Tag: Machtausübung

  • Kabinett von Victor Ponta übersteht  Misstrauensantrag

    Kabinett von Victor Ponta übersteht Misstrauensantrag

    Am Freitag wurde über den von den Liberalen aus der Opposition eingebrachten Misstrauensantrag gegen das Kabinett von Victor Ponta abgestimmt. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit abgelehnt: nur 194 Abgeordnete und Senatoren haben dafür gestimmt, 278 Stimmen wären notwendig gewesen. Die Liberalen zählen aber insgesamt nur 173 Abgeordnete, von daher rechneten sie sich allerdings nur wenige Chancen aus.



    Allein die Tatsache, dass sich die freien Abgeordneten der Initiative der Liberalen angeschlossen hatten, spielte dabei keine Rolle. Ausschlaggebend könnte der Beitrag der demokratischen Union der Ungarn in Rumänien UDMR gewesen sein, da sie die zweitgrößte oppositionelle Partei bildet, der Ungarnverband schloss sich aber der Initiative der Liberalen nicht an.



    Die Liberalen forderten den Rücktritt des Premierministers Victor Ponta und warfen ihm die vorsätzliche Sabotage der Präsidentschaftswahlen im Ausland letzes Jahr und die Blockierung von Teilwahlen in mehreren Wahlkreisen vor. Ferner habe das Ponta Kabinett die Annahme eines Gesetzes über die Briefwahl verweigert. Victor Ponta muß wegen exzessiver Machtausübung und Blockierung der Wahlen aus seinem Amt entlassen werden, hieß es im Misstrauensantrag der Liberalen.



    Die Liberalen beschuldigten den Premier, er habe willkürlich die Auslandsrumänen, die traditionsgemäß rechtsorientiert seien, bei der Ausübung ihres Wahlrechts sabotiert, um die Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Nun verweigere er das Organisieren von Teilwahlen in lauter Landkreisen, Städten und Dorfgemeinden, in denen die 2012 gewählten Bürgermeister oder Ratsvorsitzenden wegen Korruption festgenommen wurden.



    Der Premier Ponta hat somit den dritten Misstrauensantrag seit Amtseinführung im Jahr 2012 überstanden. Er habe wohl einen Kampf, aber nicht den Krieg gewonnen, erklären Politikbeobachter. Sein Image hat im Ausland, in den internationalen Medien und in der Öffentlichkeit unter politischen Skandalen und den jüngsten Korruptionsaffären, in die er verwickelt ist, stark zu leiden.




    Die Mitglieder seines Kabinetts werfen ebenfalls ein schlechtes Bild auf die Regierung. Der Transportminister Ioan Rus ist am Donnerstag vom Amt zurückgetreten, nachdem er am Vortag in einer Fernsehsendung die im Ausland arbeitenden Rumänen pauschal beleidigt hatte. Vorige Woche gab die Nationale Antikorruptionsbehörde bekannt, sie ermittele strafrechtlich gegen den Premier wegen Geldwäsche und Beteiligung an Steuerhinterziehung.



    Ponta wird ebenfalls Fälschung von Urkunden mit seiner Privatunterschrift zur Last gebracht. Die DNA hatte zudem beim Parlament wegen Interessenkonflikten den Antrag auf strafrechtliche Ermittlung gegen Ponta gestellt, die Abgeordnetenkammer hat sich aber geweigert, die Immunität des Premierministers aufzuheben. Somit wird Victor Ponta zum ersten Premierminister des postkommunistischen Rumäniens, gegen den die Antikorruptionsbehörde strafrechtlich ermittelt und doch sein Amt ausüben darf.





  • Häusliche Gewalt in Rumänien

    Häusliche Gewalt in Rumänien

    Häusliche Gewalt bezeichnet die Gewalt zwischen erwachsenen Beziehungspartnern. Gewalt und Demütigung werden von einem Partner eingesetzt, um den anderen zu kontrollieren und Macht auszuüben. Häusliche Gewalt geschieht nie aus Versehen. Es geschieht nicht, weil jemand unter Druck steht, zu viel getrunken oder Drogen genommen hat. Gewalt wird bewusst eingesetzt, um einen anderen Menschen klein“ zu machen und zu halten. Leider ist häusliche Gewalt auch in Rumänien ein brennendes Thema.



    Im Rahmen des Projekts Das Bürgerbarometer — Die Wahrheit über Rumänien“ führte das private Institut für soziologische Forschungen INSCOP in der Zeit 12.-21. Juli 2013 eine Meinungsumfrage über Gewalt in Rumänien. Die Antworten der 1050 Befragten, die für die rumänische Bevölkerung als repräsentativ galten, führten zu folgenden Ergebnissen: In der rumänischen Gesellschaft sind folgende Arten der Gewalt am häufigsten anzutreffen: Gewalt in Verbindung mit Diebstahl oder Raub (39,1%), häusliche Gewalt gegen Kinder und Senioren (21,5%), häusliche Gewalt zwischen Eheleuten oder Lebenspartnern (19,2%), Gewalt in Verbindung mit organisiertem Verbrechen (11,7%), Gewalt als Resultat von Auseinandersetzungen zwischen Personen, die einander nicht kennen (3,4%).



    Zu vermerken ist die hohe Prozentzahl der Befragten, die die häusliche Gewalt als die häufigste Art von Gewalt angegeben haben (21,5% gegen Kinder und Senioren plus 19,2% zwischen Eheleuten oder Lebenspartnern). Die Tatsache, da‎ß bei dieser Umfrage die Angaben über häusliche Gewalt eine so hohe Prozentzahl erreicht haben, signalisiert auch, da‎ß die Rumänen diese negative Erscheinung, die in vielen traditionellen Gesellschaften eher verleugnet als angeklagt wird, inzwischen bewu‎ßter und kritischer betrachten. Die häusliche Gewalt ist leider ein uraltes Thema, das man viel zu oft nicht wahrhaben will.



