kenntnisse hat und wenn man sich selbst nicht kennt. Denn nur so kann man den Begriff Freiheit verstehen.“




    Das Theaterfestival Temeswar (abgekürzt FEST) bedeutet vor allem Outdoor-Aufführungen und Stra‎ßentheater, denn diese sind die Aufführungen die laut Ada Hausvater Menschen zusammenbringen, Aufregung erregen, den Menschen das Theater, die Kunst und im Allgemeinen die Kultur näher bringen. Die Stra‎ßenaufführung, die die Sektion FEST eröffnet hat, ist Der Kirschgarten“ von Anton Tschechow, inszeniert vom Theater Voskresinnia“ aus dem ukrainischen Lwiw. Es handelt sich um eine Aufführung des Bildes und der Fantasie, voller Dynamik. Der künstlerische Leiter des Theaterensembles und Regisseur Yaroslav Fedoryshyn sagte dazu:



    »Der Kirschgarten« ist meiner Meinung nach das beste Stück von Tschechow, weil es alles von der Kindheit bis zum Tod in sich vereint. Das wollten wir auch mit unserem Stra‎ßentheater sichtbar machen, weil alles zum Kaufen und zum Verkaufen ist. Diese Handelsbeziehungen im Leben gab es seit immer und es gibt sie überall in der Welt. Man vergisst somit, das Leben zu leben. Das Leben ist wie ein Wassertropfen, der auf den Boden fällt und schnell versickert. Wir scheitern leider dabei, wenn wir versuchen, diesen Tropfen zu fangen. Darum geht es in dieser Aufführung. Ich habe mir gewünscht, dass alle Figuren während der Aufführung im wahrsten Sinne des Wortes über den Garten gehen. Das haben wir geschafft, indem wir die Schauspieler auf Stelzen gehen lie‎ßen. So kamen sie einem wie wei‎ße Schmetterlinge vor, die ihren Handel da oben durchführen. Bei uns fährt die Figur Lopachin nicht mit der Axt durch den Kirschgarten, wie bei Tschechow, sondern der Garten wird abgebrannt. Wir hatten diese Idee, weil wir den Symbolen Wasser und Feuer viel Wert verleihen wollten. Es handelt sich um zwei Geister des Lebens, die sich im Laufe der Jahrhunderte miteinander verschmolzen haben. Etwas wird errichtet, dann brennt es ab, alles ist dann vom Wasser überschwemmt, weil das Wasser das Feuer löscht. Wie Tschechow selber erklärte, steht der Kirschgarten als Symbol dafür, dass unserer Ansicht nach alles noch vor uns liegt, aber — genau wie im Leben — liegt alles eigentlich schon hinter uns.“




    FEST-FDR 2015 ist eine der Veranstaltungen, mit denen das Nationaltheater Temeswar die westrumänische Stadt im Kampf um den Titel Europäische Kulturhauptstadt 2021 unterstützt. Theaterintendantin Ada Hausvater dazu:



    Eines unserer Programme widmen wir der Zivilgesellschaft und deren Aufbau. Meiner Meinung nach kann man ohne Kultur und ohne ein wahres Engagement in der Gesellschaft nicht leben, man kann gar nicht von Zivilisation und Fortschritt reden. Europäische Kulturhauptstadt bedeutet eine Stadt mit einem wahren Potential zur Erkundung neuer Wirklichkeiten. Im Kampf treten so viele Städte gegeneinander an, aber jede darf hoffen. Temeswar ist einzigartig durch seine Vielfalt. Die Temeswarer sind au‎ßerdem auch sehr offen und neugierig, wenn es um Menschen geht, die eine andere Sprache sprechen und die Wirklichkeit anders ausdrücken. Wir haben dieses Projekt angesto‎ßen, das eine Definition nationaler Identität in Europa anstrebt, aber auch mit unserem Projekt der Freiluft-Aufführungen versuchen wir, Temeswar im Kampf um den begehrten Titel zu unterstützen, weil wir somit Menschen zusammenbringen. Wir bieten dem Publikum die Gelegenheit, ein gemeinsames Ziel zu identifizieren. Das bedeutet eigentlich eine Gemeinschaft: ein gemeinsames Ziel, ein Treffen der Ideen, der Erlebnisse, der Emotionen. Das ist eigentlich, was das Theater macht.“

  • Internationales Festival des Neuen Theaters in Arad

    Internationales Festival des Neuen Theaters in Arad

    Neun Tage, 30 Veranstaltungen — Aufführungen, Musikauftritte, Buchpremieren. So lautet das Rezept, das sich die Veranstalter des Internationalen Festivals des Neuen Theaters im westrumänischen Arad ausgedacht haben. Die vom Theater Ioan Slavici“ organisierten Festspiele fanden in der ersten Hälfte des Monats Mai statt. Das dritte Festival des Neuen Theaters lud das Publikum nicht nur ins Theater ein, sondern auch zu Aufführungen im Freien, in unkonventionellen Theaterräumen. Theaterintendant Bogdan Costea erläutert die Hintergründe des Festivals:



