Tag: Manuskripte

  • Lenau-Museum im Banat: schwäbische Bauernkultur rund um den romantischen Dichter

    Lenau-Museum im Banat: schwäbische Bauernkultur rund um den romantischen Dichter

    20 Km von der Grenze zu Serbien liegt die Gemeinde Lenauheim. Sie trägt den Namen eines österreichischen romantischen Dichters in sich — Nikolaus Lenau. Dieser wurde hier im Jahr 1802 geboren. Sein Vater war Kassierer, demnach trägt heutzutage das Gebäude der damaligen Finanzbehörde, das später als Rathaus fungierte und noch später ins Museum der Schwäbischen Kultur umgewandelt wurde, den Namen Lenau. Elfriede Klein ist die Kuratorin des Museums. Sie erzählte uns mehr Einzelheiten darüber:



    Das Gebäude wurde 1774 errichtet und war ursprünglich der Sitz der örtlichen Finanzbehörde. Gleichzeitig wurde auch die katholische Kirche erbaut. Das Gebäude birgt in konzentrierter Form das Leben des Dichters Nikolaus Lenau. In mehreren Räumen können ethnografische Puppenausstellungen gesehen werden. Die ausgestellten Puppen tragen die für das Banat typische schwäbische Volkstracht. Jedes Dorf hat eine typische Volkstracht, also werden rund 56 Puppenpaare gezeigt.“




    Als Nikolaus Lenau vier Monate alt war, verlie‎ß die Familie des Dichters das Banat und zog nach Ungarn. Seine Kindheit verbrachte er in Ungarn, in den Städten Pest, Tokaj und Pressburg (Bratislava). Danach reiste er nach Wien, wo er zwischen 1822 und 1832 seine Studien vollendete. Er studierte unter anderem Rechtsprechung, Philosophie, Agronomie und Medizin. Seinen Doktorarbeit schrieb er allerdings nicht. Er lebte als freiberuflicher Schriftsteller und genoss die Privilegien einer gro‎ßzügigen Erbschaft. Zwischen 1832 und 1844 führte er ein ruhiges Leben. In diesem Zeitraum lebte er abwechselnd in Wien und Stuttgart. Seine Werke wurden 1855, nach seinem Tod veröffentlicht. Für sein Heimatdorf ist Nikolaus Lenau eine durchaus markante Persönlichkeit, so Elfriede Klein:



    Die Dorfbewohner sind stolz, denn das Dorf trägt heute seinen Namen. Vor der Geburt des Poeten hie‎ß das Dorf Csatád. Die Rumänen nannten es Ceaţa (dt. Nebel), die deutsche Minderheit Schadat. Seit 1926 trägt die Ortschaft den Namen Lenauheim, also Heimatort Lenaus. Er war ein berühmter österreichischer Dichter, geboren im rumänischen Banat. Er lebte eine Zeitlang auch in Amerika, allerdings schrieb er dort keine Gedichte. Fast sein ganzes Leben verbrachte er in Österreich. Auch in Deutschland hielt er sich immer wieder Weile auf.“




    Das Museumsgebäude liegt in der Hauptstra‎ße. Das Haus ist im Banater schwäbischen Stil gebaut. Es hat auch einen Innenhof, trotz seines ursprünglichen Zwecks. Denn wie gesagt beherbergte das Gebäude anfänglich die damalige Finanzbehörde. Mehr Einzelheiten dazu lieferte Elfriede Klein:



    Die Besucher des Museums werden staunen, so vielfältig ist das Angebot. Jedes Dorf hat die für die Ortschaft typischen Trachten genäht. Die Volkstrachten sind sehr komplex, es steckt viel Arbeit dahinter. In jedem Dorf gab es eine Näherin, die sich damit befasste. Sämtliche Puppen wurden bei der Puppenfabrik in Arad — bekannt unter dem Namen »Arădeanca« — bestellt und gekauft. Die Fabrik gibt es auch heute noch. Und in jedem Dorf gibt es noch eine Näherin, die den Auftrag erhielt, Trachten für diese Puppen zu nähen. Die Puppen sind in fünf Räumen ausgestellt. Wir verfügen über drei weitere Überraschungsräume, mit Mobiliar aus der damaligen Zeit, also aus 1821. Wir stellen auch ein Bett und eine Kommode aus, die von Hand gemalt wurden. Die zwei Möbelstücke stammen ebenfalls aus dem Jahr 1821. Wir haben ein Wohnzimmer und ein Schlafzimmer nachgebaut. Und auch eine Speisekammer — das Schmuckstück eines jeden Haushaltes.“




    Die Lenau-Ausstellung umfasst heutzutage sieben Räume im linken Flügel des Gebäudes, im ersten Stockwerk. Fotografien, Manuskripte und Briefe von Nikolaus Lenau werden hier ausgestellt. Diese widerspiegeln verschiedene Aspekte aus dem Leben des Dichters. Auch die Wahrnehmung seiner Werke kommt in der Ausstellung zum Vorschein. Denn Nikolaus Lenau war eine vielseitige Persönlichkeit, stets auf der Suche nach der gro‎ßen, wahren Liebe.