    Das Bürgerbarometer über häusliche Gewalt ergab auch Folgendes: 43,5% der Befragten erklärten, sie hätten in den ersten sechs Monaten des Jahres 2013 über Situationen von häuslicher Gewalt in ihrem Bekanntenkreis oder in der Nachbarschaft gehört. 44,5% sagten, sie hätten keine Kenntnis über solche Fälle in der gegebenen Zeitspanne, und 12% haben keine Antwort gegeben. Laut Fachleuten seien die mehr als 40% der Rumänen, die Kenntnis über Situationen von häuslicher Gewalt in ihren sozialen Kreisen haben, ein Zeichen dafür, da‎ß dieses Phänomen stark vertreten ist. Mehr noch: Bei den Befragten, die Fälle von häuslicher Gewalt in ihrem Bekannten- oder Nachbarkreis kannten, sagten 65,9%, sie hätten gehört, das Opfer sei die Ehefrau gewesen; 37,9% sagten, das Opfer sei ein Kind gewesen, und 19,7% gaben an, es habe sich um eine ältere Person gehandelt. In 4,4% der Fälle war der Ehemann das Opfer von häuslicher Gewalt.




    Der Psychologe und Psychotherapeut Cristian Munteanu spricht über häusliche Gewalt in Rumänien:



    Wir, Rumänen, sind nicht gewalttätiger als andere Völker, aber man spricht bei uns kaum über das Thema häusliche Gewalt. Es gibt mehrere Formen der häuslichen Gewalt, die immer häufiger vorkommen und besorgniserregend sind. Einerseits haben wir die physische Gewalt und andererseits die psychische Gewalt, die viel tiefere Wirkungen hat. Sehr oft denkt man, die häusliche Gewalt gehe in eine einzige Richtung, in der Regel sei der Mann der gewalttätige Angreifer und die Frau sei das leidende Opfer. Es passiert aber oft auch umgekehrt, und das ist ein heikles Thema, das kaum diskutiert wird. Verbale Aggression, unendliches Querulieren, eine ständige Unzufriedenheit, Streiten und Meckern über alles Mögliche, vom Abspülen bis zur Fernbedienung. Alles kann zum Konflikt führen, sei es eine finanzielle Krise, Eifersucht, Neid, ein Scheitern, ein Arbeitsproblem, das man nach Hause bringt, die schlechten Schulzeugnisse der Kinder, eine Reise, die ewig aufgeschoben wird, oder ein Versprechen, das man nicht eingehalten hat. Streit, Zank, Zerwürfnis, Querelen ohne Ende.“




    Auf diese Weise kann jede endlose Konfliktsituation zur häuslichen Gewalt führen. Die Gewaltanwendung kann brutal sein oder sie kann subtilere Formen annehmen wie verbale Gewalt mit wiederholten Anschuldigungen, gelegentlichen oder ständigen Beleidigungen, Schikanieren, Tyrannisieren. Die physische Gewalt wird sofort sichtbar, ist schwer zu verdecken; die psychische Gewalt ist dagegen so verfeinert, da‎ß die wiederholten Aggressionen den Opfern oft nicht bewu‎ßt werden. Schlie‎ßlich verliert das Opfer die Selbstachtung und bekommt auch Gesundheitsprobleme, so der Psychologe und Psychotherapeut Cristian Munteanu:



    Auf physische Gewalt reagiert man schnell — ein blaues Auge, eine Schürfwunde, in den schlimmsten Fällen kommt das Opfer ins Krankenhaus. Die Polizei ist an der Tür, die Nachbarn sind empört, die Familie wird sozial gebrandmarkt. Die psychische oder verbale Gewalt ist genauso zerstörerisch, sie führt langsam, aber sicher zum seelischen und gesundheitlichen Verfall. Die Opfer von psychischer Gewalt werden krank, sie leiden unter Depressionen und Angstzuständen. Am schlimmsten leiden die Kinder, sie sind wie Schwämme, die sich mit Emotionen vollsaugen.“




    Eine Lösung zum Vermeiden der psychischen Gewalt wäre die Eheberatung zum Wiederherstellen der Kommunikation in der Familie, aber die Rumänen sind kaum daran interessiert. Zum Psychologen gelangen die Leidenden viel zu spät, wenn die Situation sehr kritisch wird, wenn die Konflikte eskaliert sind.



    Gegen die physische Gewalt kann man unter anderen eine bekannte Sicherheitsfirma beauftragen, Frauen vor gewalttätigen Lebenspartnern zu schützen. Aufgrund einer Anzeige sichert die Firma kostenlos die Überwachung der Wohnung und greift ein, wenn es Probleme gibt. Durch diese Kampagne werden Frauen in Bukarest, Ploieşti, Câmpina, Deva (Eisenmarkt), Temeswar, Galaţi, Brăila und Bistriţa (Bistritz) geschützt. Immer mehr Frauen finden den Mut, ihnen widerfahrenes Unrecht zu melden. In Rumänien bahnt sich das Tabuthema Gewalt in der Familie langsam den Weg in die Öffentlichkeit. Häusliche Gewalt wird nicht mehr nur als individuelles Problem betrachtet, sondern auch die gesellschaftliche und strukturelle Dimension wird erkannt.



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