    Diese Festspiele sind der Nachfolger des Theaterfestivals »Eurounderground«, das aus der Notwendigkeit entstanden war, eine Alternative für das Klassische Theaterfestival zu schaffen. Das Kulturhaus Arad organisierte damals unter seiner Schirmherrschaft ein exklusives Projekt, das Aufführungen von unabhängigen Theaterensembles sowohl aus Rumänien als auch aus dem Ausland vor das rumänische Publikum brachte. Im Laufe der Zeit sind die Festspiele gewachsen und unter der Schirmherrschaft des klassischen Theaters »Ioan Slavici« als Pendant zum Festival des klassischen Theaters entstanden.“




    Neues Theater hei‎ßt zeitgenössisches Theater. Der Theatertheoretiker Claudiu Groza, der seit dem ersten Festival für die Auswahl der Aufführungen sorgt, ist der Ansicht, dass neues Theater eher das Theater sei, das unsere Probleme zum Ausdruck bringt. Egal ob es sich um ein Stück von Shakespeare, Gombrowicz oder Caragiale handelt, sollten diese Texte unsere alltäglichen Sorgen zur Sprache bringen, dann sprechen wir vom neuen Theater”.



    Was ist der Beweggrund des Theaters Ioan Slavici“, derartige Festspiele zu beherbergen? Inwiefern bringt das etwas für die Institution an sich? Theaterintendant Bogdan Costea dazu:



    In erster Linie hat sich das Theater »Ion Slavici« trotz seines Namens zum Ziel gesetzt, das junge und sehr junge Publikum anzulocken. Dieses Ziel verfolgen wir gerne, wir wollen das Angebot der Aufführungen in institutionalisierten Theatern breiter machen. Diese Theater haben in ihr Repertoire neue und sehr neue Texte zeitgenössischer Dramatik aufgenommen. Sie haben sich auch gegenüber Aufführungen offen gezeigt, die von unabhängigen Theatergruppen inszeniert werden. Es ist also eine wahre Theaterstil-Mischung bemerkbar, die sich über einen äu‎ßerst breiten Umfang von zeitgenössischen Theateraufführungen streckt. Das zeitgenössische Theater kommt in einer Vielfalt von Formen zum Ausdruck.“




    Die dritten internationalen Festspiele des Neuen Theaters haben neue Inszenierungen auf die Bühne gebracht. Laut Claudiu Groza, der die Aufführungen ausgewählt hat, handelte es sich um eine Vielfalt von Aufführungen: köstliche Komödien, beeindruckende Dramen, Geschichten, die zum Nachdenken einladen, eindrucksvolle Inszenierungen, klassische Texte, die aus einer frischen Perspektive inszeniert werden. Im Programm gab es auch eine Gastaufführung aus der Ukraine — To meet Prospero“, das vom Theater Woskresinnja aus Lwiw (Lemberg) auf die Bühne gebracht wird. Claudiu Groza erklärt, weshalb dieser internationale Austausch wichtig ist:



    Das rumänische Theater muss gegenüber dem ausländischen offen bleiben. Einmal sagte der berühmte Theaterkritiker George Banu, dass das rumänische Theater keine Komplexe haben sollte. Wir sind Anhänger eines synkretischen und äu‎ßerst dynamischen Theaters, das einen starken Akzent auf den visuellen Teil setzt. Die Franzosen und die Deutschen kultivieren hingegen den Text bzw. behalten das klassische Format mit visuellen Merkmalen. Wir sollten also keine Komplexe gegenüber dem internationalen Theater haben, aber es ist au‎ßerdem sehr wichtig, im ständigen Kontakt zu den internationalen Tendenzen des Theaters zu bleiben. Das gilt nicht nur für unser Publikum, sondern auch für erfahrene Theatermenschen, die dabei die Gelegenheit haben, ihre Erfahrung mit ausländischen Künstlern auszutauschen.“




    Laut dem Theaterintendanten Bogdan Costea setze sich demnächst das klassische Theater Ioan Slavici“ in Arad zum Ziel, das junge Publikum anzulocken. Zeitgenössisches Theater ist also nicht nur während des Internationalen Festivals des Neuen Theaters zu sehen, sondern auch in der üblichen Spielzeit des Theaters Ioan Slavici“. Der Gastgeber der Festspiele hat beim Festival die eigene Produktion Cerc.Oglindă.Transformare“ (Kreis.Spiegel.Umwandlung“) in der Regie von Cristi Juncu präsentiert. Der Text ist von der jungen Dramatikerin und Pullitzer-Preisträgerin Annie Baker. Die Schauspielerin Aura Călăraşu sagte über die Aufführung Cerc.Oglindă.Transformare“:



    Es war ein besonders schönes Treffen mit einer erfolgreichen und sensiblen amerikanischen Schriftstellerin. Die Arbeit an dieser Inszenierung war sehr angenehm. Das ist das richtige Wort: Es war eine angenehme und ehrenhafte Arbeit. Es handelt davon, wie das Theater dem Publikum, nicht nur dem Schauspieler, helfen kann.“