    Die Ausstellung umfasst darüber hinaus auch Werkzeuge, landwirtschaftliche Geräte sowie für den Haushalt typische Gegenstände. Die Küche scheint ihre Gäste mit gedecktem Tisch zu erwarten. Ein altes Bügeleisen steht bereit, man möchte gern zugreifen und irgendeine Tischdecke glätten. Der rote Steinpflasterboden sorgt für Kühle und die Frische in der Speisekammer und die Holzfässer — in denen früher Sahne und weitere Milchprodukte aufbewahrt wurden — laden die Gäste zu einer Phantasieübung ein.



    Auch Bücher und Manuskripte von Nikolaus Lenau können im Museum gesichtet werden. Das Museum stellt au‎ßerdem verschiedene Gegenstände vor, die dem Dichter und seiner Familie gehört haben. Im Zentrum der Gemeinde gibt es auch ein Standbild des Poeten. Die Statue wurde im Jahr 1905 errichtet.

  • Jubiläumsausstellung: 100 Jahre Dadaismus

    Jubiläumsausstellung: 100 Jahre Dadaismus

    Dieses Jahr feiert die Kulturwelt 100 Jahre Dadaismus — aus diesem Anlass wurde neulich im Bukarester Kulturzentrum ARCUB die Ausstellung TZARA.DADA.ETC. eröffnet. Der Kunsthistoriker Erwin Kessler stellte die Ausstellung mit Stücken aus der Sammlung der Familie Emilian Radu zusammen. Es handelt sich um die wichtigste Retrospektive mit Kreationen und Publikationen des dadaistischen Schriftstellers Tristan Tzara in Rumänien. Gleichzeitig ist die Ausstellung TZARA.DADA.ETC. die erste Ausstellung weltweit, die einen Gro‎ßteil der Erstausgaben von Tzaras Werken mit Illustrationen von wichtigen internationalen Künstlern präsentiert. Die Ausstellung ist auch eine Hommage an die Eröffnung des Cabarets Voltaire und die Geburt der Dada-Bewegung am 5. Februar 1916 in Zürich. Zu den wichtigsten Dada-Texten von Tristan Tzara zählen La Première Aventure céleste de Monsieur Antipyrine“ (Das erste himmlische Abenteuer des Herrn Antipyrine“), von 1916 und Vingt-cinq poèmes“ (25 Dichtungen“) von 1918 sowie die Manifeste der Dada-Bewegung: Sept manifestes Dada“ (Sieben Dada-Manifeste“) von 1924. Weitere Werke von Tristan Tzara, die besichtigt werden können, sind LHomme approximatif“ (Der ungefähre Mensch“) von 1931, Parler seul“ (Selbstgespräche“) von 1950 und La Face intérieure“ (Die innere Seite“) von 1953. Erwin Kessler, der Kurator der Ausstellung TZARA.DADA.ETC., mit weiteren Details:



    Es ist schon etwas Besonderes, dass ein junger Mann aus Rumänien, der in November 1915 Bukarest verlässt, am 5. Februar 1916 die gro‎ße Bühne der internationalen Kunst und Kultur betritt und eine neue Kulturbewegung mitbegründet. Das ist auch die These unserer Ausstellung, nämlich, dass Anfang 1916 der Dadaismus in einem Inspirationsmahlstrom entstand, und dass die aus Rumänien stammenden Schriftsteller und Künstler Tristan Tzara, Marcel Iancu und Arthur Segal in einem unglaublichen Wirbel die Dada-Bewegung geschaffen haben. Die Ausstellung im Bukarester Kulturzentrum ARCUB präsentiert etwa 100 Stücke aus der Sammlung Emilian Radu. Der Bukarester Sammler Emilian Radu hat in den letzten Jahren viel Mühe und viel Geld aufgeopfert, um zahlreiche Dokumente über Tristan Tzara und die Dada-Bewegung zusammenzustellen. Das sind einmalige Originalstücke — viele davon wurden noch nie öffentlich gezeigt, auch wenn sie für den Dadaismus von gro‎ßer Bedeutung sind. Ein relevantes Beispiel wäre ein Brief von Tristan Tzara an André Breton aus dem Jahr 1919. Es ist ein enorm wichtiger Brief, den Tzara auf einem zerrissenen Blatt aus seinem ersten Buch, »25 Dichtungen«, geschrieben hat. In diesem Brief arrangiert er seine Reise nach Paris und somit die Umsiedlung der Dada-Bewegung von Zürich nach Paris.“




    Auf dem Gipfel seines Erfolges beschlie‎ßt Tristan Tzara, sich vom öffentlichen Leben zurückzuziehen. In einem Interview mit seinem Freund Ilarie Voronca für die bekannte Avantgarde-Publikation Integral“ sagte Tristan Tzara: Ich schreibe, um Menschen zu entdecken. Und ich habe in der Tat Menschen entdeckt, aber diese Menschen enttäuschten mich so sehr, dass dieser Beweggrund wie der Raureif aus meinem Horizont, aus meinem Interesse verschwunden ist. Die Tatsache aber, dass ich heute noch das Objekt meines Interesses doch als meiner Aufmerksamkeit würdig betrachte, macht mich noch viel trauriger. Es ist mir endlich klar geworden, dass die anderen nur schrieben, wenn nicht unbedingt um auf die soziale Leiter hochzuklettern, dann mindestens um in die Bank ihrer Beziehungen ein Anlagekonto zu machen, welches ihnen eines Tages das Tor einer Akademie aufmacht, die mir nichts bedeutet. Ich schreibe weiter für mich selbst, und weil ich keine Menschen finde, suche ich ständig nach mir selbst. Im Gegenteil zu den verbreiteten falschen Gerüchten, laut denen Dada durch den Rücktritt einiger Individuen gestorben wäre, bin ich derjenige, der Dada absichtlich getötet hat, weil ich der Ansicht war, dass der damalige Zustand der individuellen Freiheit letzten Endes sich in einen kollektiven Zustand verwandelt hatte, und dass die verschiedenen ‚Präsidenten‘ angefangen hatten, ähnlich zu fühlen und ähnlich zu denken. Und nichts ist mir unsympathischer als die Gehirnfaulheit, welche die individuellen Bewegungen vernichtet, sich dem Wahnsinn nähert und gegen das allgemeine Interesse verstö‎ßt.“ Hören wir noch einmal Erwin Kessler, den Kurator der Ausstellung TZARA.DADA.ETC.:



    Tristan Tzara war in der Tat extrem enttäuscht, und in Bezug auf diese Enttäuschung kann ich Ihnen einen weiteren Brief aus dieser Sammlung und implizit aus dieser Ausstellung zeigen. Es ist ein Schriftstück von Tristan Tzara an einen Angestellten des französischen Pressebüros, welcher Dokumentation über den Dadaismus zusammenstellte. Als dieser Angestellte ihm 1928 eine Akte über Dada schickte, antwortete Tristan Tzara voller Traurigkeit, er möchte nichts mehr über Dada und Dadaismus erhalten, sondern nur Dokumentation über sich selbst. Nach dieser tiefen Enttäuschung hatte er sich vom Dadaismus, seiner eigenen Kreation, getrennt. Dadaismus war eigentlich eine Unternehmung gewesen — eine Unternehmung zur Bezugsherstellung, zur Kommunikation, zur Publikation, eine einmalige soziale und politische Unternehmung. Indem ich diese Unternehmung verfolgte, entdeckte ich den echten Tristan Tzara. Ich habe ihn nicht jetzt, neulich, entdeckt — seit etwa sechs Jahren recherchiere ich über Tristan Tzara, ich lese über ihn und stelle Dokumentationen über sein Leben und Werk zusammen, ich habe mehrere Studien über Tristan Tzara veröffentlicht, einschlie‎ßlich im Ausland, in den USA. Ich schrieb über seine Fähigkeit, aus dem Nichts eine kulturelle Bewegung von au‎ßergewöhnlichem Ausma‎ß zu schaffen. Zurzeit ist der Neodadaismus eine wichtige Strömung mit einem bedeutenden Beitrag zur Gegenwartskunst.“




    Die Ausstellung TZARA. DADA. ETC., die in Bukarest bis Ende April zu besichtigen ist, präsentiert Originalwerke, Graphiken von berühmten Avantgarde-Künstlern wie André Breton, Pablo Picasso, Henri Matisse, Joan Miró, Sonia Delaunay, Max Ernst, Alberto Giacometti, Yves Tanguy, Jean Arp und Marcel Iancu, Erstauflagen von Werken wichtiger Avantgarde-Autoren und historische Avantgarde-Publikationen, Plakate über Dada-Aktionen und Veranstaltungen der Zwischenkriegszeit sowie eine beeindruckende Sammlung mit Fotoaufnahmen, die Tristan Tzara in allen Etappen seines Lebens darstellen. Die Ausstellung TZARA. DADA. ETC. gehört zu den Kulturevents, die anlässlich der Kandidatur der rumänischen Hauptstadt Bukarest als Europäische Hauptstadt 2021 vom Bukarester Kulturzentrum ARCUB organisiert werden.